Unternehmenskonzentration
Als Unternehmenskonzentration oder Konzentration in der Wirtschaft wird sowohl eine Situation mit einer geringen Anzahl von Teilnehmern auf der Nachfrager- oder Anbieterseite eines Marktes als auch der Prozess der Verringerung der Anzahl von Marktteilnehmern bezeichnet.
Begriff
Allgemein bezeichnet Konzentration als statistische Größe die Ballung von Merkmalen auf eine begrenzte Zahl von Merkmalsträgern aus der Gesamtheit der Merkmalsträger. Sie ist Ausdruck der Ungleichverteilung der Merkmale auf die Gesamtheit der Merkmalsträger. Zur Darstellung der wirtschaftlichen Konzentration oder Unternehmenskonzentration werden in der Regel Marktanteile oder Umsatzanteile als Merkmal und Unternehmen als Merkmalsträger herangezogen.
Unterschieden wird absolute und relative Konzentration:
- Absolute Konzentration bezeichnet bei ungleicher Verteilung der Marktanteile auf dem relevanten Markt den Marktanteil, den eine absolute Zahl der größten Unternehmen – beispielsweise die zehn größten – auf sich vereinen. Nimmt ihr Marktanteil zu, spricht man von zunehmender absoluter Konzentration.
- Relative Konzentration bezeichnet das Ausmaß der Ungleichverteilung der Marktanteile auf Teilmengen von Unternehmen auf dem relevanten Markt. Dazu ist die Gesamtheit der Merkmale und Merkmalsträger mehreren Größenklassen zuzuordnen.
„Werden z.B. zehn Umsatzgrößenklassen GK1 bis GK10 gebildet und alle Unternehmen den zutreffenden Größenklassen zugeordnet, dann liegt relative Konzentration vor, wenn für den Quotienten gilt: Unternehmen in GKi in % : Umsatz in GKi in % < 1.“
Ist der Quotient =1 oder >1, liegt keine (relative) Konzentration vor. Der Quotient < 1 sinkt mit zunehmender relativer Konzentration. Vereinen in den unteren Größenklassen Unternehmen (z. B. durch Fusion, Übernahme, Mehrheitsbeteiligung) größere Marktanteile auf sich und nimmt dadurch die Anzahl der Unternehmen ab, hat dies u. U. keine Auswirkung auf die absolute Konzentration der „Größten“.
Bei der Konzentration im Handel ist die Besonderheit zu beachten, dass Handelsunternehmen und Verbundgruppen wegen ihrer typischen Sortimentsbildung nicht auf einem „relevanten“ Produktmarkt tätig sind. Daher müssen zur Konzentrationsmessung im Handel andere Messgrößen als Produktmarkt-Umsätze herangezogen werden, meistens Branchen-Umsätze; in Frage kommen auch Anzahl der Beschäftigten, Gesamtkapital oder Geschäftsfläche der Handelsunternehmen als Merkmale und Betriebe oder Verkaufsstellen (Arbeitsstätten) als Merkmalsträger.
Um gesamtwirtschaftliche Konzentration als Ergebnis disproportionalen Wachstums der betrachteten Unternehmensgesamtheit, das auf vielerlei Einflüssen – vor allem Struktur- und Konjunkturentwicklung sowie das Verhalten aller Marktparteien – beruht, von betriebswirtschaftlich bewusst vorgenommenen Wachstumsentscheidungen und Unternehmensverbindungen (Unternehmenszusammenschluss, Fusion) deutlicher zu unterscheiden, hat Schenk vorgeschlagen, jene als Unternehmenskonzentration und diese als Unternehmungskonzentration zu kennzeichnen.
Formen der Unternehmenskonzentration
- Horizontale Unternehmenskonzentration findet zwischen Unternehmen auf derselben Produktions- oder Wirtschaftsstufe statt, beispielsweise zwischen mehreren Kohlebergwerken oder als Zusammenschluss von Automobilherstellern oder Handelsunternehmen (Vorteil/Grund: Kosteneinsparung, Stückkostendegression, Nutzung von Synergien)
- Vertikale Unternehmenskonzentration findet zwischen verschiedenen (vor- und nachgelagerten) Produktions- oder Wirtschaftsstufen statt, beispielsweise ein Kohlebergwerk schließt sich mit einem Stahlwerk, das die Kohle bezieht, zusammen. (Zuliefererprinzip, Einsparung von Transaktionskosten) (Vorteil/Grund: Kosteneinsparung bei der Beschaffung, Absatzsicherung)
- Diagonale bzw. anorganische oder laterale Unternehmenskonzentration(auch aggregierte Unternehmenskonzentration) findet zwischen Unternehmen verschiedener Produktions- oder Wirtschaftsstufen und Branchen statt, wodurch ein Mischkonzern entsteht. (Vorteil/Grund: Verbundeffekt, Risikostreuung)
Entsprechend dem Grad der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbstständigkeit unterscheidet man zwischen Konzern und Trust. Bei einem Kartell hingegen liegt keine Kapitalverflechtung vor, somit ist dieses keine Konzentrationsform, sondern eine (in vielen Rechtsräumen im Grundsatz verbotene) Kooperationsform.
