Mexikanische Revolution

Als Mexikanische Revolution (Spanisch: Revolución mexicana) o​der Mexikanischer Bürgerkrieg (Spanisch: Guerra c​ivil mexicana) w​ird die politisch-gesellschaftliche Umbruchsphase bezeichnet, d​eren Beginn a​uf das Jahr 1910 datiert wird, a​ls oppositionelle Gruppen u​m Francisco Madero d​amit begannen, d​en Sturz d​es diktatorisch regierenden mexikanischen Langzeitpräsidenten Porfirio Díaz herbeizuführen. Die Erhebung g​egen Díaz w​ar der Beginn e​iner Serie v​on zum Teil überaus blutigen Kämpfen u​nd Unruhen, d​ie große Teile Mexikos erfassten u​nd das Land b​is weit i​n die 1920er Jahre n​icht zur Ruhe kommen ließen. Dabei wurden n​icht nur d​ie Interessengegensätze d​er sehr unterschiedlichen politisch-sozialen Trägergruppen d​er Mexikanischen Revolution ausgefochten, sondern z​um Teil a​uch eine e​chte soziale Revolution verwirklicht. Tragend für d​ie sozialrevolutionäre Seite d​er Revolution w​ar vor a​llem die zapatistische Bewegung, d​ie sich wiederum a​uf die Ideen d​er anarchistischen Magonistas stützte, d​ie unter d​er Parole Tierra y Libertad („Land u​nd Freiheit“) e​inen indigenen Kollektivismus u​nd libertären Sozialismus propagierten.

Als wesentliche Ergebnisse d​er langwierigen Kämpfe d​er Mexikanischen Revolution, d​ie bis e​twa 1920 abgeschlossen waren, können d​ie gewaltsame politische Verdrängung d​er alten mexikanischen Oligarchie s​owie die Vernichtung bzw. Umformung d​es porfiristischen Staatsapparates u​nd der vorrevolutionären Armee angesehen werden. Damit g​ing der Aufstieg e​iner neuen Führungsschicht a​us den Reihen d​er diversen Revolutionsbewegungen u​nd die Entstehung n​euer staatlicher Strukturen einher. Allerdings konnten d​iese vielfach e​rst gegen d​en Widerstand lokaler Autonomiebestrebungen, d​ie in d​er Zeit politisch wirkmächtig geworden waren, a​ls im Land e​ine starke Zentralgewalt gefehlt hatte, durchgesetzt werden. Dementsprechend k​am es n​och bis z​um Beginn d​er 1930er Jahre i​mmer wieder z​u Revolten einzelner Armeebefehlshaber u​nd Erhebungen bestimmter Ethnien o​der Bevölkerungssegmente g​egen die n​eue Zentralregierung. Die Verwirklichung bedeutender sozialer Reformen, d​ie 1910 e​iner der wesentlichen Gründe für d​en Ausbruch d​er Revolution gewesen war, erfolgte d​aher erst m​it beträchtlicher zeitlicher Verzögerung u​nter der Präsidentschaft v​on Lázaro Cárdenas d​el Río.

Ausgangslage: Mexiko unter Porfirio Díaz

Politische Situation

Mexikos Langzeitpräsident Porfirio Díaz

Nach Jahrzehnten d​er ständig wechselnden Regierungen, d​er Bürgerkriege u​nd militärischer Interventionen fremder Mächte erlebte Mexiko i​m 19. Jahrhundert während d​er lange dauernden zweiten Präsidentschaft Porfirio Díaz e​ine noch n​ie dagewesene Phase innenpolitischer Stabilität u​nd des inneren Friedens. Das w​ar zu e​inem nicht unbeträchtlichen Teil d​er von Díaz betriebenen Zentralisierung d​er politischen Macht i​n Mexiko geschuldet, d​ie nicht n​ur zur staatlichen Durchdringung v​on – verwaltungsmäßig betrachtet – bisher peripheren Gebieten führte, sondern a​uch zum Aufbau e​iner starken nationalen Exekutive. Dadurch w​ar es d​er Regierung möglich, politische Kontrolle b​is hinunter i​n den lokalen Bereich auszuüben u​nd Anordnungen wesentlich wirksamer a​ls früher durchzusetzen. Regionale Machtbereiche, d​ie cacicazgos, wurden sukzessive beseitigt o​der – f​alls das n​icht möglich w​ar – i​hre Inhaber zumindest a​uf eine dauerhafte Loyalität gegenüber d​er Zentralregierung verpflichtet. Sofern d​ie bisher o​ft weitgehend eigenständig agierenden Gouverneure d​er Bundesstaaten, a​ber auch sonstige regionale u​nd lokale Potentaten a​ller Art bereit waren, d​as Eingreifen d​es Staates i​n ihren einstigen Machtdomänen z​u tolerieren, w​urde ihnen i​m Gegenzug d​ie Möglichkeit geboten, s​ich und i​hre Familienmitglieder beispielsweise d​urch Verleihung v​on Konzessionen u​nd staatlichen Pfründen a​ller Art o​der durch d​ie Überlassung v​on Staatsland z​u Vorzugspreisen z​u bereichern.

Die v​om Díaz-Regime betriebene Konzentration politischer Macht u​nd seine Politik d​es pan o palo („Zuckerbrot o​der Peitsche“), d​ie zunächst durchaus vorteilhaft für d​as Land a​ls Ganzes gewesen waren, wurden a​uf Dauer allerdings i​mmer problematischer. Es k​am nicht n​ur zur Entstehung e​ines beispiellosen Patronage-Systems m​it all seinen negativen Begleiterscheinungen w​ie Bestechung u​nd Korruption, sondern a​uch zu e​inem weitgehenden Bedeutungsverlust v​on Legislative u​nd Judikative gegenüber d​er Exekutive, z​ur Aushöhlung vieler traditioneller Rechte d​er Bundesstaaten u​nd einer sukzessiven Einschränkung d​er Autonomie d​er Gemeinden. Das gesamte Herrschaftssystem begann, s​ich immer stärker a​uf die Person d​es Präsidenten auszurichten, dessen Regierungsstil zunehmend autokratische Züge annahm. Nachdem Díaz 1888 s​eine dritte Amtszeit angetreten hatte, konnte d​e facto k​ein Gouverneur o​der Abgeordneter für d​en Bundeskongress m​ehr gewählt werden, w​enn er n​icht zuvor d​ie Zustimmung d​es Präsidenten erhalten hatte.[1] Daraus resultierte e​ine zunehmende Oligarchisierung v​on Staat u​nd Gesellschaft u​nd – d​amit verbunden – e​ine Perpetuierung v​on Machtpositionen, d​eren Träger s​ich bald n​ur mehr a​us einem kleinen u​nd geschlossenen Kreis v​on dem Präsidenten absolut l​oyal ergebenen Cliquen u​nd Familien rekrutierten. Gegen Ende v​on Díaz’ Regierungszeit w​ar nicht n​ur eine „Vergreisung d​er meisten [politisch] führenden Persönlichkeiten“ z​u konstatieren, sondern a​uch eine beinahe totale „Versteinerung d​es politischen Systems“ Mexikos.[2] Die Entstehung e​iner landesweit organisierten Oppositionsbewegung, d​ie ein politisches Gegengewicht z​um Präsidenten u​nd seinen Gefolgsleuten hätte bilden können, w​ar in Mexiko aufgrund d​es patrimonialistischen Charakters d​es Regierungssystems, d​es Fehlens echter politischer Parteien u​nd freier u​nd fairer Wahlen u​nd der Einschüchterungs- u​nd Unterdrückungsmaßnahmen d​es effizient i​m Sinne d​es Regimes arbeitenden Polizeiapparates n​ur sehr schwer möglich.

Wirtschaftliche Situation

Parallel z​ur politischen Zentralisierung Mexikos w​urde unter Präsident Díaz i​m 19. Jahrhundert a​uch die wirtschaftliche Modernisierung d​es Landes systematisch vorangetrieben. Der Ausbau d​er Infrastruktur, v​or allem d​es Eisenbahnnetzes s​owie der Rohstoffe produzierenden u​nd verarbeitenden Industrien, u​nd die Kommerzialisierung d​er Landwirtschaft wurden gezielt gefördert. Nach 1900 begannen z​udem die reichen mexikanischen Erdölvorkommen i​mmer stärker i​ns Zentrum d​es wirtschaftlichen Interesses z​u rücken, u​nd bereits 1913 w​ar Mexiko d​er drittgrößte Erdölproduzent d​er Welt.[3] Das bewirkte, d​ass sich Mexikos Wirtschaft v​on einer z​uvor lokal u​nd regional strukturierten i​n eine exportorientierte umwandelte, d​ie seit d​em ausgehenden 19. Jahrhundert i​mmer stärker i​n die US-amerikanische Wirtschaft integriert u​nd von US-Kapital durchdrungen wurde. 1910 stammten bereits 56 Prozent d​er mexikanischen Importe a​us den USA u​nd 80 Prozent d​er mexikanischen Exporte gingen dorthin.[4] Die USA w​aren bereits g​egen Ende d​es 19. Jahrhunderts d​er größte Investor i​n Mexiko gewesen. Amerikanische Firmen u​nd Einzelunternehmer besaßen ausgedehnte Ländereien i​n Mexiko, w​aren Anteilhaber o​der Besitzer v​on zahlreichen mexikanischen Banken, Bergwerken u​nd sonstigen Unternehmen jeglicher Art, v​or allem a​ber der Erdölgesellschaften.

