Berliner Flaktürme
Die Berliner Flaktürme waren insgesamt sechs große Bunker, die während des Zweiten Weltkriegs im Rahmen des „Führer-Sofortprogramms“ in der Reichshauptstadt entstanden. Der Bau wurde von Hitler nach dem Luftangriff auf Berlin der Royal Air Force Ende August 1940 angeordnet.
Für die Abwehr feindlicher Flugzeuge waren jeweils zwei Flaktürme vorhanden: Vom Leitturm (L-Turm) wurden die anfliegenden Flugzeuge mittels Radar (Würzburg-Riese) und optischen Entfernungsmessern (Triangulation) erfasst und daraus die Richtwerte für die schweren Flakgeschütze errechnet. Diese wurden elektrisch in den zugeordneten Geschützturm (G-Turm) übertragen.
Im Tiergarten (Zoobunker) und den beiden Volksparks Friedrichshain bzw. Humboldthain wurden insgesamt sechs Türme errichtet, die nach dem Krieg fast vollständig abgetragen wurden.
Flakturm I: Tiergarten
Im April 1941 wurde auf dem Gelände des Berliner Zoos der große Geschützturm „Gustav“ fertiggestellt. Auf ihm befanden sich Flugabwehrkanonen unterschiedlichster Kaliber – vom 2-cm-Flak-Vierling bis zu großen 12,8-cm-Zwillingsgeschützen. Der zugehörige L-Turm wurde bereits 1939–1941 auf dem gegenüberliegenden Ufer des Landwehrkanals, im Tiergarten errichtet und war auch Leitstelle für die gesamte Berliner Flakartillerie. Neben der Stammbesatzung wurden ab 1943 auch Luftwaffenhelfer, u. a. Oberschüler aus Zwickau (Sachsen), auf dem Flakturm eingesetzt, die bei Angriffen den Strom der in dem Bunker Schutz suchenden Berliner Einwohner (bis zu 16.000 Zivilisten bei einem Alarm) zu koordinieren hatten.
In dem Turm war der Stab der 1. Flakdivision unter zuletzt Generalmajor Otto Sydow und der Flakscheinwerfergruppe Berlin unter Oberst Paul Hasenfuß untergebracht. Im April 1945 hielt sich Reichsmarschall Hermann Göring kurze Zeit im Lazarett des großen Bunkers auf, bevor er sich nach Bayern absetzte.
Im Mai 1945 nahm eine sowjetische Trophäenkommission die im Saal N 11 des Flakturms Zoo eingelagerten Kunstgegenstände aus den Berliner Museen in Beschlag, darunter den größten Goldfund aus der Antike, den Schatz des Priamos (Schliemann-Gold), mit 8900 Teilen. Er gelangte als Beutekunst in die Sowjetunion und galt als verschollen. Erst 1994 offenbarte sich das Puschkin-Museum in Moskau als Besitzer.
Der Bezirk Tiergarten lag ab Juli 1945 im Britischen Sektor von Berlin. Im Sommer 1947 wollte die Besatzungsmacht beide Flaktürme sprengen. Auf die Sprengung des Leitturms am 28. Juli 1947 mit 12 Tonnen Dynamit folgte im August die fehlgeschlagene Sprengung des Gefechtsturms mit 25 Tonnen Dynamit. Eine zweite Sprengung verlief nicht erfolgreicher. Erst am 30. Juli 1948 gelang es, den Geschützturm mit 40 Tonnen TNT zu zerstören. Die Reste der Türme wurden mit Trümmerschutt übererdet. Um den Trümmerberg des Leitturms wurden vom Neuen See neue, 10–15 m breite Seitenkanäle angelegt, wodurch eine unzugängliche, etwa 8.000 m² große Insel, mit einem etwa 15 m hohen Berg darauf, im Tiergarten entstand. Der Trümmerberg am Zoologischen Garten wurde 1955 abgetragen und die Bunkerreste durch Kleinsprengungen zertrümmert. Um die Abrissarbeiten am Stahlbeton auszuführen, mussten Sauerstofflanzen eingesetzt werden. Nachdem die etwa 412.000 m³ Schutt vom Gelände abgetragen waren, errichtete der Zoo dort Gehege für Kamele und Nashörner sowie das Vogelhaus. Der Flakturm des Zoobunkers ist der einzige, von dem keine Überreste existieren.
