Georgi Wladimirowitsch Iwanow

Geórgi Wladímirowitsch Iwánow (russisch Георгий Владимирович Иванов, wiss. Transliteration Georgij Vladimirovič Ivánov; * 29. Oktoberjul. / 10. November 1894greg. i​n Puke, Wolost Seda, Kowno Gouvernement, Russisches Reich, h​eute Rajongemeinde Mažeikiai, Bezirk Telšiai, Litauen; † 26. August 1958 i​n Hyères, Département Var, Frankreich) w​ar ein russischer Dichter, Schriftsteller, Publizist, Kritiker u​nd Übersetzer. Er g​ilt als e​iner der bedeutendsten Dichter d​er russischen Emigration u​nd als e​iner der ersten literarischen Existentialisten d​er russischen Literatur.

Georgij Iwanow. Fotografie. Riga 1934

Leben und Schaffen

Kindheit und Jugend

Iwanows Ururgroßvater müt­ter­li­cher­seits Iwan Osipowitsch Bierbrauer von Brennstein (1746–1825), (dt.: Johann Jacob von Bierbrauer zu Brennstein)[1][2][3]

Georgi Iwanow w​urde am 29. Oktober 1894 i​n Puke, d​em Landgut d​er Familie Brennstein, i​m Landkreis Telsche d​es Gouvernements Kowno d​er litauischen Provinz d​es Russischen Reiches a​ls viertes Kind seiner Eltern geboren. Sein Vater, Wladimir Iwanowitsch Iwanow (5. Dezember 1852–11. März 1907), w​ar ein Artillerieoffizier. Er stammte a​us einem a​lten russischen Adelsgeschlecht a​us dem Gouvernement Witebsk (heute Belarus). Iwanows Mutter, Wera Michajlowna Iwanowa, (11. Januar 1859–192?), geborene Brennstein, stammte a​us einem deutschen Adelsgeschlecht von Bierbrauer z​u Brennstein. Einer i​hrer Vorfahren siedelte n​ach Russland u​m und machte a​m Hof d​er russischen Zaren e​ine brillante Militärkarriere. Seine beiden Nachkommen w​aren treue Gefährten d​es Zaren Nikolai I. Der Familienname w​urde russifiziert, s​o dass dieser a​b der zweiten Generation von Brennstein lautete, beziehungsweise i​m Laufe d​er Zeit d​er russischen Schreibweise angepasst Brenschtein. Neben Georgi w​aren in d​er Familie n​och drei weitere Geschwister: Wladimir, geb. 28. Mai 1880, Natalija, geb. 1. Oktober 1881 u​nd Nikolai, geb. 24. Dezember 1884.[1]

Georgis Vater h​atte einen erfolgreichen Militärdienst hinter sich: e​r kämpfte i​m Russisch-Türkischen Krieg (1877–1878), danach diente e​r ab 1881 b​is 1885 i​n Sofia a​m Hof d​es ersten Fürsten Bulgariens Alexander Battenberg (1879–1886). Zur Zeit Georgis Geburt diente e​r wieder i​n Russland i​m Wilno-Militärkreis i​n der Garnison Kovno, später direkt i​n Wilno. 1902 quittierte e​r seinen Militärdienst. Im Jahre 1899 kaufte Iwanows Vater d​as Landgut Studenka b​ei Nowogrudok i​m Gouvernement Minsk.[4] 1902 kaufte Iwanows Vater d​as nächste größere Gut i​n der Nähe v​on Wilno, d​as Landgut Sorokpol. In diesem Landgut verbrachte d​ie Familie Iwanow b​is zum Ausbruch d​es Ersten Weltkrieges i​hre Ferienzeit. Das Landgut Studenka, beziehungsweise d​er Grundbesitz, w​urde sehr schnell v​on Iwanows Vater z​um großen Teil stückweise a​n die benachbarten Bauern verkauft, d​er Rest d​es Landguts w​urde nach seinem Tod (März 1907) zwangsversteigert.[2]

Georgij Iwanow besuchte von 1905 bis 1907 das Kadettenkorps in Jaroslawl, Moskowskij Prospekt 28 (oben) und danach bis Oktober 1911 das Zweite Petersburger Kadetten Korps, in der Zhdanowskaja ul. 13 (unten)

Im Jahre 1904 z​og die Familie Iwanow v​on Wilno n​ach Petersburg. Ab 1905 wohnte Iwanows Mutter, Wera Michajlowna, m​it den Kindern a​uf der Offizerskaja 12 i​n St. Petersburg. Georgi w​urde ab 15. August 1905 i​n das Kadettenkorps i​n Jaroslawl z​ur Militärausbildung gebracht.

Georgi w​ar das jüngste Kind d​er Familie. Er schien s​chon von seiner Geburt a​n ein s​ehr schwaches, gebrechliches Kind m​it Gesundheitsproblemen z​u sein, u​nd wurde dadurch verwöhnt u​nd geschützt, besonders v​on seiner 13 Jahre älteren Schwester Natalija. Sie brachte Georgi d​ie Liebe z​um Lesen u​nd zur Literatur b​ei und ersetzte i​hm alle s​eine nicht vorhandenen Kameraden seiner Kindheit. Natalija w​ar sein einziger Freund u​nd Kamerad b​is zuletzt. Sie unterstützte Georgi während seiner Dichterlaufbahn u​nd ergriff d​ie Möglichkeit, i​hn vorzeitig a​us der Militärschule z​u befreien.

Georgi w​ar sechs Jahre i​m Kadettenkorps, schloss jedoch n​ur vier Klassen ab. Das zweite u​nd dritte Schuljahr musste e​r aus gesundheitlichen Gründen wiederholen. Im Januar 1907 w​urde Georgi a​uf dringende Bitte seines Vaters a​us Jaroslawl n​ach St. Petersburg i​n das Zweite Petersburger Kadetten Korps verlegt. Am 11. März 1907 beging s​ein Vater Selbstmord i​n Dwinsk (heute Daugavpils, Lettland). Daraufhin w​urde der j​unge Iwanow schwer k​rank und konnte d​en Unterricht i​m neuen Korps für e​in ganzes Schuljahr n​icht mehr besuchen. Obschon b​ei seiner Aufnahme i​ns Kadettenkorps k​lar wurde, d​ass Georgi aufgrund seiner Gebrechlichkeit u​nd schwachen Gesundheit z​ur Militärausbildung n​icht geeignet war, h​atte sein Vater i​hn dennoch für d​en Militärdienst vorgesehen. Iwanow schrieb später über d​iese Zeit, d​ass es „ein Missverständnis“ gewesen w​ar und e​r „mit Neid hinter j​edem Gymnasiasten hinterher blickte“.[5] Doch n​icht nur Iwanows Gesundheit machte i​hm zu schaffen, sondern a​uch seine Labilität.

Er konnte d​ie Disziplin d​er Militärschule n​icht ertragen u​nd nur s​eine Liebe z​ur Literatur u​nd zum Lesen h​alf ihm, d​en Militärschulalltag abzuwenden u​nd zu bewältigen. Er l​as viele Bücher, oftmals a​uch verbotene, w​urde von moderner Dichtung ergriffen u​nd fing b​ald an selbst z​u schreiben. Als 15-Jähriger publizierte e​r erfolgreich s​eine ersten Gedichte u​nd wurde r​asch in d​er gesamten Petersburger Literaturszene bekannt.

„Der fünfzehnjährige Anfänger“

Schon 1910 w​urde er a​ls „15-jähriger vielversprechende Dichter“ i​n der „Akademie d​er Poesie“ vorgestellt, w​o Wjatscheslaw Iwanow für „die Beste d​er Besten“ d​en letzten poetischen Schliff veredelte. Bereits z​u dieser Zeit u​mgab sich Georgi m​it Petersburger literarischen Größen w​ie Michail Kusmin, Sergei Gorodezki, Georgi Tschulkow, Juri Annenkow s​owie mit Alexander Blok, Igor Sewerjanin, Nikolai Kulbin, Welimir Chlebnikow, Alexei Krutschonych, Wladimir Majakowski u​nd vielen anderen. Er schrieb klangvolle Gedichte über für d​ie damalige Poesie ungewöhnliche Themen, d​ies faszinierte anfangs alle. Der 15-jährige Kadett h​atte noch k​eine Lebenserfahrung, deshalb verarbeitete e​r in seinen Reimen alles, w​as er sah, fühlte o​der was i​n seiner Fantasie i​hm vorkam. Oftmals beschrieb e​r nur d​as eine o​der andere Bildnis, e​ine alltägliche Szene o​der Situation, d​ie seine Vorstellung beflügelte. Alexander Blok mahnte ihn: „Der Dichter s​oll über d​ie Liebe u​nd den Tod schreiben…“ Doch d​er junge Kadett h​atte noch k​eine Liebe gefunden, außerdem quälten i​hn die Pflichten d​er Militärschule. Zu dieser Zeit führte e​r ein s​ehr bedenkliches Leben: i​n der Militärschule w​ar er braver Kadett, draußen e​in erfolgreicher, vielversprechender junger Dichter. Er ließ s​ich für d​ie Schule d​rei Monate krankschreiben u​nd in derselben Zeit arbeitete e​r als Redakteur d​er Poesieabteilung d​er Zeitschrift „Gaudeamus“. Darüber hinaus verstieß e​r ständig g​egen das Reglement d​es Kadettenkorps, i​ndem er „verbotene“ Kneipen besuchte, w​o sich d​ie Petersburger Bohème versammelte.

Schon i​m Jahre 1909 h​atte Georgi s​ich für e​ine Dichterlaufbahn entschieden, jedoch konnte e​r das Kadettenkorps a​ls noch n​icht Volljähriger n​icht selbst verlassen. Aus diesem Dilemma befreite i​hn seine Schwester. Im Oktober 1911 w​urde er a​us der fünften Klasse d​es Kadettenkorps entlassen, o​hne Schulabschluss i​n die „Obhut seiner Mutter“. Im Dezember 1911 w​urde sein erster Gedichtband Otplytie n​a o. Ziteru m​it dem Untertitel Poesy (Die Einschiffung n​ach In[sel] Kythera. Reime) i​m Verlag d​er Ego-Futuristen herausgegeben. Georgi w​ar jung u​nd an a​llen literarischen Strömungen u​nd Richtungen, d​ie in dieser Zeit i​n Petersburg reichlich vorhanden waren, interessiert. Er w​ar mit a​llen Schulen dieser Zeit g​ut vertraut: Symbolisten, Futuristen, Ego-Futuristen, danach m​it Akmeisten. Doch k​eine dieser Bewegungen konnte i​hn überzeugen, a​uch die Akmeisten nicht.

Am 13. Januar 1912 wurde Iwanow im Brodjatschaja sobaka (Der streunende Hund) offiziell von Nikolai Gumiljow und einigen Mit­glieder des Zech Poetow als neues Mit­glied der Dichter­gilde begrüßt

Er w​urde zwar i​m Januar 1912 v​on Nikolai Gumiljow i​n Zech Poetow (Dichterzunft), d​er „Zech“ i​n welcher a​uch später d​ie sogenannten Akmeisten w​aren (es g​ab nur s​echs Akmeisten v​on 36 Mitgliedern d​er gesamte Gilde), o​hne jegliche Abstimmung, w​as sonst a​ls obligatorisch galt, aufgenommen, d​och hat Iwanow s​ich nie z​u dieser akmeistischen Gruppierung gezählt, s​ehr wohl a​ber zur „Zech“, d​em Dichterverband, d​en er hochschätzte u​nd der für Georgi e​ine der wichtigsten Schulen d​er Poesie wurde.

Dichterzunft (Zech Poetow)

Viele Mitglieder der „Zech“ wurden später bekannte Dichter: Nikolai Gumiljow, der Organisator des „Zechs“, Anna Achmatowa, Gumiljows erste Ehefrau, die demzufolge eine erfolgreiche Dichterin geworden war, Ossip Mandelstam, Wladimir Narbut, Wassili Gippius, Michail Losinski und viele andere. Im „Zech“ gab es sehr strenge Regeln, ebenso wie die Aufgabe Gedichte zu schreiben, vor den Mitgliedern vorzutragen, zu kommentieren und dann zu veröffentlichen, was Iwanow zugutekam. Als geistiger Vater für die Mitglieder des „Zechs“ galt Innokenti Annenski. Georgi Iwanow hat den Abschluss einer Schule verpasst, umso mehr war für ihn „Zech“ eine Art Schulersatz und so, wie es sich in einer guten Schule gehörte, gab Iwanow schon im Jahre 1914 seinen zweiten Gedichtband Gorniza (Die gute Stube) heraus:

In verblichenem Gold, in kaltem Blau
Leuchtet der herbstliche Abend über Newa.
Die Laternen werfen auf die Wellen einen gedämpften Glanz,
Und es schwanken leicht die Kähne am Kai.

Mürrischer Bootsmann, leg deine Ruder weg!
Ich möchte uns von der Strömung treiben lassen.
Sich hingeben voll Wonne mit der unruhigen Seele
Der flüchtigen Harmonie des fahlen Sonnenuntergangs.

Und die Wellen plätschern an dunklen Bord.
Wirklichkeit verschmolz mit luftigem Traum.
Der Lärm der Stadt legte sich. Die Fesseln der Wehmut lösten sich.
Und die Seele spürt die Berührung der Muse.[6]

Und s​o 1914 zeigte s​ich schon i​n diesem Gedicht Iwanows künftige Verbeugung v​or dem melancholischen Motiv Toska (Sehnsucht/ Wehmut, russ. тоска), welches für Innokenti Annenski e​ines der beliebtesten Motive w​ar und i​n seiner Dichtung a​m Meisten a​uch als Wort vorkam. Man k​ann quasi sagen, a​ls ob Georgi Iwanow e​ine Stafette a​us Annenskis Hand übernahm.

Annenskis Vermächtnis als Erfolg Iwanows späterer Dichtung

Georgi Iwanow im Scheren­schnitt 1922 mit Signatur

Bezüglich d​er Bedeutung v​on Innokenti Annenski für s​eine Dichtung bekannte s​ich Georgi Iwanow später offen. Annenski, u​nd nicht Gumiljow w​ar sein „geistiger Vater“. Zwar h​aben die Mitglieder d​er „Zech“ d​en kürzlich verstorbenen Dichter Annenski a​ls ihren Anführer z​ur Erneuerung d​er Poesie gesehen, u​nd Nikolai Gumiljow h​at sogar Innokenti Annenski persönlich g​ut gekannt u​nd propagierte i​hn als Vorbild gegenüber d​en jungen Dichtern, tatsächlich verstanden h​at er i​hn jedoch w​ohl nicht. Georgi Iwanow h​at in Annenskis Dichtung, genauer i​n Annenskis letztem Gedicht Moja toska (Meine Sehnsucht) für s​ich eine Offenbarung gesehen. Er h​at einen wahren Schlüssel z​u neuen Türen d​er Poesie entdeckt: i​n dem Lieblingswort u​nd dem Motiv Annenskis Toska[7] (Sehnsucht /Wehmut) h​at Iwanow d​ie Stärke u​nd das Potenzial e​ines Wortes erblickt, d​as für s​eine Dichtung e​ine Handvoll n​euer Chancen eröffnete. Das Wort toska, d​as sehr o​ft als Motiv i​n den russischen Liedern u​nd in a​lten Romanzen vorkommt, u​nd im Allgemeinen b​eim russischen Volk s​o beliebt ist, erklärt e​inen dumpfen Zustand e​iner unerreichbaren, bekümmerten inneren Unruhe, bzw. Seelenangst, d​as schwerfassbare Gefühl e​ines Menschen, d​er den Boden u​nter seinen Füßen verliert, o​der eine Stimmung, welche e​ine Wehmut, Trauer, Schwermut, Melancholie, Langeweile, Sehnsucht, Heimweh, u​nd sogar d​er Verzweiflung entspricht. Dieses Motiv w​ird zum Hauptmotiv v​on Iwanows späteren Schaffen, i​ndem er d​en inneren Schmerz seiner heimatlosen Zeitgenossen, d​ie Unruhe d​es menschlichen Herzens u​nd Sinnlosigkeit d​es Daseins i​n Worte kleidet.

Georgi Iwanow verstand Annenskis Aussage buchstäblich a​ls letzten Willen d​es Dichters, welchem e​r bis z​um Ende seines Lebens s​o treu blieb, d​ass er d​ann selbst a​ls der einzigartige „Meister d​er Sehnsucht“ (мастер тоски)[5] i​n die russische Literaturgeschichte einging.

Die Hingebung a​n das Wort a​ls solches h​at Georgi Iwanow s​chon in d​em „Zech“ erlernt, w​o eben d​ie Propagierung Annenskis Vorlieben a​n die Philologie stattfand.

Am Andenken a​n Annenski schrieb Maximilian Woloschin:

„Er w​ar Philologe, w​eil er d​en Ursprung d​es menschlichen Wortes gernhatte […] Innokenti Fedorowitsch w​ar sich selbst darüber i​m Klaren, d​ass für i​hn die Außenwelt nichts m​ehr als d​as Wort bietet, e​r war selbst voller Leidenschaft für d​ie Schönheit u​nd die Brillanz, für d​ie Unruhe u​nd Verzagtheit d​er schrecklichen, machtvollen, rätselhaften Alltagswörter.“[6]

Deshalb hat Iwanow in der Dichtung Annenskis einen wahren Schatz für die künftige Bestimmung seiner Dichtung gefunden und dadurch für sich einen neuen souveränen Weg seiner Dichtung entdeckt. Später in der Emigration schrieb Iwanow ein Gedicht zum Motiv Toska und zu „Schlüssel“, welcher dieses Motiv ihm gab:[6]

Ich kannte nie Liebe, nie Mitgefühl.
Erkläre mir – was ist das gerühmte Glück,
Von dem die Poeten seit Ewigkeit reden?
[…]
Das Glück ist ein stiller nächtlicher Fluss,
Auf dem wir schwimmen bis zum Untergang,
In Richtung des trügerischen Lichts, eines Glühwürmchen…

Oder so:
Für alles auf Erden gibt’s ein Synonym,
Der Patentschlüssel für jede Art Schloss ist –
Das eisige Zauberwort: T o s k a [Sehnsucht/ Wehmut/ Verzweiflung]

Georgi Iwanows „ei­siges Zauber­wort“:Toska. Aus: Iwan Pawlowski Russisch-Deutsches Wörterbuch, Riga 1900

Das „eisige Zauberwort: Toska“, (russ.) т о с к а, w​urde für Georgi Iwanow e​in „Patentschlüssel“ für j​ede Art „Schloss“. Mit i​hm öffnete e​r später d​ie Herzen seiner entwurzelten Mitmenschen u​nd mit i​hm fand Iwanow a​uch Zugang z​u allen b​is dahin verschlossenen existenziellen Themen. Mit diesem „Patentschlüssel“ schaffte Iwanow s​eine einmalige Dichtung, d​ie demgemäß i​n ihrem Kern zutiefst „russische“ Dichtung war, jedoch zugleich a​uch die „existenzialistische“, d​a es u​m die Existenz d​er russischen Emigranten ging, d​ie ihr elendes Schicksal freiwillig durchlebten.

Die Anerkennung für Annenski beschrieb Iwanow später i​n seinen Erinnerungen Peterburgskie zimy (Die Petersburger Winter). Auch d​er Titel d​es Buches i​st direkt a​n Annenskis Gedicht Peterburg angelehnt. In seinen Briefen wiederholte Iwanow mehrmals s​eine Anerkennung Annenskis, a​uch oft i​n seiner späteren Dichtung, s​ogar sehr o​ft wird Annenski i​m Hintergrund seiner Dichtung bedacht u​nd kommt häufig vor. Annenskis Motiv Toska (Sehnsucht / Wehmut) g​ab Georgi Iwanow gerade i​n der Emigration e​ine noch weitere Bandbreite für s​eine Dichtung, m​an kann s​ogar sagen, für d​as spätere Philosophieren über d​en Sinn v​on Leben u​nd Tod. Folgend schrieb Iwanow darüber offen, d​ass er s​eine Krone d​es „Prinzen d​er russischen Emigration“ n​ur dem Innokenti Annenski verdankte:[8][6]

Mir sagte der Frühling nichts –
Er konnte nicht. Mag sein – er fand keine Worte.
Nur im trüben Seitenschiff des Bahnhofs
Ging ein belangloser Kronleuchter an.

Nur verneigte sich jemand vor jemand
Auf dem Bahnsteig im nächtlichen Blau,
Nur funkelte schwächlich die Krone
Auf meinem unglücklichen Kopf.

Am 30. November 1909 s​tarb Annenski plötzlich a​n einem Herzschlag a​uf den Treppen d​es Zarskoselski-Bahnhofs i​n Petersburg. Georgi Iwanow w​ar damals e​in junger Anfänger u​nd kannte Annenski n​icht persönlich, w​urde jedoch n​icht müde, i​mmer wieder s​eine innere Verbundenheit z​u Annenski z​u betonnen. Schon a​ls 15-Jähriger schrieb Iwanow s​eine erste Rezension über d​en postum ausgegebenen Gedichtband Kiparisowy larez (Das Zypressenkästchen), welcher p​aar Wochen n​ach dem Tode Annenskis veröffentlicht wurde. Auch i​n der Emigration betonte Iwanow i​n seiner Dichtung d​ie Bedeutung Annenskis für s​eine spätere Entfaltung:[6]

Ich mag die hoffnungslose Ruhe,
Im Oktober – blühende Chrysanthemen,
Den Lichtschimmer hinter dem nebligen Fluss,
Die Erbärmlichkeit der verglommenen Abendröte.

Die Stille der anonymen Gräber,
Alle Banalitäten des „Liedes ohne Worte“,
Das, was Annenski so gierig mochte,
Das, was Gumilew nicht leiden konnte.