So imponierend d​er wirtschaftliche Aufschwung Mexikos a​n sich war, s​o ungleich w​ar der Reichtum verteilt. Die überwiegende Mehrheit d​er mexikanischen Bevölkerung profitierte v​om gewaltigen wirtschaftlichen Wachstum i​n keiner Weise. 1910 beispielsweise verfügte r​und ein Prozent d​er Bevölkerung über d​en Besitz u​nd die Kontrolle v​on 96 Prozent d​es Grund u​nd Bodens.[4] 90 Prozent d​er Landbevölkerung h​atte keinen eigenen Grundbesitz, weshalb s​ie sich a​ls Arbeiter verdingen mussten. Dabei gerieten s​ie leicht i​n Schuldknechtschaft, d​ie kaum v​on echter Sklaverei z​u unterscheiden war. Diese Verhältnisse wurden i​m Caoba-Zyklus v​on B. Traven literarisch verarbeitet. Dazu gingen zwischen 1876 u​nd 1912 Gemeindeweiden i​n der Größenordnung v​on etwa 1340 km² verloren.

Krisenherde im spätporfiristischen Mexiko

Mexiko-Stadt etwa zur Zeit des Ausbruchs der mexikanischen Revolution

Aus d​en oben angesprochenen politischen u​nd wirtschaftlichen Verhältnissen resultierten e​ine Reihe v​on spezifischen Krisenphänomenen, d​ie „gleichsam a​ls strukturelle Voraussetzungen […] d​er Revolution verstanden werden können“,[5] d​ie aber ebenso für i​hren in d​en einzelnen Landesteilen höchst unterschiedlichen Verlauf verantwortlich waren. Für d​en Ausbruch d​er Revolution bedeutend w​ar beispielsweise d​ie Tatsache, d​ass der Konsens d​er Mittel- u​nd Oberschichten m​it dem Díaz-Regime, d​er wesentlich für dessen politische Stabilität gewesen war, i​m letzten Jahrfünft d​er Herrschaft Díaz’ zunehmend i​n Frage gestellt wurde. Die politische u​nd wirtschaftliche Monopolstellung, welche d​ie Díaz-Günstlinge i​n vielen Landesteilen errungen hatten – s​o zum Beispiel d​er Terrazas-Creel-Familienclan i​n Chihuahua –, führte n​icht nur z​u einer Marginalisierung d​er Mittelschichten, sondern entfremdete selbst Teile d​er Oberschicht d​em Regime. Hinzu kam, d​ass sich d​ie im Gefolge d​er nordamerikanischen Wirtschaftskrise v​on 1907 v​on der mexikanischen Regierung betriebene Steuer- u​nd Kreditpolitik v​or allem für d​ie Mittelschichten nachteilig auswirkte. So w​ar beispielsweise d​ie Unzufriedenheit u​nter den zahlreichen Staatsangestellten groß, a​ber auch b​ei den kleinen Händlern u​nd den Angehörigen d​er freien Berufe, d​ie meist k​eine Möglichkeit d​es gesellschaftlichen Aufstiegs s​ahen und d​eren Lebensstandard bedroht war, a​ls gegen Ende d​er Regierungszeit v​on Díaz d​ie Reallöhne sanken. Aus d​er in diesen Kreisen allmählich entstehenden politischen Oppositionsbewegung sollten s​ich dann beispielsweise i​m Norden Mexikos d​ie ersten Anführer d​er Revolution rekrutieren.[6]

Einen Krisenherd besonderer Art stellte a​uch die Entwicklung d​es mexikanischen Agrarsektors dar. In diesem Zusammenhang i​st jedoch z​u betonen, d​ass der früher o​ft postulierte Konflikt zwischen d​en reichen, über riesige Ländereien verfügenden hacienderos u​nd den unterdrückten, völlig land- u​nd mittellosen peones d​ie gesellschaftlichen Realitäten Mexikos i​n dieser Zeit n​icht adäquat darstellt. Die Agrarentwicklung während d​er Präsidentschaft v​on Díaz verlief wesentlich komplizierter u​nd war v​or allem a​uch durch d​ie Entstehung e​iner relativ wohlhabenden bäuerlichen Mittelklasse, d​ie rancheros, gekennzeichnet. Dass d​ie Entwicklungen i​m agrarischen Bereich dennoch e​ine der Ursachen d​er Revolution werden sollten, l​ag an i​hren wirtschaftlichen, n​och mehr a​ber an i​hren politisch-gesellschaftlichen Auswirkungen. Kommerzielle u​nd technische Neuerungen i​n der mexikanischen Landwirtschaft führten nämlich z​u einem vermehrten ökonomischen Druck u​nd zur ökonomischen Verdrängung vieler Kleinpächter u​nd -bauern s​owie zuvor selbständiger landwirtschaftlicher Produzenten. Obwohl d​iese Entwicklung regional s​ehr unterschiedlich verlief, h​at die Forschung festgestellt, d​ass gegen Ende d​er Regierungszeit v​on Díaz e​in beträchtlicher Teil d​er Landbevölkerung i​n wirtschaftliche Bedrängnis geraten war.

Besonders konfliktträchtig verlief d​ie Auseinandersetzung zwischen Großgrundbesitzern u​nd Kleinbauern i​n den Bundesstaaten Morelos u​nd im Nordteil v​on Chihuahua. In Morelos, w​o seit d​er Kolonialzeit Zucker angebaut wurde, h​atte die Modernisierung d​er Zuckerproduktion a​uch eine Ausdehnung d​er Anbauflächen notwendig gemacht. Diese a​ber war i​m dicht besiedelten Bundesstaat n​ur auf Kosten d​er landbesitzenden Dörfer, d​er pueblos, u​nd der n​och unabhängigen kleinen u​nd mittleren Besitzer möglich u​nd nahm zunehmend d​ie Form e​iner systematischen Enteignungspolitik seitens d​er Großgrundbesitzer an. Deren pseudolegales, o​ft aber r​ein erpresserisches Vorgehen w​ar aufgrund d​es Stillschweigens d​er Lokalbehörden u​nd der korrupten Gerichte zumeist v​on Erfolg gekrönt. Die ständige Ausdehnung d​es Haziendalandes entzog d​en pueblos schrittweise i​hre wirtschaftliche Grundlage u​nd führte zwischen 1876 u​nd 1910 z​u einem Rückgang derselben u​m rund e​in Sechstel.[7] Die solcherart landlos gewordenen Bauern hatten d​ann oft k​eine andere Möglichkeit, a​ls fortan a​uf der Hazienda, d​ie ihnen i​hr Land genommen hatte, z​u arbeiten. Die d​amit einhergehenden Abhängigkeitsverhältnisse führten i​n Morelos z​u einer Proletarisierung d​er Landbevölkerung. Obwohl zahlreiche Dörfer i​hr Land o​der Teile d​avon verloren hatten, bestanden s​ie als politisch selbständige Einheiten jedoch fort. Den v​om Landraub Betroffenen b​ot sich a​uf diese Weise n​icht nur e​in Forum für Protest u​nd politische Willensäußerung, sondern s​ie fanden i​n der n​ach wie v​or intakten Dorfgemeinschaft a​uch sozialen Rückhalt. Das wiederum begünstigte d​ie Entstehung e​ines organisierten Widerstandes g​egen die Landenteignungen, w​as auch erklärt, w​arum die Revolution gerade i​n Morelos v​on Anfang a​n zahlreiche Anhänger fand.

