Cupiennius
Die Gattung Cupiennius zählt zur Familie der Fischerspinnen (Trechaleidae) innerhalb der Ordnung der Webspinnen. Mit Cupiennius coccineus, Cupiennius getazi und der Großen Wanderspinne (Cupiennius salei) zählen auch die drei bekanntesten Arten dieser Familie zu der Gattung, deren Arten wie alle anderen der Fischerspinnen in Mittel- und Südamerika vorkommen.
Cupiennius | ||||||||||||
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Weibchen von Cupiennius coccineus | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Cupiennius | ||||||||||||
Simon, 1890 |
Sowohl in der englischen als auch in der deutschen Sprache werden die Arten der Gattung Cupiennius vereinzelt als „Bananenspinnen“ (eng. Banana spiders) bezeichnet und teilen sich diese Bezeichnung in beiden Sprachen mit den wesentlich gefährlicheren Arten der Gattung Phoneutria aus der Familie der Kammspinnen (Ctenidae). Gleiches gilt zusätzlich im englischen Sprachraum für die Warmhaus-Riesenkrabbenspinne (Heteropoda venatoria), die allerdings wie die Arten der Gattung Cupiennius für den Menschen weitestgehend ungefährlich ist.
Merkmale
Bei den Arten der Gattung handelt es sich je nach Art um mittelgroße bis große Spinnen, die wie die anderen Arten der Familie eine langbeinige Gestalt besitzen. Die Tarsen der Beine sind wie bei den anderen Fischerspinnen (Trechaleidae) sehr flexibel und ermöglichen den Arten der Gattung ähnlich wie bei den Riesenkrabbenspinnen (Sparassidae) schnelle und wendige Fortbewegungen und die Möglichkeit, sich an das Substrat anzuschmiegen, was zu einer besseren optischen Verschmelzung mit dem Untergrund führt. Die Augen sind bei der Gattung Cupiennius übereinander je zu viert in zwei Reihen angeordnet, von kreisrunder Form und allesamt gleich groß.[1] Sie sind leistungsstark und ermöglichen den Spinnen somit eine gute Sehfähigkeit, die sowohl zur Jagd als auch zur Orientierung verwendet wird. Ebenso verfügen die Arten der Gattung über ein dichtes Polster gut entwickelter Sensillen (Sinneshaare), die der Wahrnehmung von Luftbewegungen und Vibrationen dienen.[1] Die dichte Behaarung ermöglicht den Arten wie allen Fischerspinnen die Fähigkeit zu schwimmen und auch unter Wasser unterzutauchen. An den Enden der Beine befinden sich je drei Klauen zum Haften an die Vegetation.[1] Die Zeichnungen und Färbungen variieren je nach Art und Geschlecht.
Sexualdimorphismus
Wie bei vielen Spinnen existiert auch bei denen der Gattung Cupiennius ein stark ausgeprägter Sexualdimorphismus (Unterschied beider Geschlechter). Die Weibchen sind kräftiger als die Männchen gebaut und verfügen oftmals über eine größere Körperlänge. Hingegen können die Beinspannweiten bei beiden Geschlechtern gleich ausfallen, womit die Männchen optisch langbeiniger in Erscheinung treten. Die Weibchen der Arten der Gattung verfügen im Gegensatz zu den Männchen über eine rötliche Farbgebung auf der Ventralseite, die als Signalfarbe dient und Prädatoren (Fressfeinde) abschrecken soll.
Ähnliche Arten
Aufgrund der ähnlichen Größe und Gestalt können die größeren Arten der Gattung Cupiennius mit den deutlich gefährlicheren Arten der Gattung Phoneutria aus der Familie der Kammspinnen (Ctenidae) verwechselt werden, was gefährliche Auswirkungen haben kann. Verwechslungen können auch darauf zurückzuführen sein, dass Arten beider Arten gelegentlich in Bananenstauden in andere Teile der Welt exportiert werden.[2]
Einer der Hauptunterschiede beider Arten liegt in der geographischen Verbreitung. Die Arten der Gattung Phoneutria sind überwiegend in Südamerika vertreten, während der Verbreitungsschwerpunkt der Gattung Cupiennius vorwiegend in Mittelamerika liegt. Neben genitalmorphologischen Merkmalen kann auch die Größe der Spinnen als Unterscheidungsmerkmal angewandt werden, da einige Arten der Gattung Phoneutria größer als jene der Gattung Cupiennius sind, außerdem sind die Arten der Gattung Phoneutria wesentlich kontrastärmer gezeichnet. Bei einigen Arten der Gattung Phoneutria erscheinen überdies die Cheliceren (Kieferklauen) rötlich. Bis auf Cupiennius chiapanensis tritt diese Eigenschaft bei keiner anderen Art der Gattung Cupiennius auf.[2]
Vorkommen
Die Arten der Gattung Cupienius sind ausnahmslos in Mittel- und Südamerika vertreten und bewohnen dort die Regenwälder. Innerhalb ihres Habitats leben die Spinnen bevorzugt auf größeren Bäumen, die mit Epiphyten (Pflanzen, die auf anderen Pflanzen wachsen), Zweigen und Moos bedeckt sind und somit Schutz vor Witterungen bilden.[3] Dabei werden besonders die Blatttrichter von Bromeliengewächsen (Bromeliaceae) gerne als Unterschlupf genommen.