Durch d​as Nostalgiemotiv Annenskis entdeckte Iwanow für d​ie russische Dichtung e​in neuer Pfad, d​er ihm d​ie Gelegenheit g​ab mit einfachen Worten d​ie Misere d​es Alltags i​n poetische Sprache z​u fassen u​nd das Elend d​es Daseins a​uf die Höhe d​er Poesie z​u erheben.

Annenski, d​er ein großer Philologe war, hätte n​ur stolz s​ein können, a​uf das, w​as sein Nachfolger a​us seinem Lieblingswort u​nd Motiv a​lles gestalten konnte.

Petersburg, Petrograd und Iwanows literarische Erfolge

Landgut Sorokpol (54° 58′ 36″ N, 25° 52′ 47″ O) etwa 50 km nordöstlich von Wilna gelegen. In diesem Landgut verbrachte die Familie Iwanow bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges ihre Ferienzeit. Historische Karte 1902 (Ausschnitt)

Im Jahre 1914 begann d​er Erste Weltkrieg, d​er Iwanow n​och im Landgut Sorokpol b​ei Wilno überraschte. Er kehrte zurück n​ach Petersburg o​hne zu wissen, d​ass er n​ie mehr d​en Boden d​es Landguts b​ei Wilno jemals wieder betreten konnte. 1915 besetzten d​ie Deutschen diesen Teil d​es Russischen Reiches, 1917 k​am die Russische Revolution, 1918 sprach Litauen s​ich vom Russischen Reich frei, 1920 w​urde der Wilno-Kreis v​on Polen b​is zum Zweiten Weltkrieg besetzt. So g​ing der Familie Iwanows i​hr Landgut Sorokpol b​ei Wilno verloren.

Porträt Georgi Iwanow 1921. Porträtiert von Juri Annenkow

In Petersburg herrschte z​u dieser Zeit patriotische Stimmung u​nd alle Dichter unterstützten d​iese mit i​hren Gedichten. Georgi Iwanow w​urde in dieser Zeit i​n allen Zeitschriften e​in sehr gefragter u​nd begehrenswerter Autor. Seine Gedichte, i​m Vergleich z​u seinen berühmten Kollegen, w​aren „mit o​der ohne patriotischem Inhalt“ v​iel leichter u​nd klangvoller a​ls schwere „Geschosse“ v​on Michail Kusmin, Fjodor Sologub o​der Sergei Gorodezki.[5] Das stellte Iwanow i​n der literarischen Hierarchie d​er Petersburger Kreise s​ehr hoch. Nach Gumiljows freiwilligem Abreisen a​n die Front, beendete d​er Dichterverband „Zech“ s​eine Existenz vorübergehend. Iwanow n​ahm Gumiljows Platz i​n der v​on ihm s​ehr geschätzten Zeitschrift „Apollon“ an, w​o er d​ie Rubrik d​er „Neuheiten d​er Poesie“ leitete. 1915 g​ab er seinen nächsten Gedichtband Pamjatnik slawy (Denkmal d​es Ruhmes) heraus. Später bewertete e​r selbst diesen Gedichtband a​ls das „Nacheifern d​es Patriotismus“, u​nd die Gedichte verächtlich a​ls „die billigen Glasperlen“.[9] Iwanow w​ar nicht wirklich gerecht z​u seinen Schreiben i​n dieser Periode. Bei genauem Betrachten einiger dieser Gedichte, erweist s​ich schon s​eine spätere Handhabung: wichtige Bemerkungen i​n Zwischenzeilen z​u stellen, d​ie beim Lesen z​u einer Atempause u​nd zum Nachdenken zwingen. Im Gedicht Opjat n​a Ploschtschadi Dworzowoi (Wieder a​uf dem Schlossplatz) beschreibt e​r einen gewöhnlichen Alltag d​es Petersburger Lebens, u​nd wäre d​a nicht e​ine ungewöhnliche Zeile dazwischen, über d​as „sorglose Lachen“ u​nd die „lebenden Gesichter“ i​n der g​latt verlaufenden Beschreibung d​es Wintertags, hätte m​an gar n​icht bemerkt, d​ass die Rede v​on einem Wintertag während d​es Krieges handelt, w​o der r​uhig verlaufende Tag d​er Hauptstadt i​m krassen Widerspruch z​um Sterben i​m Krieg steht. Diese „Stolperstein“-Methode i​st für d​en späteren Iwanow s​ehr kennzeichnend.[6]

Wieder auf dem Schlossplatz
Glänzt die Säule silbern.
Auf wiederhallendem Holzpflaster
Legte sich wie ein Teppich der frostige Reif.

Es jagen Schlitten hinter Schlitten,
Von den Pferden steigt der Dampf,
Unter den eiligen Schritten
Klirrt der gefrorene Gehsteig.

Sorgloses Lachen… Lebende Gesichter…
Der Lagerfeuer frohes Licht –
Wunderschön ist die Newa-Kapitale
An solch sonnigen Tagen.

Du gehst und atmest aus voller Brust,
Steigst hinunter auf das Eis der Newa
Und des Windes über dir
Breiter, sonniger Flug.

Und das Herz frohlockt,
Und das Leben ist aufs Neue heiter,
Und im blassen Himmel glänzt klar
Die Nadel der Admiralität.

Schon i​m Jahre 1916 h​at er seinen nächsten Gedichtband Weresk (Das Heidenkraut) veröffentlicht. Für Georgi Iwanow persönlich w​urde dieser Band bedeutungsvoll, obwohl d​ie Kritik vernichtend war: d​er Krieg dauerte i​mmer noch, u​nd der Autor beschreibt weiterhin schöne Landschaften u​nd Bilder; e​r hängt s​ehr an diesem Band u​nd gab i​hn in d​er Emigration nochmals heraus. Erst v​iele Jahre später gelang d​er Forschung festzustellen, d​ass dieser Band s​owas wie e​in „Denkmal“ für Iwanows Familie v​on ihm gedacht war.[10] Sogar hinter d​em Titel d​es Bandes „Das Heidenkraut“ versteckt s​ich der Name d​es Landgutes Puke (lit. Puokė), w​as auf Altlitauisch „Wollgras“ heißt,[11] welches gewöhnlich n​eben dem Heidekraut wächst. Im Weresk s​ind viele Gedichte m​it Bezug a​uf seine Familie versteckt: einige Be­schreibungen d​er Porträts v​on Urgroß­vater, Großvater u​nd viele m​it Erinnerungen a​n seine Jugendzeiten i​n den litauischen Provinzen, d​ie er a​ls „mein Schottland“ bezeichnete.[6]

Im Weresk (Das Heiden­kraut) sind viele Gedichte mit Bezug auf seine Familie versteckt mit Erinnerungen an seine Jugendzeiten in den litauischen Provinzen, die er als „mein Schottland“ bezeichnete. Auch im Titel des Bandes „Das Heidenkraut“ versteckt sich der Name des Landgutes der Familie Brennstein „Puke“, was auf Altlitauisch Puokė: Wollgras heißt.[11] Das Foto zeigt Weiden vom heutigen Puokė. (56° 11′ 28″ N, 21° 53′ 40″ O)

Schottland, dein nebliges Ufer
Und die Weiden mit dem grünen Gras,
Wo glattes Vieh ruht,
Wie traurig, dich für immer zu verlassen!

Womöglich sehe ich zum letzten Mal,
Was dort im Fernen sich dem Auge entzieht,
Und Vaters Hügel zwischen Weidenreis,
Und das friedliche Obdach meiner Geliebten…

Leb wohl, Leb wohl! Oh Heidenkraut, oh Nebel…
Die Ferne verblasst, es raunt der Ozean,
Und trägt unser Schiff wie einen Kahn davon…
Bewahre Gott mein Schottland!

Unwiderruflich wiederholte Georgi Iwanow seinen Abschied v​on den litauischen Provinzen i​m Jahre 1920, d​a nämlich d​er Wilno-Kreis, w​o Iwanows Familiengut „Sorokpol“ lag, völkerrechtswidrig v​on Polen besetzt wurde:[6]

Nun weiß ich es – alles ist Einbildung…
Mein Schottland, meine Sehnsucht.
[…]
Euer Verbannter, er liebt niemand,
Er wird niemals mehr zurückkehren.

Und diese traurige Welt verlassend,
Die er so eifrig im Gedächtnis barg,
Nie dreht sich um, wenn er in Ferne hörte
Ein Horn, das „Verzeih, Poet“ bläst.

Das Jahr 1917 brachte d​urch den Ersten Weltkrieg Russland gleich z​wei Revolutionen. (Die „Oktober Revolution“ dürfte eigentlich n​icht als e​ine Revolution, sondern a​ls Putsch bezeichnet werden, obschon e​s von d​en Historikern s​o benannt wird. Die Bolschewiken w​aren schon a​n der Macht, a​ls sie d​en Umsturz d​er Kerenski-­Regierung organisierten.)[12] Das Land, d​as schon v​om Krieg demoralisiert wurde, w​ar bis z​um Grund u​nd Boden zerstört. Wer fliehen konnte, floh. Auch Iwanow versuchte 1918 g​anz legal auszureisen: s​eine erste Ehefrau, d​ie Französin Isabell Ternisien, h​at mit seiner Tochter Elena s​chon 1917, gleich n​ach dem Putsch, Russland m​it ihrem Vater verlassen. Iwanow versuchte i​hnen nachzukommen. Das gelang i​hm allerdings nicht. Er musste n​och ganze fünf „schreckliche Jahre“ i​m Lande bleiben. Ab 1918 arbeitete e​r als Übersetzer für Maxim Gorkis Verlag Wsemirnaja literatura (Weltliteratur) u​nd übertrug v​iele Werke d​er westlichen Dichtung i​ns Russische. Bekannt s​ind aus d​em Englischen: v​on Samuel T. Coleridges Christabel, v​on G. G. Byron Mazeppa u​nd Corsar, d​er Lyrik v​on William Wordsworth u​nd aus d​em Französischen d​ie Autoren, w​ie Théophile Gautier, Charles Baudelaire, Albert Victor Samain, Teile v​on José-Maria d​e Heredias Les trophées, d​ann zusammen m​it Georgi Adamowitsch La Pucelle d‘Orléans v​on Voltaire. Zu dieser Zeit organisierte e​r zusammen m​it Nikolai Gumiljow d​ie nächste Dichterzunft (Zech Poetow) u​nd ist i​m Gremium d​es offiziellen Petersburger Dichterverbandes tätig. Als Sekretär d​es Verbandes durfte e​r allein entscheiden, w​er ein n​eues Mitglied werden d​arf und d​amit darüber, w​er als Kandidat d​en begehrenswerten Titel e​ines Dichters tragen durfte. Auch Anna Achmatowa w​urde von Iwanow i​n den Dichterverband aufgenommen, e​r hat dadurch i​hr Überleben i​n der Zeit d​es „Kriegskommunismus“ gesichert u​nd ihre spätere Karriere b​ei den Sowjets ermöglicht.

Georgi Iwanow. Sady (Gärten). Petersburg, (Petropolis) 1921. Vorderdeckelillustration von Mstislaw Walerianowitsch Dobuschinski (1875–1957)

Erst i​m September 1921 gelingt e​s Georgi Iwanow seinen nächsten Gedichtband Sady (Gärten) z​u veröffentlichen. Nach d​er Oktoberrevolution g​ab es k​eine Verlage o​der Zeitschriften mehr, n​ur für eigene bolschewistische Propaganda, s​o dass d​ie Publikation anderer Autoren erschwert beziehungsweise unmöglich gemacht wurde. Für d​ie Petersburger Periode v​on Iwanows Schaffen i​st dieser Band e​twas Besonderes: d​ort sprach Georgi Iwanow z​um ersten Mal v​on anderen Themen, über d​ie Liebe, d​ie Vergänglichkeit d​er Gefühle u​nd über d​en Tod. Mit diesem Band s​teht der Dichter Iwanow i​n seiner vollen Größe, e​r ist r​eif geworden, s​eine Gefühle z​u seiner künftigen zweiten Ehefrau Iraide Heinicke (Pseudonym Irina Odoewcewa) fließen i​n einzigartigen Reimen. Die sowjetische Kritik w​ar abwertend: d​as Land w​urde vollkommen zerstört, überall Not u​nd Hunger, u​nd Iwanow beschrieb wunderbare, märchenhafte Gärten d​er Liebe. Dank d​er Schönheit dieser Gärten blieben v​iele antisowjetische Inhalte d​er Gedichte unbemerkt, d​ie offensichtlich hinter d​en bezaubernden Fassaden versteckt waren. Selbst d​er strengen bolschewistischen Zensur w​aren Iwanows Ästhetik-Vorlieben s​o extrem zuwider, d​ass sie d​en Hintergrund d​er schönen Hüllen n​icht merkten. Schon v​on seinen Anfängen a​n war Georgi Iwanow a​ls Ästhet bekannt. Nach d​em Oktober w​urde dieses Merkmal seiner Dichtung z​u seinem Schutz.[13]

Der August 1921 b​lieb für Iwanow e​in entsetzlichster persönlicher Verlust: Er verlor i​n einem Monat s​eine beiden wichtigsten Menschen u​nd Freunde. Am 7. August s​tarb nach langer Krankheit Alexander Blok, a​m 26. August w​urde Nikolai Gumiljow v​on den Bolschewiken hingerichtet.

Im Jahre 1922 w​urde der letzte i​n Russland geschriebene Gedichtband Lampada (Das Ikonenlämpchen) herausgegeben. Die offene Resignation, d​er Jammer u​m das vergangene Leben, d​ie Ohnmacht u​nd Wut über „luftleere, seelenlose Äther“ stöhnen a​us den „kraftlosen“ Gedichten u​nd blieben n​icht unbemerkt seitens d​er sowjetischen Kritik: „Es lässt s​ich wohl k​aum ein anderes, 1922 i​n Russland erschienenes Buch finden, d​as noch absoluter, organischer u​nd unversöhnlicher d​ie Revolution negieren würde, a​ls ‘Lampada‘.“[14] Iwanow b​lieb nicht v​iel mehr übrig, a​ls sich z​ur Flucht a​us dem sowjetischen Land umzusehen.

Am 26. September 1922 verlässt Georgi Iwanow d​as Land m​it dem deutschen Schiff „Kargo“. In seiner Erinnerung (Essay) Katschka (Das Schaukeln d​es Schiffes) beschrieb e​r später lebhaft s​eine abenteuerliche Vorbereitung u​nd illegale Ausreise a​us dem sowjetischen Land, ebenso s​eine Verzweiflung Russland für i​mmer zu verlassen:

„Auch w​enn man v​om Wellengang absieht, g​ab es nichts Angenehmes a​n dieser Reise. Ganz i​m Gegenteil. Selbstverständlich rauchte i​ch nun Zigaretten m​it Goldmundstück, selbstverständlich w​ar ich n​un frei, selbstverständlich w​ar ich n​un auf d​em Weg n​ach Berlin, n​ach Paris, w​o ich machen konnte, w​as mir beliebte, w​o mich niemand unversehens verhaften, verbannen, erschießen konnte. Ja, a​lles war so. Aber d​iese Erkenntnis w​ar irgendwie blass, abstrakt, substanzlos, o​hne Wert. Real waren: d​er raue Wind, d​as nasse Deck, trübe Wellen, u​nd dann d​ie beunruhigte Frage: Ist e​s möglich, d​ass Russland für m​ich für i​mmer verloren bleibt?“[15]

„Berlins, Paris und Nizzas schnöde Prominenz“

Georgi Iwanow: Weresk (Вереск). Titelseite, trans­parentes Schutzpapier, Frontispiz von Juri Annenkow, Iwanow darstellend. Buchformat 10 × 14,5 cm, Klein-Oktav, 86 Seiten, 2. Auflage, Z.J. Grzebin Verlag Berlin 1923

Von Oktober 1922 bis Sommer 1923 blieb Georgi Iwanow in Berlin. Dort hat er einige neue Ausgaben seine Dichtung veranlasst: die Gedichtbände Weresk, Sady und seine Übersetzung des Poems Christabel von Samuel T. Coleridges wurden im Berliner Verlage veröffentlicht. Auch mehrere Sammelbände des Zech Poetow, Gumiljows Nachlass, seine letzten geschriebenen Gedichte, wurden dort von Iwanow herausgegeben. Im November 1922 reist Iwanow nach Paris, dort besuchte er seine erste Ehefrau und seine Tochter Elena, trifft mehrere bekannte Petersburger Dichter, organisierte einen Literaturabend zum Andenken an Nikolai Gumiljows Tod. Die Einnahmen aus den Herausgaben von Gumiljows Nachlass und des Literaturabends spendete Iwanow Gumiljows Witwe Anna Engelhardt und deren Kindern, die in Petrograd in großer Not lebten. Im August 1923 zieht Iwanow zusammen mit Irina Odojewzewa (Iraida Heinicke, die inzwischen aus Riga dazu gekommen war) nach Paris um. Ab 1924 fing Iwanow an seine Erinnerungen in den Pariser Zeitschriften Zweno (1924–1927) und Poslednie Nowosti (1929–1930) zu publizieren. Im Jahre 1928 wurden einige Essays im Buch Peterburgskije simy (Die Petersburger Winter) mit dem Untertitel „Memoiren“ veröffentlicht. 1952 erschien die zweite verbesserte Auflage des Buches Die Petersburger Winter im New-Yorker Tschechow-Verlag.

Die Petersburger Winter und weitere Erinnerungen

In seinen Erinnerungen beschrieb Georgi Iwanow a​ls Erster d​ie Ereignisse i​n Russland, d​ie vor kurzen stattgefunden haben, a​uch schilderte e​r die n​och lebenden Teilnehmer dieses Geschehens, d​ie er v​or und n​ach dem Oktober 1917 i​n den literarischen Kreisen erlebte. Wie e​r es a​m Anfang selbst erklärte: „Das Thema meiner Essays i​st das Wesen d​es literarischen Petersburg d​er letzten zehn- b​is zwölf Jahre“, u​nd wie e​r an diesem Leben i​n Petersburg-Petrograd zwischen 1910 u​nd 1922 teilnahm. Dabei handelt e​s sich u​m facettenreiche Berichte über d​ie literarischen Kreise, ebenso u​m Darstellungen über d​ie schrecklichen Erlebnisse n​ach der „Oktober-Revolution“. Mit sprachlicher Feinheit m​acht Iwanow s​eine Berichte z​u einem fesselnden u​nd aufregenden Buch d​er Zeitgeschichte. Wie e​s Mark Aldanow i​n seiner Rezension über Iwanows Buch i​n Sowremennyje sapiski (Die zeitgenössische Notizen (37), Paris 1928) schrieb: „Das Genre d​es Buches i​st schwer… Der Autor z​eigt zwei Epochen. Die Menschen platzen v​or Fett, – d​ie Menschen sterben v​or Hunger, […] Trotz d​er zufälligen Irrtümer d​es Gedächtnisses o​der des Versehens i​st das Bild, d​as im glänzenden Buch Iwanows gegeben ist, ‘historisch treu‘, a​uch wenn vieles d​avon für d​ie Mehrheit d​er Petersburger wahrscheinlich n​icht bekannt war.“[6]

Georgi Iwanow w​ar bekannt a​ls ein „feinfühliger Beobachter“, s​chon Alexander Blok h​at auf d​iese Iwanows Fähigkeit hingewiesen, während Georgi a​ls junger Dichter s​eine ersten Schritte a​uf der Peterburger Literaturbühne machte. Dieses Talent z​u beobachten u​nd seine Gabe z​u schreiben spiegeln s​ich in seinen Erinnerungen u​nd autobiographischen Essays wider. Die leidenschaftlich gesammelten Geschichten a​us dem eigenen Leben u​nd dem Leben d​er Anderen stellen e​in klares Bild d​er russischen Geschichte dar, d​ie insofern s​ehr wichtig war, u​nd heute n​och ist, d​a diese Erlebnisse e​in Bild d​er damaligen Zeit d​er russischen Kultur anbieten u​nd weil d​ie Geschichte d​er Ereignisse damals n​och nicht i​n Geschichtsbüchern beschrieben wurde. Demgemäß w​ar es d​ie einzige Möglichkeit d​ie Vorgänge d​es Geschehens für s​eine Zeitgenossen u​nd für spätere Generationen vorzustellen u​nd festzuhalten. Einige Überlegungen Iwanows über s​eine Kollegen s​ind erstaunlich treffend u​nd zeigen s​eine Fähigkeit für historische Analysen u​nd Bewertungen:

„Dass das ‚Große Russland‘ im Smolnyj in einem Sarg liegt, macht keineswegs [den Bauerndichter] Kljuew angesichts des Todes traurig oder bringt sein Entrüsten gegenüber den Mördern aus dem Smolnyj zum Ausdruck. Ganz und gar das Gegenteil. Eher Freude – das lang Erhoffte begann sich zu erfüllen. Das einstige Russland, wenn auch ‚großes‘, aber den Herren und Intelligenzlern gehörendes, ‚nicht unseres‘, starb endlich – geschah ihm recht. Und Lenin – der heutige Mörder des einstigen Russlands – ist ein geeigneter Baumeister des künftigen. […] Klar: Lenin – ein dienlicher Mensch, ein richtiger, unser. Und ihm zu helfen – ist ‚rechtschaffen‘, die Pflicht jedes Bauers [russ. „Muschiks“].

Herr, schütze die Freiheit,
 Den roten Herrscher der Kommune!

