Alexander Granach
Alexander Granach; eigentlich Jessaja Gronach, bis 1912 Hermann Gronach (* 18. April 1890[1] in Werbowitz, Bezirk Horodenka, Ostgalizien, Österreich-Ungarn; † 14. März[2] 1945 in New York City, USA) war ein deutsch-österreichischer Schauspieler.
Leben
Granach wurde als neuntes Kind einer jüdischen Bauernfamilie in einem galizischen Schtetl geboren. Kurz nach seiner Geburt wurde sein Vater Bäcker in der Kleinstadt Horodenka. Nach Abschluss einer Bäckerlehre kam Granach in Kontakt mit russisch-jüdischen Studenten und sympathisierte mit der revolutionären Bewegung in Russland. In Lemberg besuchte er erstmals mit seinem Bruder das jiddische Theater und beschloss, Schauspieler zu werden.
1906 gelangte er über Wien nach Berlin, wo er vorerst seinen Lebensunterhalt als Bäcker verdiente. Nebenbei schloss er sich einem jiddischen Amateurtheater an, wo er erste schauspielerische Erfahrungen sammelte. Da er nur bruchstückhaft Deutsch sprach, musste er die deutsche Sprache erlernen.
Als er 1912 bei Max Reinhardt an der Schauspielschule begann, war dies der Beginn einer erfolgreichen Theater- und später Filmkarriere.[3] Er trat als Ersatz für einen erkrankten Kollegen in Shakespeares Hamlet auf und fand damit erstmals Beachtung. In den kommenden zwanzig Jahren etablierte er sich als großer Theatermime, lediglich in den Jahren 1914 bis 1918 wurde seine Karriere durch die Einberufung in die österreichisch-ungarische Armee unterbrochen. Während des Ersten Weltkriegs kämpfte er an der Alpenfront an der Grenze zu Italien und geriet in italienische Kriegsgefangenschaft.
Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte Granach nach einem Zwischenspiel in München bei Hermine Körner an die Berliner Theater zurück, wo er unter anderem unter Erwin Piscator (Hoppla, wir leben!, 1927) und am Preußischen Staatstheater unter Leopold Jessner spielte und zu den populärsten Schauspielern seiner Zeit gehörte.
1920 debütierte Alexander Granach beim Film mit Die Liebe vom Zigeuner stammt…. Er trat auf in einigen Hauptwerken des expressionistischen Films, Murnaus Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens (1921), Arthur Robisons Schatten – Eine nächtliche Halluzination (1923) und Jessners Erdgeist (1923).
1929 gründete Granach ein Schauspieler-Kollektiv, Das Novemberstudio, das im selben Jahr mit zwei Inszenierungen vor das Berliner Publikum trat.
Im deutschen Tonfilm konnte er nur noch in wenigen Produktionen mitwirken wie in 1914 – Die letzten Tage vor dem Weltbrand, Danton und Kameradschaft. 1933 musste er aufgrund seiner politisch linksgerichteten Einstellung und seiner jüdischen Herkunft emigrieren und ging nach einer Zwischenstation in der Schweiz nach Warschau. Dort spielte er auf Jiddisch in der Uraufführung von Friedrich Wolfs Drama Professor Mamlock die Titelrolle. Danach ging er mit dem Stück in Polen auf Tournee. 1935 erhielt er eine Einladung ans Jiddische Theater in Kiew und übersiedelte im Mai in die Sowjetunion. Dort spielte er in zwei Filmen mit, Poslednij Tabor – Das letzte Zigeunerlager und Borzy – Kämpfer. Im Zuge der stalinistischen Säuberungen wurde Alexander Granach am 12. November 1937 in Kiew verhaftet. Dank der Intervention von Lion Feuchtwanger erhielt er jedoch kurze Zeit später eine Ausreisegenehmigung nach Zürich und konnte die Sowjetunion am 16. Dezember 1937 verlassen. Am Schauspielhaus Zürich hatte er in Macbeth und Dantons Tod seine letzten Auftritte in Europa.
Im Frühjahr 1938 emigrierte er in die USA, wo er sich zunächst in New York aufhielt und auf das Erlernen der englischen Sprache konzentrierte, bevor er eine neue Filmkarriere in Hollywood begann. Dort spielte er u. a. in den Filmen Ninotschka an der Seite von Greta Garbo, Auch Henker sterben unter der Regie von Fritz Lang, sowie in The Hitler Gang und Das siebte Kreuz. Wie andere deutsche Emigranten musste er wegen seines deutschen Akzents häufig Nazis spielen. Ab Dezember 1944 trat er erfolgreich am New Yorker Broadway in dem Stück A Bell for Adano auf.
