Hans-Wolfgang Schimmelpfennig
Hans-Wolfgang Schimmelpfennig (* 1. März 1889 in Heinrichswalde, Kreis Niederung; † 30. Oktober 1966 in Bad Bevensen) war ein deutscher Wirtschaftsjurist, Rechtsanwalt und Notar.[1]
Leben
Schimmelpfennig wuchs in Köslin (1894), Berlin (1898) und Breslau (1900) auf. In Berlin besuchte er das Bismarck-Gymnasium, in Breslau das König-Wilhelm-Gymnasium. Nach dem Abitur im Frühjahr 1906 studierte er je ein Semester Rechtswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zum Wintersemester 1907/08 wechselte er an die Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität. Vom 5. November 1907 bis zum 1. Mai 1909 war er im Corps Borussia Breslau aktiv.[2][1] Ende 1910 bestand er das Referendarexamen. Ab Ostern 1911 diente er als Einjährig-Freiwilliger beim Feldartillerie-Regiment „von Peucker“ (1. Schlesisches) Nr. 6.[1] Er zog als Leutnant d.R. in den Ersten Weltkrieg. Schon 1914 wurde er mit dem EK II und am 21. Juli 1917 mit dem EK I ausgezeichnet. Adjutant der 2. Abteilung des Reserve-Feldartillerie-Regiment 11, Teilnahme an den Flandernschlachten, Ers.-Abtlg. seines alten FAR 6, Heereslazarett in Bad Flinsberg, charakterisierter Oberleutnant d.R. – diese wenigen Daten zeigen, was Schimmelpfennig zum gereiften Offizier schon 1914/18 hat werden lassen. Er bestand am 2. Mai 1919 die Assessorprüfung.[1] Wenig später wurde er zum Dr. iur. utr. promoviert.[3]
Lebensaufgabe in Schlesien
Im Kampf der Weimarer Republik gegen die Arbeiter- und Soldatenräte und die Deutsche Inflation 1914 bis 1923 einigten sich Carl Legien und Borsig 1919 auf ein Aktionsprogramm. Mit diesem Vorläufer der Tarifautonomie wollten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zur sozialen Konsolidierung beitragen. In der (noch ungeteilten) Provinz Schlesien hatte das Programm besondere Bedeutung; denn durch den Ausgang des Ersten Weltkrieges war sie von jahrhundertealten Märkten in Ostmitteleuropa und Südosteuropa abgeschnitten; die Aufstände in Oberschlesien, die polnische Annexion Ostoberschlesiens und Flüchtlingsströme erschwerten diese Lage zusätzlich. Aus der wirtschaftsgeographischen „Sackgasse“ konnten nur neue Märkte im Westen führen. Angesichts enttäuschter, arbeitsloser und hungriger Massen war die Bewältigung der sozialen Probleme noch dringlicher. Diese Aufgaben lösen konnte nur
„... eine starke Persönlichkeit mit Weitblick, Mut, großer Geistesgegenwart, unbegrenztem Stehvermögen, Kontaktfähigkeit, Charme und einem nie versiegenden Mutterwitz. Trotz des unbeirrbaren Vertrauens aller führenden Wirtschaftskreise Schlesiens in Dr. Schimmelpfennig und sein Team war die sozialpolitische Konsolidierung und damit das Zurückdrängen volkswirtschaftlich sinnloser, politisch gerade im umkämpften Grenzland Schlesien gefährlicher Arbeitskämpfe über die Jahre bis zur »Machtergreifung vom 30. Januar 1933« eine täglich neu zu lösende Aufgabe.“
Friedrich Eichberg holte ihn sowie Carl Meinecke und Kurt Fürer in die Vereinigung Breslauer Arbeitgeberverbände (1920) und die Zentralstelle Breslauer Arbeitgeberverbände (1921). Knapp 30 Jahre alt, fand Schimmelpfennig als geschäftsführender Syndikus seine Lebensaufgabe. Er initiierte das Arbeitgeber-Notgeld, um das sich selbst die Großbanken und Breslaus Polizeipräsident bemühten.[4] Neuer Kapitalbedarf nach der Kriegs- und Inflationszeit und ein harter Wettbewerb nach Schaffung der Reichsmark zwangen zur Unternehmenskonzentration, so auch die Linke-Hofmann-Lauchhammer AG (LHL) in Breslau. Ihr Generaldirektor war Eichberg. Als er die Hauptverwaltung nach Berlin verlegen musste, nahm er Schimmelpfennig als Abteilungsdirektor mit. In Berlin war aber inzwischen Friedrich Flick als Großaktionär von LHL aufgetreten. Eichberg zog sich zurück. Schimmelpfennig verzichtete auf die Industriekarriere und kehrte Ende 1925 als geschäftsführendes Präsidialmitglied zur Zentralstelle der schlesischen Arbeitgeberverbände zurück. Als die Arbeitgeberverbände wie die Gewerkschaften 1933 aufgelöst wurden, ließ Schimmelpfennig sich als Rechtsanwalt in Breslau nieder. Von 1935 bis 1938 war er zugleich Justitiar und stellvertretender Betriebsführer des Elektrizitätswerks Schlesien.[1]
Ehrenämter in Breslau
Zeitweilig übernahm Schimmelpfennig Anfang der 1920er-Jahre einen Lehrauftrag an der Universität. Mit vielen Prominenten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und anderen Gruppen aller gemäßigten Richtungen gründete er 1927 die Schlesische Herrengesellschaft. Sie wurde zu einem Zentrum des Ausgleichs zwischen Parteien, Konfessionen und Kampforganisationen im sozial-wirtschaftlichen Bereich.