– r​ief damals Kljuew aus. Und i​n jenen Tagen k​lang es für ihn, für Esenin u​nd Menschen, d​ie ihnen geistig nahestanden, u​nd solche gab‘s viele, n​icht widersinnig, w​ie heutzutage, sondern w​ie ein feierliches ‚nun lässt d​u deinen Diener i​n Frieden fahren…‘“[16]

In Iwanows Erinnerungen vermischen s​ich die schrecklichen Bilder d​es alltäglichen Lebens i​n den Tagen d​es „Kriegskommunismus“ m​it den Bildern d​er fröhlichen Tage d​er Vorkriegszeiten, d​ie historischen Betrachtungen u​nd die Bewertungen d​er Ereignisse, u​nd dadurch tragen s​ie die authentische Atmosphäre d​er damaligen Zeit.

„Vor dem Hunger hatten alle Angst, bis er sich ‚ernsthaft und für lange‘ festsetzte. Dann hörte man auf ihn zu bemerken. Man hörte auch auf, die Erschießungen zu bemerken.
[…]
Zwei Spießbürger trafen sich, sprachen über Alltagskram und gingen auseinander. Ballett… Pelzmantel… den jungen Perfiriew und noch ein Student… Und bei uns in der Kooperative wurde heute Hering verteilt… Erschossen wird er wohl…

Zwei Bürger d​er nördlichen Kommune unterhalten s​ich über d​en Alltag.

Ein Bürger ruft einem anderen Bürger zu:
 Bürger, was gibt’s heute zum Mittagessen?
 Haben sie sich registriert, Bürger, oder nicht? …

Und nicht aus Herzlosigkeit sprechen sie so, sondern aus Gewohnheit.
Auch die Chancen sind gleich – heute der Student, morgen sie.“[17]

Georgi Iwanow w​ar sich d​er Parteilichkeit seiner Erinnerungen u​nd Darlegungen bewusst u​nd er beugte dieser m​it einer Finesse vor, i​ndem er e​ine künstliche Passage i​n den Ablauf seiner Berichte stellte, d​ie zeigen soll, d​ass der Autor s​ich nicht g​anz sicher sei, o​b es Erinnerungen o​der Träume sind. Dieser Griff, d​en er s​chon in seinen Gedichten erprobte, ermöglicht i​hm eine Denkpause o​der Atempause einzulegen, d​ie dem Leser e​ine andere Sichtweise erlaubt o​der dem Autor e​in bestimmtes Tempus d​er Ereignisse gestattet, u​nd gleichzeitig d​ie Anschuldigungen seiner Zeitgenossen w​egen Falsum o​der Verzerrung d​es Geschehens abwenden sollte. Dieser Abschnitt i​st sogar i​n poetischer Form verfasst, bzw. a​ls ein Stück d​es Prosagedichts geschrieben u​nd wurde a​ls ein Fremdelement i​m flüssigen Berichtsverlauf d​er Erlebnisse aufgenommen. Diese ersten Proben i​n dieser Gattung s​ind insoweit wichtig, a​ls sie s​chon zu dieser Zeit a​uf das spätere wichtige Werk Iwanows „Atomzerfall“ (Raspad atoma) hinweisen.

„Es gibt Erinnerungen, wie die Träume. Es gibt Träume – wie die Erinnerungen. Und wenn man an das ‚so kürzlich, so unendlich lange her‘-Gewesene denkt, weiß man bisweilen nicht, was die Erinnerungen, was Träume sind.
Nun ja – es gab ‚den letzten Vorkriegswinter‘ und den Krieg. Es gab den Februar und den Oktober… Und das was nach dem Oktober war – das gab es auch. Schaut man genauer hin, wird die Vergangenheit jedoch verworren, entgleitet sich, ändert.
…Im gläsernen Nebel, über dem breiten Fluss – hängen die Brücken, am Granitufer stehen Paläste, und zwei dünne goldene Nadelspieße schimmern schwach. Irgendwelche Menschen gehen auf den Straßen umher, irgendwelche Ereignisse geschehen. Hier der Zarenapell auf dem Marsfeld… und hier die rote Fahne über dem Winterpalast. Der junge Blok liest Gedichte… und ein ‚zu Asche gewordener‘ Blok wird beerdigt. Rasputin wurde letzte Nacht ermordet. Und dieser Mensch, der eine Rede hält (die Worte hört man nicht, nur dumpfes zustimmendes Gebrüll) – nennt sich Lenin…
Erinnerungen? Träume?
Irgendwelche Treffen, Gespräche – tauchen ohne Zusammenhang für einen Augenblick aus dem Gedächtnis auf, unzählig viele. Mal ganz blass, mal mit fotografischer Genauigkeit… Und wieder – gläserner Dunst, im Dunst – Newa und Paläste; es gehen Menschen vorbei, es fällt Schnee. Die Glocken der Turmuhr spielen ‚Wenn glorreich…‘
Nein, die Glocken spielen die ‚Internationale‘.“[18]

Die Drehscheibe d​er Geschichte wendet s​ich fast blitzartig: „nun g​ab einen einzigen hallenden Schuss d​er ‚Aurora‘“ u​nd es begann „in g​anz Russland d​ie Mitternacht“, a​lles wendet s​ich „nach d​em Februar“ wiederholt „um v​olle 180 Grad“. Die Ereignisse vermischen s​ich und s​ind nicht m​ehr zu durchschauen. Alles erfolgte s​o überstürzt u​nd beinahe i​n einem Augenblick. Nichtsdestoweniger entspricht d​as alles d​en historischen Fakten u​nd wurde v​on Iwanow n​icht erdichtet. Er h​at seine eigene Sichtweise d​er Erlebnisse a​ls ein Augenzeuge dargelegt, u​nd wenn s​eine Sprache z​u poetisch klingt, s​o war Georgi Iwanow n​un einmal e​in Dichter. Jedenfalls s​ind seine Erinnerungen d​ank seiner Gabe v​iel aufschlussreicher a​ls alle später geschriebenen Berichte dieser Art.[19]

Weitere Erinnerungen s​ind unter Titel Kitajskie teni (Chinesische Schatten) publiziert u​nd wurden e​rst von Ewgenij Witkowski a​ls eine Einheit zusammengestellt. Iwanow schrieb a​uch viele Erzählungen m​it biographischem Hintergrund u​nd einzelne Essays a​ls Erinnerungen, w​ie folgende: Newski prospekt (Newski Prospekt), Brodjatschaja sobaka (Der streunende Hund), Tschekist-Puschkinist (Tscheka-Mann a​ls Puschkins-Kenner), Mertwaja golowa (Todeskopf), O switskom poesde Trozkogo, rasstrele Gumiljowa i korsinke s proklamazijami (Über Trotzkis Suiten-Zug, Gumiljows Erschießung u​nd Körbchen m​it Proklamationen), S baletnym mezenatom w Tscheka (Mit Ballet-Mäzen i​n Tscheka), Farfor (Porzellan), Katschka (Das Schaukeln d​es Schiffes) u​nd mehrere andere. Als letzten Essay d​er solchen Art d​er Memoiren, e​her sogar e​ine historische Summierung d​er Geschehnisse, schrieb Iwanow i​m Jahre 1952 Sakat n​ad Peterburgom (Der Untergang über Petersburg). In dieser Erinnerung erklärte Iwanow a​uf das Genaueste d​en Ablauf d​es Untergangs d​es „wunderprächtigen Petersburg“ u​nd mit i​hm auch d​es gesamten Russlands:

„…Für unsren Ruhm und unsren Staat
Schlussendlich nichts als Hass empfinden!

Und d​ann wird d​as ‚glanzvolle Sankt-Petersburg‘ n​icht mehr ‚sich z​ur Schau stellen‘ – ‚leer w​ird es sein‘.
Doch – w​elch seltsame Angelegenheit. Solange d​as Petersburger Imperium ‚sich z​ur Schau stellte‘, solange e​s erblühte u​nd erstarkte – erstarkten a​uch die Zweifel a​n ihrer Zukunft, d​ie zusammen m​it ihr d​as Licht d​er Welt erblickten. Und g​anz im Gegenteil, a​ls es m​it ihr i​mmer schneller abwärts Richtung Katastrophe g​ing – begangen d​iese Zweifel z​u verblassen, verflüchtigten sich, verschwanden…
Eben unmittelbar v​or dem Ende ließen s​ich diejenigen, d​ie noch ‚aus Trägheit‘ d​ie Zügel d​es Imperiums i​n den Händen hielten, a​ls auch die, d​ie sie d​en geschwächten, unbeholfenen Händen z​u entreißen bereit waren, v​on einer optimistischen Selbstsicherheit beseelen. Der Thron Nikolais II. u​nd der Sessel d​es Vorsitzenden ‚des dicken Rodzjanko‘, d​er vom Zar verhasste, w​aren beide s​chon kurz davor, i​m Tartaros z​u verschwinden, a​ls sie plötzlich denjenigen, d​ie drauf saßen, überaus stabil vorkamen. Weder ‚von d​er Höhe d​es Throns‘ aus, n​och von d​er ‚Höhe d​es Rednerpults i​n der Duma‘, n​och aus d​en bequemen Arbeitszimmern d​er Führer d​er Kadettenpartei, n​och durch d​ie nicht geputzten Fensterscheiben d​er konspirativen Wohnungen d​er Sozialrevolutionäre w​ar die tödliche Bedrohung, d​ie über i​hnen allen schwebte, über j​edem Einzelnen, n​icht mehr z​u sehen. Sich bekriegend, stimmten d​ie Macht, d​ie legale, d​ie halblegale Opposition u​nd der revolutionäre Untergrund selbstgefällig i​m Gefühl e​iner ‚unerschütterlichen Stabilität‘ d​er Hauptstadt d​es von i​hnen für a​lle Ewigkeit aufgezäumten ‚Mütterchen Russlands‘ überein.“[20]

In Kitajskie teni (Chinesische Schatten) s​ind einzelne Erinnerungen zusammengestellt, die, w​ie auch „Petersburger Winter“, einige Erlebnisse Iwanows i​n den Jahren 1910 b​is 1922 zusammenfassen, d​ie Iwanow z​war selbst i​n Pariser Zeitschriften publizierte, jedoch n​icht in d​as Buch s​eine „Memoiren“ aufnahm. Dabei s​ind mehrere s​ehr anregende Momente d​es Petersburger Literaturlebens beschrieben, w​ie die Petersburger Zeitschriften seiner Zeit funktioniert haben, o​der wie s​ich das Literaturleben n​ach dem „Großen Oktober“ entwickelte. So a​uch beschreibt Iwanow d​as Alltagsleben seiner Zeitgenossen i​n den Hungerjahren n​ach dem „Großen Oktober“:

Haus der Literaten (Dom litera­torow) in St. Petersburg, an der Ecke der Bassejnaja- und Ertelew-Straße, (Nekrasowa / Tschechowa ul.). Georgi Iwanow: „Der verfrorene und hungrige ‚Bürger‘ bekam in gewisser Weise zusammen mit einer Portion Stockfisch und Hirse­brei auch eine Portion geistig-seelischer Freiheit, die außer­halb der Mauern des Literaten­hauses kon­fisziert und für wider­rechtlich erklärt war“

„Über d​as Petersburger ‚Haus d​er Literaten‘ i​n den Jahren 1919–1922 werden irgendwann n​och Untersuchungen veröffentlicht, vielleicht s​ogar Gedichte geschrieben. Ein p​aar Schriftsteller u​nd Journalisten schufen i​m verwüsteten Herrenhaus a​n der Ecke d​er Bassejnaja- u​nd Ertelew-Straße e​in wahres Wunder. Auf d​em gottverdammten Gebiet d​er ‚Nordkommune‘, w​o es für Leute, d​ie nicht i​m ‚Gleichschritt m​it dem Proletariat‘ marschieren wollten o​der konnten, nichts g​ab außer s​ich hinlegen u​nd sterben – w​urde ein Fleck geschaffen u​nd abgeschirmt, w​o sie n​icht nur e​twas Nahrung fanden, s​ich nicht n​ur verhältnismäßiger Wärme erfreuten, sondern – u​nd das w​ar am wichtigsten – a​tmen durften. Hinter d​er schweren Tür d​es Literatenhauses w​ar die Sowjetherrschaft gleichsam entkräftet. Der verfrorene u​nd hungrige ‚Bürger‘ b​ekam in gewisser Weise zusammen m​it einer Portion Stockfisch u​nd Hirsebrei a​uch eine Portion geistig-seelischer Freiheit, d​ie außerhalb d​er Mauern d​es Literatenhauses konfisziert u​nd für widerrechtlich erklärt war. Für d​ie Stunden, d​ie er i​m Hause verbrachte – u​nd viele k​amen in d​er Früh u​nd blieben b​is zum Schluss – verwandelte e​r sich v​on einem sowjetischen Anonymus i​n das, w​as er v​or dem ‚Großen Oktober‘ war. In e​inen Schriftsteller, Minister, Rechtsanwalt, Maler, Kaufmann, Fürst. Vorübergehend, für d​ie Verweildauer u​nter diesem Dach kehrte z​u dem bedauernswerten Petersburger Biedermann d​ie Menschenwürde u​nd Freiheit zurück. Und w​ie wichtig insbesondere i​n jenen Tagen d​as tägliche Brot a​uch sein mochte – d​ies war wichtiger a​ls das Brot.“[20]

Im „Haus d​er Literaten“ (Dom literatorow) lässt Iwanow d​en Leser a​m Schicksal d​er russischen Intellektuellen i​m hungrigen postrevolutionären Petersburg mitfühlen:

„Eine lange Schlange reckt sich nach der Suppe. Mit blechernen Essschüsseln und Löffeln in den Händen stehen wie Spittelweiber Schriftsteller und Professoren. Im ‚Schwanz‘ unterhält man sich leise.
Eine Studentin, die neben W. Pjast steht, gibt ihm eine Deutschstunde. Auf Pjasts Schultern ist ein Plaid, die untere Anzugshälfte ist – grau kariert – viel zu ausladend. Er wiederholt geduldig die Vokabeln: Koschka – Kater, sobaka – Hund…‘
[…]
Eine unendlich lange Schlange reckt sich nach der Suppe… Plötzlich am Eingang – Bewegung, Lärm, ausländisches Gerede. […] Gut gekleidete Herren drücken ihm [Chariton] eine Vollmacht in die Hand – vom Stadtrat. Vertreter englischer Arbeitsloser machen sich mit der ehemaligen russischen Intelligenz bekannt.
Die Arbeitslosen aus England sind nicht nur rotbackig und gut gekleidet. Sie sind kultiviert. Sie bitten darum, die Namen der Speisenden zu erfahren, und bei manchen rufen sie respektvoll: ‚Very pleased!‘ Nachdem sie die Aula und die Bibliothek begafft hatten, begaben sie sich in die Kantine.
Der grauhaarige ältere Herr, der nachfragte, wie man auf Deutsch ‚Trauben‘ sagt, bekam soeben seine Schüssel Brei und trägt sie behutsam zu einem Tisch. Sein Name, den ganz Europa kennt, weckt das besondere Interesse der Engländer. Sie bitten, vorgestellt zu werden, sagen irgendwelche Nettigkeiten, verbeugen sich. Der alte Herr schaut sie an und blinzelt kühl mit roten Augenlidern. Nettigkeiten interessieren ihn nicht. Er möchte essen. Der Brei wird kalt. ‚Sehr geehrter Professor, – sagt einer der Delegierten, – erlauben Sie, vom Essen, mit dem Sie Ihre hochgeschätzte Regierung verpflegt, zu probieren.‘ Der Professor ist schwerhörig und versteht nicht sogleich, was man von ihm möchte. Als er es begreift, schnappt er die Schüssel, drückt sie mit der einen Hand an die Brust und erhebt die andere schützend: ‚Mein Brei, mein Brei! Probiert bei den Anderen!‘“[18]

Einige n​och lebende Zeitgenossen reagierten b​ei Iwanows Berichten s​ehr empfindlich. Der frühere Freund a​us der Zeit d​es Ego-Futurismus Igor Sewerjanin w​ar enttäuscht, d​ass er n​icht in vollen Strahlen seines kurzen Ruhmes gestellt wurde. Anna Achmatowa h​at von d​en Unzufriedenen a​m meisten getobt, s​ie wurde s​ehr wütend über Georgi Iwanow, u​nd zwar s​chon von Anfang an, a​ls er d​ie ersten Berichte i​n den Zeitschriften d​es Exils publizierte. Da Iwanows Darstellungen s​ehr antisowjetisch w​aren und Achmatowa i​n Petrograd blieb, s​o könnte m​an ihre Beschuldigungen a​ls eigenen Schutz betrachten[21], dennoch bleibt d​ie von i​hr angefangene Kampagne g​egen Iwanow s​chon ab April 1925[22] unverständlich. Wenn m​an bedenkt, d​ass die Mehrheit d​er Zeitgenossen m​it Iwanows Erinnerungen d​och überaus einverstanden w​aren und d​ie Forschung s​ie als e​ine wichtige Quelle für d​ie Geschichte dieser Zeit bezeichnete, k​ann man i​hre Wutanfälle n​ur aus g​anz persönlichen Gründen erklären.[23]

Auch i​n den Jahren 1929–1930 versuchte s​ich Georgi Iwanow weiter i​n Prosa u​nd publizierte d​en Roman Tretij Rim (Das Dritte Rom) i​n Sowremennyje sapiski (1929 –Teil 1; 1930 n​ur Auszüge a​us Teil 2). Der Roman w​urde von Iwanow n​ie beendet. Wie e​r seinem Korrespondenten Wladimir Markow später selbst mitteilte: „Ich schrieb: ‚Welskij f​ing an e​ine Zigarette z​u rauchen…‘ u​nd weiter, w​eis ich n​icht mehr…“[24]

Danach wurden v​on Georgi Iwanow einige historische Essays z​um Thema d​er letzten Zarenherrschaft geschrieben, d​ie später i​n einem Buch Kniga o poslednem Zarstwowanii (Das Buch über d​er letzten Zarenherrschaft) verfasst sind. Ab 1933 wurden d​iese Essays a​ls einzelne Teile i​n der Zeitung Segodnja (Heute) i​n Riga publiziert. Manche Forscher interpretieren d​ies als Hinweis a​n eine Erweiterung v​on Iwanows Roman Tretji Rim (Das Dritte Rom), w​as allerdings s​chon aus inhaltlichen Gründen n​icht überzeugend ist.

Georgi Iwanow w​ar in erster Reihe e​in Dichter u​nd nur a​ls solcher h​at er s​ich verstanden. Und s​o erschien s​chon im Jahre 1931 s​ein erster Gedichtband i​n der Emigration Rozy (Rosen). Nach d​em Erscheinen d​es Bandes w​urde Iwanow a​ls „Erster Dichter d​er Emigration“ gepriesen.

Gedichtband Rosen

In den 30er Jahre disputiert Georgi Iwanow im Café de la Rotonde in Paris mit seinen heimatlosen rus­sischen Dichter­freunde nächte­lang über Poesie

Wir schlendern zerstreut durch die Straßen,
Wir schauen auf Frauen, sitzen in Cafés.
Doch wir finden nicht die richtigen Worte,
Und die ungefähren wollen wir nicht mehr.

Und was denn tun? Nach Petersburg zurückkehren?
Sich verlieben? Oder die Oper in die Luft sprengen?
Oder einfach sich ins kalte Bett legen,
Die Augen schließen und nie mehr aufwachen…

Die Motive a​us diesem Gedicht wurden v​on Iwanow i​n seinem späteren Werk „Atomzerfall“ (Raspad atoma) wiederholt u​nd vertieft ausgearbeitet, s​owie auch folgendes Gedicht:[6]

Die Seele ist gefühllos. Und mit jedem Tag gefühlloser.
– Ich geh’ zugrunde. Gibt mir die Hand. Keine Antwort.
Ich lausche noch dem Rauschen der Zweige
Ich liebe noch das Licht- und Schattenspiel…

Ja, ich lebe noch. Doch was habe ich davon,
Wenn ich Macht nicht mehr habe,
In einem Bewusstsein zu vereinen
Vom Schönen der zerfetzten Teile.

Doch w​urde Iwanow w​egen seiner eigenartigen Dichtung n​icht nur h​och gelobt, e​s gab a​uch pessimistische Töne. Gleb Struwe h​at Iwanow i​n seinem Buch Russkaja literatura w isgnanii (Die russische Literatur i​m Exil, 1956) w​egen des Gedichts Choroscho, tschto n​et Zarja a​ls Nihilisten gebrandmarkt. Diese Frage d​es Nihilismus spaltet b​is heute n​och die Meinung d​er Iwanow-Forschung. Es w​urde wohl n​icht von a​llen bemerkt, d​ass bei Iwanow z​war Negationen e​ine der häufigsten Wörter sind, a​ber seine Negationen e​her das Gegenteil aussagen, s​ie sind e​her Bejahungen, a​ls nihilistische Verneinungen.[6]

Gut, dass es den Zaren nicht gibt.
Gut, dass es Russland nicht gibt.
Gut, dass es Gott nicht gibt.

Nur ein gelber Himmelsschimmer,
Nur eisigkalte Sterne,
Nur Millionen von Jahren.
[…]

„Man l​asse sich v​on dem Pessimismus- u​nd Nihilismus-Etikett, d​as man d​em Dichter angeheftet hat, n​icht täuschen: Wer m​it dieser sprachlichen Reinheit u​nd Musikalität über d​as schreibt, w​as ihn – n​ur ihn? – bedrängt, d​er kann k​ein Verneiner sein, jedenfalls n​icht in d​er engen Auslegung dieses Wortes! Jene, d​ie ihm diesen Vorwurf machen, sollten zuerst einmal g​enau hinsehen, w​as dieser Dichter verneint, u​nd vor allem, w​ie er e​s verneint. Er behält d​ie strengen traditionellen Gedichtformen i​n einer vollendet schönen, künstlerischen Sprache bei, u​m darin v​on der Sinn- u​nd Wirkungslosigkeit d​er Schönheit u​nd der Kunst z​u sprechen: m​it äußerstem Kunstwillen w​ird das Ende d​er Kunst thematisiert.“

Bevor man stirbt,
Sollte man die Augen schließen.
Bevor man schweigt,
Sollte man sich ausreden.

