Gemüsekohl
Gemüsekohl (Brassica oleracea) ist eine formenreiche Pflanzenart der Gattung Kohl (Brassica) in der Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae), deren Zuchtformen etliche Gemüse-Kulturformen umfassen.
Gemüsekohl | ||||||||||||
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Wildform des Gemüsekohls (Brassica oleracea) auf Helgoland | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Brassica oleracea | ||||||||||||
L. |
Beschreibung
Der Gemüsekohl ist eine ein- bis zweijährige (Kulturformen) oder ausdauernde, krautige Pflanze, die im höheren Alter verholzt sein kann. Die Wuchshöhen betragen 40 bis 120 Zentimeter. Die Pflanzen sind abstehend-sparrig, jedoch wenig verzweigt und aufrecht. Die wechselständig am Stängel angeordneten Laubblätter sind oft abwischbar blau bereift und meist kahl. Die oberen Stängelblätter sind am Grund abgerundet oder verschmälert und sitzend.
Die zwittrigen Blüten sind vierzählig mit doppelter Blütenhülle. Die vier Kelchblätter sind aufrecht. Die vier Kronblätter sind schwefelgelb. Die Staubblätter sind aufrecht. Die Blütezeit reicht von Mai bis September. Die Früchte sind die für die Familie typischen Schoten.
Alle Formen und Varietäten haben dieselbe Chromosomenzahl 2n = 18. Sie besitzen ca. 100.000 Gene verteilt auf ein Genom von 599–868 Mbp (Millionen Basenpaare), und somit vier- bis zehnmal so viele wie die Modellpflanze Arabidopsis thaliana.[1]
Ökologie
Die Bestäubung erfolgt durch Insekten oder durch Selbstbestäubung. Die Ausbreitung der Samen erfolgt durch den Wind, durch Selbstausbreitung oder durch den Menschen (Anemochorie, Autochorie, Hemerochorie).
Vorkommen
Ursprünglich ist die Wildform in den meridionalen bis temperaten, ozeanisch geprägten Küstenbereichen Europas heimisch. Sie wächst auf Felsen, zum Teil auf Küstenkliffen, aber auch in Gebirgen. In Deutschland kommt die Wildform nur auf Helgoland vor und wird hier „Klippenkohl“ genannt. Er wächst hier in der Pflanzengesellschaft Brassicetum oleraceae (Crithmo-Armerion maritimae) an den Felshängen der Insel und teilweise an Ruderalstandorten, die den Schafen nicht zugänglich sind.
Die Zuchtformen kommen außer in Gärten und auf Äckern selten auch verwildert vor und siedeln dann auf Schutt und auf frischen, nährstoffreichen Böden.
Wirtschaftliche Bedeutung
2019 wurden laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO weltweit 70.150.156 t Gemüsekohl geerntet.
Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die zehn größten Produzenten von Gemüsekohl weltweit, die insgesamt 78,8 % der Erntemenge produzierten.
Rang | Land | Menge (in t) |
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1 | Volksrepublik China | 33.513.605 |
2 | Indien | 9.127.000 |
3 | Russland | 2.623.230 |
4 | Südkorea | 2.573.532 |
5 | Ukraine | 1.732.920 |
6 | Indonesien | 1.413.059 |
7 | Japan | 1.380.883 |
8 | Vietnam | 1.053.316 |
9 | Vereinigte Staaten | 984.568 |
10 | Polen | 899.100 |
Top Ten | 55.301.213 | |
restliche Länder | 14.848.943 |
Die größten Produzenten in der europäischen Union waren: Polen (899.100 t), Deutschland (722.290 t) und Rumänien (616.930 t).[2]
Systematik
Wildformen
Der Wildkohl kommt in fünf größeren, nicht aneinandergrenzenden Gebieten vor. Die Pflanzenpopulationen dieser Gebiete unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Morphologie (Wuchshöhe, Verzweigungsgrad, Blattmerkmale, Blütenfarbe), lassen sich jedoch frei untereinander kreuzen. Sie werden daher je nach Autor als Art oder als geografische Rasse geführt:
- Brassica cretica Lam. kommt im südlichen Griechenland inklusive Kreta und in der Südwesttürkei auf Küstenkliffen vor. Es ist eine ausdauernde (fünf- bis achtjährige) Form mit verzweigten, holzigen Strünken, fleischigen Blättern und hellgelben bis weißen Blüten.[3]
- Brassica rupestris-incana-Komplex ist in Mittel- und Süditalien mit Sizilien und im Dinarischen Gebirge beheimatet.[3] Es ist eine heterogene Gruppe mit folgenden gemeinsamen Merkmalen: große, dünne, behaarte Blätter mit einem einzelnen hohen gipfelständigen Blütentrieb.
- Brassica insularis Moris auf Korsika, Sardinien und in Tunesien sind niedrige, verzweigte Pflanzen mit steifen, fleischigen Blättern und großen weißen Blüten.
- Brassica montana L., manchmal der Brassica-oleracea-Gruppe zugeordnet, wächst an der nördlichen Mittelmeerküste von Spanien, Frankreich und Italien.[3] Es sind strauchige, mehrjährige Pflanzen mit grünen, nicht blaugrauen Blättern.
