Barczewo
Barczewo [barˈʧɛvɔ] (bis 1946 Wartembork, deutsch Wartenburg in Ostpreußen) ist eine Stadt im Powiat Olsztyński der Woiwodschaft Ermland-Masuren in Polen. Sie ist Sitz der gleichnamigen Stadt-und-Land-Gemeinde mit 18.142 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2020).
Barczewo | |||
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Basisdaten | |||
Staat: | Polen | ||
Woiwodschaft: | Ermland-Masuren | ||
Powiat: | Olsztyński | ||
Gmina: | Barczewo | ||
Fläche: | 4,58 km² | ||
Geographische Lage: | 53° 50′ N, 20° 42′ O | ||
Höhe: | 139 m n.p.m. | ||
Einwohner: | 7509 (31. Dezember 2020) | ||
Postleitzahl: | 11-010 | ||
Telefonvorwahl: | (+48) 89 | ||
Kfz-Kennzeichen: | NOL | ||
Wirtschaft und Verkehr | |||
Eisenbahn: | Olsztyn–Korsze | ||
Nächster int. Flughafen: | Danzig | ||
Geographische Lage
Die Stadt liegt im historischen Ermland an der Pisa Warmińska (Pissa), 15 Kilometer nordöstlich von Olsztyn (Allenstein).
Geschichte
Um 1325 ließ der Bischof von Ermland in Wartenburg ein Schloss errichten. Während des ersten Krieges gegen Litauen wurde die erste Siedlung Altwartenburg im Jahr 1354 zerstört.[1] Zehn Jahre später war der Ort neu aufgebaut und erhielt von Bischof Johann II. Stryprock das Kulmer Stadtrecht. Auch die Kirche wurde wieder aufgebaut.
Das Franziskanerkloster unmittelbar bei der Stadt wurde 1380 errichtet. Als es nach der Reformation leer stand, wurde es 1597 den Bernhardinern überlassen. 1810 wurde das Kloster säkularisiert, 1830 verstaatlicht und seit 1834 als Strafanstalt genutzt. Die ersten Gefangenen wurden aber bereits 1812 hier inhaftiert. Erich Koch, der vormalige NS-Gauleiter von Ostpreußen war hier von 1965 bis 1986 inhaftiert.
1594 brannten große Teile des Schlosses ab; das Schloss wurde danach wieder aufgebaut.
Einen Eisenbahnanschluss bekam die Stadt 1872 mit der Errichtung der Linie Thorn–Insterburg. Der Bahnhof von Wartenburg lag durch das hügelige Umland bedingt ca. drei Kilometer nördlich in Reuschhagen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Wartenburg eine evangelische Kirche, zwei katholische Kirchen, eine Synagoge, ein Amtsgericht und verschiedene Gewerbebetriebe.[2] Die Synagoge überdauerte die Novemberpogrome 1938 unbeschädigt.
Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags stimmte die Bevölkerung im Abstimmungsgebiet Allenstein, zu dem Wartenburg gehörte, am 11. Juli 1920 über die weitere staatliche Zugehörigkeit zu Ostpreußen (und damit zu Deutschland) oder den Anschluss an Polen ab. In Wartenburg stimmten 3020 Einwohner für den Verbleib bei Ostpreußen, auf Polen entfielen 140 Stimmen. In der Strafanstalt Wartenburg entfielen 80 Stimmen auf Deutschland, 20 auf Polen.[3]
Bis zum Januar 1945 gehörte Wartenburg zum Landkreis Allenstein der Provinz Ostpreußen.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Wartenburg am 26. Januar 1945 von der Roten Armee besetzt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch 1700 Einwohner in der teilweise zerstörten Stadt. Im Sommer 1945 wurde Wartenburg von der sowjetischen Besatzungsmacht gemäß dem Potsdamer Abkommen zusammen mit der südlichen Hälfte Ostpreußens unter polnische Verwaltung gestellt. Anschließend begann die Zuwanderung polnischer Zivilisten. In der Folgezeit wurden zahlreiche deutsche Stadtbewohner von der örtlichen polnischen Verwaltungsbehörde aus Wartenburg vertrieben, weitere Deutsche siedelten später aus.
Die polnische Verwaltungsbehörde führte für Wartenburg zunächst den Ortsbezeichnung Wartembork ein, am 4. Dezember 1946 wurde dieser Ortsname dann zu Ehren des Geistlichen Walenty Barczewski (1856–1928) in Barczewo geändert.