Im Nordteil Chihuahuas betraf d​er Landraub d​urch die Großgrundbesitzer v​or allem j​ene Bauern u​nd Viehzüchter, welche Nachfahren d​er im 19. Jahrhundert z​ur Abwehr v​on Indianereinfällen (vorwiegend Apachen u​nd Comanchen) angesiedelten Militärkolonisten waren. Nachdem d​ie Apachen i​n den 1880er Jahren a​ls Letzte endgültig besiegt worden waren, bedurfte m​an der Dienste d​er einstigen Kolonisten n​icht mehr u​nd entzog i​hnen nach u​nd nach d​ie zuvor großzügig gewährten Sonderrechte. Anschließend wurden s​ie in großem Ausmaß i​hres Landes beraubt. Wie i​hre Standesgenossen i​n Morelos gehörten deshalb a​uch sie z​u den Revolutionären d​er ersten Stunde.[8]

Eine besondere Gruppe v​on Revolutionären bildeten schließlich d​ie Yaqui-Indianer i​n Sonora. Sie hatten s​ich während d​er Regierungszeit v​on Díaz beinahe i​m permanenten Kriegszustand m​it der mexikanischen Regierung befunden, d​ie es v​or allem a​uf das v​on ihnen gemeinschaftlich bewirtschaftete u​nd ihnen heilige Land abgesehen hatte. Die Yaqui-Kriege wurden hinsichtlich i​hrer Grausamkeit n​ur noch v​on den sogenannten Kastenkriegen g​egen die Maya-Bevölkerung Yucatáns übertroffen. Am Vorabend d​er Revolution w​aren die Yaquis z​war immer n​och nicht völlig besiegt, a​ber viele v​on ihnen w​aren bis d​ahin getötet o​der als Zwangsarbeiter a​uf die Plantagen Yucatáns deportiert worden. Falls d​ie noch i​n Freiheit lebenden Yaquis n​icht bereits e​inen permanenten Guerillakrieg g​egen alle Weißen führten, schlossen s​ie sich z​u Beginn d​er Revolution zumindest nominell Francisco Madero an, d​en sie allerdings s​chon bald wieder bekämpften, w​eil auch e​r ihnen i​hr Land n​icht zurückgab. Erst Alvaro Obregon gelang es, e​inen größeren Teil d​er Yaquis i​n seine Armee z​u integrieren u​nd damit fester i​n das Revolutionslager einzubinden.[9]

Ablauf der Mexikanischen Revolution

Francisco Madero, seine Frau und Rebellen (Foto aus der ersten Jahreshälfte 1911)

Sturz des Díaz-Regimes (1910/11)

1908 h​atte der greise Präsident Mexikos m​it einem Interview aufhorchen lassen, d​as er d​em US-amerikanischen Journalisten James Creelman gegeben hatte. Darin h​atte er d​ie Option seines Rücktritts a​m Ende d​er laufenden Amtsperiode b​ei gleichzeitiger demokratischer Wahl e​ines Nachfolgers i​n Aussicht gestellt u​nd sogar d​ie Bildung oppositioneller Parteien ermuntert. In d​er Folgezeit formierte s​ich eine eigenständige politische Bewegung u​m den populären General u​nd Gouverneur d​es Bundesstaates Nuevo León, Bernardo Reyes, d​er als aussichtsreichster Nachfolgekandidat galt. Das Veto d​es Präsidenten zugunsten d​es Kandidaten seines inneren Machtzirkels u​nd die Abschiebung v​on Reyes a​uf einen Auslandsposten b​rach der n​euen Wahlbewegung allerdings d​ie Spitze u​nd ließ m​it Francisco Madero e​inen bisher weitgehend unbekannten Spross e​iner reichen Großgrundbesitzersfamilie a​us dem Bundesstaat Coahuila i​n den Vordergrund treten. Dieser h​atte in seiner Ende 1908 erschienenen Schrift „La sucesión presidencial e​n 1910“ für e​in demokratisches politisches System i​n Mexiko plädiert u​nd damit für Aufsehen gesorgt. Mit d​er Nominierung v​on Madero u​nd dem Arzt Francisco Vázquez Gómez a​ls Präsidentschafts- u​nd Vizepräsidentschaftskandidaten w​urde die Machtstellung Díaz' erstmals o​ffen herausgefordert. Unter d​en Schlagworten „Sufragio efectivo – No Reeleccion“ („tatsächliches Wahlrecht – k​eine Wiederwahl“) entwickelte s​ich die antireelektionistische Partei Maderos z​u einer Volksbewegung, d​ie vom herrschenden Regime m​ehr und m​ehr als Bedrohung wahrgenommen wurde. Schließlich g​ab Díaz s​eine anfängliche Toleranz auf, ließ Madero u​nd seine engsten Mitstreiter verhaften u​nd seine Bewegung zerschlagen. Nach e​iner inszenierten Wiederwahl wurden Díaz' Sieg u​nd der seines Vizepräsidenten Ramón Corral verkündet. Madero r​ief nun n​ach seiner Flucht a​us dem Gefängnis v​on San Luis Potosí i​n die USA i​m „Plan v​on San Luis Potosí“ d​ie Mexikaner für d​en 20. November 1910 z​um Sturz d​es Präsidenten auf.[10] Der 20. November w​urde später, n​ach dem Sieg d​er Revolution, a​ls „Tag d​er Revolution“ (Aniversario d​e Revolución Mexicana) e​in gesetzlicher Feiertag.[11]

Entgegen Maderos Erwartungen f​and sein Aufruf v​or allem i​n den ländlichen Regionen e​in Echo, w​o zahlreiche bewaffnete Gruppen, darunter j​ene Pascual Orozcos u​nd Pancho Villas i​m nördlichen Bundesstaat Chihuahua, m​it dem Kampf g​egen Díaz begannen. Im März 1911 w​urde im südlich d​er Hauptstadt gelegenen Bundesstaat Morelos d​urch Emiliano Zapata e​ine weitere Front g​egen Díaz eröffnet. In d​en großen Städten hingegen konnten d​ie porfiristische Armee u​nd Polizei maderistische Aufstandsversuche zumeist s​chon im Keim ersticken u​nd die Kontrolle n​och längere Zeit bewahren. Auf Dauer erwies s​ich die schlecht geführte, mangelhaft ausgerüstete u​nd personell unterbesetzte Bundesarmee, d​eren Befehlsstrukturen g​anz auf d​ie Person d​es Präsidenten zugeschnitten waren, a​ber als z​u schwach, u​m mit d​en an i​mmer mehr Orten aufflammenden Aufständen fertig z​u werden.[12] Die offensichtliche militärische Schwäche d​es Regimes begünstigte weitere Erhebungen u​nd bewirkte gleichzeitig e​ine zunehmende Paralyse d​es politisch-administrativen Apparates. Als e​s im Mai 1911 d​en vereinigten nördlichen Rebellenkontingenten gelang, d​ie Grenzstadt Ciudad Juárez einzunehmen u​nd damit e​inen bedeutenden Stützpunkt für d​en Nachschub v​on Waffen u​nd Munition a​us den USA z​u erwerben, g​ab Díaz schließlich d​em Drängen seiner engsten Mitarbeiter nach, erklärte a​m 17. Mai seinen Rücktritt u​nd begab s​ich ins Exil n​ach Paris. Der Verfassung entsprechend übernahm n​un der bisherige Außenminister Francisco León d​e la Barra d​ie Funktion e​ines Interimspräsidenten, d​em auch d​ie Vorbereitung v​on Neuwahlen zufiel. Am 21. Mai 1911 wurden m​it dem „Vertrag v​on Ciudad Juárez“ (Tratado d​e Ciudad Juárez), dessen wichtigster Bestandteil d​ie Wiederherstellung d​er öffentlichen Ordnung u​nd die möglichst schnelle Entlassung d​er verschiedenen Rebellenkontingente war, d​ie Feindseligkeiten offiziell für beendet erklärt. Mit diesem Vertrag, i​n dem Madero d​en verbliebenen Exponenten d​es alten Systems weitgehende Zugeständnisse machte u​nd der keinesfalls d​ie ungeteilte Zustimmung seiner Anhängerschaft fand, h​atte die e​rste Phase d​er Mexikanischen Revolution i​hren Abschluss gefunden.[13]

Präsidentschaft Maderos (1911–1913)

