Ulrich Matthes
Ulrich Matthes (* 9. Mai 1959 in West-Berlin) ist ein deutscher Schauspieler, Synchron-, Hörspiel- und Hörbuchsprecher. Er ist seit dem 10. Februar 2019 Präsident der Deutschen Filmakademie.
Leben
Ulrich Matthes, 1959 als zweiter Sohn von Tagesspiegel-Journalist Günter Matthes und Else Matthes in Berlin-Wilmersdorf geboren, hat als ungeborenes Kind einen schweren Unfall seiner Mutter überlebt.[1] Er hat schon als Kind zwischen zehn und 13 Jahren in großen TV-Rollen gespielt und ab 1970 synchronisiert (u. a. Jason in Die Waltons und Charlie Brown in einigen Episoden). In den Pubertätsjahren entstand der Wunsch, Lehrer zu werden, so studierte Ulrich Matthes nach dem Abitur auf dem Gymnasium zum Grauen Kloster fünf Semester Germanistik und Anglistik an der Freien Universität Berlin. Durch eine Begegnung mit Martin Held ermutigt, brach Ulrich Matthes sein Studium ab und nahm für rund eineinhalb Jahre Schauspielunterricht bei Else Bongers, die u. a. Hildegard Knef und Götz George entdeckte.
Am Theater wirkte er ab den 1980er Jahren an den Vereinigten Bühnen Krefeld/Mönchengladbach, am Düsseldorfer Schauspielhaus, am Münchner Staatsschauspiel, an den Münchner Kammerspielen, später in Berlin an der Schaubühne am Lehniner Platz und am Deutschen Theater sowie in Wien am Burgtheater. Matthes veranstaltete zudem einen zweistündigen Kleist-Abend, den er mit Hermann Beil erarbeitete.
Einem breiteren Publikum wurde Matthes bekannt in seiner Rolle als Propagandaminister Joseph Goebbels in dem Spielfilm Der Untergang von Oliver Hirschbiegel aus dem Jahr 2004 mit Bruno Ganz.
Ulrich Matthes ist seit der Saison 2004/05 festes Ensemblemitglied am Deutschen Theater in Berlin (Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, Minna von Barnhelm, Der Menschenfeind). Regie hatte er zuvor schon in Frank Wedekinds Frühlings Erwachen in den Kammerspielen des Deutschen Theaters geführt. Ein Rollenangebot aus Hollywood für einen Film unter Peter Weir mit Tom Hanks lehnte er ab, um 2009 unter dem Regisseur Christian Petzold am Deutschen Theater Berlin in Arthur Schnitzlers Drama Der einsame Weg mit Nina Hoss zu spielen.[2]
Von der Mitgliederversammlung der Deutschen Filmakademie wurde Matthes am 10. Februar 2019 zum neuen Präsidenten und Nachfolger von Iris Berben gewählt.[3][4]
Matthes lebt in Berlin-Charlottenburg. Im Februar 2021 outete sich Matthes im Rahmen der Initiative ActOut im SZ-Magazin mit 184 anderen lesbischen, schwulen, bisexuellen, queeren, nicht-binären und trans* Schauspielern.[5][6]
Mitgliedschaften
- Akademie der Künste in Berlin (seit 2012: Direktor der Sektion Darstellende Kunst)[7]
- Deutsche Filmakademie in Berlin (seit 2012: Vorstandsmitglied, seit 2019 Präsident)
- Europäische Filmakademie
- Deutsche Akademie der Darstellenden Künste
- Akademie für gesprochenes Wort (Kuratorium)[8]
Filmografie
- 1969: An einem Tag im September
- 1970: Die Wesenacks
- 1973: Artur, Peter und der Eskimo
- 1987–1997: Derrick (4 Folgen)
- 1992: Herr Ober!