Demographie
Jahr | Einwohner | Anmerkungen |
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1782 | 1562 | bei 241 Feuerstellen (Haushaltungen)[4] |
1802 | 1804 | [5] |
1810 | 1510 | [5] |
1816 | 1706 | davon 106 Evangelische, 1594 Katholiken und sechs Juden[5] |
1821 | 1910 | [5] |
1831 | 2275 | größtenteils Polen[6] |
1858 | 3756 | davon 1195 Evangelische, 2490 Katholiken, drei sonstige Christen und 68 Juden[7] |
1871 | 3674 | davon 1300 Evangelische und 70 Juden (2130 Polen)[8] |
1875 | 4055 | [9] |
1880 | 4499 | [9] |
1905 | 4426 | davon 562 Evangelische und 62 Juden[2] |
1910 | 4400 | davon 577 Evangelische, 3467 Katholiken, acht sonstige Christen, 55 Juden (2973 mit deutscher, 1132 mit polnischer und zwei mit masurischer Muttersprache, 292 Einwohner sprechen deutsch und in einer anderen Sprache)[10] |
1933 | 4818 | [9] |
1939 | 5841 | [9] |
Jahr | Einwohner | Anmerkungen |
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1950 | 3229 | |
2007 | 7336 | [11] |
Sehenswürdigkeiten
- Reste des Schlosses
- Pfarrkirche der Heiligen Anna aus dem 14. Jahrhundert mit dem angebauten Turm aus dem 15. Jahrhundert; hier findet seit 2002 auch das jährliche Internationale Feliks-Nowowiejski-Chormusik-Festival statt. Im Pfarrhaus dieser Kirche befand sich seinerzeit auch die Elementarschule von Wartenburg, in der der bekannte Komponist Feliks Nowowiejski seine ersten vier Schuljahre absolvierte.
- Evangelische Kirche, neugotisch, errichtet 1870/71
- Synagoge aus dem 19. Jahrhundert
- Feliks-Nowowiejski-Museum für den polnischen Komponisten, Dirigenten und Musikpädagogen
- Klosterkirche St. Andreas, gotisch, erbaut im 14. Jahrhundert als Klosterkirche des Franziskanerklosters, mit dem Anbau der St.-Antonius-Kapelle, mit sehenswertem Doppelgrabmal für Andreas Báthory, 1566–1599, Neffe des polnischen Königs Stephan Báthory, Kardinal und 1589 Fürstbischof von Ermland, sowie seinen Bruder Balthasar, Ratsherr von Siebenbürgen. Dieses Grabmal wurde von Andreas Bathory bereits zu seinen Lebzeiten in Auftrag gegeben und 1598 vom berühmten Danziger Architekten und Bildhauer Abraham van den Blocke geschaffen.
- Reste des Klosters gehören heute zur Justizvollzugsanstalt. Hier saß Gauleiter Erich Koch von 1959 bis zu seinem Tod 1986 in Haft. In den 1980er Jahren wurden Dissidenten und Mitglieder der Solidarność wie Władysław Frasyniuk, Adam Michnik, Leszek Moczulski und Józef Szaniawski festgehalten.
- Rathaus aus dem 19. Jahrhundert
- Andreaskirche
- Gefängnis mit Kirche
- Evangelische Kirche
- Synagoge
- Geburtshaus von Feliks Nowowiejski, Museum
- St.-Anna-Kirche (Innenansicht)
Gemeinde
Zur Stadt-und-Land-Gemeinde (gmina miejsko-wiejska) Barczewo gehören die Stadt selbst und 32 Dörfer mit Schulzenämtern.
Wappen
Blasonierung: „In Blau eine von zwei schwebenden, silbern gekleideten Engeln getragene, goldene Bischofsmütze mit herabhängenden Bändern.“[12]
Dieses Bild steht auch auf dem am Bundesbrief der Städte vom Jahre 1440 hängenden SIGILLVM CIVITATIS WARTHEMBERG und wird später stets wiederholt. Die Burg hatte Bischof Eberhard von Ermland erbauen lassen, daher die Mitra.[13]
Partnergemeinden
Barczewo befindet sich in einer Partnerschaft mit der niedersächsischen Gemeinde Hagen am Teutoburger Wald.[14]
Verkehr
Der Ort liegt an der Südtrasse der ehemals Preußischen Ostbahn zwischen Olsztyn und Korsze.
Bekannte Personen
Töchter und Söhne der Stadt
- Kazimierz Brakoniecki (* 1952), polnischer Dichter
- Paul Brieskorn (1887–nach 1937), deutscher Politiker (Zentrum) und Landtagsabgeordneter in der Freien Stadt Danzig
- Arno Bulitta (1921–1995), deutscher Mediziner und Bundesverdienstkreuzträger
- Paul Gisevius (1858–1935), deutscher Agrarwissenschaftler
- Stephan Foremny (1931–2006), deutscher Komponist, Chorleiter und Hochschullehrer
- Winfried Lipscher (* 1938), deutscher Theologe, Übersetzer, Publizist und ehemaliger Botschafter
- Götz Naleppa (* 1943), deutscher Hörspielregisseur, Klangkomponist, Dramaturg und Übersetzer.
