Altes Palais (Berlin)
Das Alte Palais (ehemals: Kaiser-Wilhelm-Palais) an der Prachtstraße Unter den Linden 9 im Berliner Ortsteil Mitte ist ein ehemaliges Palais der Hohenzollern. Es wurde in den Jahren 1834 bis 1837 von Carl Ferdinand Langhans im Stil des Klassizismus als Winterresidenz für den preußischen Prinzen Wilhelm und späteren deutschen Kaiser Wilhelm I. erbaut. Im Zweiten Weltkrieg ausgebrannt, wurde es 1963 bis 1964 von Fritz Meinhardt außen historisch und innen modern wiederaufgebaut. Seitdem beheimatet das Baudenkmal die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität.
Vorgeschichte und Planung
An der Stelle des Alten Palais befand sich zuvor das zwischen 1688 und 1692 erbaute Stadthaus von Ernst Bernhard von Weyler, des Chefs der kurbrandenburgischen Artillerie. Sein Sohn Christian Ernst, der nach Wien zog, verkaufte es an den Markgrafen Philipp Wilhelm von Brandenburg-Schwedt. Dessen Nachfahre Markgraf Friedrich Wilhelm ließ es durch Christian Ludwig Hildebrandt zu einem barocken Palais umbauen. Die Weigerung der Markgrafen, ihr Palais für die Anlage von König Friedrichs II. programmatischem Forum Fridericianum zu veräußern, führte zum Scheitern der ursprünglichen Planungen. Als Friedrich 1774 die Arbeit an einer stark verkleinerten Version seines Forums wieder aufnahm, mussten Garten und Hintergebäude des Palais dem Neubau der Bibliothek weichen.
Die Erben des Markgrafen Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt verkauften das bis dahin Markgräflich-Schwedtsche Palais genannte Gebäude für 25.000 Taler an Otto Friedrich von Bredow (1726–1799) auf Senzke und Haage. Es ist nicht bekannt, in welchem Jahr Otto Friedrich von Bredow das Palais erworben hat.[1]
Im Jahr 1817 erwarb Graf Tauentzien von Wittenberg, Gouverneur von Berlin und Chef des III. Armeekorps das Haus, um es als Wohn- und Dienstsitz zu benutzen. Prinz Wilhelm wurde 1825 sein Nachfolger, bezog das Palais aber erst nach seiner Verheiratung mit Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach im Jahr 1829.
Der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm plante indessen eine Umgestaltung des Forums zu einer Denkmalsanlage für Friedrich den Großen. Sein Lieblingsarchitekt Karl Friedrich Schinkel beabsichtigte zu diesem Zweck den Abriss der Bibliothek und des Markgräflichen Palais zwecks Errichtung eines ausgedehnten zweitürmigen Palastes für Prinz Wilhelm.[2] Dieser war jedoch aus Kostengründen und wegen des seiner Ansicht nach pietätlosen Abrisses der Bibliothek mit dem Plan nicht einverstanden. Er bevorzugte einen wesentlich bescheideneren Entwurf des Breslauer Architekten Carl Ferdinand Langhans. Langhans löste die von Wilhelm gestellte Aufgabe, auf dem beschränkten Grundstück ein repräsentatives Stadtpalais zu errichten, von Schinkel bereitwillig unterstützt, in einer allgemein anerkannten, eleganten Weise.[3]
Bau und Nutzung
Langhans errichtete das Gebäude in den Jahren 1834–1837 im klassizistischen Stil. Es hat zur Straße 13 Fensterachsen mit einer überdachten portikusartigen Vorfahrt, ist zwei Stockwerke hoch und besitzt ein Mezzaningeschoss, geschmückt von einem umlaufenden Terrakottafries mit 18 Figuren und 16 Wappenschildern. An den Ecken fliegen Adler auf. Zum Opernplatz hin erhielt es eine begrünte Pergola. Im unteren Stockwerk des linken Gebäudeteils lagen zur Straße und nach hinten zu einem begrünten Innenhof die Wohn- und Arbeitsräume Wilhelms, im oberen diejenigen Augustas, verbunden durch eine intime Wendeltreppe. Im mittleren Teil befanden sich das Vestibül, das repräsentative Treppenhaus und oben Gesellschaftsräume. Im rechten Teil, der sich als wesentlich längerer Seitenflügel an der Oranischen Gasse bis zur Behrenstraße hinzog, befanden sich Festräume, darunter der große kreisrunde Tanzsaal. Zur Behrenstraße hin lagen um einen zweiten Innenhof Dienst- und Wohnräume des Personals, Pferdeställe und eine Remise. Im Alltagsbetrieb diente der Eingang an der schmalen Oranischen Gasse als Haupteingang und Vorfahrt.
