Goldene Palme
Mit der Goldenen Palme (französisch Palme d’or) wird bei den jährlich veranstalteten Filmfestspielen von Cannes der beste Langfilm im offiziellen Wettbewerb prämiert. Sie gilt als wichtigste Auszeichnung des Festivals, noch vor dem Großen Preis der Jury. Das Motiv wurde, wie dies auch beim Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig oder dem Goldenen Bären der Berlinale auf die jeweilige Stadt bezogen der Fall ist, aus dem Stadtwappen von Cannes entnommen. Über die Preisvergabe stimmt eine Wettbewerbsjury ab, die sich meist aus internationalen Filmschaffenden zusammensetzt. Seit 2011 wird eine weitere Goldene Palme als Ehrenpreis für das Lebenswerk eines Filmschaffenden vergeben.
Bezeichnung und Preistrophäe
Die Bezeichnung Goldene Palme existiert seit 1955, davor war der Filmpreis unter dem Namen „Großer Preis der Internationalen Filmfestspiele“ (Grand Prix du Festival International du Film oder kurz Grand Prix) bekannt. Bis 1954 erhielten die Gewinner Preistrophäen, die von bekannten zeitgenössischen Künstlern entworfen wurden. Erst Ende des Jahres 1954 lud das Organisationskomitee auf Initiative von Robert Favre Le Bret mehrere Juweliere ein, um einen an das Palmen-Motiv angelehnten Siegespreis zu kreieren. Es setzte sich der Entwurf der bekannten französischen Designerin Lucienne Lazon durch, der Pate für eine Trophäe stand, die man erstmals bei der achten Auflage des Filmfestivals im Jahr 1955 an den US-Amerikaner Delbert Mann (Marty) verlieh.
- Vorlage für die bekannte Preistrophäe, das Wappen der Stadt Cannes
- Logo des Filmfestivals von Cannes
Die Trophäe wurde in der Geschichte der Filmfestspiele mehrfach umgestaltet und stets am Kunstgeschmack der Zeit orientiert, während von 1964 bis 1974 aus rechtlichen Gründen der Grand Prix wieder eingeführt wurde. Die letzte Neugestaltung erfuhr der Preis im Jahr 1997 zum 50. Geburtstag des Filmfestivals auf Anregung von Caroline Gruosi-Schäufele aus dem Hause Chopard, offizieller Partner der Filmfestspiele. In Filigranarbeit gestaltete die Designerin den neunzehnblättrigen Palmwedel aus 24-karätigem Gold und setzte diesen auf einen schlichten, von Hand zu einem Rechteck geschliffenen Solitär aus Bergkristall.[1] Seit 1998 wird die Goldene Palme in den Schweizer Chopard-Werkstätten in Meyrin per Hand gefertigt. Insgesamt benötigen sieben Goldschmiede und Juweliere ca. 40 Arbeitsstunden um die Preistrophäe herzustellen.[2] Der Materialwert der Goldenen Palme, die in einer Schatulle aus blauem Marokkoleder enthalten ist, wurde 2007 auf 25.000 Euro geschätzt.[3] Für die 70. Auflage der Filmfestspiele im Jahr 2017 wurde die Trophäe mit 167 kleinen Diamanten besetzt, die sich „wie Sternenstaub“ über das goldene Palmblatt legten.[4]
Preisträger
Bester Film
Am häufigsten mit dem Hauptpreis in Cannes ausgezeichnet wurden die Werke US-amerikanischer Filmregisseure (21 Siege), gefolgt von ihren Kollegen aus Frankreich (14), Italien (12) sowie Großbritannien (10). Je zweimal triumphieren konnten der Schwede Alf Sjöberg (1946 und 1951), der US-Amerikaner Francis Ford Coppola (1974 und 1979), der Japaner Shōhei Imamura (1983 und 1997), der bosnisch-serbische Filmemacher Emir Kusturica (1985 und 1995), der Däne Bille August (1988 und 1992), das belgische Brüderpaar Jean-Pierre und Luc Dardenne (1999 und 2005), der Österreicher Michael Haneke (2009 und 2012) und der Brite Ken Loach (2006 und 2016). Zudem konnte sich die Wettbewerbsjury in der Vergangenheit mehrfach nicht auf einen Siegerfilm einigen, so beispielsweise 1993, als sich der Chinese Chen Kaige (Lebewohl, meine Konkubine) die Goldene Palme mit Jane Campion (Das Piano) teilte. Die Neuseeländerin gehört gemeinsam mit der Dänin Bodil Ipsen (1946 als Koregisseurin von Rote Wiesen mit dem Grand Prix geehrt) und der Französin Julia Ducournau (2021 für Titane ausgezeichnet) zu den einzigen Filmregisseurinnen, die in Cannes den Hauptpreis erringen konnten.