- Feliks Nowowiejski (1877–1946), polnischer Komponist, Dirigent, Organist, Musiklehrer und päpstlicher Kammerherr
- Robert Pruszkowski (1907–1983), Häftling im Pfarrerblock (KZ Dachau), Pfarrer in Preetz
- Horst Tuguntke (* 1931), deutscher Verwaltungsjurist und Bundesverdienstkreuzträger
Personen, die vor Ort wirkten
- Johann Hirschberg (1847–1910), katholischer Geistlicher von 1888 bis 1910 in Wartenburg
- Barbara Hulanicka (1924–2012), polnische Künstlerin von 1980 bis 2012 in Barczewo
- Magdalena Szaj (* 1995), Fußballspielerin bei LKS Surma Barczewo
Personen, die mit Barczewo in Verbindung stehen
- Erich Koch (1896–1986), NSDAP-Gauleiter von Ostpreußen, Kriegsverbrecher, Gefängnisinsasse (1965–1986)
- Richard von Weizsäcker (1920–2015) schützte im Januar 1945 in Wartenburg Hermann Priebe (1907–1997) vor der Gestapo
- Ludwig Meyländer genannt Rogalla von Bieberstein (1873–1940), preußischer Rittmeister a. D., Gutsbesitzer und Rechtsritter des Johanniterordens sowie Widerstandskämpfer, er starb am 4. August 1940 durch Hängen auf Befehl der NS-Regierung im Zuchthaus Wartenburg
Literatur
- Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Teil I: Topographie von Ost-Preussen. Königsberg/Leipzig 1785, S. 22–23, Ziffer VI, 6).
- August Eduard Preuß: Preußische Landes- und Volkskunde oder Beschreibung von Preußen. Ein Handbuch für die Volksschullehrer der Provinz Preußen, so wie für alle Freunde des Vaterlandes. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1835, S. 508, Ziffer 100.
- Ulrich Fox (Heimatforscher): Kirchspiel Alt-Wartenburg im Ermland. Mit Jadden – Tengutten – Tollack. 1325–1985. Selbstverlag, Paderborn 1989.
- Erich Weise (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten. Band: Ost- und Westpreußen (= Kröners Taschenausgabe. Band 317). Kröner, Stuttgart 1966, DNB 456882979, S. 236–237.
- Michael Bulitta: Gefallene und vermisste Soldaten des Zweiten Weltkrieges aus dem katholischen Kirchspiel St. Anna in Wartenburg. Altpreußische Geschlechterkunde – Neue Folge 34, 2004, S. 121–142.
- Michael Bulitta: Ein Beitrag zum öffentlichen Leben in Wartenburg im Jahre 1913. Heimatjahrbuch Allenstein-Land 45 (2014), S. 67–77.
Weblinks
- Literatur von und über Barczewo im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kreisgemeinschaft Allenstein e.V.
- Kirchspiele Wartenburg in Ostpreußen
- Offizielle Website der Stadt
- Die jüdische Gemeinde in Wartenburg (Memento vom 10. Mai 2012 im Internet Archive)
- Hans Blazejewski: Gefallenendenkmäler Wartenburg (poln. Barczewo). Lehrte 2010
Einzelnachweise
- Erich Weise (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten. Band: Ost- und Westpreußen (= Kröners Taschenausgabe. Band 317). Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1966. Kröner, Stuttgart 1981, ISBN 3-520-31701-X, S. 4.
- Lexikon Eintrag zu Wartenburg, Ziffer 1), in: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 20, Leipzig und Wien 1909, S. 391.
- Herbert Marzian, Csaba Kenez: Selbstbestimmung für Ostdeutschland. Eine Dokumentation zum 50. Jahrestag der ost- und westpreussischen Volksabstimmung am 11. Juli 1920. Herausgeber: Göttinger Arbeitskreis, 1970, S. 72
- Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Teil I: Topographie von Ost-Preussen. Königsberg/Leipzig 1785, S. 22–23, Ziffer VI, 6).
- Alexander August Mützell und Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des preussischen Staats. Band 5: T–Z, Halle 1823, S. 402–403, Ziffer 785.
- August Eduard Preuß: Preußische Landes- und Volkskunde oder Beschreibung von Preußen. Ein Handbuch für die Volksschullehrer der Provinz Preußen, so wie für alle Freunde des Vaterlandes. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1835, S. 508, Ziffer 100.
- Adolf Schlott: Topographisch-statistische Uebersicht des Regierungs-Bezirks Königsberg, nach amtlichen Quellen. Hartung, Königsberg 1861, S. 37, Ziffer 243.
- Gustav Neumann: Das Deutsche Reich in geographischer, statistischer und topographischer Beziehung (2. Auflage der Geographie des Preußischen Staates) Band 2, Berlin 1874, S. 18–19, Ziffer 13.
- Michael Rademacher: Allenstein. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Heft 1: Regierungsbezirk Allenstein. Berlin 1912, S. 2–3, Ziffer I: Wartenburg i. Ostpr.
- Główny Urząd Statystyczny, „LUDNOŚĆ - STAN I STRUKTURA W PRZEKROJU TERYTORIALNYM“, Stand vom 31. Dezember 2007 (Memento vom 27. Juni 2008 im Internet Archive)
- Erich Keyser: Deutsches Städtebuch - Handbuch städtischer Geschichte Band I Nordostdeutschland Seite 113/114. W. Kohlhammer Verlag Stuttgart 1939.
- Otto Hupp: Deutsche Ortswappen. Kaffee-Handels-Aktiengesellschaft, Bremen 1925.
- Eintrag über die Partnergemeinden auf der Homepage der Gemeinde Hagen am Teutoburger Wald Abgerufen am 2. Mai 2019, 15:51