Apollinariskirche (Remagen)
Die Apollinariskirche liegt oberhalb der Stadt Remagen etwa 40 m über dem Rhein auf einer Anhöhe, die heute Apollinarisberg heißt. Die heutige Kirche wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil erbaut und im Nazarenerstil ausgemalt. Am Fuß des Berges wurden 1892 christliche Gräber aus der Römerzeit entdeckt. Seit dem frühen Mittelalter waren Benediktiner auf dem Apollinarisberg ansässig.
Erste Kirchen auf dem Apollinarisberg
Die Errichtung der ersten Kirche, die dem heiligen Martin, dem Patron der Franken, geweiht war, lässt sich nicht genau bestimmen. Wahrscheinlich wurde sie im 9. Jahrhundert gebaut. Um das Jahr 1110 errichteten die Benediktiner der Abtei Michaelsberg in Siegburg auf Initiative und mit großer Unterstützung der Bevölkerung von Remagen eine Propstei in Remagen. Im 13. Jahrhundert gelangten wahrscheinlich die Reliquien des heiligen Apollinaris auf den Berg. Die früheste urkundliche Erwähnung des Heiligen in Remagen stammt aus dem Jahr 1295. Der Sarkophag mit der Hauptreliquie in der Krypta der Kirche stammt aus dem 14. Jahrhundert.
Neugotischer Bau im 19. Jahrhundert
Im Zug der Napoleonischen Kriege und der Säkularisation wurde 1802 die Propstei der Benediktiner aufgehoben. Nach der Aufhebung kauften 1807 die Brüder Sulpiz und Melchior Boisserée, unter Beteiligung des Diplomaten Karl Friedrich Graf von Reinhard, das gesamte Anwesen.[1] Sie versteigerten im August 1836 den Besitz für 24.200 Taler an den Freiherrn Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim, der 1840 in den Grafenstand erhoben wurde. Seine Pläne, in der vorhandenen alten Kirche ein Hauptwerk der neuen religiösen Malerei anzubringen, ließ sich nicht durchführen, da die Kirche baufällig war. Daher entschied er, die Kirche abzureißen und durch eine neue zu ersetzen. Die Grundsteinlegung war am 22. Juli 1839 und am 24. März 1857[2] wurde sie geweiht. Der Düsseldorfer Architekt Rudolf Wiegmann legte für den Bau einen Entwurf im neuromanischen Rundbogenstil vor. Die Neuromanik galt damals aber in katholischen Gebieten als protestantischer Baustil; deshalb entschied sich Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim für die Neugotik, die als ein katholischer Baustil angesehen wurde. Er beauftragte den Architekten Ernst Friedrich Zwirner, der zu dieser Zeit in Köln den Kölner Dom fertig baute, mit dem Bau einer neugotischen Kirche mit möglichst vielen Wandflächen für die Fresken.
Bereits 1837 hatte der Bauherr Kontakt zu den Schülern des Malers Friedrich Wilhelm von Schadow – eines Sohns des Berliner Bildhauers Johann Gottfried Schadow – aufgenommen, der zu dieser Zeit Rektor an der Kunstakademie Düsseldorf war. Zu der Gruppe der Nazarener gehörten die Maler Ernst Deger, die Brüder Andreas Müller und Karl Müller sowie Franz Ittenbach. Fast zehn Jahre arbeiteten sie jeweils im Sommerhalbjahr an den umfangreichen Zyklen: 69 Bilder mit etwa 580 Figuren. Die Fresken bestehen aus den Hauptteilen: das Leben Jesu, das Leben Mariens und das Leben des hl. Apollinaris. Die Apsis wird dominiert von der Darstellung Jesus als Weltenrichter umgeben von Maria und Johannes dem Täufer. Unterhalb, in der Mitte, sind der hl. Petrus und der hl. Apollinaris, zu beiden Seiten die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes zu sehen, über den Seitenaltären: die Muttergottes und der hl. Josef. Es entstand ein Gesamtkunstwerk, das auch heute noch einmalig ist.