Ein Regisseur aus dem deutschsprachigen Kino war erstmals 1946 erfolgreich, als Die letzte Chance des Schweizers Leopold Lindtberg gemeinsam mit zehn weiteren Produktionen prämiert wurde. Ihm folgten 1979 und 1984 die Deutschen Volker Schlöndorff (Die Blechtrommel) und Wim Wenders (Paris, Texas), während 2009 und 2012 der Österreicher Michael Haneke (Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte und Liebe) triumphierte. 1956 und 2004 konnten sich mit Jacques-Yves Cousteaus und Louis Malles Die schweigende Welt beziehungsweise Michael Moores Fahrenheit 9/11 Dokumentarfilme durchsetzen.
In der Vergangenheit hatte die Jury die Möglichkeit, den Hauptpreis mit weiteren Auszeichnungen zu kombinieren. Dies geschah zuletzt im Jahr 2000, als Dancer in the Dark neben der Goldenen Palme auch den Darstellerpreis für die isländische Künstlerin Björk zugesprochen bekam. Mittlerweile untersagt das Reglement, dass der Hauptpreis (ebenso wie der Große Preis der Jury und der Regiepreis) mit weiteren Auszeichnungen kumuliert werden kann. Dieser Umstand wurde wiederholt kritisiert, zuletzt im Jahr 2012, als der Jurypräsident Nanni Moretti in der abschließenden Pressekonferenz zugab, dass er dem Gewinnerfilm Liebe von Michael Haneke ohne Reglement auch den Darsteller- und Drehbuchpreis zuerkannt hätte.[5] Ein Jahr später setzte sich die Wettbewerbsjury unter Leitung des US-amerikanischen Regisseurs Steven Spielberg über das Reglement hinweg und vergab die Goldene Palme an Blau ist eine warme Farbe von Abdellatif Kechiche sowie an die beiden Hauptdarstellerinnen des Films, Léa Seydoux und Adèle Exarchopoulos.[6]
- Preisträger des Jahres 1939
Während der 55. Filmfestspiele im Jahr 2002 fand eine Retrospektive statt, die sich zwölf Spielfilmen widmete, die bei der ursprünglich geplanten ersten Auflage des Festivals im Jahr 1939 hätten gezeigt werden sollen, darunter die folgenden sieben im Wettbewerb:
Jahr | Preisträger | Deutscher Titel | Regie |
---|---|---|---|
1939 | Boefje | nicht bekannt | Douglas Sirk |
The Four Feathers | Vier Federn | Zoltan Korda | |
Goodbye, Mr. Chips | Auf Wiedersehen, Mr. Chips | Sam Wood | |
Ленин в 1918 году (Lenin w 1918 godu) | Lenin im Jahr 1918 | Michail Romm | |
La Loi du nord | Das Gesetz des Nordens | Jacques Feyder | |
Union Pacific | Union Pacific | Cecil B. DeMille | |
The Wizard of Oz | Der Zauberer von Oz | Victor Fleming |
Eine Jury bestehend aus der Israelin Lia van Leer, dem französischen Historiker Raymond Chirat, dem Deutschen Dieter Kosslick, dem Italiener Alberto Barbera und dem Tunesier Férid Boughedir wählte unter Vorsitz des französischen Autors Jean d’Ormesson nachträglich Cecil B. DeMilles Film Union Pacific als besten Film des Jahres 1939 aus, der ehrenhalber mit einer Goldenen Palme prämiert wurde.
