Riesenkrabbenspinnen
Die Riesenkrabbenspinnen (Sparassidae, Syn.: Heteropodidae, Eusparassidae) sind eine Familie der Echten Webspinnen (Araneomorphae) und die einzige Familie innerhalb der Überfamilie Sparassoidea. Sie umfasst weltweit etwa 1209 Arten in 86 Gattungen.[1] (Stand: Juni 2016)
Riesenkrabbenspinnen | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Warmhaus-Riesenkrabbenspinne (Heteropoda venatoria), Weibchen | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Überfamilie | ||||||||||||
Sparassoidea | ||||||||||||
??? | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Familie | ||||||||||||
Sparassidae | ||||||||||||
Bertkau, 1872 |
Den Namen erhielten sie durch Ähnlichkeiten zu den Krabbenspinnen, mit denen sie nicht sehr nahe verwandt sind. In Mitteleuropa ist nur eine Gattung heimisch, die Huschspinnen (Micrommata) mit u. a. der Grünen Huschspinne (Micrommata virescens). In Gewächshäusern kommt außerdem die eingeschleppte Warmhaus-Riesenkrabbenspinne (Heteropoda venatoria) vor, deren Verbreitungsschwerpunkt in den Tropen und Subtropen liegt.
Beschreibung
Die meisten Riesenkrabbenspinnen können unter anderem durch die Stellung ihrer Beine identifiziert werden: Diese sind in den Hüften (Coxae) leicht gedreht und zeigen dadurch mehr oder weniger deutlich nach vorne, ähnlich wie bei den Krabben. Viele, aber nicht alle Riesenkrabbenspinnen haben eine unauffällige braune oder graue Färbung. Die Beine sind behaart und auffällig bedornt, der Körper ist glatt, aber nicht glänzend. Einige Arten fallen durch beträchtliche Körpergröße auf: Die Männchen der in Laos vorkommenden Laotischen Riesenkrabbenspinne (Heteropoda maxima) erreichen eine Bein-Spannweite von 25 bis 30 cm. Die Arten einiger Gattungen weisen eine auffällige Bänderung der Beine auf, z. B. bei Barylestis, Eusparassus oder Holconia.
Einige größere Arten ähneln Vogelspinnen; eine nähere Verwandtschaft besteht jedoch nicht.
Verbreitung
Riesenkrabbenspinnen findet man in Australien, Neuseeland, Südostasien, im Nahen Osten in Gebieten am Mittelmeer und sehr wahrscheinlich in vielen anderen tropischen und subtropischen Gegenden. Sie kommen heute auch in vielen Teilen der Welt vor, in denen sie möglicherweise nicht beheimatet sind, wie China, Japan, Florida, Puerto Rico und im südwestlichen Teil der USA und auf Hawaii. Ihr Vorkommen ist prinzipiell überall dort möglich, wohin sie als „blinde Passagiere“ gelangen und auch die Winter überstehen können.
Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, National Science Museum Tokyo, Museum of the Institute of Zoology, Chinese Academy of Sciences und das International Rice Research Institute Manila haben hier einen Forschungsschwerpunkt. Sie untersuchen die Radiationen in Asien (Pseudopoda, Sinopoda), Südostasien sowie Australien (Heteropoda, Pandercetes) und Afrika. Im westlichen Südafrika werden verwandtschaftliche Beziehungen und Anpassungen an unterschiedliche Biome makroökologisch untersucht.[2]
Lebensweise
Man findet die Riesenkrabbenspinnen häufig in Schuppen, Garagen und an anderen wenig besuchten Plätzen. Sie leben in Spalten der Baumrinde, kommen aber auch in Häusern und Autos vor. Sie können an Wänden und Decken sehr schnell laufen, da sie sich auch an glatten Oberflächen festhalten können.
Die Sehfähigkeit dieser Spinnen ist bei weitem nicht so gut wie die der Springspinnen (Salticidae). Sie reicht aber aus, um größere Tiere aus wenigen Dezimeter Entfernung zu sehen. Riesenkrabbenspinnen bauen keine Netze, sondern suchen sich ihre Nahrung – hauptsächlich Insekten und andere Wirbellose – beim Umherwandern.
Die Weibchen verteidigen vehement ihre Eiersäcke und auch den Nachwuchs. Sie nehmen dann eine Drohhaltung ein. Wenn diese ignoriert wird, können sie angreifen und beißen.