- Brassica oleracea L. wächst an den Küstenfelsen des Atlantiks von Spanien bis Südengland sowie auf Helgoland. Die Blätter sind graugrün und haarlos.
Zuchtformen
Die vielen Zuchtformen des Gemüsekohls werden als Varietäten geführt. Man unterscheidet in der Regel (in Klammern die genutzten Pflanzenteile):
- Brassica oleracea var. sabellica L. = Grün- oder Krauskohl (Blätter)
- Brassica oleracea var. medullosa Thell. = Markstammkohl (Blätter, Sprossachse)
- Brassica oleracea var. gongylodes L. = Kohlrabi (verdickte Sprossachse)
- Brassica oleracea var. palmifolia DC. = Palmkohl (Blätter)
- Brassica oleracea var. viridis L. = Kuhkohl, Blattkohl, Staudenkohl (Blätter)
- Brassica oleracea convar. capitata L. = Kopfkohl
- Brassica oleracea convar. capitata var. alba L. = Weißkohl, Weißkraut (Blätter des gestauchten Sprosses)
- Brassica oleracea var. capitata fo. alba subfo. conica = Spitzkohl, Spitzkraut, Filderkraut
- Brassica oleracea convar. capitata var. rubra L. = Rotkohl, Rotkraut (Blätter des gestauchten Sprosses)
- Brassica oleracea convar. capitata var. sabauda L. = Wirsing, Savoyer Kohl (Blätter des gestauchten Sprosses)
- Brassica oleracea var. costata DC. = Rippenkohl
- Brassica oleracea var. botrytis L. = Blumenkohl, Karfiol (Blütenstände)
- Brassica oleracea convar. botrytis var. botrytis L. = Romanesco (Blütenstände)
- Brassica oleracea var. italica Plenck = Broccoli, Spargelkohl (Blütenstände)
- Brassica oleracea var. gemmifera DC. = Rosenkohl, Brüsseler Kohl (Blätter des gestauchten Seitensprosses)
- Brassica oleracea var. ramosa (DC.) Alef. = Strauchkohl, Verzweigter Staudenkohl, Baumkohl
Chinakohl (Brassica pekinensis) gehört zur Art Brassica rapa (Rübsen).
Nutzungsgeschichte
Wann und wo die Wildformen in Kultur genommen wurden, lässt sich nicht nachvollziehen. Noch 1980 wurde etwa auf Samos die dort wild vorkommende Brassica cretica von den Einheimischen auf den Äckern kultiviert. Alle Wildformen und Kulturformen sind miteinander kreuzbar. Der Grüne Krauskohl lässt sich zumindest für das Griechenland des 3. Jahrhunderts v. Chr. nachweisen, ebenso für Italien. In Deutschland findet er sich in den Kräuterbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts. Kohlrabi und Markstammkohl werden von Plinius dem Älteren erwähnt, in Deutschland lässt er sich ab dem 16. Jahrhundert nachweisen. Die festen Kohlköpfe sind auch erst aus dieser Zeit nachgewiesen, dürften aber schon zur Zeit Hildegards von Bingen im 11. Jahrhundert existiert haben. Brokkoli und Blumenkohl dürften aus Südgriechenland stammen. Über Genua (um 1490) dürften sie nach Frankreich, Flandern und Deutschland gekommen sein. Die ersten Abbildungen stammen von 1542. Der Rosenkohl wurde im 15. Jahrhundert in den spanischen Niederlanden beschrieben.
Inhaltsstoffe
Neben Vitaminen und Mineralstoffen, beispielsweise Vitamin C, Vitamine des B-Komplexes, Betacarotin, Folsäure und Kalium, Calcium sowie Eisen, sind in Kohlgemüsen reichlich Ballaststoffe, Glucosinolate und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten.
Literatur
- Udelgard Körber-Grohne: Nutzpflanzen in Deutschland von der Vorgeschichte bis heute. Nikol, Hamburg 1995, ISBN 3-933203-40-6, S. 174–192 (Lizenzausgabe).
- Rudolf Schubert, Klaus Werner, Hermann Meusel (Hrsg.): Exkursionsflora für die Gebiete der DDR und der BRD. Begründet von Werner Rothmaler. 13. Auflage. Band 2: Gefäßpflanzen. Volk und Wissen, Berlin 1987, ISBN 3-06-012539-2.
- Siegmund Seybold (Hrsg.): Schmeil-Fitschen interaktiv. CD-ROM, Version 1.1. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2002, ISBN 3-494-01327-6.
Einzelnachweise
- National Center for Biotechnology Information = NCBI - Taxonomy Browser Brassica oleracea online.
- Crops > Cabbages and other brassicas. In: Offizielle Produktionsstatistik der FAO für 2019. fao.org, abgerufen am 19. Januar 2021 (englisch).
- G. Rakow: Species Origin and Economic Importance of Brassica. In: Biotechnology in Agriculture and Forestry, Volume 54, Springer, 2004. (Online)
Weblinks
- Gemüsekohl. FloraWeb.de
- Brassica oleracea L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora.
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben).
- Brassica oleracea in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2013.2. Eingestellt von: V. Holubec, K. Uzundzhalieva, G. Vörösváry, D. Donnini, Z. Bulińska, S. Strajeru, 2010. Abgerufen am 27. April 2014.