Alexander Granach war in erster Ehe mit Martha Guttmann verheiratet. Mit ihr hatte er einen Sohn, Gerhard (* 1915), der 1936 nach Palästina emigrierte und bis zu seinem Tod am 6. Januar 2011 als Gad Granach in Jerusalem lebte. Die Ehe wurde 1921 geschieden. Später lebte Granach mit der Schauspielerin Lotte Lieven-Stiefel zusammen, die er als seine legitime Ehefrau anerkannt sehen wollte, obwohl sie nicht verheiratet waren.[4] 1945 erschien nach seinem Tod seine Autobiografie in einem schwedischen Exilverlag unter dem Titel Da geht ein Mensch.
Alexander Granach starb am 14. März 1945 in New York nach einer Blinddarmoperation an einer Lungenembolie.
Kennzeichnende Zitate
- als Bühnenschauspieler:
- Einer der eigenartigsten Gestalter war Alexander Granach … Es trieb ihn früh nach Berlin, wo er noch Handwerker war und auf einer Jargonbühne agierte. Mit äußerster Zähigkeit bildete er sich weiter und begann als jüngster aller Shylocks in München. Zuerst legte er grelle Farben an. Dann führte er in der kühlen Luft Berlins, so drastisch er auch blieb, das Übermaß zum Maß zurück. Gedrungenen Körpers, mit sprechendem Auge, mit einer metallreichen Stimme, aber nun auch im Schrei diszipliniert, spielte er den Franz Moor. Er war Goethes Mephisto, Schillers Isolani und mit sprudelnder Beweglichkeit war er im „Fiesco“ ein Muley Hassan, der aus einer kleinen Rolle eine große machte.[5]
- als Filmschauspieler:
- … geräuschvoller Naturbursche ….[6]
Filmografie
- 1920: Die Liebe vom Zigeuner stammt. Regie Hans Staufen.
- 1921: Der große Chef. Regie Max Obal
- 1922: Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens; Regie: Friedrich Wilhelm Murnau
- 1922: Lucrezia Borgia; Regie: Richard Oswald
- 1922: Die Tänzerin Navarro
- 1923: Erdgeist; Regie: Leopold Jessner
- 1923: Paganini; Regie: Heinz Goldberg
- 1923: Der Mensch am Wege; Regie: William Dieterle
- 1923: Schatten; Regie: Arthur Robison
- 1923: I.N.R.I.; Regie: Robert Wiene
- 1924: Carlos und Elisabeth
- 1925: Ein Sommernachtstraum; Regie: Hans Neumann
- 1926: Qualen der Nacht; Regie: Kurt Bernhardt
- 1927: Svengali; Regie: Gennaro Righelli
- 1928: Freie Fahrt; Regie: Ernő Metzner
- 1928: Das letzte Fort; Regie: Kurt Bernhardt
- 1928: Der Adjutant des Zaren
- 1929: Großstadtschmetterling; Regie: Richard Eichberg
- 1930: Die letzte Kompagnie; Regie: Curtis Bernhardt
- 1930: 1914, die letzten Tage vor dem Weltbrand; Regie Richard Oswald
- 1931: Danton; Regie: Hans Behrendt
- 1931: Der Raub der Mona Lisa; Regie: Géza von Bolváry
- 1931: Kameradschaft; Regie: Georg Wilhelm Pabst
- 1936: Kämpfer (Borzy); Regie: Gustav von Wangenheim
- 1939: Ninotschka (Ninotchka); Regie: Ernst Lubitsch
- 1941: So Ends Our Night; Regie: John Cromwell
- 1941: A Man betrayed; Regie: John H. Auer
- 1942: Joan of Paris; Regie: Robert Stevenson
- 1943: Auch Henker sterben (Hangmen Also Die!); Regie: Fritz Lang
- 1943: Wem die Stunde schlägt (For Whom the Bell Tolls); Regie: Sam Wood
- 1943: Three Russian Girls
- 1944: Voice in the Wind; Regie: Arthur Ripley
- 1944: The Hitler Gang; Regie: John Farrow
- 1944: Das siebte Kreuz (The Seventh Cross); Regie: Fred Zinnemann
Schriften
- Da geht ein Mensch. Roman eines Lebens. Ölbaum, Augsburg 2003, (Neuauflage) ISBN 3-927217-38-7. Diese Autobiographie erschien zuerst 1945 im Exil-Verlag Neuer Verlag in Stockholm und wurde seitdem in vielen Ausgaben immer wieder aufgelegt.
- Du mein liebes Stück Heimat. Briefe an Lotte Lieven aus dem Exil. Hrsg. von Angelika Wittlich und Hilde Recher. Mit einem Vorwort von Mario Adorf und einem Nachwort von Reinhard Müller. Augsburg: Ölbaum, 2008.