- 1995: Der Mörder und sein Kind (Regie: Matti Geschonneck)
- 1995: Ein falscher Schritt (Regie: Hermine Huntgeburth)
- 1995: Nikolaikirche (Regie: Frank Beyer)
- 1995: Wolffs Revier (eine Folge)
- 1997: Der Alte (eine Folge)
- 1997: Todesspiel (Regie: Heinrich Breloer)
- 1997: Winterschläfer (Regie: Tom Tykwer)
- 1997: Polizeiruf 110: Der Sohn der Kommissarin
- 1998: Abgehauen (Regie: Frank Beyer)
- 1998: Feuerreiter (Regie: Nina Grosse)
- 1999: Aimée & Jaguar (Regie: Max Färberböck)
- 1999: Polizeiruf 110: Mörderkind
- 1999: Framed
- 2000: Der Hahn ist tot (Regie: Hermine Huntgeburth)
- 2000: Ein Fall für zwei (eine Folge)
- 2002: Mörderherz
- 2003: Mitfahrer – Jede Begegnung ist eine Chance
- 2004: Der neunte Tag (Regie: Volker Schlöndorff)
- 2004: Der Untergang (Regie: Oliver Hirschbiegel)
- 2006: Vineta
- 2008: Novemberkind
- 2009: Entführung in London (eine Episode), Crossoverfilm mit The Bill
- 2010: Neue Vahr Süd
- 2011: Das Meer am Morgen (Regie: Volker Schlöndorff)
- 2011: Die Unsichtbare (Regie: Christian Schwochow)
- 2011: Tatort: Stille Wasser (Regie: Thorsten Näter)
- 2012: Kunduz (Regie: Simona Gieren, Stefan Gieren)
- 2013: Das große Heft (Regie: János Szász)
- 2014: Tatort: Im Schmerz geboren (Regie: Florian Schwarz)
- 2014: Bornholmer Straße (Regie: Christian Schwochow)
- 2015: Pelnu sanatorija (Regie: Davis Simanis Jr.)
- 2015: Die vierte Gewalt (Regie: Brigitte Bertele)[9]
- 2016: Geschichte einer Liebe – Freya (Regie: Antje Starost)
- 2016: Die vermisste Frau (Fernsehfilm)
- 2017: Gift
- 2017: Krieg (Alternativtitel: Fremder Feind)
- 2017: Die Puppenspieler
- 2019: Ein verborgenes Leben (A Hidden Life)
- 2019: Sarah Kohr – Das verschwundene Mädchen
- 2020: Das Boot (Fernsehserie)
- 2020: Gott – Von Ferdinand von Schirach (TV-Film, ARD)
- 2021: Die Geschichte meiner Frau (The Story of My Wife)
- 2021: Freunde
- 2021: München – Im Angesicht des Krieges (Munich: The Edge of War)
Theater
- 1993: Henrik Ibsen: Hedda Gabler (Ehemann) – Regie: Andrea Breth (Schaubühne am Lehniner Platz)
Sprechertätigkeit
Synchronisation
Matthes war lange Zeit die deutsche Standardstimme von Kenneth Branagh (u. a. in Henry V., Hamlet, Viel Lärm um nichts und Othello). Daneben synchronisierte er auch Malcolm McDowell (Das Geheimnis des Dirigenten), Charlie Sheen (Platoon, Made of Steel), Ralph Fiennes (Quiz Show) und Sean Penn (Carlito’s Way).
Hörspiele (Auswahl)
- 1995: Arthur Schnitzler, Adele Sandrock: ?Ich Dich ewig! – Adele Sandrock und Arthur Schnitzler. Ein Hörspiel aus Briefen, Telegrammen und Tagebüchern (Erzähler) – Regie: Renate Heitzmann (Hörspielbearbeitung – Deutschlandradio)
- 2001: Matthias Scheliga: Schnecks Heimweg (Schneck) – Regie: Barbara Plensat (SFB/ORB)
- 2009: Jean-Claude Kuner: Ich muss auf einen Sprung weg – Regie: Jean-Claude Kuner (DKultur)
- 2011: W. G. Sebald: Austerlitz – Regie: Stefan Kanis (MDR)
- 2013: Marcel Beyer: Flughunde – Bearbeitung und Regie: Iris Drögekamp (SWR)
- 2013: Keigo Higashino: Verdächtige Geliebte – Bearbeitung und Regie: Steffen Moratz (WDR)
- 2014: David Lindemann: Butcher’s Block – Regie: David Lindemann (DKultur)
Hörbücher
Matthes wirkte bei zahlreichen Hörspielen und Hörbüchern als Sprecher mit, beispielsweise Das Kalkwerk von Thomas Bernhard (2001, Regie Ulrich Gerhardt), Middlesex von Jeffrey Eugenides (2003), Haruki Murakamis Mister Aufziehvogel und Daniel Kehlmanns Romane Die Vermessung der Welt und Ruhm. 2008 sprach er Das Schloß sowie Die Verwandlung von Franz Kafka, Die Frauen von T. C. Boyle (2009, Regie Ralf Ebel) und mehrere Romane von Albert Camus. Für seine Lesung von Vladimir Nabokovs Pnin erhielt er 2003 den Deutschen Hörbuchpreis.