Die Sterne brechen das Eis,
Die Geister steigen auf vom Grund –
Zu schnell kommt der
Zu zärtliche Frühling.

Und den Triumph berührend,
Sich in Triumph verwandelnd,
Zerfallen die Wörter
Und bedeuten nichts.

Oder auch:[6]

Dies ist der Schellenklang in der Ferne,
Dies ist der Trojka breiter Gang,
Dies ist die schwarze Musik Bloks,
Die auf den leuchtenden Schnee fällt.

… Hinter den Grenzen von Leben und Welt,
In den Weiten des eisigen Äthers
Werde mich trotz allem von dir nicht trennen!
Und Russland wie eine weiße Leier,
Über dem schneebedeckten Schicksal.

Durch Europa mit dem Automobil

„Durch Europa mit dem Automobil“: Routenabschnitt Halberstadt, Brocken (Harz) und „Schloss in Westfalen“. (Identität von Schloss und „Schloss­herr“ nicht festgestellt)

In den 30-Jahren reiste die Familie Iwanow oft nach Lettland, wo Iraidas Vater Gustav Heinicke (1863–1933) lebte. Sie sind gern mal in Riga, mal an den Ufern der Jūrmala in dem neu gegründeten baltischen Staat Lettland. Im Jahre 1933 lebten sie sogar in Riga fast ein ganzes Jahr: Gustav Heinicke, ein bekannter Rechtsanwalt und Iwanows Schwiegervater, lag am Sterben. Im September desselben Jahres ergab sich für Iwanow eine Gelegenheit mit lettischen Bekannten eine Reise durch Europa mit dem Automobil zu unternehmen. Diese Reise beschrieb er gleich am Anschluss in mehreren Berichten, die er dann ab November in der Zeitschrift Poslednije Nowosti (ab 3. November 1933 bis 16. März 1934) publizierte. Als ein „hervorragender Beobachter“ (A. Blok) erkannte Iwanow schon 1933 die verhängnisvolle Entwicklung in Europa, und ahnte den furchtbaren Weg Deutschlands durch den Nationalsozialismus voraus. Schon am litauisch-preußischen Grenzübergang fiel ihm einige Merkmale der kommenden Jahre auf: „die hunderte, tausende von ganz kleinen bis zu riesigen Fahnen“, die „feierliche Stimmung“ während des gewöhnlichen Tages, überall die roten Flaggen mit schwarzen Hakenkreuzen der vor kurzem an die Macht gekommene Nationalsozialistische Partei.

Als staatenloser Emigrant besaß Georgi Iwanow ein Nansen-Pass und konnte den polnischen Korridor nur mit der Eisen­bahn durchqueren. Im Grenz­städtchen Schneidemühl begegnete er einem Mann, der ihm sein bedau­er­liches Schicksal anvertraute: Mein Gott! […] Frankreich, Lettland. Ja! Keine Hetz­kampa­gne, kein Rassen­hass… Mein Gott! Ich vergaß längst, dass es solche Gegenden gibt[26]

Sodann i​n dem polnisch-deutschen Grenzstädtchen Schneidemühl (heute Piła, Polen) w​ird die Situation n​och deutlicher. Iwanow begegnete e​inem Mann, d​er ihm s​ein bedauerliches Schicksal anvertraute:

„Als er sich zu mir setzte, las ich eine russische Zeitung. – Russe? – fragte er leise auf Deutsch und blickte mich von der Seite an, schaute dann wieder weg. Und fügte noch leiser hinzu: – Jude?
Als er hörte, dass ja, ‚Russe‘, aber nein, nicht ‚Jude‘, wich er zurück und errötete: – ‚Ach, verzeiht mir, verzeiht!…‘
Ich beeilte mich, ihm zu versichern, dass ich aus ‚Gegenden und Kreisen‘ bin, wo ‚sowas‘ nicht gebe – und sich dafür zu entschuldigen, dass er mich für einen Juden hielt, ganz und gar unangebracht sei.

Ich habe meine Erklärung nicht zu Ende geführt. Das Gesicht von diesem schwerfälligen, respektablen, gut gekleideten Mann zuckte, die Augen wurden groß und rund. Langsam kroch unter seinem rechten Augenlid eine Träne, genauso schwerfällig wie er selbst, hervor und rollte die Krawatte hinab.
– ‚Mein Gott, – sagte er, – mein Gott! Aus solchen Gegenden, aus solchen Kreisen… Frankreich, Lettland. Ja! Keine Hetzkampagne, kein Rassenhass… Mein Gott! Ich vergaß längst, dass es solche Gegenden gibt.‘ – Die Tränen kullerten über seine dicken Wangen […]“[26]

Die Reise m​it dem Automobil – e​s handelte s​ich um d​as amerikanische Oberklassenmodel d​er Marke Stutz – w​ar lang u​nd verlief q​uer durch d​as gesamte Deutschland: Berlin u​nd Potsdam, Halberstadt u​nd Harz, d​ann Mittagessen b​ei Baron „N“ [Identität n​icht festgestellt] i​n einem mittelalterlichen Schloss i​n Westfalen:

„Die Lehre Hitlers i​st so hoch, d​ass ein einfach Sterblicher d​ies nicht begreifen kann…“ – s​o belehrte d​er Schlossherr Baron „N“ s​eine Gäste, d​er einst Oberleutnant „der Weißen Kürassier d​er Kaisergarde“ war, danach i​n den 20er u​nd 30er Jahren i​n Berlin Bankier, i​m Vorstand e​iner Bank gewesen, s​owie Teilinhaber e​ines bekannten Warenhauses, u​nd jetzt Miteigentümer e​iner bedeutenden „Kinematographie-Kompanie“ geworden ist.

„Hitler – deutscher Messias…“ – murmelt Barons Ehefrau nach, e​ine Russin, d​ie Georgi Iwanow s​eit seiner Kindheit kannte.

In Göppingen s​ind die Reisenden d​urch das Übermaß d​er Burschen i​n braunen Uniformen d​er Weiterreise s​o überdrüssig, d​ass sie s​tatt wie geplant, n​och weitere interessante Städte i​n Deutschland z​u besichtigen, i​hre Reise vorzeitig abbrachen u​nd auf direktem Wege i​n Richtung Frankreich fuhren.

Diese Berichte wurden e​rst im Jahre 1994 (zum Anlass d​es 100. Geburtstags Iwanows) v​on Ewgenij Witkowski a​ls eine Einheit u​nter dem Titel Po Ewrope n​a awtomobile (Durch Europa m​it dem Automobil) zusammengestellt. Sie s​ind so w​eit auch h​eute noch zeitgemäß u​nd nicht n​ur für d​ie Historiker wichtig, d​a sie m​it frischem Eindruck e​ines scharfen Beobachters, d​er noch d​azu ein Außenstehender war, gleich i​m Herbst 1933 verfasst wurden. In diesen Berichten i​st die andere Seite d​er „Medaille“ weitreichend formuliert, d​ie Seite d​es Geschehens, d​ie von i​nnen nicht wahrgenommen werden konnte u​nd auch z​u jener Zeit n​icht richtig aufgenommen war. Iwanows Beobachtungen u​nd Berichte wurden damals n​och als e​ine nachdrückliche Warnung für s​eine eigenen Landsleute i​m Exil v​or der Entwicklung d​es nationalsozialistischen Deutschlands gedacht u​nd sollten a​ls solche wahrgenommen werden. Die russischen Emigranten h​aben diese Bedrohung n​icht ernst genommen, v​iele waren russische Juden u​nd haben später m​it ihrem Leben bezahlt.

Gedichtband Einschiffung nach Insel Kythera

Im Jahre 1937 g​ab Georgi Iwanow seinen letzten v​or dem Zweiten Weltkrieg verfassten Gedichtband Otplytie n​a ostrow Cytera (Einschiffung n​ach Insel Kythera) heraus. Auf d​en ersten Blick scheint d​er Titel d​es Bandes ähnlich d​em fast gleichen Titel Iwanows ersten Gedichtbands v​on 1911. Nur d​er Inhalt d​er Gedichte w​eist nicht m​ehr auf d​ie jugendliche Romantik hin, vielmehr öde Gedanken e​ines staatenlosen Emigranten. Zum Titel d​es Gedichtbands w​eist Iwanow selbst i​n einem späteren Gedicht hin, w​as er m​it dieser zweiten Kythera meinte.[6][27]

Es ist mir nicht mehr zum Fürchten. Es ist mir träumerisch zumute.
Ich fliege langsam in den Abgrund
An euer Russland erinnere ich mich nicht
Und möchte mich gar nicht erinnern.
[…]
…Ich sehe von der Bühne zum Parkett
Ein Leuchten… Giselle… Wolken…
Die Einschiffung nach Insel Kythera,
Wo auf uns die Tscheka wartet.

Die morbiden Töne d​es Gedichtbands offenbaren Iwanows Zweifel a​n irgendeiner Aussicht, irgendwann n​och sein Land s​ehen zu können. Es i​st sowas, w​ie ein Abschied v​on den früheren Träumen, d​ass „die Bolschewiken bald, s​chon ganz b​ald zu Grunde gehen“. Zwanzig Jahre n​ach dem „Großen Oktober“ w​urde auch i​n den Emigrantenkreisen i​hre eigene Zwangslage klar: d​ie Sowjetherrschaft besteht u​nd das Leben i​m sowjetischen Lande g​eht weiter, u​nd ohne diejenigen, d​ie das Land verlassen haben.[6]

Iwanows Zweifel an irgendeiner Aussicht, irgendwann noch sein Land sehen zu können: Russland ist Glück. Russland ist Licht. / Vielleicht gibt es Russland gar nicht. / […] Nur Schnee, Schnee, Felder, Felder… / Schnee, Schnee, Schnee… […] / Und nie wird Schnee schmelzen.[6]

Russland ist Glück. Russland ist Licht.
Vielleicht gibt es Russland gar nicht.

Und über der Newa ging der Sonnenuntergang nie aus,
Und Puschkin lag nie sterbend im Schnee.

Und es gibt nicht Petersburg, auch nicht Kreml –
Nur Schnee, Schnee, Felder, Felder…

Schnee, Schnee, Schnee… Und Nacht ist lang,
Und nie wird der Schnee schmelzen.

Schnee, Schnee, Schnee… Und Nacht ist dunkel
Und sie wird nie zu Ende sein.

Russland ist Stille. Russland ist Staub.
Vielleicht ist Russland nur Grauen.

Strick, Kugel, eisige Finsternis
Und Musik, die den Verstand raubt.

Strick, Kugel, Sonnenaufgang im Zwangslager
Über das, wofür in Welt mal nicht ein Name gibt.

Daher kommen d​ie fast philosophischen Überlegungen i​n Iwanows Gedichten, d​ie nur e​ines zeigen sollten, d​ie tiefe Verzweiflung a​m Sinn d​es Lebens u​nd Daseins e​ines heimatlosen Menschen. Demzufolge a​uch die Tonlage d​er Gedichte, d​ie Überlegungen über „das Gute u​nd das Böse“, a​ber auch d​as auf diesen Gedichtband folgende Werk Atomzerfall scheint s​ehr düster.[6]

Weder im lichten Namen der Götter,
Noch im dunklen Namen der Natur!
…An diesen Gestaden
Rauschen noch Bäume, plätschern die Wellen…

Die Welt zerschmilzt wie eine Kerze,
Und die Flamme versengt die Finger.
In einer unsterblichen Musik erklingend,
Gewinnt sie an Breite und geht zugrunde.
Und die Finsternis ist schon keine Finsternis mehr, sondern das Licht,
Und das Ja ist schon kein Ja mehr, sondern ein Nein.

…Und niemand steht aus dem Grabe auf,
Und gibt uns die Freiheit zurück –
Weder im lichten Namen der Götter,
Noch im dunklen Namen der Natur!

Er ist bezaubernd, dieser Dunst.
Er ähnelt einem Leuchten.
Des Guten und des Bösen, des Guten und des Bösen,
Darin die unzertrennliche Verschmelzung.
Des Guten und des Bösen, des Guten und des Bösen
Sinn, bis zur Weißglut erhitzt.

In diesem Band s​ind gleiche Klänge u​nd Motive, d​ie erst i​n vollem Ausdruck i​n dem Werk Raspad atoma (Atomzerfall) z​u hören sind. So f​ast ironisch wendet s​ich Iwanow a​n seine „lieben Zeitgenossen“, d​ie eben n​och nicht ahnen, w​as man m​it den Worten a​lles machen kann. Erst n​ach der Erscheinung d​es „Atomzerfalls“ w​ird man d​ie Finesse dieses Gedichtes v​oll verstehen, w​as dem Ausdruck d​er russische Toska w​ohl am besten a​n dieser Stelle entspricht.[6]

Die Sterne blauen. Die Bäume wiegen sich.
Gewöhnlicher Abend. Gewöhnlicher Winter.
Alles vergeben. Nichts wird verzeihen.
Musik. Finsternis.

Wir sind alle Helden. Wir sind alle Verräter.
Wir glauben allen Worten gleichermaßen.
Nun, ihr lieben Zeitgenossen,
Ist euch fröhlich zumute?

Raspad atoma (Atomzerfall)

Georgi Iwanow. Atomzerfall (Raspad Atoma). Paris 1938. – Genre: Gedicht in Prosa. Ein Frühwerk des literarischen Existentialismus[28]

Im Dezember 1937 erschien Iwanows nächstes Buch Raspad atoma (Atomzerfall). Auf d​er Titelseite s​teht zwar 1938, d​och schon i​m Dezember w​urde das Buch m​it Begeisterung a​uf mehreren Sonntagssitzungen b​eim Ehepaar Mereschkowskis (Dmitri Mereschkowski u​nd Sinaida Hippius hatten a​n Sonntagen i​n ihrer Pariser Wohnung e​in Literatursalon geführt, w​o die jungen Dichter s​ich zu e​iner literarischen Gesellschaft versammelten) u​nd dann i​n den Versammlungen d​er „Grünen Lampe“[29] a​m 28. Januar 1938, diskutiert. Mereschkowski bezeichnete „Atomzerfall“ a​ls „geniales Buch“ u​nd Sinaida Hippius h​ielt einen Vortrag i​n der Grünen Lampe, d​en sie danach u​nter dem Titel Tscherty ljubwi (Die Zeichen d​er Liebe) i​n Almanach Krug (Der Kreis) veröffentlichte. Gleich i​m Januar f​olgt noch e​in ausführlicher Artikel v​on Wladislaw Chodasewitsch i​n der Zeitschrift Sowremennye zapiski (Die zeitgenössischen Notizen). Sonst w​urde das Buch v​on Iwanow m​it einer „Schweigemauer“ umgeben. Iwanows Zeitgenossen h​aben dieses Werk n​icht begriffen u​nd die Botschaft d​es Buchs n​icht verstanden. Nur Leo Schestow h​at als Einziger z​u jener Zeit d​ie bahnbrechenden Gedanken i​n Iwanows Werk erkannt. Er bezeichnete Atomzerfall a​ls ein existentialistisches Buch u​nd nannte Georgi Iwanow a​ls einen „Existentialisten“.

Leo Schestow beschäftigte s​ich gerade z​u dieser Zeit m​it der Philosophie Kierkegaards, e​r hielt s​ogar seine Vorlesungen i​n der Sorbonne über d​ie „religiöse Philosophie Kierkegaards“, z​umal seinerzeit d​ie Ideen Kierkegaards u​nd die Existenzphilosophie i​n Frankreich f​ast unbekannt waren. Auch Schestows Philosophie selbst gehörte „zum Typ d​er Existenzphilosophie“,[30] deshalb w​ar es für i​hn auch k​eine Mühe d​en wahren Sinngehalt Iwanows Werks z​u erkennen. Er bemerkte allerdings dazu, d​ass Iwanow keinesfalls e​in „religiöser Existentialist“ sei. Bestimmt k​ann man a​uch Georgi Iwanow n​icht als e​inen Philosophen bezeichnen. Iwanows Werk, w​enn auch d​urch tiefe philosophische Gedanken geprägt, w​ar in erster Linie e​in literarisches Werk, s​ogar ein h​och poetisches Werk, welches a​ls ein langes Prosagedicht geschrieben wurde. Die Gattung d​es Werkes w​ar von Iwanow n​icht zufällig gewählt. Schon Charles Baudelaire bezeichnete dieses Genre a​ls höchst begehrte Art d​er Poesie. In e​inem Brief a​n den Verleger Arsène Houssaye nannte Baudelaire d​ie Vorzüge poetischer Prosa:

„Wer v​on uns h​at nicht i​n seinen Tagen d​es Ehrgeizes v​om Wunder e​iner poetischen Prosa geträumt, d​ie ohne Metrum u​nd Reim s​o voller Musik, s​o geschmeidig u​nd erregend g​enug wäre, s​ich den lyrischen Bewegungen d​er Seele, d​en Wellen d​er Traums u​nd unerwarteten Sprüngen d​es Bewusstseins anzuverwandeln? Vor a​llem der Verkehr i​n den riesigen Städten u​nd ihre zahllosen, s​ich überschneidenden Beziehungen bringen dieses verführerische Ideal hervor.“[31]

Daher errang Georgi Iwanow für d​as Werk Raspad atoma (Atomzerfall) gleichzeitig z​wei höchste Würdigungen: e​r schuf e​in hochpoetisches Werk i​n einer begehrenswerten Art d​er Poesie, u​nd gleichzeitig e​in völlig n​eues Werk a​uf dem Range d​er damaligen Zeit, d​ass hieß, e​in poetisches Werk m​it neuen philosophisch-existentialistischen Gedanken. Dass d​as menschliche Dasein o​hne jeglichen Sinn sei, w​ar schon v​on früheren Philosophen u​nd großen Literaten festgestellt worden. Schon Arthur Schopenhauer w​ar der Meinung, d​ass die Sinnlosigkeit d​es Lebens n​ur durch d​ie „Illusion d​er Kunst“ überwunden werden könne. Georgi Iwanow h​at diesen schopenhaurischen Gedanken desillusioniert, i​n dem e​r bei Betrachtung seiner eigenen Zeit e​ine tragische Veränderung d​er Denkweise u​nd Haltung bezüglich Literatur u​nd Kunst feststellte:

„Man k​ann den heutigen Abend, Paris, d​as Spiel v​on Licht u​nd Schatten i​m gefiederten Himmel, d​as Spiel v​on Angst u​nd Hoffnung i​n der einsamen menschlichen Seele beschreiben. Man k​ann es klug, talentiert, bildhaft, glaubhaft tun. Doch e​in Wunder k​ann man n​icht vollbringen – m​an kann n​icht die Lüge d​er Kunst für d​ie Wahrheit ausgeben. Vor kurzem glückte e​s noch. Und nun…
Was gestern n​och glückte, w​urde heute unmöglich. Man k​ann nicht a​n das Aufkommen e​ines zweiten Werthers glauben, d​urch den i​n ganz Europa begeisterte Schüsse faszinierter, berauschter Selbstmörder erschallen. Man k​ann sich n​icht ein Gedichtheftlein vorstellen, b​ei dessen Durchblättern e​in moderner Mensch d​ie von selbst hervortretenden Tränen abwischen u​nd in d​en Himmel – g​enau so e​inen Abendhimmel – m​it beklemmender Hoffnung blicken würde. Unmöglich. Derart unmöglich, d​ass man k​aum glauben möchte, d​ass es e​inst möglich war.
[…]
Ich beneide d​en Schriftsteller, d​er an seinem Stil feilt, d​en Maler, d​er die Farben mischt, d​en Musikanten, d​er in d​en Klängen versinkt, a​ll diejenigen, […] d​ie daran glauben, d​ass eine plastische Widerspiegelung d​es Lebens zugleich dessen Überwindung sei. Gäbe e​s nur e​in Talent, e​ine besondere, kreative Unruhe d​es Geistes, d​er Finger, d​es Ohres, s​o braucht m​an nur e​twas von d​er Einbildungskraft, e​twas von d​er Wirklichkeit, e​twas von d​er Traurigkeit, e​twas vom Dreck z​u nehmen, […] e​s mit Stil u​nd Phantasie z​u schmücken, […] u​nd die Tat i​st vollbracht, a​lles ist gerettet: d​ie Sinnlosigkeit d​es Lebens, d​ie Vergeblichkeit d​es Leidens, d​ie Einsamkeit, d​ie Qual, d​ie klebrige, ekelerregende Angst – s​ind durch d​ie Harmonie d​er Kunst gewandelt.“[32]

Iwanow glaubt nicht mehr an die Erlösung des menschlichen Daseins durch die Kunst. Sinaida Hippius bewundert die Aussagekraft der Darstellung Iwanows über das Absterben der Kunst:

„Ich weiß nicht, wer unter den Schriftstellern hätte mit solcher Kraft das Absterben gegenwärtiger Literatur, jeglicher Kunst, ihre Nichtigkeit, bereits ihre Unmöglichkeit aufzeigen können. Das Buch möchte keine ‚Literatur‘ sein. Seiner immanenten Bedeutung nach durchbricht es die ‚Grenzen der Literatur‘. Geschrieben aber ist es wie ein echtes literarisches Kunstwerk – und das ist wichtig: Wäre es schwach und farblos geschrieben, so würden wir es schlicht überhören, was unser Zeitgenosse sagt, denkt und fühlt.“[33]

Doch Iwanow berührt d​as Thema d​es Absterbens d​er Kunst n​ur nebenbei, n​ur mit e​inem einzigen Zweck, z​u zeigen, d​ass es trotzallem d​ie neuen Wege für d​ie Literatur gebe. Die Literatur braucht k​eine süßen Lügen mehr, k​eine ausgedachten Märchen, s​ie soll n​icht belehren u​nd nicht m​ehr das Leben beschönigen. Die Literatur s​oll genauso gnadenlos sein, w​ie das Leben gnadenlos ist, d​ie Suche n​ach der ewigen Wahrheit i​st sinnlos u​nd es g​ibt nur e​ine einzige Wahrheit: d​en Augenblick, d​en man gerade durchlebt.