Als profiliertes Mitglied der Deutschen Volkspartei übernahm er 1928 als ehrenamtlicher Stadtrat das große Dezernat Wirtschaft und Verkehr. In seine Zuständigkeit fielen auch das Messewesen, die Wirtschaftswerbung, der Turniersport und die beliebten Pferderennen in Hartlieb.[A 1] Trotz klarer Aussichtslosigkeit kandidierte Schimmelpfennig bei der Reichstagswahl März 1933 für den Reichstag.[1]
Krieg und Neuanfang
Um in der Zeit des Nationalsozialismus politisch unabhängig zu bleiben und als Anwälte ohne „Engagement“ durchzukommen, machten er und Kurt Fürer ab 1935 regelmäßig Jahresübungen beim Heer. Mit dem in Liegnitz liegenden Artillerie-Regiment 18 zog er in den Zweiten Weltkrieg. In der Heeresgruppe Süd wurde er am 1. Juni 1942 zum Oberstleutnant befördert. Nach Unfällen und Erkrankungen musste er die Ukraine verlassen und dann aus dem Feldheer ausscheiden. Von Mai 1943 bis September 1944 war er wieder Rechtsanwalt in Breslau. Dann wieder einberufen, hatte er die Artillerieverteidigung der Festung Breslau vorzubereiten. Seine Familie hatte kurz vor Beginn der Schlacht um Breslau die Stadt verlassen. Den Verteidigungsauftrag brauchte er nicht auszuführen; denn wegen einer schweren Erkrankung kam er am 23. Januar 1945 in ein Prager Lazarett. Zum zweiten Mal dienstunfähig, wurde er am 10. Februar 1945 von dort nach Neetze in Marsch gesetzt.[1]
In Lüneburg, der Heimatstadt seiner zweiten Frau, ließ er sich als Rechtsanwalt und Notar nieder. Die Anwaltschaft Lüneburg wählte ihn in den 1960er Jahren wiederholt zum Vorsitzenden. Bis zu seinem Tod war Schimmelpfennig Vorstand, Syndikus und Ehrenmitglied des ADAC in Lüneburg seit seiner Gründung.[5] Der Sohn Martin übernahm die Kanzlei.[A 2] In seinen vier letzten Lebensjahren diente Schimmelpfennig seinem Corps noch einmal im Altherren-Beirat.
Familie
Schimmelpfennig entstammte einer Beamtenfamilie in Ostpreußen. Sein Großvater Wilhelm Schimmelpfennig (1827–1919) war Richter am Oberlandesgericht Königsberg. Er war Mitglied beim Corps Masovia.[A 3] Sein Vater war Max Schimmelpfennig, Stellvertreter des Oberpräsidenten der Provinz Schlesien.[A 4] Seine Mutter war Frieda Schimmelpfennig geb. Dohrn.
Schimmelpfennig heiratete im Juli 1918 Charlotte Landmann.[A 5] Aus der Ehe gingen die Söhne Hans-Jürgen (1919), Martin (1922) und Wolfgang (1925) hervor. Sie wurde Anfang der 1930er Jahre geschieden.
Am 28. Dezember 1934 heiratete er Annelise Brockmöller, eine promovierte Zahnärztin aus Lüneburg. Sie bekamen drei Kinder. Gerade zum Major befördert, benannte er die Tochter nach Barbara von Nikomedien, der Schutzheiligen seiner Truppengattung. Der Sohn Klaus Schimmelpfennig wurde ebenfalls Breslauer Preuße, der Sohn Hans-Christian Schimmelpfennig Tübinger Schwabe.[6] Der 17 Jahre jüngere Bruder von Hans-Wolfgang Schimmelpfennig Kurt Schimmelpfennig war Tübinger Schwabe und wurde 108 Jahre alt.[7]
Auszeichnungen
- Eisernes Kreuz II. Klasse (1914)
- Eisernes Kreuz I. Klasse (1917)
- Wiederholungsspange zum EK II beim Überfall auf Polen
- Wiederholungsspange zum EK I nach der Schlacht von Dünkirchen (4. Juni 1940)
- Infanterie-Sturmabzeichen
Anmerkungen
- Oppositioneller Zwischenruf: „Für diesen Schimmel keinen Pfennig!“
- Martin Schimmelpfennig ist Angehöriger des Corps Misnia IV, das 1949 in Erlangen vom Corps Lusatia Leipzig übernommen wurde.
- Wilhelm Schimmelpfennig, Corps Masovia, Kösener Corpslisten 1960, 87/462
- Max Schimmelpfennig, Corps Normannia Königsberg, Kösener Korpslisten 1910, 142/188.
- Schwester eines Jenenser Franken
Einzelnachweise
- Fürer I: Hans-Wolfgang Schimmelpfennig I †. Corpszeitung der Borussia-Breslau zu Köln und Aachen, Heft 60 (1967), S. 25–29.
- Kösener Corpslisten 1960, 78/706.
- Dissertation: Die Annahmepflichten des Gläubigers bei Sachleistungen.
- H.-W. Schimmelpfennig: Zur Frage der wertbeständigen Löhne; zusammengestellt im Auftrag der Vereinigung Breslauer Arbeitgeberverbände, 1923.
- Nachruf des ASC Lüneburg
- KCL 1981, 78/941.
- KCL 1971, 129/1106.