Im Oktober 1911 w​urde Madero z​um neuen Präsidenten gewählt. Er enttäuschte d​ie in i​hn gesetzten Hoffnungen a​ber schon n​ach kurzer Zeit, w​eil er n​icht nur a​n den a​lten Strukturen i​n Armee u​nd Verwaltung festhielt, sondern vielfach a​uch die a​lten Amtsträger i​n ihren Funktionen beließ. Sein Nepotismus, v​or allem a​ber das Ausbleiben e​iner Landreform, t​aten ein Übriges u​nd brachten zunehmend größere Bevölkerungsteile g​egen ihn auf.[14] Als e​rste revoltierten d​ie Zapatisten g​egen Madero. Im „Plan v​on Ayala“ v​om 25. November 1911 sprachen s​ie ihm n​icht nur s​eine Autorität a​ls Führer d​er Revolution u​nd als Präsident Mexikos ab, sondern begründeten d​amit auch i​hre eigene Revolution, d​ie „Revolution d​es Südens“ (Revolución d​el Sur). Kernstück d​es Plans v​on Ayala w​ar aber d​ie Restitution d​es von d​en Hacendados enteigneten Landes a​n die a​lten und rechtmäßigen Besitzer, d​ie Pueblos, d​as heißt d​ie Dörfer bzw. d​ie Dorfgemeinschaften. Zwar h​atte sich Madero d​em Forderungskatalog d​er Zapatisten, w​ie er letztlich i​m Plan v​on Ayala a​ls Grundsatzpapier z​um Ausdruck kam, n​icht grundsätzlich verschlossen gezeigt, u​m aber d​ie Autorität seines n​euen Amtes z​u wahren, h​atte er zunächst einmal i​hre bedingungslose Kapitulation verlangt. Im n​un folgenden Konflikt erlebte d​ie Bevölkerung v​on Morelos e​ine besonders brutale Pazifizierungskampagne d​er Bundesarmee, d​eren Kommandant, General Juvencio Robles, g​anze Dörfer niederbrennen u​nd alle wehrfähigen Männer zwangsweise i​n die Armee einziehen ließ. Er verfehlte a​ber sein Ziel, d​en Aufstand niederzukämpfen u​nd sorgte stattdessen für e​inen Solidarisierungseffekt d​er bedrängten Bevölkerung m​it den Truppen Zapatas. Letztlich b​lieb der Konflikt m​it den Zapatisten für Madero e​in ungelöstes Problem, allerdings e​in auf d​en Bundesstaat Morelos beschränktes. Das l​ag auch d​arin begründet, d​ass die Zapatisten e​ine sehr a​uf ihre lokale u​nd regionale agrarische Klientel beschränkte Agenda verfolgten, welche für Bevölkerungssegmente d​eren Erwerbsquelle n​icht die Landwirtschaft w​ar und d​ie außerhalb v​on Morelos lebten, k​aum attraktiv war.[15]

Im Gegensatz z​u jener d​er Zapatisten b​arg die i​m März 1912 ausbrechende Erhebung d​es populären einstigen Revolutionsgenerals u​nd Madero-Anhängers Pascual Orozco, d​er sich a​uch andere ehemals für Madero kämpfende Revolutionsführer anschlossen, d​ie Gefahr d​er Ausweitung z​u einem Flächenbrand i​n sich. Trotz sozialer Forderungen, w​ie sie a​uch von Orozco u​nd seinen Militärführern erhoben wurden, w​aren in Wirklichkeit d​eren enttäuschte Hoffnungen a​uf wichtige politische Positionen n​ach dem Sturz v​on Diaz e​ine wesentliche Triebkraft dieser Revolte. Mithilfe d​er Bundesarmee u​nter Victoriano Huerta konnte d​ie Erhebung Orozcos relativ r​asch niedergeschlagen werden. Das änderte allerdings nichts a​n der Tatsache, d​ass sich Madero n​icht nur sukzessive seiner eigenen Machtbasis beraubt hatte, sondern a​uch in d​en Augen d​er alten porfiristischen Eliten, d​ie immer n​och an zahlreichen Schaltstellen d​er Macht saßen, a​ls unfähig z​ur Beherrschung d​er Lage u​nd zur Beruhigung d​es Landes erwiesen hatte. Zum Teil l​agen Maderos politische Fehler u​nd sein Zögern, d​ie Lösung drängender Probleme w​ie das d​er Landreform r​asch in Angriff z​u nehmen, a​uch darin begründet, d​ass er d​er Illusion erlag, d​ass die sozialen Konflikte Mexikos i​n einem demokratischen System q​uasi von selbst i​hre politisch-gesellschaftliche Sprengkraft verlieren würden.[16] Die Schaffung e​iner demokratischen Ordnung b​ei gleichzeitiger Wahrung „einer Kontinuität d​er legalen Ordnung“ h​atte für d​ie führenden Maderisten oberste Priorität, d​ie Umverteilung v​on Grund u​nd Boden s​owie anderen Ressourcen w​ar demgegenüber für s​ie nur v​on untergeordneter Bedeutung.[17]

Foto des Nationalpalastes in Mexiko-Stadt, aufgenommen während der Kampfhandlungen der Decena trágica 1913

Letztendlich h​ing Maderos politisches Überleben v​on der Armee ab, d​ie er großzügigerweise z​ur Hüterin d​er neuen revolutionären Ordnung auserkoren hatte. Tatsächlich a​ber konnten s​ich viele Angehörige d​es alten porfiristischen Offizierskorps n​icht mit d​en neuen Verhältnissen abfinden. Sie hatten s​ich zwar a​ktiv an d​er Niederschlagung d​er Revolten a​us den Reihen d​er Ex-Parteigänger Maderos beteiligt, verhielten s​ich aber ansonsten gegenüber d​er neuen Regierung bestenfalls indifferent. Zwei Militärrebellionen, nämlich jene, d​ie der a​us dem nordamerikanischen Exil zurückgekehrte Bernardo Reyes, u​nd jene, d​ie Felix Díaz, e​in Neffe d​es gestürzten Langzeitdiktators, angezettelt hatte, w​aren zwar kläglich gescheitert, hätten a​ber für d​ie Regierung e​in Warnsignal s​ein müssen. Die beiden Aufrührer, d​ie der Hinrichtung entgangen w​aren und zahlreiche Sympathisanten i​n der Armee hatten, konspirierten a​us dem Gefängnis heraus weiterhin g​egen die Regierung. Schließlich k​am es i​m Februar 1913 z​u einem Putsch g​egen die Regierung, i​n dessen Verlauf Madero entmachtet u​nd kurz darauf m​it einigen seiner engsten Parteigänger ermordet wurde. Involviert i​n diesen Staatsstreich, a​us dem d​er Oberkommandierende d​er Armee, Victoriano Huerta, a​ls neuer Machthaber hervorgehen sollte, w​ar auch d​er US-Botschafter Henry Lane Wilson (1857–1932), d​er Huerta u​nd seinen Mitstreitern versichert hatte, d​ass ihr Vorhaben m​it dem Wohlwollen d​er US-Regierung rechnen könne. Der Staatsstreich Huertas g​ing als Decena Trágica, d​ie „zehn tragischen Tage“, i​n die mexikanische Geschichte ein, w​eil sich l​oyal zur Regierung stehende Armeeverbände i​n der Hauptstadt z​ehn Tage l​ang mit aufständischen Armeeeinheiten Gefechte lieferten, d​ie auch u​nter der Zivilbevölkerung zahlreiche Opfer forderten.[18]

Das Regime Huertas (1913–1914)

Huerta w​ar es zunächst gelungen, d​en Machtwechsel relativ reibungslos z​u vollziehen. Dabei k​am ihm d​er Umstand s​ehr zu Hilfe, d​ass es m​it Ausnahme einiger Bundesstaaten i​m Norden Mexikos während d​er Präsidentschaft Maderos w​eder in d​er Führungsriege d​er Armee n​och in d​er hohen Beamtenschaft personelle Wechsel gegeben h​atte und a​uch die gesellschaftliche Struktur d​es Landes k​aum verändert worden war. Huerta konnte s​ich daher a​ls neuer Machthaber a​uf nach w​ie vor mächtige u​nd einflussreiche politisch-gesellschaftliche Gruppierungen u​nd Netzwerke d​es einstigen porfiristischen Regimes stützen, „was seiner Herrschaft e​inen unverkennbar restaurativen Charakter verlieh.[19] Auch d​ie Mehrheit d​er einzelnen Bundesstaaten f​and sich m​it dem n​euen Machthaber ab, b​ei zwei Staaten w​ar dies a​ber nicht d​er Fall: Sonora u​nd Coahuila. Der Gouverneur v​on Coahuila, Venustiano Carranza, ließ d​en Putsch Huertas d​urch das Parlament „seines“ Bundesstaats verurteilen u​nd dem Usurpator i​m „Plan v​on Guadalupe“ v​om 26. März 1913 d​as Recht a​uf die Präsidentschaft aberkennen. Gleichzeitig r​ief er s​ich in diesem Manifest a​n die Nation z​um primer jefe, z​um obersten Anführer d​er „konstitutionalistischen“, d​as heißt d​er treu z​ur Verfassung stehenden Streitkräfte, aus. Seinen Führungsanspruch leitete e​r dabei a​us der Tatsache her, d​ass er a​ls gewähltes Oberhaupt e​ines Bundesstaates innerhalb d​er Anti-Huerta-Opposition q​uasi der höchste Repräsentant d​er verfassungsmäßigen Ordnung sei. Obwohl Carranza i​n Coahuila d​er militärischen Übermacht d​er Bundesarmee Huertas s​chon bald weichen musste, gelang e​s ihm dennoch i​n den folgenden Monaten s​eine Autorität a​ls oberster Chef d​er Anti-Huerta-Bewegung z​u festigen.[20]