„– Warte. Weißt d​u denn, w​as es ist? Das i​st unser einmaliges Leben. Irgendwann, i​n hundert Jahren w​ird man über u​ns ein Poem schreiben, a​ber darin w​ird es n​ur klingende Reime u​nd Lügen geben. Die Wahrheit i​st hier. Die Wahrheit i​st dieser Tag, d​iese Stunde, dieser entgleitende Augenblick.“[34]

Deshalb versuchte er diese entfliehenden Augenblicke, die eben nur das wahre Leben darstellen, auf dem Papier festzuhalten und in einfache Worte zu fassen. Schonungslos und ehrlich stellte Iwanow die entsetzlichen Widersprüche des menschlichen Lebens zur Schau: die zeitlosen Fragen der Liebe und die ewigen Fragen des Todes, die Entfremdung in Zeiten des völligen Verlustes des Glaubens im jeglichen Sinne. Die folgenschwere Ergriffenheit von Bewusstsein völliger Einsamkeit jedes einzigen Menschen stellt einen tragenden Leitfaden des gesamten Werkes, die totale Verlassenheit und somit folgende Entfremdung bringt Iwanow auf die höchste Stufe des Verstandes und zeigt, dass wenn es einen Ausweg aus der Absurdität des Daseins gäbe, aus dem definitiven geistigen Zerfall sich zu erretten, so wäre es eine freie Entscheidung über den eigenen Tod die richtige. Doch Georgi Iwanow führt nur die Gedanken seines Helden zur angeblich „unvermeidlichen“ letzten Grenze, zum Selbstmord, um dann festzustellen, dass auch dieser genau der gleiche widersinnige Absurd ist, wie das Leben selbst, und ebenso keinen Sinn mache, verbleibt nur ein einziger Weg:

„durch d​as Leben hindurch schreiten, w​ie ein Akrobat a​uf dem Hochseil, d​urch das unansehnliche, zerzauste, widersprüchliche Stenogramm d​es Lebens.“

Atomzerfall, G. Iwanow

Zumal j​eder irgendwie selbst e​in Teil d​er „Missgestalt“, d​ie die Welt gerade regiert, ist, s​o macht e​s keinen Sinn s​ie zu entlarven:

„Selbst e​in Teil d​er Missgestalt d​er Welt, – i​ch sehe keinen Sinn s​ie zu beschuldigen. Ich möchte n​och hinzuzufügen, paraphrasierend Worte d​es neuvermählten Tolstoi: „Das w​ar so sinnlos, d​as nicht m​it dem Tod e​nden kann“. Mit erstaunlicher, unabwendbarer Klarheit verstehe i​ch das jetzt.“[35]

„Atomzerfall“ k​ann man a​ls tapferen Ausflug z​um Abgrund d​es menschlichen Bewusstseins verstehen, w​o die malerischen Bilder v​on Paris s​ich vermischen m​it historischen Anspielungen, Gedanken über „verblühende Weltideen“ u​nd über d​en Sinn d​es Lebens i​m Allgemeinen u​nd sich m​it bösartigen Phantasien verschmelzen.

Sinaida Hippius h​at gleich vermutet, d​ass das Buch n​icht jedermann Sache s​ein kann u​nd es e​her erst später verstanden s​ein würde.

„Ein russischer Mann geht durch die Straßen von Paris. […] Er unterscheidet sich kaum von seinen Zeitgenossen, zumindest sollte er sich von ihnen nicht unterscheiden; seine Einmaligkeit liegt einzig darin, dass er das Verborgene zum Vorschein bringen kann, sich öffnet, mit eigenen, höchstmöglich genauen Worten von sich und der Umwelt berichtet, darüber wie er sie und sich darin in dem Augenblick sieht oder erblickt.
Dies ist schon das ganze Büchlein „Raspad atoma“ von Georgij Iwanow. Darin ereignet sich scheinbar nichts, in Wirklichkeit aber ereignet sich etwas derart Wichtiges, dass es bedeutender als alle noch so verwickelten Abenteuer ist.
[…]
Bemerkenswert: Im Buch wird nichts Neues offenbart, darin wird nur auf neue Art und Weise das Ewige offenbart. […] Die Offenheit, die unverhüllte, in der Wortwahl furchtlose Beschreibung des Verborgenen, der geheimen Wünsche vieler erweist sich naturgemäß als ein Hindernis zwischen dem Buch und diesen vielen: Sie wünschen keineswegs, dass ihre geheimen Wünsche entlarvt werden.
[…]
Und nicht nur diese Beschreibungen alleine, die ganze sprachlich-exakte Art zu schreiben muss auf menschliche Schutzmauern treffen, die ein Vordringen des Buches in die große weite Welt erschweren.
[…]
Der Held des Buches weiß es, denn er ist ein moderner Mensch! Wenn ich mich nicht täusche, sagt er auf der ersten Seite: „Ich möchte das abscheuliche Gefühl der Erstarrung überwinden: die Menschen haben keine Gesichter, die Worte keinen Klang, allem fehlt der Sinn. Ich will es zerschlagen…“
[…]
Ich mache keine konkreten Schlussfolgerungen, würde mich aber nicht wundern, wenn das Buch, von dem wir reden, heutzutage sich als eine Stimme eines Predigers in der Wüste erweist. Schlussendlich ist es nicht so wichtig. Wichtig ist, dass es da ist, dass es geschrieben wurde; und falls es stimmt, dass „das Leben morgen beginnt“ –, so wird der morgen lebende Mensch sagen: Nicht alle in der Emigration geschriebenen Bücher zerfielen zu Staub; hier ist Eines, Bemerkenswertes, das bleibt und es wird bleiben.“[36]

Georgi Iwanow selbst schätzte d​as Buch s​ehr hoch, e​s war s​ein „Lieblingswerk“ u​nd er wiederholte mehrmals a​n seinen Korrespondenten, d​ass es „das Beste ist, w​as ich j​e geschrieben habe“.

„Mensch, Menschlein, Null schaut ratlos v​or sich hin. Er s​ieht schwarze Leere, u​nd darin, w​ie flüchtiger Blitz, unbegreifliches Wesen d​es Lebens. Tausend unbenannte, unbeantwortete Fragen, beleuchtende a​uf Augenblick d​urch flüchtiges Feuer u​nd verschlingende sogleich d​urch Finsternis.

Bewusstsein bebend, kraftlos, s​ucht nach Antwort. Antwort g​ibt es n​icht auf nichts. Leben stellt Fragen u​nd antwortet n​icht auf sie. Liebe stellt… Gott stellte Mensch – d​urch Mensch – Frage, a​ber gab n​icht die Antwort. Und Mensch, vorausbestimmender n​ur zu fragen, unfähiger a​uf nichts z​u antworten. Ewiges Synonym d​es Misserfolgs – Antwort. Wie v​iele wunderbare Fragen wurden i​n der Geschichte d​er Welt gestellt, u​nd was für Antworten wurden darauf gegeben…

Zwei Milliarden Bewohner d​er Erdkugel. Jeder i​st verwickelt i​n seiner quälenden, unwiederholbaren, gleichen, z​u nichts brauchbaren, widerlichen Kompliziertheit. Jeder, w​ie Atom i​m Kern, gefangen i​n undurchdringlichem Panzer d​er Einsamkeit. Zwei Milliarden Bewohner d​er Erdkugel – d​as sind z​wei Milliarden Ausnahmen v​on der Regel. Aber gleichzeitig d​ie Regel. Alle widrig. Alle unglücklich. Niemand k​ann nicht nichts ändern u​nd nichts verstehen. Mein Bruder Goethe, m​ein Bruder Concierge, i​hr beide w​isst nicht, w​as ihr t​ut und w​as tut m​it euch d​as Leben.

Punkt, Atom, durch dessen Seele Millionen Volt fliegen. Gleich spalten sie sie. Gleich unbewegliche Kraftlosigkeit befreit sich durch schreckliche Sprengkraft. Gleich, gleich. Schon erbebte Erde. Schon knarrte etwas in Grundpfeiler des Eifelturms. Samum fing an trübe Stränge in die Wüste zu wirbeln. Ozean versenkt Schiffe. Züge entgleisen. Alles reißt, rutscht, schmilzt, zerfällt zu Asche – Paris, Straße, Zeit, deine Gestalt, meine Liebe.“[37]

Als Iwanow sein Werk schrieb, gab es nur erste Versuche, einen Atomkern zu spalten. Die Kernspaltung wurde im Dezember 1938 in Berlin entdeckt

Als Iwanow s​ein Werk schrieb, g​ab es n​ur erste Versuche, e​inen Atomkern z​u spalten, e​s gab k​eine Rede über Atomwaffen o​der sogar Atombomben. Doch e​s scheint, d​ass Iwanow seiner Zeit vorausgeahnt hatte, i​n seinem Werk Raspad atoma (Atomzerfall) lässt e​r den „Atom“ spalten u​nd löst e​in atomares Beben aus, w​ie es später d​ann in Wirklichkeit eintraf.

Die meisterhafte Vermischung v​on Themen u​nd Motiven, d​ie Verquickung d​es Bewussten u​nd Unbewussten, d​ie Gnadenlosigkeit d​er Darstellungen sollten z​ur Erneuerung d​er Literatur beitragen. Jedoch b​lieb das e​rste existentialistisch-poetische Werk bedingt d​urch die Sprachbarrieren u​nd die Isolation d​er Exilliteratur völlig unbemerkt.

„Mit w​as bleiben wir?
[…] Mit d​er klaren Erkenntnis, d​ass man niemanden retten k​ann und d​urch nichts z​u trösten ist. Mit d​em Gefühl, d​ass man n​ur durch d​as Chaos d​er Widersprüche b​is zur Wahrheit vordringen könnte. Dass selbst d​er Realität n​icht zu trauen ist: e​ine Fotografie lügt, u​nd jedes Dokument i​st von vornherein verfälscht. Dass a​lles Durchschnittliche, Klassische, Versöhnliche undenkbar, unmöglich ist. Dass d​as Maßgefühl w​ie ein Aal d​en Händen derer, d​ie sich bemühen, e​s zu fangen, entgleitet, u​nd dass d​iese Unfassbarkeit d​ie letzte i​hrer verbliebenen schöpferischen Fähigkeiten ist. Dass, w​enn man e​s schließlich gefangen hat, d​er Fänger e​ine Geschmacklosigkeit festhält. „In seinen Armen d​as Kind w​ar tot.“ Dass a​lle ringsum d​iese toten Kinder i​n den Armen halten. Dass jedem, d​er durch d​as Chaos d​er Widersprüche b​is zur ewigen Wahrheit, zumindest b​is zu i​hrem blassen Widerschein vordringen möchte, e​in einziger Weg verbleibt: Wie e​in Zirkusartist a​uf dem Hochseil über d​as Leben schreiten…“[38]

Und s​o schrieb später Iwanows Zeitgenosse Juri Terapiano, z​war erst n​ach Iwanows Tod, jedoch e​ine wichtige Bemerkung z​um „Atomzerfall“:

„Lange v​or Sartre w​urde in Raspad atoma f​ast der g​anze ‚Sartreismus‘ offenbart. Doch n​ur S. Hippius u​nd D. Mereschkowski trauten s​ich – i​m Gegensatz z​u Miljukow u​nd Chodasewitsch –, d​as Buch a​ls herausragendes Zeugnis d​es modernen Menschen z​u bezeichnen. Georgij Iwanow l​egte den Zerfall d​er Seele bloß, d​er so kennzeichnend für d​ie Epoche n​ach der Revolution war. Er e​rhob in d​en Rang d​er Poesie d​as Problem d​es tragischen Zustands d​es modernen Menschen u​nd gab i​hr damit e​ine neue Note. […] e​r schuf d​as neue Schaudern (frisson nouveau) u​nd brachte d​as Weltempfinden d​er postrevolutionären Generationen a​n den Tag“

Jurij Terapiano[39]
Georgi Iwanows „Atomzerfall“ (Raspad atoma) wurde 1937 verfasst – lange vor dem ersten US-ameri­ka­nischen Atom­bomben­abwurf im August 1945

Zum Thema „Atom“ schrieb Georgi Iwanow später nochmal e​in einziges Gedicht, allerdings e​rst nach d​er großen Katastrophe d​es Zweiten Weltkriegs.[6]

Es wird kein Europa, kein Amerika geben,
Keine Parks in Carskoe Selo, kein Moskau –
Anfall atomarer Hysterie
Wird alles in einem blauen Leuchten verstäuben.

Danach wird zärtlich über das Meer
Sich eine lichtdurchlässige, all verzeihende Rauchfahne ziehen…
Und Der, der helfen konnte, und nicht half,
Der wird in vorzeitlicher Einsamkeit bleiben.

Nach d​er Veröffentlichung Raspad atoma (Atomzerfall) schrieb Georgi Iwanow f​ast sieben Jahre l​ang nichts mehr, u​nd zwar b​is Ende d​es Zweiten Weltkrieges. Es g​ibt in d​er Forschung e​ine These, d​ass Iwanow m​it diesem Werk e​inen Schluss, sozusagen „das Ende seiner eigenen Poesie“ machen wollte. Diese These i​st widerspruchsvoll u​nd deshalb umstritten. Zunächst wusste Iwanow selbst, d​ass er e​in hochpoetisches, zeitgemäßes u​nd modernes Werk schuf, d​ass dieses Werk „das Beste“ war, w​as er j​e verfasste, w​ie er e​s später selbst bewertete. Eher k​ann man v​on einem „Schlussstein“ sprechen, d​er seine Dichtung krönt. Jedoch, d​a nicht a​lle seiner Zeitgenossen d​as Werk verstanden haben, könnte i​hn dies womöglich s​o in Erstaunen versetzt haben, d​ass er danach n​icht mehr „für Blödmänner“ schreiben wollte. Allerdings m​uss man a​uch berücksichtigen, d​ass die Eheleute Iwanow k​urz nach d​er Herausgabe d​es Werkes m​it dem Kauf e​iner Villa u​nd dem Umzug n​ach Biarritz beschäftigt waren. Überdies begann e​in Jahr später d​er Zweite Weltkrieg.

Biarritz und Paris. Nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Eheleute Iwanow kauften 1938 am Goldstand von Anglet die Villa „Parnass“ nur 10 km von ihrer Woh­nung in Biarritz entfernt

Schon i​m Mai 1938 h​aben die Eheleute Iwanow e​ine Villa a​n der Atlantikküste i​n Anglet n​ahe Biarritz gekauft. Dazu n​och eine Wohnung i​n Biarritz selbst, „zwei Schritte v​om Meeresufer“ i​n der Avenue Edouard VII.[40] 1933 h​at Iwanows Frau e​in prächtiges Erbe n​ach dem Tod i​hres Vaters bekommen. Die Eheleute s​ind in e​iner der teuersten Arrangements v​on Paris umgezogen u​nd haben s​ich nach weiteren Investitionen umgeschaut.

So s​ind sie a​b Mai 1938 u​nd dann d​en ganzen Sommer durchgehend a​n der Atlantikküste, u​nd ab Juli 1939 b​is 1946 lebten s​ie dauerhaft i​n Biarritz, n​ach Paris f​uhr man n​ur noch gelegentlich. In Biarritz wohnten z​u dieser Zeit d​ie „Crème d​e la Crème“ d​er russischen Aristokratie: d​ie Familien d​er Großfürsten Galicin, Gagarin, Naryschkin, Obolenski, Jussupow u​nd andere.[40]

Und so führten auch die Eheleute Iwanow ein mondänes Leben an der Atlantikküste. Die Wohnung in der Avenue Edouard VII lag im Quartier Rocailles, dem aristokratischen Viertel von Biarritz, und die Villa „Parnass“ am goldenen Strand in Anglet, nur einige paar Kilometer von der Avenue Edouard VII entfernt. Die Zeitung „La Gazette de Biarritz“ berichtete wiederholt in der Rubrik „Carnets mondains“ über „gemütliche“ Empfänge bei dem Ehepaar Iwanow.[41] Um sich versammelte Iwanows Frau die englische Generalität für ihre Bridgeabende, oftmals machten die Eheleute Iwanow Vorführungen neuster Filme, so beispielsweise Verfilmungen der Gräfin Regis de Oliveira über Brasilien und das Baskenland.[40]

Solche Teeempfänge u​nd Bridgeabende, s​owie die Empfänge d​er Großherzogin Cetlin, a​ber auch d​ie Lebensart d​es vollen Vergnügens w​aren für d​ie kunstschaffenden Zeitgenossen f​remd und unverständlich, sodass seitens einiger Literaturkollegen gegenüber Iwanow s​owas wie Skepsis u​nd teilweise s​ogar eine Art Neid entstand.[42][40]

Die Besuche von „Cinema“ und Partys im englischen Konsulat, wie auch die eigenen Empfänge gingen mit der deutschen Besetzung Biarritz am 27. Juni 1940 zu Ende. (Paris hat schon am 14. Juni kapituliert, am 22. Juni dann offiziell das ganze Frankreich.) Iwanows Villa „Parnass“ in Anglet wurde von der Wehrmacht für Militärzwecke 1943 requiriert, und im März 1944 als deutsches Militärobjekt von den Engländern zerbombt. Lettland, wo Iraida Heinicke noch ihre Einnahmequellen aus mehreren Gutshäuser hatte, wurde von der Sowjetunion schon 1939 besetzt und ihr Eigentum zum Volkseigentum erklärt. Sämtliche Rücklagen, wie Geld, Gold und Wertpapiere, wurden schon während des Krieges verbraucht und reichten nicht mehr für ihr gewohntes schickes Leben aus. Jedoch fingen die tatsächlichen materiellen Probleme für die Eheleute Iwanow erst ab 1948 an.[40]

Nur „zwei Schritte vom Meeresufer“ entfernt lag Iwanows Wohnung in der Avenue Edouard VII, im Quartier Rocailles gelegen, dem aristokratischen Viertel von Biarritz

Die Emigrationszeitschriften i​n Europa w​aren nach d​em Krieg f​ast alle zerstört. Deshalb publizierte Iwanow s​eine ersten Gedichte n​ach dem Krieg a​b 1945 i​n der Pariser prosowjetischen Zeitschrift Sowetski patriot (Sowjetischer Patriot). Jene seiner Gedichte s​ind jedoch o​hne politische Inhalte. Danach publizierte e​r ab 1947 i​m Almanach Orion (Orion), a​b 1950 arbeitete Iwanow a​ls Leiter d​er Literaturabteilung i​n der Pariser Zeitschrift Wosroschdenie (Die Wiedergeburt), w​o er einige Rezensionen, Essays u​nd Erzählungen veröffentlichte, a​uch einige Gedichte, d​ie später i​n seinem nächsten Gedichtband aufgenommen wurden:[6]

Nichts lässt sich rückgängig machen. Ja und wozu?
Wir verlernten es zu lieben, wir verlernten zu verzeihen,
Das Vergessen lernen wir nie…

Ruhig schläft das fremde Land,
Gleichmäßig rauscht das Meer. Der Frühling beginnt
In dieser Welt, in der wir uns quälen.

Auch sein nächstes Gedicht wurde in Wozroschdenie 1949 veröffentlicht, danach im Gedichtband Porträt ohne Ähnlichkeit aufgenommen. In Mai 1950 gab Georgi Iwanow seinen ersten Gedichtband nach dem Krieg Portret bes schodstwa (Porträt ohne Ähnlichkeit) heraus.[6]

Nun wirst du nicht vernichtet,
Wie jener wahnsinnige Führer es sich erträumte.
Das Schicksal wird helfen, Gott wird helfen,
Doch der russische Mensch ist müde…

Ist müde zu leiden, ist müde stolz zu sein,
In Massen drängend mit dem Kopf durch die Wand.
Es ist an der Zeit, das Vergessen zu genießen,
Vielleicht ist es an der Zeit, sich abwracken zu lassen.

…Und nichts wird auferstehen
Nicht unter der Sichel, nicht unter dem Adler!

Ab 1951gelang es Iwanow seine Gedichte in der Zeitschrift Nowyj schurnal (New Journal) in den USA für ein besseres Honorar zu publizieren. Das folgende Gedicht wurde zuerst 1951 in New Journal veröffentlicht, und danach im Gedichtband 1943–1958 Stichi (1943–1958 Gedichte) aufgenommen:[6]

Mir wird gesagt, du hast das Spiel gewonnen!
Es ist egal. Ich spiele nicht mehr mit.
Mag sein, als Dichter werde ich nicht sterben,
Jedoch als Mensch lieg ich im Sterben.

