Nernst-Gleichung
Die Nernst-Gleichung (benannt nach Walther Nernst) folgt direkt aus dem elektrochemischen Gleichgewicht und beschreibt die Konzentrationsabhängigkeit des Elektrodenpotentials eines Redox-Paares (Ox + z e− Red)
Durch Zusammenfassen der Naturkonstanten R und F und Berechnung für die feste Temperatur von 25 °C (298 K) vereinfacht sich diese Form für die praktische Anwendung zu:
Elektrodenpotential | |
Standardelektrodenpotential | |
Universelle oder molare Gaskonstante, R = 8,31447 J mol−1 K−1 = 8,31447 C V mol−1 K−1 | |
absolute Temperatur (= Temperatur in Kelvin) | |
Anzahl der übertragenen Elektronen (auch Äquivalentzahl) | |
Faraday-Konstante, F = 96485,34 C mol−1 = 96485,34 J V−1 mol−1 | |
Aktivität des betreffenden Redox-Partners |
Interpretation und Bedeutung
Jede Kombination von zwei Elektroden nennt man Galvanische Zelle (z. B. Batterien, Akkus oder auch biologische Zellen). Ihre Leerlaufspannung U0 (historisch: Elektromotorische Kraft) ist gleich der Potentialdifferenz ΔE der Elektroden, die bei Anwendung der Nernst-Gleichung auf die Halbzellen als U0 = ΔE = EAkzeptor − EDonator berechnet werden kann. Analog erlaubt sie die Berechnung der sich einstellenden Gleichgewichtsaktivitäten, wenn an die Halbzellen eine Spannung angelegt wird.
Die Nernst-Gleichung besitzt zentrale Bedeutung in der Elektrochemie, Galvanik und Elektroanalytik, weil sie die elektrische Größe Spannung (bzw. Elektrodenpotential) mit der chemischen Größe Konzentration verbindet. Sie ist streng genommen nur gültig für Zellen ohne Überführung und stromlose Vorgänge, bietet aber einen Ausgangspunkt für die Herleitung von Gleichungen in stromdurchflossenen elektrochemischen Systemen. Das Nernstpotential U0 multipliziert mit der Ladung z·F für einen molaren Stoffumsatz z·F·U0 ergibt die Gibbsenergie. ∆G = −z·F·U0. Das Nernstpotential gibt demnach die chemische Energie der elektrochemischen Reaktion, geteilt durch die beteiligte Ladung an.
Alternative Formulierungen
Die Bezeichnung Nernst-Gleichung wird je nach Anwendung für verschiedene abgeleitete oder erweiterte Gleichungen benutzt.
Spezielle (historische) Nernst-Gleichung
Die ursprüngliche Form leitete im Jahr 1889 der deutsche Physiker und Chemiker Walther Nernst unter Verwendung von Konzentrationen c ab.
Der Faktor R T / ze F wird Nernst-Faktor oder Elektrodensteilheit genannt; eine Wertetabelle für R T / ze F bei verschiedenen Temperaturen befindet sich im Artikel zur Elektrodensteilheit.
Allgemeine Nernst-Gleichung (Herleitung)
Für die Änderung der Gibbs-Energie (Freien Enthalpie) einer chemischen Reaktion, an der Stoffe gemäß
beteiligt sind, gilt
auf die Standardaktivität bezogene Aktivität des Stoffes | |
stöchiometrischer Koeffizient des Stoffes in der Reaktionsgleichung (negativ für Edukte) |
Der Zusammenhang zwischen und dem Logarithmus ist plausibel, da einerseits proportional zur Teilchenzahl (oder der Schreibweise der chemischen Gleichung) ist, andererseits in den Aktivitätsquotienten die einzelnen Aktivitäten mit der Potenz der stöchiometrischen Koeffizienten eingehen. Der Logarithmus wandelt den Exponenten in einen Faktor um.
ergibt pro dasselbe (elektro-)chemische Potential wie .
ist die bei konstantem Druck und konstanter Temperatur aus der Reaktion maximal gewinnbare Arbeit, die vollständig in nutzbare elektrische Arbeit umgewandelt werden kann. Aufgrund des Energieerhaltungssatzes gilt
was in der allgemeinen Nernst-Gleichung resultiert
Die allgemeine Nernst-Gleichung erlaubt für die betrachtete Reaktion die Berechnung der Gleichgewichtskonstanten (für ), Richtung (freiwillig für , erzwungen für ) und Spannung , die die Reaktion liefert, wenn man ihre Redox-Teilreaktionen in getrennten Halbzellen ablaufen lässt.
siehe auch: chemisches Potential, elektrochemisches Potential
Anwendung
Die Nernst-Gleichung findet in der potentiometrischen Titration Verwendung. Beispielsweise wird eine Messelektrode in eine Probelösung eingetaucht und muss auf das zu bestimmende Ion reagieren, das heißt, das Potential dieser Elektrode muss abhängig von der Konzentration des zu bestimmenden Ions sein. Diese Abhängigkeit wird durch die Nernst-Gleichung beschrieben. Bei dem Versuch ist darauf zu achten, dass die Messung stromlos erfolgt, da sich sonst durch Elektrolyse die Potentiale verfälschen würden. Man verwendete daher zur Messung eine Spannungs-Kompensationsschaltung.