- There Goes an Actor: The Autobiography of a Distinguished Actor’s Early Years. Doubleday, Doran, New York, 1945.
- From the Shtetl to the Stage: The Odyssey of a Wandering Actor. Transaction Publishers, New Brunswick, NJ, 2010. (With a new Introduction by Herbert S. Lewis.)
Literatur
- Winfried Adam: „Die Welt von Vorgestern“ – Heimat Galizien in der deutschen Exilliteratur. Alexander Granach „Da geht ein Mensch“ und Henry William Katz „Die Fischmanns“. Staatsexamensarbeit, Regensburger Skripten zur Literaturwissenschaft Band 10, Universität Regensburg, 1998 (Volltext)
- Günter Agde: Oft Gllück gehabt. Der Schauspieler Alexander Granach im Exil, in: John M. Spalek, Konrad Feilchenfeldt, Sandra H. Hawrylchak (Hrsg.): Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Band 3. USA : Supplement 1. Berlin : Walter de Gruyter, 2010 ISBN 978-3-11-024056-6, S. 29–39
- Akademie der Künste (Hrsg.): Alexander Granach und das Jiddische Theater des Ostens. Berlin 1971.
- Gwendolyn von Ambesser: Die Ratten betreten das sinkende Schiff. Edition AV, Frankfurt a. M. 2005, ISBN 3-936049-47-5.
- Thomas Blubacher: Alexander Granach. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 1, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 743 f.
- Werner Fuld, Albert Ostermaier (Hg.): Die Göttin und ihr Sozialist. Weidle, Bonn 1996, ISBN 3-931135-18-7.
- Gad Granach: Heimat los! Aus dem Leben eines Jüdischen Emigranten. Ölbaum, Augsburg 1997, ISBN 3-927217-31-X; TB: Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 2000, ISBN 3-596-14649-6.
- Albert Klein, Raya Kruk: Alexander Granach: fast verwehte Spuren Edition Hentrich, Berlin 1994, ISBN 3-89468-108-X.
- Reinhard Müller: Granachs große Illusion. Nachwort in: Alexander Granach, Du mein liebes Stück Heimat. Briefe an Lotte Lieven aus dem Exil, hrsg. von Angelika Wittlich und Hilde Recher, Augsburg (Ölbaum) 2008, S. 373–387.
- C. Bernd Sucher (Hrsg.): Theaterlexikon. Autoren, Regisseure, Schauspieler, Dramaturgen, Bühnenbildner, Kritiker. Von Christine Dössel und Marietta Piekenbrock unter Mitwirkung von Jean-Claude Kuner und C. Bernd Sucher. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-03322-3, S. 240 f.
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Band 3: F – H. John Barry Fitzgerald – Ernst Hofbauer. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 354 f.
- Kay Weniger: ‘Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …’. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8, S. 207–210
- Hans-Joachim Seidel: Alexander Granach, der Schauspieler aus Galizien : eine Biografie, Berlin : verlag am park, [2020], ISBN 978-3-947094-65-3
Dokumentarfilme
- Fast verwehte Spuren, Regie: Albert Klein, 1986 (TV).
- Granach der Jüngere, Regie: Anke Apelt, 1997, Kino, 88 min.
- Alexander Granach – Da geht ein Mensch in der Online-Filmdatenbank, Regie: Angelika Wittlich, 2012.
Weblinks
- Literatur von und über Alexander Granach im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek.
- Alexander Granach in der Internet Movie Database (englisch)
- Alexander Granach bei filmportal.de
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Alexander Granach bei perlentaucher.de
- Alexander Granach auf Künste im Exil
- Alexander-Granach-Archiv im Archiv der Akademie der Künste, Berlin
Einzelnachweise
- Neben 1890 wird auch 1893 als Geburtsjahr angegeben, darunter Ulrich Liebe (Hg.): Von Adorf bis Ziemann. Die Bibliographie der Schauspieler-Biographien 1900–2000
- Neben 14. März findet sich auch 13. März 1945 als Sterbedatum, so bei CineGraph, filmportal.de und Ulrich Liebe (Hg.): Von Adorf bis Ziemann. Die Bibliographie der Schauspieler-Biographien 1900–2000.
- http://www.berliner-schauspielschule.de/granach.htm
- Alain Claude Sulzer in: FAZ 27. November 2008, S. 36
- Fritz Engel, in: Siegmund Kaznelson (Hrsg.), Juden im deutschen Kulturbereich, Berlin 1962, Seite 214
- Rudolf Arnheim, in: Siegmund Kaznelson (Hrsg.), Juden im deutschen Kulturbereich, Berlin 1962, Seite 239 f.