Einfuhr durch Bananenfrüchte
Die Bezeichnung „Bananenspinnen“ für die Gattung Cupienius rührt daher, dass gelegentlich Exemplare der vier größeren Arten Cupiennius chiapanensis, Cupiennius coccineus, Cupiennius getazi und der Großen Wanderspinne (C. salei) wie die ebenso genannten und für den Menschen wesentlich gefährlicheren Arten der Gattung Phoneutria aus der Familie der Kammspinnen (Ctenidae) oder auch wie die in Asien heimische Warmhaus-Riesenkrabbenspinne (Heteropoda venatoria) durch die Einfuhr von Früchten der Dessertbanane (Musa × paradisiaca) von ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet nach Nordamerika und Europa mitexportiert werden.[2] Der Grund für die vergleichsweise hohe Fundrate dieser Spinnen an Bananenfrüchten lässt sich damit begründen, dass diese anders als andere Früchte anderer Pflanzen nicht einzeln, sondern in Gruppen, die je an ihren Stauden belassen werden, transportiert werden. Diese Stauden bieten den am Tag versteckt lebenden Arten der Gattung Cupiennius und auch Phoneutria sowie weiteren die Möglichkeit, sich zu verbergen, wo sie dann übersehen werden können.[4] Mit Ausnahme der vier größeren Arten konnten diese Verschleppungen aber nicht bei den anderen der Gattung beobachtet werden. Obwohl sich die vier Arten meist sicher anhand ihrer Färbungen unterscheiden lassen, empfiehlt sich besonders bei den nahezu identischen Männchen von Cupiennius coccineus und der Großen Wanderspinne die Untersuchung genitalmorphologischer Merkmale zur sicheren Bestimmung der jeweiligen Art.[2]
Bei einigen dieser Einfuhren von Spinnen der Gattung Cupiennius kam es in der Vergangenheit nicht selten zu Verwechslungen mit Arten der Gattung Phoneutria aufgrund dessen Ähnlichkeit (s. Kapitel „Ähnliche Arten“). Diese Verwechslungen rührten unter anderem von der fehlenden Erfahrung der dort eingesetzten Entomologen und Arachnologen als auch von dem damaligen Mangel an genauen Bestimmungsschlüsseln zu einer genauen Identifikation. Bei diesen fehlerhaften Bestimmungen wurden aufgrund der befürchteten Gefahr der Spinne bereits erhöhte Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, die sich bei einer späteren und genaueren Identifikation von Spinnen dieser Gattung als überflüssig erwiesen.[2]
Bedrohung und Schutz
Über mögliche Bestandsgefährdungen einzelner Arten der Gattung Cupiennius existieren keine Nachweise, zumal keine der Arten von der IUCN erfasst wird. Bedrohungen sind für gewöhnlich aber nicht zu verzeichnen. Dementsprechend besitzt auch keine der Arten einen Schutzstatus.