Das Palais war 50 Jahre lang in den Monaten zwischen dem Ende der Herbstmanöver im Oktober und den Frühjahrsparaden im März der Berliner Wohn- und Amtssitz Wilhelms, der, ab 1840 Prinz von Preußen, 1858 zum Regenten, 1861 zum König von Preußen und 1871 zum Deutschen Kaiser aufstieg. In den Tagen der Märzrevolution von 1848, als der Volkszorn Wilhelm aus Berlin vertrieben hatte, entging es der Plünderung und Verwüstung, weil Wohlmeinende es zum Nationaleigentum erklärten. In den späten 1850er Jahren wurde es zu einem der wichtigsten Schauplätze des politischen Lebens im preußischen Staat, das 1871 mit der Reichseinigung den Höhepunkt erreichte. Zugleich war es der Ort, an dem Wilhelm seine Verpflichtungen als Oberhaupt des Hauses Hohenzollern und Angehöriger des europäischen Hochadels wahrnahm. Jeweils am Donnerstag erfüllte Augusta die Räume mit einer Gesellschaft namhafter Künstler und Gelehrter. Heinrich Strack stattete das Gebäude 1854 entsprechend den gesteigerten Repräsentationsansprüchen neu aus. Wilhelm erwarb 1882 das Niederländische Palais als Gästehaus und verband beide Gebäude durch einen verglasten Gang über die Oranische Gasse.
In der Kaiserzeit entwickelte sich das Palais zu einer der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Berlins. Wilhelm erschien stets am „historischen Eckfenster“ seines Arbeitszimmers im Erdgeschoss, um mittags den Großen Wachaufzug Unter den Linden an der schräg gegenüberliegenden Neuen Wache zu beobachten. Das regelmäßig wiederkehrende Ereignis fand seit den 1870er Jahren in Reiseführern Erwähnung und lockte zahlreiche Zuschauer an. Es ist überliefert, dass Wilhelm für die Beobachtung des Wachaufzugs sogar eine wichtige Besprechung unterbrach:
„Die Wache kommt, da muß ich ans Fenster! Die Leute warten auf meinen Gruß – so steht’s im Baedeker!“
Als unausrottbar gilt die Legende, wonach das Palais kein Badezimmer enthielt, sodass „für Wilhelm auf Wunsch eine Badewanne aus dem gegenüberliegenden Hotel de Rome von zwei Hoteldienern in das Palais getragen werden musste“.[5] Dazu bemerkte der Oberhofbaurat Albert Geyer, es hätte sich von Anfang an ein Wannenbad in der Wohnung Augustas befunden, das Wilhelm über die Wendeltreppe erreichen konnte. Erst 1885 habe Wilhelm ein eigenes Wannenbad erhalten, das er jedoch nicht benutzte.[6]
Unter großer öffentlicher Anteilnahme verstarb Wilhelm I. am 9. März 1888 in seinem Palais. Im Anschluss wurde das Eckfenster für immer verhängt. Nachdem auch Kaiserin Augusta hier zwei Jahre später starb, wurde es als Erinnerungsstätte an das Kaiserpaar der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Haus Hohenzollern behielt es nach dem Vertrag mit dem Freistaat Preußen über die Aufteilung seines Vermögens vom 6. Oktober 1926 im Eigentum. In der Zeit des Nationalsozialismus setzte sich anstelle von Kaiser-Wilhelm-Palais die Bezeichnung Altes Palais durch.[7]
Zerstörung und Wiederaufbau
Das Palais erlitt 1943 während des Zweiten Weltkriegs infolge eines Bombenangriffs durch Brand eine Zerstörung des Innern, während sein Äußeres samt Fassadenschmuck, Altan und Pergola erhalten blieb.
Der im Dezember 1946 im Berliner Stadtschloss veranstalteten Ausstellung „Wiedersehen mit Museumsgut“ sollte nach dem Wunsch Ludwig Justis eine weitere im Alten Palais folgen[8] und bis in die 1950er Jahre war sein Wiederaufbau beabsichtigt.[9] Das 1945 durch die sowjetische Besatzungsmacht entschädigungslos enteignete und später im Besitz der Humboldt-Universität befindliche Palais verfiel jedoch zwei Jahrzehnte lang bis auf die Außenmauern.