Bei fortschreitender Unternehmenskonzentration in einem Markt kann außerdem unterschieden werden zwischen Konzentration aufgrund von internem oder externem Wachstum des Marktanteils von Unternehmen (Siehe auch Unternehmenswachstum). Findet eine Verschiebung der Marktanteile z. B. durch Kaufentscheidungen von Konsumenten zugunsten weniger, großer Unternehmen und zu Lasten kleiner Unternehmen statt, so kann man von Unternehmenskonzentration durch internes Wachstum sprechen. Kommt es zu Zusammenschlüssen, kann man von Unternehmenskonzentration durch externes Wachstum sprechen.
Rahmenbedingungen und Kontrolle
Zusammenschlüsse zwischen Unternehmen, die zu einer Erhöhung der Unternehmenskonzentration führen, unterliegen z. B. in Deutschland ab einer gewissen Größe der Fusionskontrolle, um die marktbeherrschende Stellung eines einzelnen Akteurs zu vermeiden. Dabei orientieren sich die Kartellbehörden regelmäßig unter anderem an Schwellenwerten des Herfindahl-Hirschman-Index, um die bestehende Unternehmenskonzentration sowie deren Änderung zu erfassen. Eine erhöhte Konzentration durch struktur- und konjunkturell bedingte Faktoren, oder im Allgemeinen durch internes Wachstum der Unternehmen, unterliegt zunächst keiner Beschränkung. Gewachsene monopolistische oder stark oligopolistische Marktstrukturen sind im europäischen und nordamerikanischen Raum nicht verboten. Möglicherweise unterliegen Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung aber besonderen Regulierungen sowie einer Missbrauchsaufsicht (so z. B. im deutschen und europäischen Recht).
In der Bundesrepublik Deutschland wird neben diesen rechtlichen Möglichkeiten auch eine unabhängige Beobachtung der Unternehmenskonzentration vorgenommen. Seit ihrer Bildung im Jahr 1974 gehört es zu den gesetzlich festgeschriebenen Aufgaben der Monopolkommission, den Stand und die absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Deutschland zu beurteilen. Dazu wird gemäß dem gesetzlichen Auftrag nach § 44 GWB alle 2 Jahre ein Hauptgutachten erstellt, in dem unter anderem ausführlich zur Themen der Unternehmenskonzentration berichtet wird.
Vor- und Nachteile der Unternehmenskonzentration
In der ökonomischen Theorie wird weithin angenommen, dass eine erhöhte Unternehmenskonzentration Kartelle begünstigen kann, die im Regelfall wettbewerbsbeeinträchtigend wirken und häufig zulasten der Konsumenten gehen (und daher in vielen Rechtsräumen im Grundsatz verboten sind). Auch kann fortschreitende Unternehmenskonzentration möglicherweise zu einem Anstieg von Marktmacht der betreffenden Unternehmen führen, welche sich ebenfalls zum Nachteil von Konsumenten oder existierender sowie potenzieller Wettbewerber auswirken kann. Fortschreitende Konzentration kann dabei aber auch Ausdruck einer Verschiebung der Produktion hin zu den Unternehmen in einem Markt sein, die am effizientesten und kostengünstigsten produzieren können, was wiederum den Käufern zugutekommen kann. Insgesamt kann es bei fortschreitender Unternehmenskonzentration sowohl durch internes Wachstum der Marktanteile wie auch durch Fusionen zu einer Reihe von positiven und negativen volkswirtschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Effekten kommen. Für die Vor- und Nachteile speziell von Zusammenschlüssen siehe Fusion.
Beispiele für Vorteile:
- In konzentrierteren Märkten können finanzielle und personelle Ressourcen für Forschung und Entwicklung gebündelt werden.
- Größere Unternehmen können möglicherweise Skaleneffekte nutzen und so kostengünstiger produzieren.
- Unternehmen in konzentrierteren Märkten sind möglicherweise robuster gegenüber Konjunkturschwankungen.
- Unternehmen in konzentrierteren Märkten haben möglicherweise besseren Zugang zu Krediten und anderen Finanzierungsmöglichkeiten.
Beispiele für Nachteile:
- Unternehmenskonzentration kann zu Marktmacht führen, in deren Folge Kunden und Lieferanten in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten können. Dies kann zur Ausnutzung von Marktmacht, z. B. durch hohe Preise, führen (Siehe auch Missbrauchsaufsicht).
- Fortschreitende Unternehmenskonzentration kann möglicherweise selbstverstärkend wirken. Dominante Firmen haben eher die Macht, Konkurrenten aus dem Markt zu drängen (Dumpingpreise) oder Markteintrittsbarrieren für potenzielle Wettbewerber zu erhöhen.