Ehrenpreis
Anfang April 2011 gab die Festivalleitung bekannt, die Goldene Palme auch als Ehrenpreis zu verleihen. Seit 2011 werden während der Eröffnungszeremonie wichtige Filmemacher, deren Werk als maßgebend gilt, jedoch nie mit einer regulären Goldenen Palme prämiert wurde, mit einer „Ehrenpalme“ (französisch Palme d’honneur)[7] bzw. „Goldenen Ehrenpalme“ (Palme d’or d’Honneur),[8] ausgezeichnet. Damit folgt das Festival dem Beispiel der Filmfestspiele von Venedig und Berlin, die seit 1970 (Leone d’Oro alla carriera) bzw. seit 1982 (Goldener Ehrenbär) einen solchen Preis ausloben. Bereits 2002, 2008 und 2009 waren Goldene Palmen ehrenhalber an die Regisseure Woody Allen, Manoel de Oliveira bzw. Clint Eastwood vergeben worden.
Jahr | Preisträger | Tätigkeit | Land |
---|---|---|---|
2011 | Bernardo Bertolucci | Regisseur und Drehbuchautor | Italien |
2012– 2014 |
Preis nicht vergeben | ||
2015 | Agnès Varda | Regisseurin, Drehbuchautorin, Schauspielerin | Frankreich |
2016 | Jean-Pierre Léaud | Schauspieler | Frankreich |
2017 | Jeffrey Katzenberg[9] | Produzent | USA |
2019 | Alain Delon[8] | Schauspieler | Frankreich |
2020 | Filmfestspiele aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht veranstaltet. | ||
2021 | Marco Bellocchio[10] | Regisseurin, Drehbuchautor | Italien |
Jodie Foster[11] | Schauspielerin, Regisseurin, Filmproduzentin | USA |
Siehe auch
Weblinks
- Geschichte der Goldenen Palme bei festival-cannes.com (englisch; Screenshot via Internet Archive)
- Beschreibung zum Herstellungsprozess der Preistrophäe bei chopard.de
Einzelnachweise
- Eva Weidmann: Sammlerstücke. In: Capital, 31. Januar 2008, S. 106.
- Beschreibung zum Herstellungsprozess bei chopard.de (abgerufen am 26. April 2017).
- Maria Neidlinger: So funkeln die Stars in Cannes. In: Bunte, 16. Mai 2007, S. 62.
- AFP: Goldene Palme wird für 70. Ausgabe von Cannes-Festival mit Diamanten besetzt bei zeit.de, 25. April 2017 (abgerufen am 26. April 2017).
- Video-Aufzeichnung der abschließenden Pressekonferenz der Jury (Memento des Originals vom 10. Februar 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. vom 27. Mai 2012 bei festival-cannes.fr, 19:10 min ff. (Italienisch/Französisch/Englisch mit französischer und englischer Übersetzung; abgerufen am 28. Mai 2012).
- Jan Schulz-Ojala: Politisch mit Gefühl. In: Der Tagesspiegel, 27. Mai 2013, Nr. 21699, S. 23.
- Une Palme d’honneur en Ouverture du Festival de Cannes bei festival-cannes.com, 11. April 2011 (abgerufen am 12. April 2011).
- Alain Delon, Palme d’or d’Honneur du 72e Festival de Cannes. In: festival-cannes.com, 17. April 2019 (abgerufen am 18. April 2019).
- Rhonda Richford: Cannes: Jeffrey Katzenberg Feted With Honorary Palme d’Or. hollywoodreporter.com, 19. Mai 2017; abgerufen am 15. Dezember 2017.
- Marx Can Wait: a new film and an Honorary Palme d'or for Marco Bellocchio. In. festival-cannes.com, 22. Juni 2021 (abgerufen am 23. Juni 2021).
- Jodie Foster, special guest of the Opening Ceremony and the Honorary Palme d'or of the 74th Festival de Cannes. In. festival-cannes.com, 2. Juni 2021 (abgerufen am 3. Juni 2021).