Lebensweise
Die Arten der Gattung Cupiennius sind wie alle Fischerspinnen (Trechaleidae) und auch wie Kammspinnen (Ctenidae) nachtaktiv und nomadisch und legen dementsprechend keine Wohngespinste an, sondern verstecken sich tagsüber in passenden Unterschlüpfen, die ebenfalls mit der Sehfähigkeit geortet werden können. Die Spinnseide wird dementsprechend überwiegend ähnlich wie bei Springspinnen (Salticidae) als Sicherheitsfaden, zum Einspinnen größerer Beutetiere oder von den Weibchen zusätzlich zum Kokonbau verwendet.[3]
Jagdverhalten und Beutefang
Wie andere Fischerspinnen (Trechaleidae) und auch wie Kammspinnen (Ctenidae) legen die Arten der Gattung Cupiennius auch keine Spinnennetze zum Beutefang an, sondern jagen ohne ein Fangnetz als Lauerjäger. Zum Beuteschema zählen neben anderen Wirbellosen auch Reptilien und Amphibien in passender Größe. Geortet werden Beutetiere und auch Prädatoren mit dem Seh- und Vibrationssinn. Bei Cupiennius coccineus konnte beobachtet werden, dass Exemplare dieser Art männliche Frösche anhand deren Quaken orten können. Diese schlichen sich an die Frösche an und erlegten sie anschließend im Überraschungssturz.[3]
Fortpflanzung
Alle Arten der Gattung Cupiennius verfügen über ein komplexes Balzverhalten. Die Weibchen nutzen Spinnfäden, die mit Pheromonen (Arteigene chemische Stoffe zur Kommunikation) versehen sind, um Männchen anzulocken. Hat ein solches ein Weibchen ausgemacht und dieses anhand der Fäden gefunden, beginnt es einen Balztanz, bei dem es auf den Untergrund trommelt und sein Opisthosoma (Hinterleib) schüttelt. Dieses Balzverhalten kann oft mehrere Stunden dauern und sich seitens des Männchens mehrmals wiederholen. Ein paarungswilliges Weibchen beantwortet das Werben gegenüber dem Männchen ebenfalls mit einem Schütteln des Opisthosomas. Anschließend steigt das Männchen auf den Rücken des Weibchens und führt seine Bulbi (männliche Geschlechtsorgane bei Spinnen) abwechselnd in die Epigyne (weibliches Geschlechtsorgan bei Spinnen) seiner Partnerin. Kurz nach der Paarung nimmt der Nahrungsbedarf des begatteten Weibchens aufgrund der in ihm heranreifenden Eier deutlich zu und sein Opisthosoma schwillt infolgedessen deutlich an. Drei Wochen nach der Paarung fertigt das Weibchen seinen ersten Eikokon an, der an den Spinnwarzen angeheftet getragen wird. Nach einem Monat erfolgt der Schlupf der Jungtiere aus dem Kokon, der zuvor an einem vom Weibchen angefertigten Gespinst befestigt wird. Nach einem Monat schlüpfen die Jungtiere, die eine Woche nach Schlupf das Gespinst verlassen. Ein Weibchen kann bis zu drei weitere Kokons fertigen und betreibt wie bei Fischerspinnen üblich keine Brutpflege. Die anfangs zwei bis drei Millimeter großen Jungspinnen wachsen innerhalb von acht und zehn Monaten heran. Die Lebensdauer von Weibchen der Gattung beträgt zwei Jahre, die der Männchen weniger.[3]
Die Gattung Cupiennius und Mensch
Die Arten der Gattung Cupiennius werden mitunter aufgrund der bereits erwähnten Ähnlichkeit zu der Gattung Phoneutria der Kammspinnen (Ctenidae) gefürchtet. Ebenso werden aber auch Arten der Gattung aufgrund ihrer Vielfältigkeit, darunter besonders die Große Wanderspinne (C. salei) als Forschungsobjekte für die Wissenschaft genutzt oder erhalten anderweitig eine gewisse Beliebtheit einzelner Personen, etwa in der Heimtierhaltung (s. Kapitel „Terraristik“).
Toxizität und Bissunfälle
Bisse der Arten Cupiennius coccineus, Cupiennius getazi, Cupiennius panamensis und der Großen Wanderspinne (C. salei) sind überliefert.[2] Die Arten der Gattung Cupiennius sind allerdings nicht aggressiv, sondern versuchen bei Störungen meist zu fliehen und beißen nur in größter Not. Außerdem sind Bisse zwar schmerzhaft, verbleiben aber im Regelfall ohne medizinisch bedeutsame Symptome.[3] Bei einem beschriebenen Biss von Cupiennius coccineus wurde das Einführen der Cheliceren und somit der eigentliche Biss mit dem Stich einer Biene verglichen. Als Symptom war im Bereich der Bisswunde ein Taubheitsgefühl zu vermerken, das innerhalb 10 bis 30 Minuten wieder abklang.[1][2]
Terraristik
Einige Arten der Gattung Cupiennius, darunter die Große Wanderspinne (C. salei) und Cupiennius getazi werden mitunter aufgrund ihrer für Spinnen imposanten Erscheinung sowie markanten Farbgebung gerne als Heimtiere im Bereich der Terraristik gehalten. Für die Haltung von Arten der Gattung spricht außerdem, dass diese aufgrund ihrer Lebensweise als Lauerjäger keinen Auslauf brauchen und so auch in vergleichsweise kleinen Behausungen gehalten werden können. Außerdem benötigen die Spinnen etwa im Gegensatz zu einigen bodenbewohnenden Vogelspinnen (Theraphosidae) mit grabender Lebensweise keinen dafür hergerichteten Bodengrund. Auch die für gewöhnlich gering ausgehende Gefahr der Arten der Gattung (s. Kapitel „Toxizität und Bissunfälle“) spräche für eine Haltung dieser Spinnen. Für eine erfolgreiche Haltung sollten Temperatur und Luftfeuchtigkeit der Regenwälder ihrer natürlichen Vorkommensgebiete bestmöglich simuliert werden. Allerdings sollte man sich der hohen Laufgeschwindigkeit und der oftmals scheuen Reaktion auf Störungen der zu der Gattung zählenden Arten bewusst sein.[3]
Systematik
Die Gattung Cupiennius wurde 1890 von Eugène Simon erstbeschrieben und zuerst der Familie der Kammspinnen (Ctenidae) angegliedert. Die Zugehörigkeit zu dieser Familie wurde bereits 2015 von Daniele Polotow und Charles Edward Griswold angezweifelt. Stattdessen wurde damals die Zugehörigkeit zu den Fischerspinnen (Trechaleidae) anhand morphologischer Merkmale vermutet. Dies wurde 2019 von Luis Norberto Piacentini und Martín Javier Ramírez bestätigt, sodass die Gattung Cupiennius fortan zur Familie der Fischerspinnen zählt.