Zusammen mit der Alten Bibliothek wurde das Palais in den Jahren 1963–1964 wieder aufgebaut. Fritz Meinhardt sanierte die Straßenfassade des bis auf die tragenden Wände entkernten Alten Palais in den Formen von 1837 bei Veränderung des Grundrisses und teilweise der Raumhöhen. Die Pergola und die Adler an den Gebäudeecken wurden als zu deutliche Erinnerungen an Kaiser Wilhelm I. entfernt.[10] Der hintere Gebäudeteil, der die großen Säle enthalten hatte, und die Bebauung an der Behrenstraße wurden abgerissen und durch Plattenbauten ersetzt. Infolge der Überbauung der Oranischen Gasse mit dem Haus Unter den Linden 11 steht das Palais zur Straße nicht mehr frei. Die modern gestalteten Institutsgebäude sind im Innern miteinander verbunden.
Zwischen Mai 2003 und August 2005 sanierte die Stiftung Denkmalschutz Berlin das Gebäude und gab der klassizistischen Fassade die originale Fassung zurück. Bis 2008 war auch die Wiederherstellung der Pergola abgeschlossen.
Literatur
- Helmut Engel: Das Haus des Deutschen Kaisers – Das „Alte Palais“ Unter den Linden, Verlagshaus Braun, Berlin 2004, ISBN 3-935455-52-6.
- Thomas Kemper: Das ehemalige Palais Kaiser Wilhelms I., in: MuseumsJournal 2003, Heft 2, S. 8–11.
- Bogdan Krieger: Das Palais des alten Kaisers, Sonderabdruck aus Velhagen & Klasings Monatsheften, 40. Jg., 1925/1926, 11. Heft, Juli 1926 (S. 521–536), Faksimiledruck. Mit einem Begleittext von [Hans-Werner] Klünner, Archiv-Verlag, Braunschweig 1990.
- F. [Fritz] Meinhard: Ehemaliges Palais Wilhelm I., Ehemaliges Kommandantenhaus. Wiederaufbau, in: Deutsche Bauakademie und Bund Deutscher Architekten (Hrsg.): Deutsche Architektur, XI. Jg., Berlin, November 1962, S. 643 (mit Zeichnungen und Grundrissen der Bauten).
- Kurt Jagow, Johannes Sievers: Das Palais Kaiser Wilhelms I. in Berlin, Generalverwaltung des vormals regierenden Preussischen Königshauses, Berlin 1936.
Weblinks
Einzelnachweise
- Friedrich Ludwig Wilhelm Graf von Bredow: Geschichte des Geschlechts von Bredow. Band III – das Bredower Haus umfassend. Halle 1872, S. 411.
- Karl Friedrich Schinkel: Sammlung architektonischer Entwürfe enthaltend theils Werke, welche ausgeführt sind, theils Gegenstände, deren Ausführung beabsichtigt wurde, Ernst und Korn, Berlin 1858, Blätter 108–135
- Der Briefwechsel der Beteiligten wurde kommentiert veröffentlicht in: Paul Seidel, (Hrsg.): Hohenzollern – Jahrbuch 1902. Forschungen und Abbildungen zur Geschichte der Hohenzollern in Brandenburg – Preußen. Sechster Jahrgang, Giesecke & Devrient Verlag, Leipzig, Berlin 1902
- Helmut Engel: Das Haus des Deutschen Kaisers – Das „Alte Palais“ Unter den Linden, Verlagshaus Braun, Berlin 2004, S. 8.
- Manchmal ist die Wanne dabei mit heißem Wasser gefüllt (wiegt damit etwa 250 kg). So zum Beispiel bei Mario Krammer in: Berlin im Wandel der Jahrhunderte, Rembrandt Verlag, Berlin 1965, S. 226.
- Zur „unausrottbaren Legende“: Hans-Werner Klünner bei Bogdan Krieger (siehe Literaturliste). Die Legende existierte auch in Bezug zum Stadtschloss. Nach Werner Hegemann (Das Steinerne Berlin, Gustav Kiepenheuer, Berlin 1930, S. 179) trugen die Hoteldiener des Rome ein Fass mit heißem Wasser dorthin, wenn Wilhelm baden wollte.
- Dies ergibt sich durch einen Vergleich der Bezeichnungen in Berlin-Reiseführern der Firmen Grieben von 1941 (73. Auflage) und Baedeker aus den Jahren 1921 (19. Auflage), 1936 (21. Auflage)
- Bodo Rollka, Klaus-Dieter Wille: Das Berliner Stadtschloß. Geschichte und Zerstörung, Haude & Spener, Berlin 1987. ISBN 3-7759-0302-X, S. 28
- Hans Müther: Berlins Bautradition. Kleine Einführung, Das Neue Berlin, Berlin 1956, S. 88
- Meinhard (siehe Literaturliste) wollte anfangs, wie aus seiner Entwurfszeichnung hervorgeht, nur die Pergola, nicht die Adler entfernen.