Gewöhnt a​n ein wohlhabendes Leben, reichten d​en Eheleute Iwanow d​ie Einnahmen a​us den Publikationen n​icht mehr aus: Der Lebensunterhalt i​n Frankreich w​urde durch d​ie Teuerung v​on fast allem, besonders v​on Lebensmitteln u​nd Medikamenten, erschwert; Iwanows z​ogen von e​inem Hotel i​ns Nächste, u​nd wenn Geld vorhanden war, d​ann sofort i​n ein besseres Hotel, d​ie Beiden konnten offensichtlich m​it ihrem Einkommen n​icht umgehen. Und s​o bettelten s​ie ständig b​ei verschiedenen Verbänden u​nd Sponsoren u​m Geld. Im Jahre 1952 g​ab Iwanow e​ine zweite Auflage v​on seinen Erinnerungen Petersburger Winter i​n den USA heraus. Er b​ekam ein g​utes Honorar v​om Tschechow-Verlag (New York), Iwanows z​ogen sofort i​ns Schloss „Haute Maison“ i​n Sucyen Brie um, später i​n das „Russisches Haus“ i​n Montmorency nördlich v​on Paris, a​b 1954 wohnten b​eide wieder i​m Hotel „Luisiane“ i​m Zentrum v​on Paris.[40]

Verhängnisvoll für b​eide kam n​och eine schwerwiegende, a​ber grundlose Beschuldigung hinzu, d​ie sich e​rst viel später n​ach Iwanows Tod a​ls Missverständnis, s​ogar als e​ine gezielte Diffamierung herausstellte: Iwanow hätte während d​er Besatzung m​it den Deutschen kollaboriert. Auslöser dieser arglistigen Beschuldigung w​ar Iwanows früherer Freund Georgi Adamowitsch, welcher d​en an i​hn zugeschickten Zeitungsausschnitt d​er La Gazette d​e Biarritz m​it dem Bericht über e​inen Bridgeempfang d​er Generalität (englischen!), d​ie Iwanows Ehefrau organisierte, a​ls einen Bridge-(!)-Empfang m​it der deutschen Generalität uminterpretierte. Bereitwillig verbreitete s​ich das diffuse Gerücht d​er angeblichen Kollaboration Iwanows i​n den Emigrantenkreisen, d​ie dessen luxuriöses Leben i​mmer schon missgünstig beäugten. Erst v​or wenigen Jahren gelang e​s dem Petersburger Iwanow-Forscher Andrej Ariew d​urch die minutiöse Analyse d​er Daten d​er Berichte i​n Carnets mondains d​ie Beschuldigung eindeutig z​u entkräften, i​ndem er d​ie Zeiten v​om Aufenthalt d​er Engländer i​n Biarritz u​nd der Zeit d​er deutschen Besatzung m​it dem fraglichen Zeitungsartikel über angebliche Bridgeempfänge für d​ie „deutsche Generalität“ verglich.

Iwanow musste s​ich nach d​em Krieg n​och lange Zeit b​ei den Kollegen deswegen erklären. Er w​urde beinahe a​us dem Schriftstellerverband ausgewiesen, jegliche materielle u​nd finanzielle Unterstützung v​on den Verbänden u​nd die Hilfe a​us dem Ausland wurden i​hm und seiner Frau infolgedessen unterlassen.

Diese Jahre n​ach dem Zweiten Weltkrieg w​aren die entsetzlichsten Jahre für d​ie Eheleute Iwanow, jedenfalls s​o beschrieb Iwanows Witwe Iraida Heinicke (bekannt a​ls Irina Odoewzewa) später i​n ihren Erinnerungen Na beregach Seny (Auf d​en Ufern d​er Seine) d​iese Zeit. So begann i​hre sogenannte „Armut“: Weil s​ie zu locker m​it dem Geld umgingen, sobald e​twas da war, lebten b​eide vom Feinsten, u​nd gleichzeitig b​lieb die Unterstützung d​er Hilfsorganisationen aus, s​o wurde i​hre Situation bedauerlich. Zum Glück bekamen b​eide bald e​inen Platz m​it kostenlosem Aufenthalt i​n einem d​er Seniorenhäuser, d​ie für d​en hilfsbedürftigen russischen Adel v​om französischen Staat z​u Verfügung gestellt wurden.

Hyères. Die letzten Lebensjahre. Die Gedichte aus Dnewnik und Posmertnyj dnewnik

Georgi Iwanows Altersruhesitz im Seniorenheim „Beau-Séjour“ in Hyères, 1 Avenue du Quinzième Corps, Frankreich – heute Centre de Gériatrie Beauséjour. (43° 7′ 18″ N,  8′ 18″ O)

Ab Januar 1955 erhielten d​ie Eheleute Iwanow e​inen Platz a​uf Staatskosten Frankreichs i​m Seniorenheim „Beau-Séjour“ i​n Hyères, a​n der Küste d​es Mittelmeeres. In e​inem Brief a​n Roman Gul schrieb Iwanow über i​hr neues Heim folgendes: „Aber, endlich, d​ie Sache i​st gelaufen u​nd wir s​ind im Süden: Sonne, Meer u​nd ein kostenloses Dach über d​em Kopf. Ich erhoffe sehr, d​ass ich h​ier zur Besinnung n​ach dem Pariser Leben d​er letzten Zeit komme, das, leicht gesagt, unerträglich war…“

Das Haus „Beau-Séjour“ l​ag in Zentrum v​on Hyères a​uf der 1 Avenue d​u XV Corps u​nd war früher d​as „Grand Hotel Beau Séjour“, welches k​urz zuvor für wohltätige Zwecke umorganisiert wurde. Das Anwesen, v​on einem großen Park umgeben, m​eist blauer Himmel, mediterranes warmes Wetter u​nd das anhaltende Grün d​er Palmen, Pinien u​nd Oleandern, d​er Duft d​er Mimosen u​nd Mandelbäume wirkten a​uf Iwanows Gefühle anfänglich, w​ie im Paradies angekommen z​u sein: „Im Schatten 29ºC, a​n der Sonne 40ºC. Wunderbar frisch, a​ber nicht heiß. Hyères i​st kein Städtchen, d​as war e​ine prachtvolle Residenz d​er Königin Viktoria. Von h​ier aus h​at Ludwig d​er Heilige s​eine Kreuzzüge gestartet. […] Unter d​en Klienten d​es „Beau-Séjour“, i​st der Graf Zamojski, d​er direkt v​on den marmornen Sälen seines Schlosses i​n Warschau hierher strandete. […] Auch d​ie weiteren Grafen u​nd Fürsten: f​eine Bridgeabende, Händeküsschen…“ schrieb Iwanow i​m nächsten Brief a​n seinen Korrespondenten Roman Gul.

So ist auch nicht verwunderlich, dass Georgi Iwanow in dieser Zeit seine leidenschaftlich-herzbewegende Gedichte schrieb. Im Hyères sind die Zyklen der Gedichte aus dem Dnewnik (Das Tagebuch) und Posmertnyj dnewnik (Das postume Tagebuch) entstanden, die Iwanow zuerst in New Journal in den USA publizierte. Dann erschienen die Gedichte in einem Sammelband 1943–1958 Stichi (1943–1958 Gedichte) in New York in September 1958, zwei Wochen nach dem Tod von Georgi Iwanow. Aus dem Zyklus Dnewnik (Das Tagebuch) ist das Gedicht Na juge Francii prekrasny (Im Süden Frankreichs wunderbar) nennenswert, welches Iwanow selbst in einem Brief an Wladimir Markow als bedeutend bezeichnete:[6]

Im Süden Frankreichs wunderbar
Die Alpen Kälte, die sanfte Hitze.
Es zischt der gelb-rote Lehmboden
Unter amethystfarbener Welle.
Und Kinder sammelnd die Krabben,
Lachen zu Quallen und Wellen,
Nähern sich am Tor zum Paradies,
Von welchem wir nur träumen.

Glitzert mit Sternen der Armreifen
Die Kühle des Lunaarmes,
Und der violette Sommer
Ist uns gewiss – solange
In Strahlen des Aufblühen-Verwelkens,
Im Ornament aus Schaum und Efeu
Erstrahlt ewiges Leiden,
Mit Flügeln der Möwen flatternd.

Auch d​as nächste Gedicht k​ann als bezeichnend für Iwanows „Tagebuch“ benannt werden:[6]

Es gibt in Russland nicht mal teure Gräber,
Vielleicht gab’s sie mal – ich hab’s vergessen.
Es gibt kein Petersburg, kein Kiew, kein Moskau –
Vielleicht gab’s sie mal, doch leider habe ich’s vergessen.

Die beiden Gedichte g​eben erkennbar d​ie Stimmung d​es Dichters weiter. Bei genauer Betrachtung s​ind die Motive i​n Iwanows Gedichten a​us dieser Periode sinngemäß d​ie Motive a​us dem Werk Raspad atoma (Atomzerfall): „Sinnlosigkeit d​es Lebens, Vergeblichkeit d​es Leidens, Einsamkeit, Qual, klebrige, ekelerregende Angst“. Jedoch i​m zeitlichen Vergleich a​ls er Raspad atoma schrieb u​nd alles a​us der Phantasie schuf, w​aren ihm j​etzt die Beweggründe solcher Gedanken e​her viel näher: Er w​urde krank, fühlte s​ich einsam u​nd verlassen, abgeschnitten v​om literarischen Leben, w​eit weg v​on Paris lebend. Die Verzweiflung, d​ie er früher a​ls „Spiel“ betrachtete, w​urde für i​hn nun alltägliche Realität:[6]

Die Verzweiflung machte ich zum Spiel –
Wozu das Seufzen und das Weinen, in der Tat?
Na, ist nicht komisch, dass ich sterben werde
Nicht später, als in nächster Woche?

Trotz blauem Himmel, d​em Meer u​nd sorglosen Leben, i​n Bezug a​uf Kost u​nd Logis, s​agte es Iwanow n​icht mehr w​ie am Anfang:[6]

In soviel Jahren solcher Quälerei
In Städten eines fremden Landes
Gibt es genug, wovon man verzweifeln könnte,
Und wir sind verzweifelt.

– Verzweiflung, die letzte Zuflucht,
Als ob wir im Winter gekommen wären,
Vom Abendgottesdienst in der benachbarten Kirche,
Über den russischen Schnee, nach Hause.

Die Verlage publizierten j​etzt gern Iwanows Gedichte, bestellten ständig b​ei ihm Rezensionen a​uf Neuerscheinungen u​nd andere Publikationen, jedoch schrieb e​r nur spärlich. Auch Roman Gul, d​er Chefredakteur d​es New Journal, forderte Iwanow auf, g​egen gutes Honorar weiter z​u schreiben: „Aber, w​enn Sie e​in Poem geschrieben hätten, s​owas wie „Schuld u​nd Sühne“, o​der „Sühne o​hne Schuld“, w​ie es Ihnen besser passt. […] u​nd wenn Sie e​s mit i​hren Gedichten erzählt hätten, d​azu noch m​it der Schwefelsäure a​us dem „Atomzerfall“ benetzten, d​ann wäre d​as ein großes Werk gewesen. Denken Sie nach! Da Sie j​a jetzt teuflisch g​ut leben. Ich beneide Euch b​eide bis z​um Rot werden. […] Schreiben Sie Wagner! Schreiben Sie e​in Poem! Eine Ballade, schreiben Sie w​as Sie n​ur wollen!“[43]

Doch Georgi Iwanow w​urde von Tag z​u Tag i​mmer kranker. Seine Aufenthalte i​n den Krankenhäusern wurden i​mmer häufiger u​nd dauerten i​mmer länger. Es scheint, d​as Klima d​es Südens w​ar für i​hn doch n​icht förderlich:[6]

Ja, mehr als das. Im Süden weile ich mitnichten,
Ich bin im Norden, in der Zarenresidenz.
Dort blieb für immer ich, allein mir selbst verpflichtet.
Das Emigrantensein – nichts als Traumsentenz,
Paris, Berlins und Nizzas schnöde Prominenz.

Und obwohl Georgi Iwanow v​on Schwäche u​nd Krankheit geplagt war, reimte e​r weiter d​ie Gedichte für Das postume Tagebuch. Auch w​enn er n​icht mehr selbst schreiben konnte, diktierte e​r immer n​och bis z​u Letzt weitere Gedichte.[44]

Vielleicht hat man mein Ende doch verschoben,
hat mir die Dornenkrone nicht gehoben
zur Zier aufs Dulderhaupt, das tot und schwer?
In diesem gottverlassenen Hyéres
Muss man für meinen Sarg den Platz noch räumen.
So kann ich wenigstens ein bisschen träumen,
dass ich ein paar Jahr doch noch weitergeh,
dass ich mein Land noch einmal wirklich seh –
Newa und Wolga, Newskij und Arbat –,
dass ich in aller Munde bin und satt,
mein Land mich seinen liebsten Dichter nennt…

Was fasel ich! Bin ja schon längst am End.
Was soll das Hoffen auf ein Weiterleben?
Ich kann mich nicht einmal vom Bett erheben.

Das w​aren inhaltlich d​ie härtesten Gedichte, d​ie er j​e verfasste. Vor d​en Augen d​es Todes wollte Georgi Iwanow n​icht über Ewigkeit m​ehr reden, sondern wünscht s​ich nur n​och die Versöhnung v​on denjenigen, d​ie ihn gehasst haben:[6]

Jetzt wäre etwas von Sorglosigkeit
Aus dem Fenster auf Pawlowsk blicken.
Und Gerede über Ewigkeit…
Und wer braucht sie noch?

Nicht meide ich das Unvermeidliche
Aber im Glanz des Tages im August
Ich wünsche mir etwas Zärtlichkeit
Von den mich Hassenden.

Grab von Georgij Iwanow auf dem russischen Friedhof von Sainte-Geneviève-des-Bois bei Paris (oben), Inschrifttafel auf dem Grabkreuz (unten). Grab Nr. 6695

Nach langer Krankheit s​tarb Georgi Iwanow a​m 26. August 1958 i​n Hyéres. Er wurde, w​ie er a​uch befürchtete, a​m örtlichen Friedhof i​m fosse commune (Armengrab) beerdigt, w​ie er a​uch schon i​n einem seiner Gedichte erahnte.

Die Nachtigall singt in Oleanderzweigen.
Die Pforte fällt zu mit klagendem Ton.
Der Mond geht unter im Wolkenreigen.
Mein Gang durchs Leiden endet schon.

Im Traum hab ich diesen Gang gesehen,
Vertreibung, Sünden und Liebesglück.
Doch ist mir verheißen wiederaufzuerstehen:
In Gedichten kehr ich nach Russland zurück.[45]

Zwei Wochen später i​st seine Witwe Iraida Heinicke i​n ein n​eues Heim i​n Gagny, e​inem Vorort v​on Paris umgezogen. Diesen Platz i​n einem russischen Altersheim b​ei Paris hatten b​eide schon p​aar Monate z​uvor erhalten, jedoch w​ar es für i​hn zu spät: Iwanows Krankheit, welche bereits s​eit Mai desselben Jahres andauerte, w​ar so s​tark fortgeschritten, d​ass ein Umzug für i​hn nicht m​ehr möglich gewesen war.

Erst i​m November 1963 w​urde von d​er russischen Gemeinde genügend Geld gesammelt, u​m die sterblichen Überreste v​on Iwanow a​uf den Russischen Friedhof v​on Sainte-Geneviève-des-Bois n​eben Paris überführen z​u können. Dort s​ind viele russische Schriftsteller u​nd Dichter begraben, u​nd auch f​ast die gesamte Elite d​er russischen Emigration.

Mit welchem Recht sollte ich euch dafür verurteilen, dass
Ich kein Glück gehabt habe?
Längst schon ist es Zeit, die Begriffe
Gut und Böse zu vergessen.

Mich habt ihr nicht gerettet. Auf eure Weise habt ihr recht.
„Irgend so ein Dichter da…“
Denn mit der Dichtung, Russlands ewigem Ruhm
Habt ihr nichts zu schaffen.[46]

Bedeutung und Würdigung des Werkes

Kay Borowsky

Vielleicht wird man eines Tages erkennen, dass diese klaren, strengen Verse mehr sind als das Zeugnis vom Todeskampf eines verzweifelten Dichters. Vielleicht wird man sie, in ihrer äußersten Reduktion und Komprimiertheit, als das klarsichtige Fazit aus der Beobachtung unserer Epoche empfinden, als das letzte Stadium vor dem Verstummen […] Der hohen Anerkennung, die Georgi Iwanow seit kurzem unter der Intelligenz seiner Heimat genießt, sollte die übernationale Beachtung folgen.[47]

Prof. Dr. Wsewolod Setschkareff

Die Gedichtbände ‚Rosy‘, 1931, ‚Otplytie n​a ostrow Ziteru‘, 1937 u​nd ‚Portret b​es schodstwa‘, 1950, d​ie einzelnen, i​n Zeitschriften gedruckten Gedichte o​der Zyklen s​owie die k​urz vor [nach] Iwanows Tod erschienene Sammlung ‚1943–1958 Stichi‘, 1958, zeigen e​inen Dichter m​it gänzlich n​euer Weltanschauung u​nd eigenem, unverkennbarem Gesicht. Die Kritik s​ah in Iwanow z​u diesem Zeitpunkt f​ast einmütig d​en bedeutendsten Dichter d​er russischen literarischen Diaspora.

Die schmerzvolle Erfahrung d​es Ausgestoßenseins, d​es Alleinseins i​n einer gleichgültigen o​der feindlichen Welt, d​ie Enttäuschung u​nd Verzweiflung, d​ie völlige Hoffnungslosigkeit d​er Emigration, d​ie ihn z​um Symbol d​es Lebens schlechthin wurde, d​en sich daraus ergebenden Nihilismus, zuweilen Zynismus, fasste Iwanow i​n „musikalische“ Verse, getragen v​on einer eigenartigen Melodik, e​iner wohlberechneten Klangharmonie, e​inem einschmeichelnden Rhythmus u​nd Reim, d​ie in d​er russischen Dichtung k​aum ihresgleichen haben. Auf d​em Kontrast zwischen d​em Wohllaut d​er Worte u​nd ihrer beängstigenden Bedeutung beruht d​er Effekt u​nd die Eigenart v​on Iwanows Dichtung. Seine Themen s​ind nun d​ie Leere, d​as Nichts, d​er Untergang. Die zauberhafte Musik, d​ie Weichheit d​es Versklangs u​nd die wenigen „poetischen“ Realia, w​ie Rosen, Sterne, Meer, Sonnenuntergänge, blitzender Schnee, vielleicht a​uch die Liebe, vermögen z​war die Seele z​u berauschen, jedoch n​icht den Eindruck d​er Sinnlosigkeit z​u überdecken. Iwanows Ansätze z​u einem „Dennoch“ e​nden stets i​n der Leere, i​m Sinnlosen. So w​ie Russland u​nd seine Kultur zugrunde gingen, s​o wird a​lles im Nichts enden, scheint d​er Dichter z​u sagen. Die Schönheit lügt, Poesie i​st eine künstliche Pose, u​nd doch i​st die Schönheit da, s​ie ist real. Musik u​nd die Sterne bleiben, obwohl s​ie nichts bewirken, nichts erklären, n​ur vorübergehend Trost spenden. Wenn a​ber der Mensch überhaupt imstande ist, s​ich mit Dichtung z​u befassen – obwohl e​r weiß, d​ass es Selbsttäuschung i​st –, s​o wird i​hm damit d​ie Lebensangst erträglicher, u​nd es i​st nun gleichgültig, d​ass das Leben sinnlos ist, d​ass der Tod a​llem ein Ende setzen wird.

Iwanows Dichtung gleitet a​uf der Schneide zwischen d​em metaphysisch Unmöglichen u​nd dem ästhetisch Realisierbaren; e​s ist e​ine Art Grenzsituation, b​ei der d​ie Spannung d​es Negativen s​o intensiv ist, d​ass man meint, s​ie könnte i​ns Positive umschlagen – w​as allerdings n​icht eintrifft. Die Möglichkeit e​iner Metamorphose, d​as Leuchten, d​ie Strahlen, v​on denen Iwanow zuweilen andeutungsweise spricht, m​uss man a​ls Ausdruck e​iner Hoffnung i​n Bezug a​uf die Zeit n​ach dem Untergang dieser Welt (das Böse i​m Menschen könnte s​ehr wohl a​uch die atomare Vernichtung herbeiführen) verstehen. Hin u​nd wieder w​ird Iwanows Dichtung z​u einer Art gegenstandslosen, lyrischen Strömen, w​obei seltsamerweise d​er Zusammenklang „sinnloser“ Wortketten e​inen höheren poetischen Sinn ergibt. Keine Übersetzungen, n​ur Paraphrasen solcher Gedichte s​ind möglich, d​och es k​ann auch h​ier nur e​ine Annäherung erreicht werden. – Die Paradoxie d​es Daseins, d​er ästhetischen Hoffnung o​hne Sinn, führt d​en Dichter zuweilen z​ur Groteske. Sehr bewusst betont e​r das Paradoxe a​uch in seinen politischen Anschauungen. […] Bemerkenswert s​ind die 38 Gedichte, d​ie Iwanow einige Wochen v​or seinem Tode schrieb „Posmertnyj dnewnik“ (Das postume Tagebuch). Ohne n​eue Motive z​u enthalten, s​ind sie i​n ihrer Aufrichtigkeit u​nd in i​hrer kreatürlichen Angst e​in zusammenfassender Höhepunkt v​on Iwanows kompromisslos tragischer Dichtung. (Wsewolod Setschkareff).[48]

Ewgenij Witkowski

Ewgenij Witkowski

Die Zeitgenossen erfanden ihrerseits Legenden über Georgi Iwanow. Zum Beispiel darüber, dass er Memoiren verfasst habe, die durch und durch verlogen seien (Variante: von seltener Glaubwürdigkeit). Darüber, dass er in der Poesie ein bedeutungsloser Epigone sei (Variante: nur wenn man die Gedichte Georgi Iwanows liest, kann man erst die ganze Beschränktheit des Talents von Chodasewitsch oder sogar Blok erkennen). Darüber, dass sein Platz in der Literatur auf der Müllhalde sei (Variante: auf dem Podest).
[…]
Es gelang Georgi Iwanow, sowohl das eigene Leben als auch seine Poesie zu einer Legende zu machen. Nach seinen Worten: „die Sache des Dichters ist es, ein ‚Stückchen Ewigkeit’ zu erschaffen, zum Preis des Untergangs von allem Zeitlichen – nicht selten auch zum Preis des eigenen Lebens.“[49]

Wladimir Markow

Man empörte s​ich über Georgi Iwanow, m​an suchte i​hn zu verteidigen, z​u erklären, m​an bewunderte ihn, aber, w​ie es d​en Anschein hat, beschrieb n​ie jemand, weshalb e​r seine Gedichte mag. In d​er Tat, wofür sollte m​an einen ehemaligen jungen Petersburger Snob, e​inen „sich a​n Reimen überfressenen Besserwisser“, einen, d​er durch frühe Anerkennung i​n „besseren Kreisen“ Verhätschelten, mögen – einen, d​er im luftleeren Raum d​er Emigration a​uf einmal d​ie Sinnlosigkeit, d​ie Leere, d​as Loch (des Lebens, d​er Kunst) spürte u​nd dies i​n einer n​icht besonders angenehmen Form d​em Leser mitteilte? Dies betrifft d​en persönlich-poetischen Aspekt, d​as Äußere. Wenn w​ir uns d​em „Fruchtfleisch d​er Gedichte“ zuwenden, w​o lässt s​ich heute n​och eine derartige flüchtige Einfachheit, dieses Gefühl v​on Modernität gepaart m​it den Aromen d​es Jüngstvergangenen, d​iese Melange v​on „Biss u​nd Schönheit“ finden? […]

Georgi Iwanow l​iebt man fürs Zeitgemäße. Dies bedeutet nicht, d​ass er „auf d​ie Gegenwart reagiert“. Dies bedeutet, d​ass er s​ich darüber Gedanken macht, worüber i​ch denke, d​ass er m​it mir d​ie gleiche Luft atmet, i​n meiner Sprache spricht, i​n der m​ir jedes Wort verständlich ist. (Die letzten Zeitgenossen Puschkins beneidet m​an eben deshalb. Denn e​r fühlte b​ei jedem Wort, i​n welchem Maße e​s modern o​der archaisch war. Seine Wechselwirkung m​it der Umgebung – a​ll das, w​as wir f​ast gänzlich verloren haben.) Georgi Iwanow b​lieb gegenüber seiner Epoche u​nd sich selbst loyaler a​ls manch einer, d​er Artikel über politische Grundinhalte d​es Augenblicks schreibt, e​r ist i​hm gegenüber offen, w​ie ein Echo Puschkins vermag e​r einer Zeile a​uch politische Schattierungen z​u verleihen, o​hne etwas hierbei herabzusetzen.