Der World Spider Catalog listet aktuell 11 Arten, die der Gattung zugehörig sind. Ihre Typusart ist Cupiennius getazi. Alle Arten der Gattung und ihre Verbreitungsgebiete sind:[5]
Stand: 10. März 2020
- Cupiennius bimaculatus (Taczanowski, 1874) – Kolumbien, Venezuela, Brasilien, Guyana, Ecuador
- Cupiennius chiapanensis Medina, 2006 – Mexiko
- Cupiennius coccineus F. O. Pickard-Cambridge, 1901 – Costa Rica bis Kolumbien
- Cupiennius cubae Strand, 1909 – Cuba, Costa Rica bis Venezuela
- Cupiennius foliatus F. O. Pickard-Cambridge, 1901 – Costa Rica, Panama
- Cupiennius getazi Simon, 1891 – Costa Rica, Panama
- Cupiennius granadensis (Keyserling, 1877) – Costa Rica bis Kolumbien
- Cupiennius remedius Barth & Cordes, 1998 – Guatemala
- Große Wanderspinne (C. salei) (Keyserling, 1877) – Mexiko, Zentralamerika, Hispaniola
- Cupiennius valentinei (Petrunkevitch, 1925) – Panama
- Cupiennius vodou Brescovit & Polotow, 2005 – Hispaniola
Einzelnachweise
- Friedrich G. Barth: Sinne und Verhalten: aus dem Leben einer Spinne Springer-Verlag, 2002, S. 8–396.
- R. S. Vetter & S. Hillebrecht: Distinguishing Two Often-Misidentified Genera (Cupiennius, Phoneutria) (Araneae: Ctenidae) of Large Spiders Found in Central and South American Cargo Shipments, American Entomologist, Volume 54, Issue 2, 2008, S. 88–93, abgerufen am 6. März 2020.
- Francesco Tomasinelli: Cupiennius salei. The British Tarantula Society Journal, 15, 3, 2000, abgerufen am 6. März 2020.
- „Bananenspinnen – und was dahinter steckt“ auf Portal Niedersachsen, abgerufen am 11. März 2020.
- Cupiennius (Simon, 1890) im WSC World Spider Catalog, abgerufen am 6. März 2020.
Literatur
- Friedrich G. Barth: Sinne und Verhalten: aus dem Leben einer Spinne Springer-Verlag, 2002, S. 8–396.
- R. S. Vetter & S. Hillebrecht: Distinguishing Two Often-Misidentified Genera (Cupiennius, Phoneutria) (Araneae: Ctenidae) of Large Spiders Found in Central and South American Cargo Shipments, American Entomologist, Volume 54, Issue 2, 2008, S. 88–93.
- Francesco Tomasinelli: Cupiennius salei. The British Tarantula Society Journal, 15, 3, 2000.
- Paul E. Hanson: Insects and Other Arthropods of Tropical America, Zona Tropical Publications, 1. Auflage, 2016, S. 314, ISBN 978-1-5017-0429-1.
- Richard A. Bradley: Common Spiders of North America, 1. Auflage, 2019, S. 116/349, ISBN 978-0-520-31531-0.
- Rainar Nitzsche: Spinnen: Biologie – Mensch und Spinne – Angst und Giftigkeit. Books on Demand, 1. Auflage, 2018, S. 71, ISBN 978-3-8370-3669-5.
Weblinks
- Cupiennius im World Spider Catalog
- Cupiennius (Simon, 1891) auf Global Biodiversity Information Facility
- „Bananenspinnen – und was dahinter steckt“ auf Portal Niedersachsen
- „Mit den Augen von Cupiennius salei“ auf Medienportal (Universität Wien)