- Geografische Lage des Geschützturms: 52° 30′ 34,2″ N, 13° 20′ 9,7″ O
- Geografische Lage des Leitturms: 52° 30′ 41,7″ N, 13° 20′ 22,5″ O
Flakturm II: Volkspark Friedrichshain
Im Oktober 1941 wurden im Volkspark Friedrichshain die Türme des Flakturms II fertiggestellt. Im ersten Stock des kleineren Leitturms wurden auf über 700 m² bedeutende Gemälde der Berliner Gemäldegalerie eingelagert,[1] von denen vermutlich 434 am 6. Mai 1945 unter ungeklärten Umständen verbrannten (siehe auch Kriegsverluste der Gemäldegalerie).[2] 59 dort eingelagerte Statuen des Bode-Museums wurden 2016 im Puschkin-Museum in Moskau entdeckt.[3]
Die Türme wurden im Mai 1946 von der Roten Armee gesprengt, was jedoch nur teilweise gelang. Anschließend wurden die durch die Sprengung beschädigten Bunker mit Trümmerschutt aufgefüllt und mit Erde überdeckt.[4] Die so entstandenen Hügel, der Große und der Kleine Bunkerberg, prägen heute als Trümmerberge die Parklandschaft. Auf der Kuppe des Großen Bunkerbergs entstand auf heute noch sichtbaren Teilen des Gefechtsturms eine Aussichtsplattform, die allerdings durch die inzwischen gewachsenen umliegenden Bäume im Sommer fast keine Aussicht mehr ermöglicht.
- Geografische Lage des Geschützturms: 52° 31′ 34,9″ N, 13° 25′ 55,7″ O
- Geografische Lage des Leitturms: 52° 31′ 40,8″ N, 13° 26′ 13,6″ O
Flakturm III: Volkspark Humboldthain
Von Oktober 1941 bis April 1942 wurde ein weiterer Flakturm (unter Einbeziehung zahlreicher Zwangsarbeiter) im Volkspark Humboldthain mit zugehörigem Leitbunker gebaut. Diese wurden nach dem Krieg bis Mai 1948 von den französischen Truppen ebenfalls mehrfach gesprengt und mit Trümmern überdeckt. Da die am Berg vorbeiführende Bahnstrecke der Ringbahn nicht beschädigt werden durfte, ist der nördliche Teil des Bunkers aber noch heute sichtbar und im Rahmen einer Tour des Vereins Berliner Unterwelten e. V. begehbar.
- Geografische Lage des Geschützturms: 52° 32′ 50,1″ N, 13° 23′ 5,5″ O
- Geografische Lage des Leitturms: 52° 32′ 39″ N, 13° 23′ 13,1″ O
Geplanter Flakturm IV: Volkspark Hasenheide
Nach den ursprünglichen Planungen sollte im Volkspark Hasenheide ein viertes Flakturmpaar entstehen, um das Stadtzentrum von Süden zu sichern. Da dieses Turmpaar in unmittelbarer Nähe des Flughafens Tempelhof gewesen wäre, entschied man, der Luftwaffe hier die Verteidigung zu überlassen. Das für die Hasenheide projektierte Paar wurde in Hamburg auf dem Heiligengeistfeld errichtet.
Weblinks
- Verein Berliner Unterwelten e. V.: Bunker und Luftschutzanlagen – Die Berliner Flaktürme, abgerufen am 23. Juli 2018
- Ulrich Hottelet: Blicke in den Berliner Untergrund. In: die tageszeitung, 2. März 2004
- artsandculture.google.com
Einzelnachweise
- Günter Wermusch: Das Geheimnis des kleinen Bunkerbergs. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Zeit Online. 6. März 1992, archiviert vom Original am 15. Juli 2012; abgerufen am 17. August 2020.
- ZDFinfo, 8. September 2012: Der Schatz im Bunker – Die verschollenen Meisterwerke von Berlin. Dokumentation, 2009 (434 wertvolle Gemälde sind bei Kriegsende auf mysteriöse Weise aus einem Bunker der Reichshauptstadt verschwunden. Ihr Wert wird auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt).
- Skulpturen aus Berlin in Moskau aufgetaucht. In: welt.de, 18. Mai 2016
- Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Berliner Unterwelten e. V.: Informationstafel Mont Klamott. In: Website Berliner Unterwelten e. V. Abgerufen am 17. August 2020.