Beim Bau der Kirche wurden im größeren Umfang vorgefertigte Gusseisen-Elemente benutzt. Die durchbrochenen Pyramidenhelme der Türme (Höhe 45 m), die Balustraden zwischen den Türmen, die Säulen der Orgelempore, die Chorschranken und die Geländer der Treppe zur Krypta stammen von der Gießerei Isselburger Hütte von Nering, Bögel u. Cie am Niederrhein.[3] Das Bauwerk trägt im Innern ein Kreuzrippengewölbe, auf das ein blau-goldener Sternenhimmel aufgemalt wurde. Der Schlussstein der Vierung ist mit einer Taube als Symbol für den Heiligen Geist geschmückt.[4]
Franziskaner und Apollinariskirche
Vom 25. März 1857 bis zum 31. Dezember 2006 betreuten die Franziskaner der Sächsischen Franziskanerprovinz (Saxonia), ab 1929 der Kölnischen Franziskanerprovinz (Colonia) die Wallfahrt auf dem Apollinarisberg. Seit dieser Zeit findet in jedem Jahr die zweiwöchige Apollinariswallfahrt im Juli und August statt. Während des Kulturkampfes wurde das Franziskanerkloster aufgehoben, jedoch konnte dank der großen Verbundenheit mit der Remagener Bevölkerung eine kleine Gruppe der Ordensleute weiter hier seelsorglich tätig sein. 1884 ließ die Familie von Fürstenberg-Stammheim, die im Besitz der Apollinariskirche ist, auf dem Gelände der Kirche eine Gruft anlegen, in welcher der 1859 verstorbene Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim seine letzte Ruhestätte fand.
Der Zweite Weltkrieg, von dem die Stadt Remagen wegen ihrer strategisch wichtigen Rheinbrücke stark betroffen war, hatte auch für die Apollinariskirche und das Kloster schwere Folgen. Durch eine V2, die in der Nähe einschlug, wurden Dächer und die Verglasung teilweise zerstört. Da die Reparaturen erst 1947 ausgeführt werden konnten, schädigte die eindringende Feuchtigkeit die Fresken schwer. Die Franziskaner boten der Bevölkerung in ihren Räumlichkeiten Schutz und standen ihr seelsorglich zur Seite.
Im Jahr 1972 wurden die Klostergebäude, in denen die Franziskaner lebten, abgerissen und ein neuer Konvent an der Stelle der ehemaligen Benediktinerpropstei, direkt nördlich der Kirche, errichtet. Mehrere Jahre lang diente es als „Juniorat“ für den Ordensnachwuchs, der an der Universität Bonn studierte. Seit 1985 wurde die Apollinariskirche unter der Leitung des Architekten Karl-Josef Ernst umfangreich renoviert. Die Außenrenovierung konnte 2005 abgeschlossen werden. Seit Mitte 2005 fanden im Inneren der Kirche weitere umfassende Restaurierungsarbeiten statt. Die Renovierungsarbeiten wurden unter anderem von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und dem Förderverein der Apollinariskirche unterstützt.
Ende des Jahres 2006 verließen die Franziskaner Kloster und Kirche. Am zweiten Weihnachtstag wurden sie in einem feierlichen Pontifikalamt im Beisein von Weihbischof Jörg Michael Peters verabschiedet. Im Februar 2007 übernahm die Gemeinschaft der gekreuzigten und auferstandenen Liebe, eine „Private Vereinigung von Gläubigen“[5] aus Maastricht, die Betreuung des Wallfahrtsortes.
Wallfahrt
Zum ersten Mal fand im Jahr 1295 die Verehrung des St. Apollinaris in einer Ablassurkunde Erwähnung.[6] Allen, die hier an bestimmten Andachten teilnahmen, wurde ein Ablass von 40 Tagen gewährt. Dies legt nahe, dass „Wallfahrer“ nach Remagen kamen. Die großen organisierten Wallfahrten entstanden erst in den nachfolgenden Jahrhunderten. Bereits seit Anfang des 16. Jh. existiert eine Wallfahrt von St. Georg (Köln). Die Pilger aus Auenheim kommen seit dem Jahr 1630 bis heute, seit 2008 auch wieder zu Fuß. Seit die Franziskaner 1857 nach Remagen kamen, fand die Wallfahrt jährlich in der zweiwöchigen Apollinarisoktav im Juli und August statt. Die Kopfreliquie des heiligen Apollinaris wird aus dem Schrein in der Krypta erhoben und in einem silbernen Reliquiar in Kopfform zur Verehrung in der Kirche aufgestellt. Zu den Blütezeiten kamen bis zu 100.000 Pilger zur Wallfahrt zum Haupt des heiligen Apollinaris auf den Apollinarisberg. Im Jahr 2014 wurden in der Wallfahrtszeit (19. Juli bis 3. August) rund 12.000 Gottesdienstteilnehmer gezählt.[7]