Reduktion
Für die Reduktion
geht die allgemeine Form unmittelbar in die erstgenannte Gleichung über. Diese Identität hat zwei praktische Bedeutungen:
- Die elektrochemische Spannungsreihe listet prinzipiell Reduktionen.
- Da man jede chemische Reaktion in Oxidations- und Reduktionsteilreaktionen von Redox-Paaren zerlegen kann, ist ΔE die Summe der mit den zugehörigen stöchiometrischen Koeffizienten multiplizierten Nernst-Gleichungen für die Teilreaktionen. Dabei gehen die Oxidationsteilreaktionen mit negativem stöchiometrischen Koeffizienten ein.
Knallgasreaktion
Die Teilreaktionen der so genannten Knallgasreaktion
laufen als Oxidation
bzw. Reduktion
räumlich getrennt in Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzellen ab. Die damit erzielbare Spannung kann mit der Nernst-Gleichung berechnet werden und beträgt unter Standardbedingungen ΔE0 = 1,23 V.
Konzentrationselemente
Ein Konzentrationselement besteht aus zwei Halbzellen, die Elektrolyte mit den gleichen Bestandteilen enthalten, aber mit unterschiedlicher Ionenkonzentration. Es eignet sich daher besonders zur Demonstration der Nernst-Gleichung.
Ein Beispiel ist ein Kupfer-Konzentrationselement aus zwei Kupferelektroden und zwei Kupfersulfatlösungen, die sich nur in der Konzentration unterscheiden. Bei Stromfluss gleichen sich dann die Konzentrationen in den Zellen an, denn es laufen dann folgende Reaktionen ab:
Die Reduktion in der Halbzelle mit der größeren Kupferionenkonzentration cg:
Die Oxidation in der Halbzelle mit der kleineren Kupferionenkonzentration ck:
Anhand der Nernst-Gleichungen für die Teilreaktionen oder mit der allgemeinen Nernst-Gleichung der Gesamtreaktion erhält man für die Spannung ΔE des Kupfer-Konzentrationselements:
Allgemein gilt für die Spannung eines Konzentrationselements:
- .
Im Temperaturbereich von 22 bis 26 °C gilt:
- .
Konzentrationselemente mit verschiedenen Elementen
Bei Konzentrationselementen mit unterschiedlichen Elementen und Konzentrationen, die von den Normalbedingungen abweichen, wird folgende Formel verwendet:
- .
- a = Vorfaktor der Oxidationsseite (Beispiel: 4 )
- b = Vorfaktor der Reduktionsseite (Beispiel: 2 )
pH-Wert
Betrachten wir H+-Konzentrations-Elemente (), dann geht die Nernst-Gleichung bei Raumtemperatur (T = 298,15 K ≙ 25 °C), Umwandlung des natürlichen Logarithmus in den dekadischen Logarithmus (lg a(H+) = ln a(H+) / ln 10) und unter Beachtung der Definition des pH-Wertes (pH = −lg a(H+)) in die Form
über. Glaselektroden zur pH-Messung stellen im Prinzip solche H+-Konzentrations-Elemente dar. In ihnen befindet sich eine Lösung mit bekanntem pH-Wert. Wird Kontakt zu einer Lösung mit unbekanntem pH-Wert hergestellt, misst das zugehörige Messgerät eine Spannung, die mit dem Faktor 0,059 V direkt in einen pH-Wert umgerechnet und angezeigt wird. Der Faktor kann herstellungsbedingt variieren und muss vor der Verwendung kalibriert werden, liegt jedoch immer nahe 0,059 V.
Lambdasonden
Bei einer Lambdasonde, deren Sensorelement für Sauerstoffionen leitfähig ist, stellt sich aufgrund des Konzentrationsgefälles des Sauerstoffes zwischen Luft und Abgas eine Spannung ein, die benutzt wird, um mit der Lambdaregelung ein gewünschtes Gemisch einzustellen.
Nernst-Gleichung in der Biologie und Physiologie
In biologischen Systemen trennen Zellmembranen Bereiche unterschiedlicher Ionenkonzentrationen ab. Ist die Membran für ein bestimmtes Ion selektiv permeabel, wird es entlang des Konzentrationsgradienten diffundieren, gleichzeitig entsteht aber, da das Ion geladen ist, eine Spannung (Ruhemembranpotential). Mit der Nernst-Gleichung lässt sich die Gleichgewichtslage dieses Vorgangs beschreiben.
Gebräuchlich ist eine vereinfachte Form der Gleichung, bei der R, F und T (310 K) sowie der Umrechnungsfaktor zum dekadischen Logarithmus in eine Konstante gefasst werden:
Siehe auch: Goldman-Gleichung
Literatur
- Gerold Adam, Peter Läuger, Günther Stark: Physikalische Chemie und Biophysik. 5., überarb. Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-642-00423-0.
- P. W. Atkins, Julio De Paula (Hrsg.): Physikalische Chemie. 5. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2013, ISBN 978-3-527-33247-2.