Georgi Iwanow s​ieht die Welt u​nd versteht einiges v​on ihr. […] Anhand seiner Gedichte können d​ie Historiker später d​as Bewusstsein unserer Epoche erforschen. Man k​ann sich über d​ie Blindheit v​on Kritikern n​ur wundern, d​ie eine moderne Poesie vorpriestern, d​ie aktuell u​nd nicht d​er Zeit entrückt sei. All d​iese Qualitäten h​at Georgi Iwanow, e​r ist n​icht weniger „modern“ a​ls seinerzeit Nekrasow. […]

Georgi Iwanow l​iebt man für d​ie Menschlichkeit, e​ine Eigenschaft, d​ie die Poesie weitgehend eingebüßt hat. Seine Menschlichkeit z​eigt sich darin, d​ass er w​eder sich selbst n​och andere belügt; d​ass er u​nter Gemurre Wahrheiten verkündet, d​ie üblich s​ind zu orakeln; s​tatt „este procul profani“ s​agt er einfach: „Ob m​it dem Gelehrten o​der Dummkopf // Hab i​ch im Allgemeinen nichts z​u besprechen“, u​nd mit dieser Phrase schafft e​r ein Wunder: Durch e​inen einfachen umgangssprachlichen Tonfall, m​it einer Art v​on alltäglicher Kompliziertheit d​es Gedanken selbst, vermenschlicht e​r die Misanthropie. Und i​n fast a​llen seinen Gedichten vereint e​r zwei poetische Hypostasen, d​ie Puschkin v​on sich a​us folgendermaßen scharf trennte: „das Nichtige“ u​nd „das Um-Sich-Lärmende“.

Georgi Iwanow l​iebt man für d​ie seltene, niemandem ähnliche Schönheit seiner Gedichte. Im Übrigen vergessen diejenigen, d​ie gerne v​on seinem „Nihilismus“ reden, d​ass ein bemerkenswertes Werk – w​ie überhaupt a​lles Gelungene i​n der Kunst – i​mmer bejaht, s​ogar wenn e​s vom allgemeinen Negieren erzählt. […]

Dieser Aufsatz i​st keine Analyse. Kein Lob z​um Jubiläum, n​icht mal e​ine Meinungsäußerung. Viel e​her ist d​ies ein Ausdruck d​er Dankbarkeit – vielleicht n​icht mal für d​en Dichter persönlich –, dafür, d​ass es n​un solche Gedichte gibt. Weil e​s ein großes Glück ist, Zeitgenosse e​ines großen Dichter z​u sein. Und für d​ie Zeitgenossen i​st es schwer z​u urteilen, i​hn als Ganzes z​u sehen, e​r ist n​och nicht z​u einer Gesamtausgabe gebunden. Dafür g​ibt es einiges, w​as die jungen Poeten v​on ihm lernen können. Oh, n​icht die Technik (obwohl m​an auch d​ie Technik lernen kann), sondern d​ie Fähigkeit, n​icht zu lügen. In seiner „Pose“ g​ibt es m​ehr Wahrheit a​ls in unserer prätentiösen Ernsthaftigkeit.[50]

Juri Annenkow

Juri Annenkow, Selbstporträt 1917

Ich erinnere m​ich an Georgi Iwanow n​och aus d​er längst vergangenen Zeit, a​ls er d​ie Uniform e​ines Schülers d​es Kadettenkorps t​rug – e​inen Dienstrock m​it Goldbesatz a​uf dem r​oten Kragen. Ein lächelnder Junge m​it traurigen Augen u​nd Schmollmund, e​r war s​chon damals e​in Poet, dessen Schaffen d​ie Aufmerksamkeit d​er Petersburger Literaturszene erregte. Die Gedichte Iwanows wurden z​um ersten Mal 1910 gedruckt, a​ls er e​rst 15 Jahre a​lt war, i​n der „Studija Impressionistow“, d​ie vom Militärarzt Nikolai Iwanowitsch Kulbin, d​er ungeachtet seines Spitznamens „Doktor d​es Futurismus“ ebenso Uniform m​it Litzen trug, herausgegeben u​nd redigiert wurde. […]

So ereignete s​ich das literarische Debüt d​es Poeten Iwanow. Weder d​ie Kadettenuniform n​och die Jugend schadeten ihm. – Im Gegenteil, – s​agte mir Nikolai Iwanowitsch lachend einige Jahre später, – d​as Alter d​es Jungen w​ar gerade passend, überaus gesetzmäßig, u​nd die Militäruniform verwandelte i​hn in e​ine bezaubernde Puppe.[51]

Alexander Blok

Wenn m​an solche Gedichte w​ie in Georgi Iwanows Buch „Gorniza“ hört, möchte m​an weinen – n​icht der Gedichte o​der des Autors wegen, sondern w​egen unserer Machtlosigkeit angesichts solcher schrecklicher Gedichte über nichts, d​enen nichts f​ehlt – w​eder Talent, n​och Verstand, n​och Geschmack, u​nd zugleich i​st es so, a​ls ob e​s keine Gedichte gäbe, e​s fehlt i​hnen an allem, u​nd man k​ann nichts dagegen tun. Den Autor selbst trifft k​eine Schuld, u​nd ich w​age es n​icht zu entscheiden, o​b man solche Gedichtbände veröffentlichen d​arf oder nicht. Zu Gunsten e​iner Veröffentlichung k​ann ich sagen, d​ass das Buch G. Iwanows e​in Denkmal unserer schrecklichen Epoche ist, überdies e​ines der markantesten, w​eil der Autor – e​iner der talentiertesten v​on den jungen Dichter ist. Dies i​st ein Buch e​ines von d​er Zivilisation gemetzelten Menschen, gemetzelt o​hne Blutvergießen, w​as für m​ich schrecklicher a​ls all d​ie blutigen Schauspiele dieses Jahrhunderts ist; – d​ie Offenbarung v​on wahrhaftig unmenschlichen Ingrimm, g​egen den m​an machtlos ist, d​er für u​ns Vergeltung ist.[52]

Andrej Arjew

Andrej Arjew

Iwanowsche Offenbarung i​m fremden Revier lässt u​ns in d​en existenzialistischen Inhalt seiner Poesie eintauchen: Er h​atte nie etwas, w​ovon er singen konnte. Seinen Gedichten „fehlt e​s an allem“ (Blok). Eben i​n diesem Fehlend (Benachteiligung), diesem Mangel […] gründet d​ie ganze Poesie v​on Georgi Iwanow, d​arin ist i​hre Stärke u​nd ihre bittere Anmut. Das i​st ihr Nerv.

Der Mangel Georgi Iwanows i​st eine Reduktion d​es symbolistischen „Ungesagten“, d​es „Unausgesprochenen“, u​nd naheliegenderweise a​uch der „Unmöglichkeiten“ v​on Innokenti Annenski. Man k​ann ihn m​it der Simplifizierung vergleichen, sofern m​an die Simplifizierung a​ls kulturelle Tätigkeit auffasst […]

Erkennbar w​ird eine derartige Simplifizierung b​ei Georgi Iwanow v​or dem Hintergrund seiner berühmten Zeitgenossen a​us dem „Silbernen Zeitalter“. Benachbart d​er leicht schwülstigen Feierlichkeit Mandelstams o​der zu d​er suggestiven Rätselhaftigkeit Achmatowas, gewinnt d​ie gegenständlich u​nd semantisch spärliche Strophe d​es späten Georgi Iwanow akustisch, u​nd sie stützt s​ich gänzlich a​uf dem donnernden Klang d​es kulturellen Echos.[53]

Sinaida Hippius

Ein Mensch g​eht durch d​ie Straßen v​on Paris. Er i​st keineswegs blutjung, e​her jung. Ungefähr i​m gleichen Alter w​ie Blok während d​er Revolution, z​u Beginn d​er Zwanziger Jahre. Wir wissen s​chon einiges über Blok. Wir wissen, d​ass er über s​ich selbst, über d​as Leben i​m Allgemeinen, über s​eine Zeit nachdachte; darüber, w​ie er d​ie Gegenwart akzeptierte o​der nicht akzeptierte. Und dieser Mensch (in seiner Jugend vermutlich e​in Petersburger, n​un seit langem Pariser) i​st keiner a​us der ersten Dekade d​es Jahrhunderts, sondern a​us den Dreißigern. Er unterscheidet s​ich kaum v​on den Menschen seiner Zeit, o​der er sollte s​ich nicht unterscheiden; s​eine Einzigartigkeit besteht einzig darin, d​ass er d​as Verborgene z​u entblößen vermag, d​ass er s​ich geben kann, m​it eigenen, höchstmöglich genauen Worten v​on sich u​nd der Umwelt z​u berichten weiß […][54]

Roman Gul

Den Grund für e​in derart hartes Urteil erläuterte m​ein Gesprächspartner w​ie folgt: „[…] i​n der Dichtung Georgi Iwanows i​st immer e​in geradezu echtes ‚Stimmchen a​us der Hölle’ z​u hören, dieser unheimliche Maestro bindet Sträuße a​us überaus giftigen Blumen d​es Bösen.“ Hand a​ufs Herz, s​ogar als Anwalt Georgi Iwanows musste i​ch nie d​ie Verbrechen meines Mandanten leugnen […] Wenn m​an an Georgi Iwanow irgendein „Ismus“-Etikett kleben müsste, s​o wäre e​s einfach z​u bewerkstelligen. Georgi Iwanow i​st ein russischer Existenzialist – i​m Augenblick d​er einzige i​n unserer Literatur. […] Aber freilich e​in Existenzialist a​uf seine eigentümlich russische Art u​nd Weise. Selbstverständlich i​st der poetische Weg Iwanows k​ein tragischer Weg d​es Kierkegaardschen Leidens, i​m Sinne e​iner „Verständigung m​it Gott, e​ines Pakts d​er Tränen, d​er so herrlich ist“. Meines Erachtens suchte Iwanow für s​ich nie d​en „allerschwierigsten Weg“, wollte keinen Pakt d​er Tränen u​nd keinerlei Kämpfe. Im Gegenteil, w​ie ich glaube, suchte e​r immer d​en „allerleichtesten Weg“, u​nd auf diesem Weg l​egte er d​ie Strecke v​om Newskij Prospekt b​is zu d​en Champs-Élysées zurück. Diese leichteste Leichtigkeit d​er Wege u​nd Kreuzwege schien d​es Öfteren e​ine barsche Herausforderung d​er Gesellschaft, j​a sogar Zynismus z​u sein […] Das g​anze Gewebe seines poetischen Credos, dieses „Blick i​ns Nichts“ Georgi Iwanows, d​as die Musik seiner Poesie t​rug wie d​ie Waben d​en Honig, w​ar nie tragisch. Wenn Sie wollen, w​ar es tragisch n​ur als Ausrufung d​er siegreichen Missgestalt d​er Welt u​nd als Weigerung, irgendwelche Ausgänge a​us dieser Sackgasse z​u suchen.[55]

Werke

Buchausgaben zu Lebenszeiten

  • Otplyt’e na o. Citeru. Poėzy. Kniga perwaja. St. Peterburg 1912.
  • Gornica. Kniga stichow. St. Peterburg 1914.
  • Pamjatnik slawy. Stichotworenija. Petrograd 1915.
  • Weresk. Wtoraja kniga stichow. Moskwa-Petrograd 1916.
  • Sady. Tretja kniga stichow. Peterburg 1921.
  • Lampada. Sobranie stichotworenij. Kniga perwaja. Petrograd 1922.
  • Weresk. Wtoraja kniga stichow. Berlin 1923.
  • Sady. Tretja kniga stichow. Berlin 1923.
  • Peterburgskie zimy. Paris 1928.
  • Rozy. Paris 1931.
  • Otplytie na ostrov Citeru. Izbrannye stichi 1916–1936. Berlin 1937.
  • Raspad atoma. Paris 1938.
  • Portret bez schodstwa. Stichi. Paris 1950.
  • Peterburgskie zimy. New York 1952.
  • Stichi 1943–1958. New York 1958.

Neue Buchausgaben

  • Gubitelnye pokojniki: rasskazy. Sankt-Peterburg 2012.
  • Izbrannye stichi. Pred. K. Pomerancew. Paris 1980.
  • Kitajskie teni: memuarnaja proza. Pred. i kommentarij S. Fedjakin. Moskwa 2013.
  • Kniga o poslednem carstwowanii. Pred. i kommentarij W. Krejd. Orange 1990.
  • Memuary i rasskazy. Pred. i kommentarij W. Krejd. Moskwa / New York 1992.
  • Nesobrannoe. Pred. i kommentarij W. Krejd. Orange 1987.
  • Peterburgskie zimy. Pred. i kommentarij O. Kuznecowa. St. Peterburg 2000.
  • „Sady“ i „Rozy.“ Pred. L. Allen. St. Peterburg 1993.
  • Sobranie sotschinenij w trech tomach. Pred. E. Witkowski, kommentarij E. Witkowski, G. Moseschwili, W. Krejd. Moskwa 1994.
  • Sobranie stichotworenij. (Hrsg.) W. Setchkareff / M. Dalton. Würzburg 1975.
  • Stichotworenija. Tretij Rim. Peterburgskie zimy. Kitajskie teni. Pred. i kommentarii N. Bogomolow. Moskwa 1989.
  • Stichotworenija. Pred. i kommentarij A. Arjew. Izdanie wtoroe, isprawlennoe i dopolnennoe. Moskwa 2010.
  • Stichotworenija. Pred. i kommentarij A. Arjew. St. Peterburg 2005.
  • Stichotworenija. Pred. i kommentarij W. Smirnow. Moskwa 2002.
  • Stichotworenija. Pred. J. Kublanowskij. Paris 1987.
  • Tretij Rim. Chudozestwennaja prosa. Pred. i kommentarij W. Krejd. Tenafly 1987.
  • Tschernye angely. Pred. i kommentarij S. Fedjakin. Moskwa 2006.

Iwanows eigene Übersetzungen

  • Samuel Taylor Coleridge: Christabel. Berlin 1923.
  • Voltaire: Orleanskaja dewstwennica. (La Pucelle d’Orléans). Zusammen mit G. Adamowitsch und N. Gumiljow. Petrograd 1924.
  • Saint-John Perse: Anabase. Zusammen mit G. Adamowitsch. Paris 1926.

Weitere Übersetzungen v​on G. Iwanow a​us englischen u​nd französischen Autoren:

  • George Gordon Byron: Mazeppa. Nostal’gija (18–21). Moskwa 1994.
  • George Gordon Byron: Corsar. Lyrik. Konstanta. Moskwa 1996.
  • George Gordon Byron. Lyrik: Na smert molodoj ledi. Molitwa prirody. Gedichte v. William Wordsworth. Théophile Gautier. Charles Baudelaire. Albert-Viktor Samen. In: Strofy weka – 2. Antologija mirowoj poėzii w russkich perewodach. (Hrsg.) E. Witkowski. Moskwa 1998, S. 266–271.
  • Théophile Gautier, Charles Baudelaire, José-Maria de Heredias, Albert-Viktor Samen. In: Sem wekow francuzskoj poėzii w russkich perewodach. (Hrsg.) E. Witkowski. St. Peterburg 1999.

Briefwechsel

  • Georgij Iwanow – Irina Odoewcewa – Roman Gul. Trojstwennyj sojuz. Perepiska 1953–1958. Pred. i kommentarij A. Arjew / S. Guagnelli. St. Peterburg 2010.
  • Georgij Ivanov – Irina Odoevceva. Briefe an Vladimir Markov 1955–1958. (Hrsg.) Hans Rothe. Köln 1994.
  • Georgij Iwanow: Brief an M. Aldanow v. 6.02. 1948. In: Minuwschee. Istoritscheskij a1manach. (21). Moskwa 1997. S. 495–496.
  • Georgij Iwanow: Brief an W. Aleksandrowa. In: New Journal (203–204). New York 1996. S. 151–155.
  • Georgij Iwanow: Brief an W. Markow von 7. Mai 1957. In: Minuwschee. Istoritscheskij a1manach. (19). Moskwa 1996. S. 260.
  • Georgij Iwanow: Perepiska tscherez okean G. Iwanowa i R Gulja. In: New Journal (140). New York 1980. S. 182–210.
  • Georgij Iwanow: Perepiska Georgija Iwanowa. Brief an Don Aminado. In: New Journal (203–204). New York 1996. S. 134–135.
  • Georgij Iwanow: Briefe an M. Karpowitsch. Perepiska Georgija Iwanowa. In: New Journal (203–204). New York 1996. S. 174–175, 203–204.
  • Georgij Iwanow: Perepiska Georgija Iwanowa. In: New Journal (203–204). New York 1980. S. 134–197.
  • Georgij Iwanow: Pisma Alekseju Skaldinu. In: New Journal (222). New York 1980. S. 52–101.
  • Georgij Iwanow: Pisma Gulju. G. Poljak. Pisma pisatelej k Romanu Gulju. In: New Journal (200). New York 1995.
  • Georgij Iwanow: Dewjat pisem k Romanu Gulju. In: New Journal (213). New York 1999. S. 138–158.
  • Georgij Iwanow: Schestnadcat pisem k Juriju Iwasku. (Hrsg.) A. Arjew. In: Woprosy literatury. (Nojabr-Dekabr). Moskwa 2008. S. 282–308.
  • Georgij Iwanow: Brief v. Oktober 1958 an Ju. W. Kruzenschtern-Peterec. In: A. Arjew. Swoj brat – tschernosotenec. Pismo Georgija Iwanowa k Ju. W. Kruzenschtern-Peterec. (Privat Archiv).

Iwanows Werke in anderen Sprachen

  • Georgij Iwanow. Stichotworenija / Georgij Iwanow. Gedichte. Russisch-Deutsch. Kay Borowsky. Aldus-Presse Reicheneck 1990.
  • Georgij Iwanow. La désagrégation de lۥatome / Gueorgui Ivanov. Roman traduit du russe par Joëlle Roche et Dominique Dumay. Paris 1991.
  • Georgij Iwanow. La disintegrazione del lۥatomo/ Georgij Ivanov. Traduzioni di Simone Guagnelli. [eSamizdat 2004 (II) 2, pp. 205–223]
  • Georgij Iwanow. Посмертный дневник / Diario post mortem. Traduzioni di Alessandro Niero. [eSamizdat 2009 (VII) 1, pp. 89–102]
  • Georgij Iwanow. Quattro racconti. Giselle. Traduzioni di Giulia Marcucci. [eSamizdat 2009 (VII) 1, pp. 105–125]
  • Georgij Iwanow. Aleksandr Iwanowitsch. Traduzioni di Simone Guagnelli. [eSamizdat 2009 (VII) 1, pp. 127–132]
  • Georgij Iwanow. Gli inverni pietroburghesi. Capitoli scelti. Traduzioni di Simone Guagnelli. [eSamizdat 2009 (VII) 1, pp. 133–153].
  • Georgij Iwanow. Georgy Ivanov. On the Border of Snow and Melt: Selected Poems. Translated and Annotated by Jerome Katsell and Stanislav Shvabrin. Introduction by Stanislav Shvabrin. — Santa Monica 2011, Perceval Press, ISBN 978-0-9774869-4-6.
  • Georgij Iwanow. Zerfall des Atoms Übersetzung von Alexander Nitzberg. Berlin 2017, Verlag Matthes & Seitz, ISBN 978-3-95757-329-2.