Messung der Unternehmenskonzentration und ihre Problematik
Für die Messung der Unternehmenskonzentration stellt die Statistik eine Reihe von Konzentrations- und Disparitätsmaßen zur Verfügung:
- als Maße der absoluten Konzentration die diskreten numerischen Maße Konzentrationsrate (concentration ratio CR) und Linda-Index und die summarischen numerischen Maße Herfindahl-Hirschman-Index, Rosenbluth-Index, Entropie-Maße und Horvath-Index,
- als Maße der relativen Konzentration die numerischen Disparitätsmaße Gini-Koeffizient und Logarithmische Normalverteilung.
Zur graphischen Darstellung der absoluten Konzentration eignet sich die Konzentrationskurve, zur graphischen Darstellung der relativen Konzentration die Lorenzkurve.[2]
Insbesondere der Herfindahl-Hirschman-Index (HHI) findet in der kartellrechtlichen Praxis Anwendung. So gilt im US-amerikanischen Rechtsraum ein Markt kartellrechtlich als unkonzentriert, wenn der Index unter 1.500 liegt.[3] In der europäischen Praxis wird von Unbedenklichkeit ausgegangen, wenn der HHI zwischen 1.000 und 2.000 liegt und die Änderung durch einen Zusammenschluss weniger als 250 beträgt oder der Wert über 2.000 liegt aber die Änderung weniger als 150 beträgt.[4]
Die Hauptproblematik der Konzentrationsmessung liegt in der begrenzten Beschaffung oder Eignung von empirischem Datenmaterial. So ist das Homogenitätserfordernis für Merkmalsträger und Merkmale nicht immer leicht, mitunter gar nicht zu erfüllen. Auch unterliegen Konzentrationsmessungen sachlichen, zeitlichen und räumlichen Restriktionen. Lassen sich die jährlichen Marktanteile von Glühlampenproduzenten in einem Land (und ggf. steigende Konzentrationsraten) einigermaßen genau erfassen, werfen Konzentrationsmessungen im Handel größte Abgrenzungs- und Erhebungsprobleme auf. Beispielsweise setzt es die Messung der Unternehmenskonzentration bei Fachmärkten oder bei Discountern voraus, dass diese sachlich (Möbelfachmärkte? Baustofffachmärkte? Lebensmitteldiscounter? Fotodiscounter?) und räumlich („relevanter Markt“!) genau abgegrenzt und ihre Umsätze statistisch erfasst werden. Da Handelsbetriebe regelmäßig ein gemischtes Sortiment führen und nicht auf homogenen Absatzmärkten, sondern auf vielen Produktmärkten gleichzeitig konkurrieren, sind am Umsatz gemessene "Marktanteile" praktisch nicht zu ermitteln. Und da Handelsbetriebe nach dem statistischen Schwerpunktprinzip nur einer Branche zugerechnet werden, nicht aber einem Betriebstyp, ist auch die isolierte Erfassung der Unternehmenskonzentration eines Betriebstyps praktisch nicht möglich. Schließlich erfasst die Handelsstatistik nur die Umsätze im institutionalen Handel, etwa im Möbel-, Baustoff-, Lebensmittel- oder Fotohandel, nicht jedoch die entsprechenden Umsätze im funktionalen Handel (und im Online-Handel). Bei numerischen und graphischen Konzentrationsdarstellungen erwachsen zudem Probleme daraus, dass bei der absoluten Konzentration, etwa der zehn „Größten“, die übrigen Unternehmen nicht erkennbar sind, und dass bei der relativen Konzentration, etwa dargestellt durch eine Lorenzkurve, die absolute Zahl aller berücksichtigten Unternehmen nicht erkennbar ist.
Literatur
- Georg Eichhorst et al.: Bibliographie: Konzentration, Konzentrationspolitik, Multinationale Unternehmen 1967–1975. Duncker & Humblot, 1976, ISBN 978-3-428-03711-7.
- Josef Gruntzel: Die wirtschaftliche Konzentration. Springer, Wien 1928.
- Hans-Otto Schenk, Hiltrud Tenbrink, Horst Zündorf: Die Konzentration im Handel. Ursachen, Messung, Stand, Entwicklung und Auswirkungen der Konzentration im Handel und konzentrationspolitische Konsequenzen (= Forschungsstelle für den Handel Berlin. Schriftenreihe. 3. Folge, Bd. 9). Duncker und Humblot, Berlin 1984, ISBN 3-428-05618-3.
- Hans-Otto Schenk: Marktwirtschaftslehre des Handels. Gabler, Wiesbaden 1991, ISBN 3-409-13379-8. Reprint 2012, ISBN 978-3-322-84581-8.
- Bernd Woeckener: Strategischer Wettbewerb: Eine Einführung in die Industrieökonomik. 2. vollst. überarb. Aufl. 2011 (1. Aufl. 2007), Springer, ISBN 978-3-642-19976-9.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Schenk: Marktwirtschaftslehre des Handels. 1991, S. 409.
- Schenk, Tenbrink, Zündorf: Die Konzentration im Handel. 1984, S. 172.
- DOJ/FTC, Horizontal Merger Guidelines, 19. August 2010.
- Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (2004/C 31/03).