Riesenkrabbenspinnen zählen zu den wenigen Familien, bei denen begrenzt soziale Verhaltensweisen beobachtet werden konnten, was für Spinnen allgemein unüblich ist. So führten Wissenschaftler der Cornell University eine Studie über die in Australien lebende Art Delena cancerides durch, im Rahmen derer nebst der besagten entschlossenen Verteidigungsbereitschaft der Weibchen gegenüber ihrer Brut sogar bestätigt werden konnte, dass von einzelnen Tieren überwältigte Beutetiere in bestimmten Fällen nicht an Ort und Stelle vertilgt, sondern in die meist von mehreren Individuen bewohnten Schlupfwinkel der Spinnen zurückgeschleppt werden, wo der Fang dann mit Artgenossen geteilt wird. Den Beobachtungen der Forscher nach scheint dieses Verhalten dann aufzutreten, wenn die nachtaktive D. cancerides während der Jagd vom Sonnenaufgang überrascht wird, wodurch sie gezwungen ist, mit Beute in ihr Versteck zurückzukehren.[3]
In Australien dringen Riesenkrabbenspinnen oft in Häuser ein und leben dort hinter Vorhängen, aufgehängten Bildern u. Ä.[4] Auch in Autos sind sie oft vorzufinden, dabei kommt es gelegentlich zu Autounfällen, wenn der Fahrer während der Fahrt von einer plötzlich hervortretenden Spinne erschreckt wird.[5][6][7][8] Trotzdem sind australische Riesenkrabbenspinnen für Menschen grundsätzlich ungefährlich, da sie nicht als aggressiv gelten und ihre Bisse für Menschen ungiftig sind.[4]
Geräusche beim Paarungsritual
Männchen der weltweit verschleppten Warmhaus-Riesenkrabbenspinne (Heteropoda venatoria) wurden dabei beobachtet, wie sie Geräusche produzieren, wenn sie ein Weibchen derselben Art in der Nähe wähnen. Ihre Methode zum Erzeugen von Geräuschen unterscheidet sich grundlegend von der Stridulation mit den Palpen oder anderen Gliedmaßen, die man bei Webspinnenarten finden kann. Die Männchen verankern sich fest auf einem Substrat und versetzen den ganzen Körper in Vibrationen. Hiermit kündigen sie sich arteigenen Weibchen an, um nicht fälschlich für Beute gehalten zu werden.[9]
Systematik
Der World Spider Catalog listet für die Riesenkrabbenspinnen aktuell 86 Gattungen und 1209 Arten.[1] (Stand: Juni 2016)
- Adcatomus Karsch, 1880
- Anaptomecus Simon, 1903
- Anchonastus Simon, 1898
- Arandisa Lawrence, 1938
- Barylestis Simon, 1910
- Beregama Hirst, 1990
- Berlandia Lessert, 1921
- Bhutaniella Jäger, 2000
- Caayguara Rheims, 2010
- Carparachne Lawrence, 1962
- Cebrennus Simon, 1880
- Cebrennus rechenbergi Jäger, 2014
- Cerbalus Simon, 1897
- Cerbalus aravaensis Levy, 2007
- Chrosioderma Simon, 1897
- Clastes Walckenaer, 1837
- Curicaberis Rheims, 2015
- Damastes Simon, 1880
- Decaphora Franganillo, 1931
- Defectrix Petrunkevitch, 1925
- Delena Walckenaer, 1837
- Dermochrosia Mello-Leitão, 1940
- Eusparassus Simon, 1903
- Eusparassus dufouri (Simon, 1932)
- Eusparassus walckenaeri (Audouin, 1826)
- Exopalystes Hogg, 1914
- Extraordinarius Rheims, 2019[10]
- Geminia Thorell, 1897
- Gnathopalystes Rainbow, 1899
- Guadana Rheims, 2010
- Echte Riesenkrabbenspinnen (Heteropoda) Latreille, 1804
- Heteropoda davidbowie Jäger, 2008
- Laotische Riesenkrabbenspinne (Heteropoda maxima) Jäger, 2001
- Warmhaus-Riesenkrabbenspinne (Heteropoda venatoria), (Linnaeus, 1758)
- Holconia Thorell, 1877
- Irileka Hirst, 1998
- Isopeda L. Koch, 1875
- Isopedella Hirst, 1990
- Keilira Hirst, 1989
- Leucorchestris Lawrence, 1962
- Leucorchestris arenicola Lawrence, 1962
- Macrinus Simon, 1887
- Martensopoda Jäger, 2006
- May Jäger & Krehenwinkel, 2015