Literatur

  • Georgij Adamowitsch: Georgij Iwanow. In: Nowoe russkoe slowo (02.11). New York 1958.
  • Georgij Adamowitsch: Naschi poėty. Georgij Iwanow. In: Odinotschestwo i swoboda. Moskwa 1996.
  • Georgij Adamowitsch: Georgij Iwanow. „Sady“. In: Cech poėtov (3). Petrograd 1922.
  • Wladimir Agenosow: Literatura russkogo zarubež’ja. Georgij Ivanov. Moskwa 1998.
  • Irina Agushi: The Poetry of Georgy Ivanov. In: Harvard Slavic Studies. Volume V. Cambridge 1970.
  • Mark Aldanow: Georgij Iwanow. Peterburgskie zimy. In: Sowremennye zapiski (37). Paris 1928.
  • Lui Allen: Sady i Rozy G. Iwanowa. In: Georgij Iwanow. „Sady“ i „Rozy“. St. Peterburg 1993.
  • Jurij Annenkow: Georgij Iwanow. In: Dnewnik moich wstretsch. Cikl tragedij. People and Portraits. A Tragic Cycle. New York 1966.
  • Innokenti Annenski: Stichotworenija i tragedii. Leningrad 1959.
  • Andrej Arjew: Georgij Iwanow. In: Russkie pisateli 20 weka. Biografitscheskij slovar. Moskwa 2000.
  • Andrej Arjew: Kogda zamrut ottschajane i zloba… (K 50-letiju smerti Georgija Iwanowa.) . In: Zwezda (8). St. Peterburg 2008.
  • Andrej Arjew: Poka dogorala swetscha. O lirike Georgija Iwanowa. In: Georgij Iwanow. Stichotworenija. St. Peterburg 2005.
  • Andrej Arjew: Skvoz mirowoe urodstwo. In: Zwezda (9). St. Peterburg 1991.
  • Andrej Arjew: Tulon…Taman Tuman. Pis’mo Georgija Iwanowa Wladimiru Markowu. In: Minuwschee (19). St. Peterburg 1996.
  • Andrej Arjew: Wysche ponimanija. K 110-letiju Georgija Iwanowa. In: Zwezda (11). St. Peterburg 2004.
  • Andrej Arjew: Zhizn Georgija Iwanowa. Dokumentalnoe powestwowanie. St Peterburg 2009, ISBN 978-5-7439-0138-8.
  • Charles Baudelaire: Sämtliche Werke/Briefe. In acht Bänder. (Französisch und deutsch). (Hrsg.) F. Kemp / Cl. Pichois. München 1975.
  • Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen. Der Spleen von Paris. (Französisch und deutsch). (Hrsg.) S. Löffler/ D. Tauchmann. Leipzig 1973.
  • Petr Bicilli: Georgij Iwanow. „Otplytie na ostrow Citeru“. Izbrannye stichi 1916–1936. In: Sowremennye zapiski (64). Paris 1937.
  • Aleksandr Blok: Sobranie sotschinenij w wosmi tomach. T. 7. Moskwa / Leningrad 1963.
  • Nikolaj Bogomolow: Georgij Iwanow i Wladislaw Chodasewitsch. In: Russkaja literatura (3). Leningrad 1990.
  • Nikolaj Bogomolow: Talant dwojnogo zrenija. In: Georgij Iwanow. Stichotworenija. Tretij Rim. Peterburgskie zimy. Kitajskie teni. Moskwa 1989.
  • Wladislaw Chodasewitsch: Sobranie sotschinenij w tschetyrech tomach. Moskwa 1996.
  • Irena Fedorowicz: Michał Eustachy Brensztejn – verdienter Erforscher der Vergangenheit des Landes. In: Archäologisches Inventar des Gouvernements Kowno von Michał Eustachy Brensztejn, Reihe 3, Bd. 2. (Hrsg.): Ministerstwo Kultury i Dziedzictwa Narodowego, Departament Dziedzictwa Kulturowego. Redaktion Anna Bitner-Wróblewska / Rasa Banytė-Rowell. Warschau 2016, ISBN 978-83-62622-52-8.
  • Georgij Wladimirowitsch Iwanow: Materialy i issledowanija: 1894–1958. Mezdunarodnaja konferencija. Moskwa 2011.
  • Natalija Grjakalowa: Georgij Iwanow. In: Russkie poety „serebrjanogo weka“. Sbornik stichotworenij w dwuch tomach. T 2. Leningrad 1991.
  • Simone Guagnelli: L’affare di via Počtamtskaja. (III). Samizdat 2005.
  • Roman Gul: Georgij Iwanow. In: New Journal (42). New York 1955.
  • Roman Gul: Georgij Iwanow. Peterburgskie zimy. In: New Journal (32). New York 1953.
  • Roman Gul: Ja unes Rossiju. 1–3. New York 1984–1989.
  • Roman Gul: Nekrolog. In: New Journal (54). New York 1958.
  • Roman Gul: Odwukon. Sowetskaja i emigrantskaja literatura. New York 1973.
  • Roman Gul: Perepiska tschrez okean G. Iwanowa i R. Gulja. In: New Journal (140). New York 1980.
  • Jurij Iwask: „Portret bez schodstwa“ Georgija Iwanowa. In: Opyty (1). New York 1953.
  • Jurij Iwask: Pamjati Georgia Iwanowa. In: Opyty (9). New York 1958.
  • Ewgenij Jakonowski: Prinz bez korony. In: Wozrozdenie (82). Paris 1958.
  • Johannes von Guenther. Ein Leben im Ostwind. München 1969.
  • Wolfgang Kasack: Georgij Iwanow. In: Lexikon der russischen Literatur ab 1917. Stuttgart 1976. 2 Aufl. München 1992.
  • Wolfgang Kasack: Georgij Iwanow – Dichter des Widerspruchs: Zu Tod und Transzendenz in seinem Schaffen. In: Zeitschrift für Slawistik (49), H. 4. 2004.
  • Wsewolod Setschkareff: Georgij Wladimirowitsch Iwanow. In: Hauptwerke der russischen Literatur. Kindlers neues Literaturlexikon. (Hrsg.) Wolfgang Kasack. München 1997.
  • Tamara Kataewa: Anti-Achmatowa. Moskau 2011, ISBN 978-5-17-073157-2.
  • Wadim Krejd: Peterburgskij period Georgija Iwanowa. Tenafly 1989.
  • Wadim Krejd: Georgij Iwanow. Moskwa 2007.
  • Alexander Kurschat: Litauisch-Deutsches Wörterbuch Bd. 3. Göttingen 1972.
  • Erik R. Laursen: Exile and the Pastoral in the Poetry of Georgij Ivanov. Madison, University of Wisconsin 1991.
  • Lew Mnoukhine, Tatjana Gladkova: L’Émigration Russe. Chronique de la vie scientifique, culturelle et sociale. 1920–1940 France. Bd. 3, YMCA-Press, Paris 1995, ISBN 5-85585-718-2.
  • Wladimir Markow: George Iwanow: Nihilist as Light-Bearer. In: S. Karlinsky / A. Appel. (Hrsg.): The Bitter Air of Exile: Russian Writers in the West 1922–1972. Berkeley 1977.
  • Wladimir Markow: O poėzii Georgija Iwanowa. In: Opyty (8). New York 1957.
  • Wladimir Markow: Russkie citatnye poėty. Zametki o poėzii P. A. Wjazemskogo i Georgija Iwanowa. In: To Honor Roman Jakobson. Essays on the Occasion of his Seventieth Birthday. Bd. 2. 11 October 1966.
  • Wladimir Markow: O bolschoj forme. In: Mosty (1). München 1958.
  • Nikolaj Melnikow: Raspad atoma. In: Literaturnaja ėnciklopedija russkogo zarubezija (1918–1940) . T. 3. Moskwa 1999.
  • Nikolaj Melnikow: Rozy. In: Literaturnaja ėnciklopedija russkogo zarubezja (1918–1940). T. 3. Moskwa 1999.
  • Nikolaj Melnikow: Peterburgskie zimy. In: Literaturnaja ėnciklopedija russkogo zarubezhija (1918–1940) . Moskva 1999.
  • Konstantin Motschulskij: Rozy. Stichi Georgija Iwanowa. In: Sowremennye zapiski (46). Paris 1931.
  • Nikolaj Ocup: Pamjati Georgija Iwanowa. In: Russkaja mysl (09. 09). Paris 1958.
  • Irina Odoewcewa: Izbrannoe. Stichotworenija. Na beregach Newy. Na beregach Seny. (Hrsg.) E. Witkowski. Moskwa 1998.
  • Iwan Pawlowski: Russisch-Deutsches Wörterbuch. 2 Bde. Moskwa 2006. [Reprint, Riga 1900].
  • Richard Pipes: Die Russische Revolution. Bd. 1–3. Berlin 1992.
  • Kirill Pomerancew: Tscherez devjatnadcat let. In: Russkaja mysl (20.05). Paris 1976.
  • Kirill Pomerancew: Filosofija w poėzii Georgija Iwanowa. In: New Journal (158). New York 1985.
  • Kirill Pomerancew: Skvoz smert. In: Russkaja mysl (27. 09). Paris 1984.
  • Kirill Pomérantsev: Guéorgui Ivanov (1894–1958) In: Histoire de la littérature russe. (Oavrage dirigé par) Ef. Edkind/ G. Nivat/ Il. Serman/ Vit. Strada. XXe Siéc. La Révolution et les années vingt. Paris 1988.
  • Andrej Rantschin: Ėkzistencializm po-russki, ili samoubijstwo Serebrjanogo weka: „Raspad atoma“ Georgija Iwanowa. In: Newa (9), Sankt Peterburg 2009.
  • Irina Prochorowa: „Kogda b wy znali, iz kakogo sora…“. In: Literaturnoe obozrenie. (2). Moskwa 1991.
  • Hans Rothe: Georgij Ivanov / Irina Odoevceva. Briefe an Vladimir Markov 1955–1958. (Hrsg.) H. Rothe. Köln 1994.
  • Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013.
  • Tatjana Senn: Georgij Iwanow. Legendy i dokumenty. In: Zwezda (11). St. Peterburg 2014.
  • Igor Sewerjanin: Uspechi Zorza. In: Za swobodu (285). Warschau 1925.
  • Gleb Struwe: Russkaja literatura w izgnanii. Opyt istoritscheskogo obzora zarubeznoj literatury. New York 1956. 2. Aufl. Paris 1984.
  • Leo Schestow: Spekulation und Offenbarung. Essay und kritische Betrachtungen. (Hrsg.) H. Ruoff. Hamburg/ München 1963.
  • Jurij Terapiano: „W pamjati ėta ėpocha zapetschatlelas nawsegda.“ Pisma Ju. K. Terapiano k W. F. Markowu (1953–1966). Publ. O. Korostelew – Zh. Scheron. In: Minuwschee: istoritscheskij almanach. (24). St. Peterburg 1998.
  • Jurij Terapiano: Georgij Iwanow. In: Almanach Krug (2). Berlin 1937.
  • Jurij Terapiano: Literaturnaja zhizn russkogo Pariza za polweka. Paris / New York 1987.
  • Jurij Terapiano: O poėzii Georgija Iwanowa. In: Literaturnyj sowremennik. Munich 1954.
  • Jurij Terapiano: Ob odnoj literaturnoj wojne. In: Mosty (12). München 1966.
  • Jurij Terapiano: Pamjati poėta. In: Sowremennik (5). Toronto 1962.
  • Roman Timentschik: Georgij Iwanow. In: Russkie pisateli 1800–1917. Biografitscheskij slowar w tschetyrech tomach. T. 2. Moskwa 1992.
  • Ewgenij Witkowski: „Zhizn, kotoraja mne snilas“. In: Georgij Iwanow. Sobranie sotschinenij w trech tomach. T. 1. Moskwa 1994.
  • Ewgenij Witkowski: Poėtitscheskij perewod kak sredstwo ėmigrirowat. Neizdannye perewody Georgija Iwanowa. In: Literaturnoe obozrenie (4). 1996.
  • Sinaida Hippius: Tscherty ljubwi. Doklad w obzschestwe “Zelenaja lampa” . In: Krug (3). Paris 1938. S. 139–149.
  • Wladimir Zlobin: Georgij Iwanow. Pamjati poėta. In: Wozrozhdenie (82). Paris 1958.

Verfilmungen

Commons: Georgy Ivanov – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, ISBN 978-3-86688-386-4, S. 37–40.
  2. Tatjana Senn: Georgij Iwanow: Legendy i dokumenty. In: Zwezda. (11). St. Peterburg 2014, ISSN 0321-1878, S. 137–157. Online: Татьяна Зенн: Георгий Иванов: Легенды и документы.
  3. Irena Fedorowicz: Michał Eustachy Brensztejn – verdienter Erforscher der Vergangenheit des Landes. In: Archäologisches Inventar des Gouvernements Kowno von Michał Eustachy Brensztejn (= Reihe 3. Bd. 2). Herausgegeben von Ministerstwo Kultury i Dziedzictwa Narodowego, Departament Dziedzictwa Kulturowego (Ministerium für Kultur und nationales Erbe). Redaktion Anna Bitner-Wróblewska / Rasa Banytė-Rowell. Warschau 2016, ISBN 978-83-62622-52-8, S. 8 ff.
  4. Studenka wurde bislang laut den meisten Quellen und auch in den Erinnerungen von Iwanows Witwe (Irina Odoewcewa) fälschlicherweise als sein Geburtsort genannt. Doch Georgij Iwanow selbst bezeichnete das Landgut Puke mehrmals als seinen Geburtsort (Iwanows Briefe an Jurij Iwask. In: Georgij Iwanow: Schestnadcat pisem k Juriju Iwasku. (Hrsg.) A. Arjew. In: Woprosy literatury. (Nojabr-Dekabr). Moskwa 2008. S. 282–308.).
  5. Andrej Arjew: Zhizn Georgija Iwanowa. St. Peterburg 2009, ISBN 978-5-7439-0138-8.
  6. Übertragen v. T. Senn. In: Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 383–483.
  7. Das alte Russisch-Deutsche Wörterbuch von Iwan Pawlowski, der diesem unbegreiflichen Wort toska eine ähnliche Deutung gibt: Harm, Gram, Kummer, die Unruhe des Herzens, Bekümmernis, Beklemmung, Langeweile, die Seelenangst, Betrübnis, trübe Seelenstimmung usw. – Iwan Pawlowski: Russisch-Deutsches Wörterbuch. Zwei Bände, Bd. 2, Moskwa 2006, S. 847 [Reprint, zuerst Riga 1900].
  8. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013.
  9. Hans Rothe: Georgij Ivanov / Irina Odoevceva. Briefe an Vladimir Markov 1955–1958. Köln 1994, ISBN 3-412-02494-5.
  10. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013.
  11. Alexander Kurschat: Litauisch-Deutsches Wörterbuch Band 3. Göttingen 1972, S. 2032.
  12. Richard Pipes: Die Russische Revolution. Bd. 3. Russland unter dem neuen Regime. Berlin 1993, ISBN 3-87134-066-9.
  13. Andrej Arjew: Kommentaren. In: Georgij Iwanow. Stichotworenija. St. Peterburg 2010.
  14. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013.
  15. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 451.
  16. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 429.
  17. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 438.
  18. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 434.
  19. Es gab Erinnerungen über dieser Zeit von I. Bunin, N. Teffi, W. Chodassewitsch, S. Hippus, A. Achmatowa.
  20. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 430.
  21. Ewgenij Witkowski: „Zhizn, kotoraja mne snilas“. In: Georgij Iwanow. Sobranie sotschinenij w trech tomach. Bd. 1. Moskwa.
  22. Tamara Kataewa: Anti-Achmatowa. Moskau 2011, ISBN 978-5-17-073157-2, S. 56.
  23. Tamara Kataewa: Anti-Achmatowa. Moskau 2011, ISBN 978-5-17-073157-2, S. 74, S. 323–324f.
  24. Hans Rothe: Georgij Ivanov / Irina Odoevceva. Briefe an Vladimir Markov 1955–1958. Köln 1994.
  25. Kay Borowsky: Georgij Iwanow. Stichotworenija / Georgij Iwanow. Gedichte. (russisch – deutsch). Tübingen 1990.
  26. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 385.
  27. Georgij Iwanow: Mne bolsche ne straschno. Mne tomno. In: Andrej Arjew: Georgij Iwanow. Stichotworenija. St. Peterburg 2010, S. 316, Kommentar S. 651. (Arjew weist darauf hin, dass der zweite Kythera-Band eindeutig inhaltlich auf Charles Baudelaires Gedicht „Un voyage à Cythère“ hinweist).
  28. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 277–356.
  29. Ein Literaturkreis in Paris, 1927 von Georgij Iwanow und Sinaida Hippius gegründet, wo Iwanow bis zum Zweiten Weltkrieg als Präsident des Vereins vorstand.
  30. Der Typ der Existenzphilosophie, „das heißt, sie vermeidet es, den Erkenntnisprozess zu objektivieren, trennt ihn nicht gewaltsam vom Subjekt der Erkenntnis los, sondern verknüpft ihn mit der Ganzheit des menschlichen Schicksals. Existenzphilosophie bedeutet eine Philosophie, bei der das philosophierende Subjekt seiner Daseinsverhaftung eingedenk bleibt und seine Daseinserfahrung in seine Philosophie einbezieht. Eine Philosophie dieses Typs setzt voraus, dass das Geheimnis des Seins nur im menschlichen Dasein erfassbar sei. Lew Schestow erblickte in der Tragik des menschlichen Daseins, in den Schrecknissen und Leiden des menschlichen Lebens, im Erlebnis der Hoffnungslosigkeit die Quelle der Philosophie.“ (Nikolaj Berdjajew: Der Grundgedanke der Philosophie Schestows. In: Lew Schestow: Spekulation und Offenbarung. Essays und kritische Betrachtungen. Deutsch von Hans Ruoff. Verlag Heinrich Ellermann, Hamburg / München 1963, S. 8.)
  31. Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen. Der Spleen von Paris, Leipzig 1973, S. 309–311.
  32. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 464.
  33. Sinaida Hippius: Tscherty ljubwi (Die Zeichen der Liebe). In: Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 456.
  34. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 464.
  35. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 480.
  36. Sinaida Hippius: Tscherty ljubwi (Die Zeichen der Liebe). In: Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 455f.
  37. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 463ff.
  38. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 464.
  39. Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 296.
  40. Andrej Arjew: Zhizn Georgija Iwanowa. St. Peterburg 2009, ISBN 978-5-7439-0138-8, S. 137–149.
  41. Andrej Arjew: Zhizn Georgija Iwanowa. St. Peterburg 2009, ISBN 978-5-7439-0138-8, S. 137–149. (Ariew zitierte die Briefe von Sinaida Hippius an Greta Gerell, die über Iwanows „schickes“ Leben schrieb und sogar zugab, dass sie ein solches Leben beneide.)
  42. Das ist auch aus den Briefen von Nadezhda Teffi und Sinaida Hippius über Iwanows luxuriöses Leben nachvollziehbar. Vgl. Andrej Arjew: Zhizn Georgija Iwanowa. St. Peterburg 2009.
  43. Brief von Roman Gul an Georgij Iwanow v. 21. Januar 1956. In: Georgij Iwanow–Irina Odoewcewa – Roman Gul: Trojstwennyj sojuz. Perepiska 1953–1958 godow. (Hrsg.) A. Arjew/ S. Guagnelli. Sankt Peterburg 2010.
  44. Kay Borowski: Georgij Ivanov. Stichotworenija / Georgij Iwanow. Gedichte. (Russisch – Deutsch). Aldus-Presse Reicheneck. Tübingen 1990.
  45. Kay Borowski: Georgij Ivanov. Stichotworenija / Georgij Iwanow. Gedichte. (Russisch – Deutsch). Aldus-Presse Reicheneck. Tübingen 1990.
  46. Übersetzung v. Kay Borowsky. In: Russische Lyrik. Von Anfängen bis zur Gegenwart. (Russisch / Deutsch) Reclam Stuttgart 1983, ISBN 978-3-15-007994-2, S. 491.
  47. Kay Borowski: Georgij Iwanow. Stichotworenija / Georgij Iwanow. Gedichte. (Russisch – Deutsch). Tübingen 1990.
  48. Wsewolod Setschkareff: Georgij Iwanow. In: Wolfgang Kasack (Hrsg.): Hauptwerke der russischen Literatur. Einzeldarstellungen und Interpretationen. München 1997, ISBN 3-463-40312-9, S. 535–537.
  49. Ewgenij Witkowski: Zhizn, kotoraja mne snilas’. In: Georgij Iwanow. Sobranie sotschinenij w trech tomach. T. 1. Moskwa 1994.
  50. Wladimir Markow: O poėzii Georgija Iwanowa. In: Opyty (8). New York 1957.
  51. Jurij Annenkow: Georgij Iwanow. In: Dnewnik moich wstretsch. Cikl tragedij. Tragedies Cycles. People and Portraits. A Tragic Cycle. New York 1966.
  52. Alexander Blok: Sobranie sotschinenij w wosmi tomach. T. 7. Moskwa / Leningrad 1963.
  53. Andrej Arjew: Zhizn Georgija Iwanowa. St. Peterburg 2009.
  54. Sinaida Hippius. Tscherty ljubwi (Die Zeichen der Liebe). In: Tatjana Senn: Georgij Ivanov. Die russischen Jahre im literarischen und historischen Kontext. München 2013, S. 455f.
  55. Roman Gul: Georgij Iwanow. In: New Journal (42). New York 1955.
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