Ausstattung
Die Orgel wurde 1984 von der Orgelbaufirma Simon erbaut und erweitert. Das Instrument hat 21 Registern auf zwei Manualen und Pedal.[8]
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- Koppeln: II/I, I/P, II/P
Literatur
- Athanasius Bierbaum: Der Apollinarisberg: seine Kirche, seine Propstei, seine Reliquien und sein Kloster. Ahrweiler 1907 (Online-Ausgabe dilibri Rheinland-Pfalz)
- J. A. Birlo: Der Führer in der St. Apollinariskirche bei Remagen und ihrer Umgebung: ein für den Besucher derselben höchst nöthiges Handbuch. Bonn 1857 (Online-Ausgabe dilibri Rheinland-Pfalz)
- Wolfgang Brönner: Die Apollinariskirche in Remagen (= Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz. Forschungsberichte 7). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2005, ISBN 978-3-88462-201-8
- Aloys C. Krumscheid: Die St. Apollinariskirche bei Remagen am Rhein und das romantische Ahrthal. Ein Handbüchelchen für den Besucher der Kirche und des Ahrthals. Linz ca. 1860 (Online-Ausgabe dilibri Rheinland-Pfalz)
- Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Die Apollinariskirche in Remagen. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2005 (Reihe 'Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz – Forschungsberichte' Band 7, mit Beiträgen von Wolfgang Brönner, Paul-Georg Custodis, Herbert Dellwing, Wolfgang Franz, Klaus Häfner, Dieter Kastner, Franz Ronig, Barbara Schock-Werner, Eduard Sebald und Arnold Wolff, 246 S., 209 Abb.)
- Heinrich Josef Langen: Zur Geschichte des Apollinarisberges und seiner Bewohner in den Jahren 1807–1836 – Gebrüder Boisserée und Graf Reinhard. C. Dreesbach, Remagen 1927. (Online-Ausgabe dilibri Rheinland-Pfalz)
- Stephanie Rösler-Schinke: Die Apollinariskirche in Remagen – ein Gesamtkunstwerk des 19. Jahrhunderts. Dissertation, München 1994.
- Heinrich Schrörs, Zur Baugeschichte der Kirchen auf dem Apollinarisberge, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, insbesondere die Alte Erzdiözese Köln. Heft 67. Köln, 1899 (Online-Ausgabe Düsseldorf: Universitäts- und Landesbibliothek, 2015)
- Bettina Vaupel: Jedes Bild ein Gottesdienst. In: Monumente, Jg. 23 (2013), Heft 1, ISSN 0941-7125, S. 75–81, hier S. 79.
- Erhard Wacker: 850 Jahre Apollinarisreliquie auf dem Apollinarisberg bei Remagen. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2015, S. 93–100.
- Erhard Wacker: St. Apollinaris in Remagen. Die Geschichte der Reliquie und der Wallfahrt, Remagen 2014.
- Erhard Wacker: Die Wandtexte der Nazarenerfresken in der Remagener Apollinariskirche, Remagen 2012.
- Erhard Wacker: Die Weihe der Wallfahrtskirche St. Apollinaris in Remagen, Remagen 2012.
Weblinks
- Website der Apollinariskirche
- Flyer der Apollinariskirche (PDF; 969 kB)
- Paul-Georg Custodis: Die Apollinariskirche in Remagen – Bedeutung und Restaurierung (Heimatjahrbuch 2003 Landkreis Ahrweiler)
- Paul-Georg Custodis: Neue Forschungsergebnisse zur Apollinariskirche (Heimatjahrbuch 2004 Landkreis Ahrweiler)
- Erhard Wacker: Apollinarisberg: Kirche | Kloster | Kulturlandschaft
Einzelnachweise
- Brief von Karl Friedrich von Reinhard an Goethe vom 14. Februar 1822. In: Friedrich von Müller (Hg.): Goethe und Reinhard. Briefwechsel in den Jahren 1807-1832. Insel, Wiesbaden 1957.
- Erhard Wacker: Die Weihe der Wallfahrtskirche St. Apollinaris in Remagen
- Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz (Hrsg.): Die Apollinariskirche in Remagen. S. 197 ff.
- Deutsche Stiftung Denkmalschutz: Monumente. Magazin für Denkmalkultur in Deutschland, Ausgabe Dezember 2018, 28. Jg. Nr. 6, ISSN 0941-7125
- Eigene Darstellung der Gemeinschaft (Memento vom 27. April 2016 im Internet Archive). Abgerufen am 5. April 2017.
- Erhard Wacker: St. Apollinaris in Remagen. Die Geschichte der Reliquie und der Wallfahrt, Seite 22.
- Erhard Wacker: 850 Jahre Apollinarisreliquie auf dem Apollinarisberg bei Remagen.
- Informationen zur Orgel (PDF; 1,3 MB)