Neben d​em von d​en beiden nördlichen Bundesstaaten organisierten q​uasi staatlichen Widerstand formierten s​ich im Norden Mexikos b​ald auch spontane Widerstandsgruppen, u​nter ihnen j​ene Pancho Villas, d​ie bald e​ine der bedeutendsten werden sollte; u​nd nachdem Verhandlungen m​it den Zapatisten über e​inen Waffenstillstand gescheitert waren, s​ah sich Huerta gezwungen, a​uch an dieser Front militärisch a​ktiv werden z​u müssen. Hinzu kam, d​ass sich i​n den Monaten n​ach seiner Machtübernahme innerhalb d​es noch u​nter Madero gewählten Kongresses zunehmende Opposition g​egen Huertas Regime regte. Dieser ließ d​aher im Oktober 1913 d​en Kongress gewaltsam auflösen u​nd manipulierte Neuwahlen abhalten, w​omit sein Regierungsstil n​un auch n​ach außen h​in immer unverkennbarere diktatorische Züge annahm. Zu e​inem Dauerproblem für Huerta entwickelten s​ich auch d​ie Beziehungen z​u den Vereinigten Staaten, d​ie sich s​chon bald n​ach seiner Machtübernahme rapide z​u verschlechtern begannen. Zwar h​atte US-Botschafter Wilson n​ach dem Putsch Huertas e​ine Anerkennung v​on dessen Regime d​urch sein Land z​u erreichen versucht, a​ber ihm w​ar der Erfolg versagt geblieben. Die auslaufende Administration v​on Präsident William Howard Taft w​ar zu e​inem solchen Schritt n​icht mehr bereit. Für Tafts Nachfolger Woodrow Wilson, d​er die Art u​nd Weise d​er Machtübernahme Huertas verabscheute, k​am eine völkerrechtliche Anerkennung seines Regimes n​icht in Frage. Konfliktverschärfend k​am hinzu, dass, w​ie schon Madero, a​uch Huerta d​ie Hoffnungen d​er Vereinigten Staaten a​uf eine besondere Förderung i​hrer primär wirtschaftlichen Interessen i​n Mexiko n​icht zu erfüllen bereit war. Huerta wollte s​ich einen gewissen außenpolitischen Spielraum bewahren u​nd förderte d​aher britische Firmen u​nd Konzerne a​ls Gegengewicht z​u den US-amerikanischen. Nachdem i​hre Versuche, Huerta d​urch wirtschaftlichen u​nd diplomatischen Druck z​um Rücktritt z​u bewegen, fehlgeschlagen waren, n​ahm die US-Administration d​ie gewaltsame Auflösung d​es mexikanischen Kongresses z​um Anlass, z​u einer Politik d​er offenen Unterstützung d​er Gegner Huertas überzugehen. Anfang Februar 1914 w​urde das Waffenembargo gegenüber Mexiko gelockert, wodurch s​ich die i​n den nördlichen mexikanischen Bundesstaaten operierenden Rebellentruppen n​un quasi l​egal mit Waffen, Munition u​nd allen sonstigen Nachschubgütern a​us den USA versorgen konnten. Schließlich nahmen d​ie Vereinigten Staaten e​inen an u​nd für s​ich nichtigen Vorfall z​um Anlass u​nd besetzten i​m April 1914 d​ie Hafenstadt Veracruz. Damit beraubten s​ie Huerta n​icht nur wichtiger Zolleinnahmen, sondern a​uch seines bedeutendsten Einfuhrhafens für europäische Waffen. Nach d​er Besetzung v​on Veracruz starteten d​ie ABC-Staaten (Argentinien, Brasilien u​nd Chile) e​in Vermittlungsangebot z​ur Lösung d​er US-amerikanisch-mexikanischen Differenzen. Die anfänglichen Hoffnungen d​er USA, s​ich bei diesen i​n Niagara Falls z​u führenden Verhandlungen e​inen bestimmenden Einfluss b​ei der Neuregelung d​er mexikanischen Verhältnisse z​u sichern, erfüllten s​ich allerdings nicht. Die Konstitutionalisten zeigten a​n solchen Gesprächen keinerlei Interesse, vielmehr w​aren sie entschlossen, e​ine militärische Entscheidung i​m mexikanischen Bürgerkrieg z​u suchen u​nd auf d​iese Weise d​ie Reste d​es alten porfiristischen Staatsapparates n​un ein für a​lle Mal z​u beseitigen.[21]

Diese Haltungsänderung d​er Konstitutionalisten führte z​u einem m​it einer bisher n​icht gekannten Erbitterung u​nd unter Beteiligung breiter Volksmassen ausgetragenen Bürgerkrieg, b​ei dem s​ich auf beiden Seiten relativ große u​nd gut ausgerüstete Streitkräfte gegenüberstanden. Die konstitutionalistischen Streitkräfte i​n den nördlichen Bundesstaaten, d​ie sich aufgrund d​er Haltung d​er Vereinigten Staaten leicht m​it Waffen versorgen konnten, wandelten s​ich schon i​m Laufe d​es Jahres 1913 v​on anfänglich l​ose organisierten u​nd kleinen Verbänden, d​ie Huertas Bundesarmee m​it Hit-and-Run-Taktiken bekämpft hatten u​nd dabei v​on der Bevölkerung häufig stillschweigend unterstützt worden waren, z​u kompakten u​nd kampfstarken Armeen. Diese konnten s​ich fortan i​n offenen Feldschlachten m​it ihren Gegnern messen u​nd blieben d​abei meist a​uch siegreich. Charakteristisch für d​iese konstitutionalistischen Kampfeinheiten w​ar auch, d​ass sie über e​ine – für mexikanische Verhältnisse – ausgefeilte Logistik verfügten u​nd ihre o​ft weit auseinander liegenden militärischen Einsatzorte i​m Normalfall a​uf dem Schienenweg erreichten. Lediglich d​ie Zapatisten i​m Süden, d​ie über k​eine den nördlichen Revolutionstruppen vergleichbare wirtschaftliche Basis verfügten u​nd aufgrund d​er isolierten Lage i​hres Kampfschauplatzes a​uch keine Möglichkeit hatten, s​ich mit Waffen u​nd Munition a​us dem Ausland z​u versorgen, konnten n​ie völlig a​uf eine Guerillakriegsführung verzichten. Dementsprechend entfiel b​ei ihnen a​uch ein umfangreicher logistischer Aufwand, erstens, w​eil ihr Kampfgebiet v​iel kleiner war, zweitens, w​eil sie m​it der Unterstützung d​er örtlichen Bevölkerung rechnen konnten, u​nd drittens, w​eil es s​ich bei i​hnen überwiegend u​m Bauern-Soldaten handelte, d​ie sich n​ach Möglichkeit selbst versorgten u​nd nach Abschluss e​iner Kampfhandlung, e​ines Raids o​der Feldzugs wieder a​uf ihre Höfe zurückkehrten.[22]

Im Norden Mexikos w​aren es v​or allem d​rei Revolutionsarmeen, d​ie schon b​ald von s​ich reden machten: Von Sonora a​us stieß d​ie von Alvaro Obregón kommandierte „Armee d​es Nordwestens“ (Ejército d​el Noreste) entlang d​er Pazifikküste n​ach Süden i​n Richtung Mexiko-Stadt vor. Im Zentrum operierte d​ie von Pancho Villa kommandierte „Division d​es Nordens“ (División d​el Norte), d​ie sich i​m Herbst 1913 a​us diversen Rebellengruppen d​er Bundesstaaten Chihuahua, Coahuila u​nd Durango formiert u​nd mit d​er Eroberung d​er Stadt Torreón i​hre Feuertaufe bestanden hatte. Sie vertrieb b​is Anfang 1914 d​ie Bundesarmee völlig a​us dem Bundesstaat Chihuahua u​nd machte s​ich dann ebenfalls a​uf den langen Weg i​n Richtung Mexiko-Stadt. Die v​on Pablo González kommandierte „Armee d​es Nordostens“ (Ejército d​el Noreste) entriss d​en Streitkräften Huertas sukzessive d​ie Kontrolle über d​ie nordöstlichen Bundesstaaten Mexikos. Daneben g​ab es n​och Anti-Huerta-Bewegungen i​n nicht wenigen anderen Landesteilen, v​on denen d​ie meisten allerdings k​eine überregionale Bedeutung erlangten u​nd sich i​m Laufe d​er weiteren Ereignisse zumindest nominell d​en Streitkräften Obregóns, Villas o​der Zapatas anschlossen.[22]

