Jermakowo (Kaliningrad)
Jermakowo (russisch Ермаково, deutsch Deutsch Wilten) ist ein Ort in der russischen Oblast Kaliningrad (Gebiet Königsberg (Preußen)) und gehört zur Domnowskoje selskoje posselenije (Landgemeinde Domnowo (Domnau)) im Rajon Prawdinsk (Kreis Friedland (Ostpr.)).
Siedlung
Jermakowo/Deutsch Wilten
Ермаково
| ||||||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||||||
Geographische Lage
Jermakowo liegt sechs Kilometer nördlich der russisch-polnischen Staatsgrenze und acht Kilometer südwestlich von Prawdinsk (Friedland) an einer Nebenstraße (ehemalige deutsche Reichsstraße 142), die von der Rajonshauptstadt bis ins Grenzgebiet zum früheren Ort Schirokoje (Schönbruch) führt und vor 1945 weiter bis nach Bartenstein (heute polnisch: Bartoszyce) verlief. Bis 1945 bestand Bahnanschluss über die zwei Kilometer entfernte Station Preußisch Wilten (russisch: Snamenskoje) an der Bahnstrecke von Königsberg (heute russisch: Kaliningrad) nach Heilsberg (heute polnisch: Lidzbark Warmiński), die heute nicht mehr betrieben wird.
Geschichte
Am 11. Juni 1874 bildete die damals Deutsch Wilten genannte Landgemeinde mit den Gutsbezirken Abbarten (russisch: Prudy) und Georgenau (Roschtschino) den neu errichteten Amtsbezirk Abbarten[2], der zum Kreis Friedland, ab 1927 Landkreis Bartenstein (Ostpr.) im Regierungsbezirk Königsberg der preußischen Provinz Ostpreußen gehörte.
Im Jahre 1910 zählte Deutsch Wilten 281 Einwohner[3]. Am 30. September 1928 vergrößerte sich der Gemeindebezirk von Deutsch Wilten, als nämlich die Gutsbezirke Sophiental und Bothkeim (russisch: Tschistopolje) eingegliedert wurden. Die Einwohnerzahl vergrößerte sich bis 1933 auf 748 und betrug 1939 noch 734[4].
Am 4. Mai 1930 bereits wurde der Amtsbezirk Abbarten in „Amtsbezirk Deutsch Wilten“ umbenannt. Gehörten ihm 1931 noch die Landgemeinden Deutsch Wilten, Georgenau (russisch: Roschtschino), Groß Sporwitten (Poddubnoje) und Wolmen (Malinowka) an, so waren es am 1. Januar 1945 nur noch die Gemeinden Deutsch Wilten, Georgenau und Wolmen.
Infolge des Zweiten Weltkrieges kam Deutsch Wilten mit dem nördlichen Ostpreußen zur Sowjetunion und erhielt 1947 die russische Bezeichnung „Jermakowo“.[5] Bis zum Jahre 2009 war der Ort in den Domnowski sowjet (Dorfsowjet Domnowo (Domnau)) eingegliedert und ist seither – aufgrund einer Struktur- und Verwaltungsreform[6] – eine als „Siedlung“ (russisch: possjolok) eingestufte Ortschaft innerhalb der Domnowskoje selskoje posselenije (Landgemeinde Domnowo) im Rajon Prawdinsk der Oblast Kaliningrad.
Kirche
Kirchengebäude
Die Kirche von Deutsch Wilten[7] wurde 1846 auf ordenszeitlichen Grundmauern errichtet. Im Zweiten Weltkrieg blieb sie weitgehend erhalten. Dann aber wurde sie zweckentfremdet und zunächst als Lagerhalle, danach als Turnhalle für die Schule und ab 1994 erneut als Lagerhalle genutzt. Dabei wurde der westliche Eingang verbreitert. 1988 erhielt das Gebäude ein neues Dach aus Asbestzementplatten, und die Rundbogenfenster wurden verglast. Der obere Teil des Turms existiert nicht mehr, und der untere Teil wurde zur Vorhalle. Besonders an der Ostwand sind noch Reste des mittelalterlichen Mauerwerks zu sehen.