- Megaloremmius Simon, 1903
- Huschspinnen (Micrommata) Latreille, 1804
- Grüne Huschspinne (Micrommata virescens) (Clerck, 1757)
- Ligurische Huschspinne (Micrommata ligurina) (C. L. Koch, 1845)
- Microrchestris Lawrence, 1962
- Neosparassus Hogg, 1903
- Neostasina Rheims & Alayón, 2016
- Nisueta Simon, 1880
- Nolavia Kammerer, 2006
- Nonianus Simon, 1885
- Jägerspinnen (Olios) Walckenaer, 1837
- Braune Jägerspinne (O. argelasius) (Walckenaer, 1806)
- Orchestrella Lawrence, 1965
- Origes Simon, 1897
- Paenula Simon, 1897
- Palystella Lawrence, 1928
- Palystes L. Koch, 1875
- Panaretella Lawrence, 1937
- Pandercetes L. Koch, 1875
- Parapalystes Croeser, 1996
- Pediana Simon, 1880
- Pleorotus Simon, 1898
- Polybetes Simon, 1897
- Prusias O. Pickard-Cambridge, 1892
- Prychia L. Koch, 1875
- Pseudomicrommata Järvi, 1914
- Pseudopoda Jäger, 2000
- Pseudosparianthis Simon, 1887
- Quemedice Mello-Leitão, 1942
- Remmius Simon, 1897
- Rhacocnemis Simon, 1897
- Rhitymna Simon, 1897
- Sagellula Strand, 1942
- Sampaiosia Mello-Leitão, 1930
- Sarotesius Pocock, 1898
- Sinopoda Jäger, 1999
- Sinopoda scurion Jäger, 2012
- Sivalicus Dyal, 1957
- Sparianthina Banks, 1929
- Sparianthis Simon, 1880
- Spariolenus Simon, 1880
- Staianus Simon, 1889
- Stasina Simon, 1877
- Stasinoides Berland, 1922
- Stipax Simon, 1898
- Strandiellum Kolosváry, 1934
- Thelcticopis Karsch, 1884
- Thomasettia Hirst, 1911
- Thunberga Jäger, 2020[11][12][13]
- Tibellomma Simon, 1903
- Tychicus Simon, 1880
- Typostola Simon, 1897
- Uaiuara Rheims, 2013
- Vindullus Simon, 1880
- Yiinthi Davies, 1994
- Zachria L. Koch, 1875
Weblinks
Einzelnachweise
- Naturhistorisches Museum der Burgergemeinde Bern: World Spider Catalog Version 17.0 – Sparassidae. Abgerufen am 8. Juni 2016.
- Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft | Forschung | Abteilungen | | Arachnologie | Forschung. 22. Januar 2005, abgerufen am 3. Januar 2022.
- How social huntsman spiders live and hunt together, BBC Nature Wayback-machine archivierte Version vom 28. August 2018
- Linda S. Rayor, Cornell University: All you need to know about Australian huntsman spiders. 4. April 2017, abgerufen am 16. Oktober 2020 (englisch).
- B. C. Lewis and SMH: Huntsman spider sparks four-car crash. 6. Februar 2017, abgerufen am 16. Oktober 2020 (englisch).
- Elise Cooper: Surpise huntsman spider causes man to freak out, crashing car into a lake. Abgerufen am 16. Oktober 2020 (englisch).
- Two spider strikes at boat ramp. 5. September 2016, abgerufen am 16. Oktober 2020 (englisch).
- Driver crashes car into street sign because of spider inside. 17. August 2020, abgerufen am 16. Oktober 2020 (englisch).
- Rovner, J.S. (1980): Vibration in Heteropoda venatoria (Sparassidae): A third method of sound production in spiders. J. Arachnol., 8:193-200. (PDF)
- Cristina A. Rheims. 2019. Extraordinarius gen. nov., A New Genus of Sparianthinae Spiders (Araneae: Sparassidae) from southeastern Brazil. Zootaxa. 4674(1); 83–99. DOI: 10.11646/zootaxa.4674.1.4
- Neue Spinnengattung zu Ehren Greta Thunbergs beschrieben. 12. Juni 2020, abgerufen am 3. Januar 2022 (deutsch).
- Peter Jäger. 2020. Thunberga gen. nov., A New Genus of Huntsman Spiders from Madagascar (Araneae: Sparassidae: Heteropodinae). Zootaxa. 4790(2); 245–260. DOI: 10.11646/zootaxa.4790.2.3
- Gesellschaft für die Greta-Spinne – 25 neue Arten aus der Spinnen-Gattung Thunberga beschrieben, Pressemitteilung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung vom 8. März 2021