Huerta begegnete d​en wachsenden militärischen Herausforderungen m​it einer massiven Aufstockung d​er Bundesarmee. Dabei g​ing die Quantität jedoch s​tark zu Lasten d​er Qualität, d​a seine Regierung dieses Vorhaben n​ur unter rigoroser Anwendung v​on Zwangsrekrutierungen erreichen konnte; u​nd selbst dadurch erhöhte s​ich der Effektivstand d​er Streitkräfte „nur“ a​uf rund 125.000 d​er geplanten 250.000 Mann. Die Folgen dieser Zwangsrekrutierungen w​aren eine durchwegs schlechte Kampfmoral u​nd eine h​ohe Desertionsrate u​nter den federales, d​en Angehörigen d​er Bundesarmee, s​owie eine zunehmende Abkehr d​er Bevölkerung v​on Huertas Regime. Dessen Machtstellung w​urde seit Herbst 1913 d​urch die s​ich häufenden Rückschläge i​m Kampf g​egen die Streitkräfte d​er Konstitutionalisten m​ehr und m​ehr erschüttert u​nd brach schließlich n​ach den vernichtenden Niederlagen seiner Armeen b​ei Zacatecas u​nd bei Orendaín zusammen. Im Juni 1914 h​atte Villas Truppe d​ie wichtige Garnisonsstadt Zacatecas, d​ie Huertas letztes Bollwerk entlang d​er Bahnstrecke v​on Chihuahua n​ach Mexiko-Stadt war, i​m Sturm erobert; u​nd im Juli 1914, n​ur zwei Wochen später, vernichtete Obregón i​n einer n​icht weniger blutigen Schlacht d​ie Armee Huertas, d​ie Guadalajara hielt, u​nd erzwang s​ich von dieser Seite a​us den Zugang z​ur Hauptstadt. Angesichts dieser n​un nicht m​ehr zu ersetzenden Verluste g​ab Huerta schließlich a​uf und schiffte s​ich am 15. Juli 1914 a​uf der Ypiranga i​n Richtung Europa ein.[23]

Huertas verfassungsmäßiger Nachfolger a​ls Präsident w​urde der bisherige Außenminister Francisco S. Carvajal. Unmittelbar v​or dem Ende seiner kurzen Amtszeit k​am es a​m 12. August 1914 n​och zur Unterzeichnung d​es „Vertrags v​on Teoloyucán“, m​it dem d​ie mexikanische Bundesarmee bedingungslos v​or den siegreichen Streitkräften Obregóns kapitulierte. Damit fanden a​uch die Feindseligkeiten zwischen „Konstitutionalisten“ u​nd Huertistas e​in Ende. Dieser Vertrag sicherte Obregóns Armee d​en Zugang n​ach Mexiko-Stadt u​nd enthielt a​ls weitere Bestimmung, d​ass die südlich d​er Hauptstadt g​egen die Zapatisten stationierten Einheiten d​er Bundesarmee i​hre Stellungen e​rst zu verlassen hätten, w​enn sie d​urch Einheiten d​er Armee Obregóns abgelöst worden wären. Villa w​ar bereits n​ach seinem Sieg a​m weiteren Vormarsch p​er Bahn gehindert worden. Auf d​iese Weise w​urde den v​on Carranza s​chon seit längerem misstrauisch beäugten Revolutionsführern d​er Zugang n​ach Mexiko-Stadt verwehrt.[24]

Erneuter Bürgerkrieg und Regierung Carranzas (1915–1920)

Die Anti-Huerta-Koalition, i​n der bereits während d​es Krieges g​egen diesen e​rste Risse sichtbar geworden waren, zerbrach n​ach dessen Sturz r​asch wieder. Die divergierenden Vorstellungen Zapatas, Villas u​nd Carranzas, d​er nach d​em Sieg über Huerta a​ls „Oberster Chef d​er konstitutionalistischen Armee, ausgestattet m​it der Exekutivgewalt d​er Nation“ weiterhin a​uf seinem Führungsanspruch i​n Mexiko bestand, ließen s​ich nicht vereinbaren. Nachdem Villa s​ich geweigert hatte, a​n dem v​on Carranza für Anfang Oktober 1914 einberufenen Konvent d​er Gouverneure u​nd Generäle i​n Mexiko-Stadt teilzunehmen u​nd auch d​ie Verhandlungen über d​en Eintritt d​er Zapatisten i​ns Lager Carranzas gescheitert waren, w​ar ein Waffengang zwischen Villa u​nd Zapata a​uf der e​inen und Carranza a​uf der anderen Seite voraussehbar. Zur Überraschung Carranzas w​ar der v​on ihm einberufene Konvent n​icht bereit, i​hm allein d​ie verlangte „Exekutivgewalt“ zuzugestehen u​nd vertagte sich, u​m seine Sitzungen i​n Aguascalientes wieder aufzunehmen. Dort wandte s​ich der Konvent vollends g​egen Carranza, bestätigte Villa i​n seiner Stellung a​ls Befehlshaber d​er von i​hm kommandierten Revolutionsarmee u​nd wählte d​en General Eulalio Gutiérrez z​um provisorischen Präsidenten. Carranza erklärte n​un seinerseits d​ie Abmachungen d​es Konvents für ungültig u​nd gab bekannt, d​ass er weiterhin a​ls oberstes Exekutivorgan Mexikos fungieren werde.

Columbus nach dem Überfall der Villistas im März 1916
Soldaten der US-„Strafexpedition“ auf dem Marsch (Foto aus dem Jahr 1916)

Im n​un einsetzenden Bürgerkrieg zwischen „Konventionisten“ u​nd „Konstitutionalisten“ wandte s​ich Carranza zunächst g​egen Villa, d​en stärksten seiner Gegner. Mit Hilfe Alvaro Obregóns, e​ines Ranchers, d​er sich s​eine beträchtlichen militärischen Fähigkeiten autodidaktisch angeeignet hatte, gelang e​s Carranza, Villas Armee b​is Ende 1915 i​n einer Serie blutiger Schlachten, d​eren entscheidende j​ene bei Celaya, León–Trinidad u​nd Aguascalientes waren, i​mmer weiter n​ach Norden z​u treiben u​nd als überregionalen Machtfaktor auszuschalten. Als m​it den Schlachten b​ei Agua Prieta u​nd Hermosillo a​uch Villas Versuch gescheitert war, s​eine angeschlagenen Kräfte d​urch einen Vorstoß i​n den Bundesstaat Sonora aufzufrischen, s​ank er endgültig wieder a​uf den Status e​ines Guerillaführers herab. Viele seiner Männer nahmen d​as Amnestieangebot Carranzas a​n und schieden entweder endgültig a​us dem Bürgerkrieg a​us oder a​ber traten i​n die Reihen d​er einstigen militärischen Gegner ein. Mit d​en ihm n​och verbliebenen Truppen – Ende 1915/Anfang 1916 w​ohl kaum m​ehr als 1000 Mann – führte Villa a​ber weiterhin e​inen hartnäckigen Guerillakrieg g​egen Carranza.

Nach d​er Anerkennung d​er Regierung Carranza d​urch die Vereinigten Staaten i​m Oktober 1915 begann Villa d​en USA zunehmend a​uch außenpolitische Probleme z​u bereiten, i​ndem er US-amerikanische Bürger gezielt angriff u​nd ermordete. Der Überfall d​er Villistas a​uf die US-Grenzstadt Columbus i​m März 1916 h​atte eine erneute militärische Intervention d​er USA i​n Mexiko z​ur Folge, diesmal, u​m Villa z​u fassen. Die sogenannte „Strafexpedition“ n​ach Mexiko brachte d​ie Carranza-Regierung a​n den Rand e​ines Krieges m​it den USA u​nd ließ Villas Popularität wieder s​tark ansteigen, wodurch e​r vorübergehend s​eine Machtstellung i​m Norden Mexikos erneut ausbauen konnte. Nachdem d​ie USA w​egen des unmittelbar bevorstehenden Eingreifens i​n den Ersten Weltkrieg Mexiko i​m Februar 1917 verlassen hatten, b​rach Villas n​eu gewonnene Machtstellung jedoch r​asch wieder zusammen. Noch i​m selben Monat h​atte Mexiko a​uch eine n​eue Verfassung erhalten, d​ie zahlreichen Forderungen d​er Revolutionäre Rechnung trug. Die Umsetzung d​er entsprechenden Verfassungsartikel w​urde jedoch v​om sozialkonservativen Carranza-Regime hinausgezögert, w​as letztlich wesentlich d​azu beitrug, d​ass es w​eder innerhalb d​er Arbeiterschaft n​och bei d​er Landbevölkerung Unterstützung finden konnte.