Kirchengemeinde
Deutsch Wilten war bis 1945 der Pfarrsitz[8] der unter einem Pfarramt verbundenen drei selbständigen [evangelisch]en Kirchengemeinde Deutsch Wilten, Georgenau (heute russisch: Roschtschino) und Klingenberg (heute polnisch: Ostre Bardo). Dabei war in Georgenau – anders als in Klingenberg – zunächst ein eigener Pfarrer tätig. Erst 1779, als der damalige Georgenauer Pfarrer Christian Ludwig Dörfer die Pfarrstelle in Deutsch Wilten übernahm (die hatte zuvor sein Vater Daniel Ludwig Dörfer inne), wurde Georgenau pfarramtlich mit Deutsch Wilten verbunden.
War Klingenberg ursprünglich der Inspektion Rastenburg (heute polnisch: Kętrzyn) zugeordnet, gehörten Georgenau und Deutsch Wilten zum Aufsichtbezirk des Königsberger Oberhofpredigers. Bis 1945 waren dann alle drei Gemeinden zum Kirchenkreis Friedland (russisch: Prawdinsk), danach zum Kirchenkreis Bartenstein (polnisch: Bartoszyce) innerhalb der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union zugehörig.
Heute liegt Jermakowo im Einzugsgebiet der Kirchengemeinde in Domnowo (Domnau), die eine Filialgemeinde der Auferstehungskirche in Kaliningrad (Königsberg) ist. Sie gehört zur Propstei Kaliningrad[9] in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland (ELKER).
Kirchspielorte (bis 1945)
Zum Kirchspiel Deutsch Wilten (ohne Georgenau und Klingenberg) gehörten bis 1945 neben dem Pfarrort noch zwölf Ortschaften[10]:
Deutscher Name | Russischer Name | Deutscher Name | Russischer Name | |
---|---|---|---|---|
Alsnienen (Wolmen West) | Swobodnoje | Meludwiesen | ||
Ditthausen | Krasny Bor | Pelklack bei Friedland | ||
Grasmark | Sophienthal | Demjanowo | ||
Groß Sporwitten | Poddubnoje | Sortlackbei Friedland | ||
Klein Sporwitten (Wolmen Ost) | Wostotschnoje | Talskeim | Ptscholino | |
Ludwigshof | Wolmen (Wolmen Mitte) | Malinowka |
Pfarrer (bis 1945)
Von der Reformation bis 1945 amtierten in Deutsch Wilten 16 evangelische Geistliche[11]:
|
|
Kirchenbücher
Die Kirchenbücher der Kirchengemeinde Deutsch Wilten sind bis auf wenige Lücken erhalten und werden im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin-Kreuzberg aufbewahrt[12]:
- Taufen: 1668 bis 1944
- Trauungen: 1718 bis 1944
- Beerdigungen: 1716 bis 1944
- Konfirmationen: 1838 bis 1944
- Abendmahlsteilnehmer: 1767 bis 1944
Einzelnachweise
- Itogi Vserossijskoj perepisi naselenija 2010 goda. Kaliningradskaja oblastʹ. (Ergebnisse der allrussischen Volkszählung 2010. Oblast Kaliningrad.) Band 1, Tabelle 4 (Download von der Website des Territorialorgans Oblast Kaliningrad des Föderalen Dienstes für staatliche Statistik der Russischen Föderation)
- Rolf Jehke, Amtsbezirk Abbarten/Deutsch Wilten
- Uli Schubert, Gemeindeverzeichnis, Landkreis Friedland
- Michael Rademacher: Landkreis Bartenstein (poln. Bartoszyce). Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 17 ноября 1947 г. «О переименовании населённых пунктов Калининградской области» (Verordnung des Präsidiums des Obersten Rats der RSFSR "Über die Umbenennung der Orte des Gebiets Kaliningrad" vom 17. November 1947)
- Nach dem Gesetz über die Zusammensetzung und Territorien der munizipalen Gebilde der Oblast Kaliningrad vom 25. Juni/1. Juli 2009, nebst Gesetz Nr. 476 vom 21. Dezember 2004, präzisiert durch Gesetz Nr. 370 vom 1. Juli 2009
- Jermakowo - Deutsch Wilten
- Friedwald Moeller, Altpreußisches Evangelisches Pfarrerbuch von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945, Hamburg, 1968, Seiten 31, 41 und 65
- Ev.-luth. Propstei Kaliningrad (Memento des Originals vom 29. August 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Ortsverzeichnis/Kirchspiele Kreis Bartenstein (Memento des Originals vom 27. November 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Friedwald Moeller (wie oben), Seite 31
- Christa Stache, Verzeichnis der Kirchenbücher im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin, Teil I: Die östlichen Kirchenprovinzen der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, Berlin, 1992³, Seite 32