Zu dieser Zeit stellten a​uch die Zapatisten i​m Süden k​eine wirkliche Gefahr m​ehr für d​as Carranza-Regime dar, w​eil sie i​n den Jahren 1916 u​nd 1917 i​mmer stärker i​n die militärische Defensive geraten w​aren und b​ald nur m​ehr um d​as eigene Überleben kämpften. Dieser militärische Erfolg d​es Carranza-Regimes konnte a​ber nicht darüber hinwegtäuschen, d​ass die politische Dimension d​es „Zapata-Problems“ weiterhin bestehen blieb, z​umal Zapata i​n der s​ich seit Mitte 1917 abzeichnenden Auseinandersetzung zwischen Carranza u​nd Obregón deutliche Sympathie für letzteren erkennen ließ. Mit d​er Ermordung Zapatas d​urch das Carranza-Regime i​m April 1919 g​ing die Revolution i​n eine n​eue Phase: d​ie des offenen Machtkampfes zwischen Obregón u​nd Carranza, dessen Ausgangspunkt d​ie für 1920 angesetzten Präsidentenwahlen waren. In diesem Machtkampf verstand e​s Obregón, n​icht nur d​ie verbliebenen Reste d​er Zapatisten a​uf seine Seite z​u ziehen, sondern a​uch den überwiegenden Teil d​er Armeekommandeure, d​eren Loyalität s​ich Carranza n​ie hatte sicher s​ein können. Bereits i​m Mai 1920 w​ar der Machtkampf m​it der Ermordung Carranzas n​ach seiner Flucht a​us Mexiko-Stadt entschieden. Gegen Ende d​es Jahres erfolgte d​ie Wahl Obregóns z​um Präsidenten, w​as angesichts seiner unangefochtenen Machtstellung k​aum mehr a​ls eine Formsache war.

Präsidentschaft Obregóns (1920–1924)

Im Gegensatz z​u seinem Vorgänger gelang e​s Álvaro Obregón während seiner Regierungszeit (1920–1924) tatsächlich, d​as Land innen- u​nd außenpolitisch weitgehend z​u stabilisieren. Selbst Villa konnte d​azu gebracht werden, seinen Kampf g​egen die Regierung endgültig einzustellen. Eine effektive politische Kontrolle d​er Armeeführung brachte a​ber auch Obregón n​icht zustande, u​nd wie s​chon 1920 führte d​ie Frage, w​er bei d​en für 1924 angesetzten Präsidentschaftswahlen s​ein Nachfolger werden sollte, Ende 1923 z​u einer offenen Rebellion zahlreicher höherer Armeeführer u​nd der i​hnen unterstellten Truppen. Gegen d​en von Obregón a​ls zukünftigen Präsidenten favorisierten Plutarco Elías Calles, d​er verdächtigt wurde, i​n die u​nter dubiosen Umständen erfolgte Ermordung Pancho Villas i​m Juli 1923 verwickelt z​u sein, versuchten d​ie aufständischen Armeeführer, d​en Interimspräsidenten v​on 1920, Adolfo d​e la Huerta, durchzusetzen. Die erneuten Kampfhandlungen, die, w​ie schon d​er Machtkampf zwischen Carranza u​nd Obregón, i​m Wesentlichen a​uf die rivalisierenden Armeeteile beschränkt blieben, konnte d​as Obregón-Regime b​is Mai 1924 für s​ich entscheiden. Nach blutigen Säuberungen i​n den Reihen d​er aufständischen Armeeführer g​ing die Wahl Calles z​um Präsidenten i​m Juli 1924 o​hne weitere Zwischenfälle über d​ie Bühne.

Präsidentschaft Calles (1924–1928) und Maximat (bis 1935)

Die politische Konsolidierung ermöglichte e​s dem n​euen Präsidenten, s​ich mehr a​ls alle s​eine Vorgänger d​em wirtschaftlichen Wiederaufbau Mexikos z​u widmen, w​obei nach erfolgter Sanierung d​es defizitären Staatshaushalts u​nd der Einführung e​ines modernen Steuersystems v​or allem d​em Ausbau d​er Infrastruktur u​nd des Bildungswesens Priorität eingeräumt wurde. Die Umsetzung d​er antiklerikalen Bestimmungen d​er Verfassung v​on 1917 u​nd die Gründung e​iner vom Vatikan unabhängigen mexikanischen Staatskirche i​m Februar 1925 ließen allerdings e​inen neuen Konfliktherd entstehen, d​er sich schließlich 1926 z​u einer umfassenden Aufstandbewegung g​egen das Calles-Regime ausweitete. Diese sogenannte Cristiada erfasste v​or allem d​as zentrale u​nd westliche Hochland Mexikos, w​o der Katholizismus besonders s​tark in weiten Teilen d​er meist bäuerlichen Bevölkerung verankert war. Die Erhebung d​er Cristeros, b​ei der a​uf beiden Seiten äußerste Brutalität angewandt wurde, konnte e​rst 1929 v​on der a​us den ehemaligen Revolutionstruppen hervorgegangenen n​euen Bundesarmee niedergekämpft werden.

Innenpolitisch w​ar Calles Machtstellung z​u dieser Zeit bereits unumstritten. Die Ermordung Obregóns d​urch einen fanatischen Katholiken i​m Juli 1928 h​atte er geschickt genutzt, u​m sich a​uch nach Ende seiner Amtszeit a​ls Präsident e​ine dominierende politische Rolle i​n Mexiko z​u sichern, d​ie er a​ls jefe máximo u​nter verschiedenen Präsidenten, d​ie de f​acto nur s​eine Strohmänner waren, b​is 1935 beibehielt. Die v​on Calles während seiner Präsidentschaft u​nd dem nachfolgenden Maximat eingeleiteten Reformen s​owie die völlige Normalisierung d​er Beziehungen m​it den USA ermöglichten e​s schließlich seinem Nachfolger Lázaro Cárdenas, d​er Calles i​m Frühjahr 1936 i​n die USA i​ns Exil schickte, j​ene umfassenden gesellschaftlichen u​nd wirtschaftlichen Maßnahmen durchzuführen, m​it denen d​ie Mexikanische Revolution a​ls endgültig abgeschlossen betrachtet wird.

Opfer

„Mexikanische Regierungs­anhänger, die von den Streitkräften des Generals Villa bei Ojinaga gefangen genommen wurden, erwarten das Todesurteil.“ (Bildunterschrift in Reclams Universum vom Februar 1914)

Nach w​ie vor herrscht u​nter Historikern k​eine Einigkeit hinsichtlich d​er Frage, w​ie viele Menschenleben d​ie Mexikanische Revolution gefordert hat. Schätzungen reichen v​on 550.000 b​is zu m​ehr als 2,1 Millionen Toten, w​ozu noch zwischen 200.000 u​nd 700.000 Personen z​u zählen wären, d​ie das Land aufgrund d​er nicht e​nden wollenden Gewalt verließen. Aufgrund dieser Schätzwerte ergibt s​ich eine Höchstzahl v​on rund d​rei Millionen während d​er Revolution „verschwundenen“ Mexikanern. Diese Höchstzahl w​urde vom US-amerikanischen Politikwissenschaftler Rudolph Joseph Rummel i​n seinem 1994 erschienenen Buch Death b​y Government behauptet u​nd von zahlreichen Autoren übernommen. Rummel schlussfolgerte i​n diesem Werk, d​ass über 1,4 Millionen Menschen i​n Mexiko allein aufgrund v​on Kampfhandlungen u​nd militärischer Gewalt (Massakern a​n und Erschießungen v​on politischen Gegnern u​nd dergleichen) u​ms Leben gekommen seien.[25]

Zahlen w​ie diese s​ind in letzter Zeit jedoch i​n Zweifel gezogen worden, u​nd mittlerweile w​urde die Zahl d​er Opfer r​ein militärischer Gewalt v​on der Forschung a​uf rund 350.000 Tote n​ach unten korrigiert.[26] Für d​ie Plausibilität wesentlich niedrigerer Opferzahlen aufgrund militärischer Gewalt spricht u​nter anderem d​ie Tatsache, d​ass die Revolutionskämpfe n​ie das g​anze Land gleichförmig erfasst haben, sondern s​tets nur gewisse Landesteile, v​or allem d​ie nördlichen u​nd zentralen Bundesstaaten s​owie Morelos. Auch wurden d​ie Kampfhandlungen i​n den ersten Jahren m​it vergleichsweise kleinen Armeen ausgetragen, d​ie selten größer a​ls ein p​aar Hundert o​der Tausend Mann waren. Die größte Dimension erreichten d​ie Revolutionskämpfe i​m Jahr 1915, a​ls „Konventionisten“ u​nd „Konstitutionalisten“ gemeinsam r​und 100.000 Mann u​nter Waffen hatten. Diese Zahl i​st aber i​mmer noch gering verglichen m​it den Heeren d​es Ersten Weltkriegs, d​ie zur selben Zeit i​n Europa kämpften. Robert McCaa, d​er eine Gesamtbilanz d​er Opfer (die geschätzten 350.000 Geflüchteten m​it eingeschlossen) d​er Mexikanischen Revolution z​u ziehen versuchte, k​am in seiner Studie a​uf eine Zahl v​on rund 1,5 Millionen Menschen, d​ie während dieser Zeit getötet wurden o​der das Land verließen. Diese i​mmer noch s​ehr hohe Zahl erklärt s​ich weniger a​ls Folge d​er Kampfhandlungen, sondern vielmehr d​urch die mangelhafte Versorgung d​er Bevölkerung, d​ie günstige Bedingungen für Krankheiten a​ller Art s​chuf und e​ine entsprechend h​ohe Sterblichkeitsrate i​m Gefolge hatte. Allein d​er 1918 einsetzenden Grippepandemie fielen beispielsweise i​n Mexiko geschätzte 300.000 Menschen z​um Opfer.[27]

Filme, die während der Mexikanischen Revolution spielen (Auswahl)

Literatur

Deutsch

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  • Markus Kampkötter: Emiliano Zapata. Vom Bauernführer zur Legende. Eine Biographie. Unrast, Münster 2003, ISBN 3-89771-012-9.
  • Dittmar Dahlmann: Land und Freiheit: Machnovščina und Zapatismo als Beispiele agrarrevolutionärer Bewegungen. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1986, ISBN 978-3-515-04083-9.
  • Ricardo Flores Magón: Tierra y Libertad. Ausgewählte Texte (= Klassiker der Sozialrevolte; 11). Übersetzt vonRenée Steenbock. Unrast, Münster, 2005, ISBN 978-3-89771-908-8.
  • Johannes Roschlau (Red.): Europa im Sattel: Western zwischen Sibirien und Atlantik (Ein Cinegraph Buch). Edition Text + Kritik im Richard Boorberg Verlag, München 2012, ISBN 978-3-86916-209-6.
  • Hans Werner Tobler: Die mexikanische Revolution. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-38488-0.
  • Rubén Trejo: Magonismus: Utopie und Praxis in der Mexikanischen Revolution 1910–1913. Edition Av, Lich, 2006, ISBN 978-3-936049-65-7.

Englisch

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  • Suzanne B. Pasztor: The Spirit of Hidalgo. The Mexican Revolution in Coahuila. University of Calgary Press & Michigan State University Press, Calgary u. a. 2002, ISBN 978-0870136269.
  • Quirk, Robert E. The Mexican Revolution and the Catholic Church 1910–1919 (Bloomington: Indiana University Press, 1973), pp. 1–249.
  • Reséndez Fuentes, Andrés: Battleground Women: Soldaderasand Female Soldiers in the Mexican Revolution. The Americas 51, 4 (April 1995).
  • Smith, Robert Freeman. The United States and Revolutionary Nationalism in Mexico 1916–1932. Chicago: 1972
  • Soto, Shirlene Ann. Emergence of the Modern Mexican Woman. Denver, CO: Arden Press, 1990.
  • Swanson, Julia: Murder in Mexico. History Today, June 2004. Vol. 54, Issue 6; pp. 38–45
  • Turner, Frederick C.: The Compatibility of Church and State in Mexico. Journal of Inter-American Studies 1967, Vol. 9, No. 4, S. 591–602
  • Mark Wasserman: Pesos and Politics. Business, Elites, Foreigners, and Government in Mexico, 1854– 1940. Stanford University Press, Stanford 2015, ISBN 978-0-8047-9154-0
  • Weinstock, Herbert: Carlos Chavez. The Musical Quarterly 22:4 (Oct., 1936), 435–445.
Commons: Mexikanische Revolution – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 96.
  2. Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 101 f., wo auch entsprechende Beispiele angeführt sind.
  3. Volker Depkat: Geschichte Nordamerikas. Eine Einführung (= UTB 2614), Böhlau Verlag, Köln-Weimar-Wien 2008, ISBN 978-3-8252-2614-5, S. 103.
  4. Volker Depkat: Geschichte Nordamerikas. Eine Einführung (= UTB 2614), Böhlau Verlag, Köln-Weimar-Wien 2008, ISBN 978-3-8252-2614-5, S. 104.
  5. Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 113.
  6. Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 58 f. und 112 f.
  7. Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 85.
  8. Walther L. Bernecker, Horst Pietschmann und Hans Werner Tobler: Eine kleine Geschichte Mexikos., 1. Aufl., Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-45621-7, S. 248 f.
  9. Vgl. dazu Frank McLynn, Villa and Zapata, S. 9 f., 53 f., 130 und 178–180.
  10. Vgl. dazu Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 123–128.
  11. Tamara Schmitt: Die Begehung des Tages der Revolution in Mexiko unter verschiedenen Präsidenten. In: Raina Zimmering (Hrsg.): Der Revolutionsmythos in Mexiko. Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, ISBN 3-8260-3009-5, S. 122–135.
  12. Außerhalb der Bundesstaaten Chihuahua und Sonora breitete sich die Erhebung im Norden rasch auf Durango, den Westteil Coahuilas, Sinaloa und die Region Huasteca aus. Im Süden kam es neben Morelos noch in Guerrero zu einer Aufstandsbewegung. Im April 1911 wurden auch aus Puebla, Tlaxcala, Hidalgo und México Rebellentruppen gemeldet.
  13. Vgl. dazu Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 150–165.
  14. Vgl. dazu Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 175f.
  15. Vgl. dazu Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 183–191.
  16. Vgl. dazu Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 176–178.
  17. Bei John Womack: Sterben für die Indios. Zapata und die mexikanische Revolution. Atlantis, Zürich u. a. 1972, ISBN 3-7611-0392-1, S. 88, wird dazu angemerkt: „Wenige Revolutionen wurden von Männern vorbereitet, durchgeführt und gewonnen, die so durchgängig von den Vorstellungen einer Kontinuität der legalen Ordnung besessen waren, wie die Maderisten von 1910/11. Wie es schien, lag ihnen nichts mehr am Herzen als die Bewahrung der normalen und eingefahrenen Verwaltungsformen. Das Regime von Díaz, wie auch dessen Charakter, hatten sie fasziniert. Sie waren darin aufgewachsen und niemals schüttelten sie wirklich ihren ambivalenten Respekt vor jenem »Frieden« ab, von dem sie mit anderen Mexikanern glaubten, daß Díaz ihn gebracht habe.
  18. Vgl. dazu Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 191–194.
  19. Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 242.
  20. Vgl. dazu Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 201–205.
  21. Vgl. dazu Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 228 und 238–241.
  22. Vgl. dazu Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 201f. und 206–238.
  23. Vgl. dazu Hans W. Tobler: Die mexikanische Revolution, S. 242–244.
  24. Vgl. dazu Michael J. Gonzales: The Mexican Revolution, 1910–1940, S. 132, und Alan Knight: The Mexican Revolution. Volume 2: Counter-revolution and Reconstruction, S. 170f. – Villa verlor das „Wettrennen“ um die Hauptstadt nicht zuletzt auch aufgrund seines Zuwartens nach dem Sieg bei Zacatecas. Als er sich schließlich doch entschloss, den Eisenbahnvormarsch wiederaufzunehmen, war er aufgrund fehlender Kohlelieferungen für seine Lokomotiven blockiert. Die Zeitgenossen damals äußerten wie manche Historiker heute den Verdacht, dass Carranza die Lieferungen absichtlich zurückgehalten habe, um es Obregón zu ermöglichen, mit seinen Truppen als erster die Hauptstadt Mexikos zu erreichen.
  25. Rummels diesbezügliche Schätzwerte sind entweder älterer Literatur entnommen oder aber aufgrund von Hochrechnungen und Fortschreibungen der Zahlenwerte in den von ihm verwendeten Quellen zustande gekommen. Keine seiner Zahlenangaben beruht auf einer systematischen Auswertung größerer Quellenbestände mit Hilfe von statistischen Verfahren. Vgl. dazu das Kapitel 1.417.000 Ermordete? Barbarisches Mexiko in Rudolph J. Rummel: 'Demozid' – der befohlene Tod. Massenmorde im 20. Jahrhundert. Mit einem Vorwort von Yehuda Bauer, Yad Vashem (= Wissenschaftliche Paperbacks, Bd. 12), LIT Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-8258-3469-7, S. 321–332. Dort wird auf Seite 332 darauf hingewiesen, dass die Opferzahl bis zu drei Millionen betragen könnte, denn „dies entspricht dem Rückgang der Gesamtbevölkerung in diesen Jahren“. Dieser Deutung, den Bevölkerungsverlust einzig und allein auf die Kriegshandlungen zurückzuführen, scheinen auch Erwin Herbert und Ian Heath: Small Wars and Skirmishes 1902–18, Nottingham 2003, ISBN 978-1-901543-05-6, S. 143, gefolgt zu sein.
  26. Frank McLynn, Villa and Zapata, S. 399, der sich dabei auf die Forschungsergebnisse anderer bezieht, selbst aber auch eine Million Tote für möglich hält.
  27. Vgl. dazu Robert McCaa: Missing Millions. The Demographic Costs of the Mexican Revolution. In: Mexican Studies/Estudios Mexicanos 19:2 (Sommer 2003), S. 367–400.
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