- Glückskind mit Vater. Roman von Christoph Hein, Regie: Matthias Thalheim, 720 min, 10 CDs, MDR Figaro/BR 2016 / Der Audio Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-86231-695-3.
Auszeichnungen
- 1985: Förderpreis für Literatur der Landeshauptstadt Düsseldorf[10]
- 1990: Förderpreis des Kunstpreises Berlin
- 1991: O.E. Hasse-Preis
- 1998: Bayerischer Filmpreis – Bester Schauspieler für Feuerreiter
- 2002: „Hörbuch des Jahres“ für Pnin von Vladimir Nabokov
- 2003: Deutscher Hörbuchpreis im Segment Beste Unterhaltung für Pnin von Vladimir Nabokov
- 2005: Gertrud-Eysoldt-Ring – Preis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste für herausragende schauspielerische Leistungen für die Rolle in Wer hat Angst vor Virginia Woolf? am Deutschen Theater Berlin
- 2005: Schauspieler des Jahres, ausgewählt von der Jury der Fachzeitschrift Theater heute für seine Rolle in Wer hat Angst vor Virginia Woolf?
- 2005: Nominierung für den Deutschen Filmpreis als „beste männliche Hauptrolle“ für Der neunte Tag
- 2005: Nominierung für den Europäischen Filmpreis als „Bester Darsteller“ für Der neunte Tag
- 2007: Theaterpreis Berlin der Stiftung Preußischer Seehandlung
- 2008: Schauspieler des Jahres für seine Rolle in Onkel Wanja
- 2008: Der Faust-Theaterpreis für seine Darstellung in Onkel Wanja im Deutschen Theater Berlin
- 2012: Albert-Bassermann-Uhr (nach Martin Held, Martin Benrath, Otto Düben)
- 2015: Goldene Kamera der Hörzu in der Kategorie „Bester deutscher Schauspieler“
- 2015: Grimme-Preis für seine Darstellung in Tatort: Im Schmerz geboren (HR)
- 2015: Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen in der Kategorie „Bester Schauspieler Nebenrolle“ für Bornholmer Straße
- 2016: Lettischer Filmpreis in der Kategorie „Bester Schauspieler“ für Exiled
- 2017: Berliner Bär (B.Z.-Kulturpreis)
- 2017: Goldener Vorhang für seine Rollen in Tod eines Handlungsreisenden, Das weite Land und Der Mensch erscheint im Holozän am Deutschen Theater Berlin
- 2021: Festival des deutschen Films: Preis für Schauspielkunst
Literatur
- Michael Eberth (mit einem Vorwort von Volker Schlöndorff): Matthes (backstage 1), Verlag Theater der Zeit, Berlin 2009, ISBN 978-3-940737-41-0, (mit einer Fotostrecke von Daniel Josefsohn).
Weblinks
- Literatur von und über Ulrich Matthes im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ulrich Matthes in der Internet Movie Database (englisch)
- Ulrich Matthes bei filmportal.de
- Ulrich Matthes bei der Agentur Hoestermann
- Ulrich Matthes fragt lieber nicht nach der Stasi – Interview mit Hanns-Georg Rodek bei welt.de, 19. November 2008
- Deutschlandfunk Kulturfragen. Debatten und Dokumente vom 29. Dezember 2019: Geben und Nehmen. Ulrich Matthes über Schauspieler und ihr Publikum im Gespräch mit Barbara Behrendt
- WDR 3 (Westdeutscher Rundfunk) Mosaik Samstagsgespräch vom 12. Februar 2022: Ulrich Matthes über ein Leben auf Bühne und Leinwand
Einzelnachweise
- Ulrich Matthes: Meine Rettung fand vor meiner Geburt statt. Bei: Focus Online, 20. August 2014
- Tobias Becker: Der Fremdgeher, In: Kulturspiegel, März 2009, S. 19
- Filmakademie wählt Präsidium und Vorstand, Deutsche Filmakademie vom 11. Februar 2019, abgerufen 12. Februar 2019
- Ulrich Matthes. In: deutsche-filmakademie.de. Deutsche Filmakademie, abgerufen am 8. März 2019.
- Carolin Emcke, Lara Fritzsche: »Wir sind schon da«. 4. Februar 2021, abgerufen am 8. Februar 2021.
- FOCUS Online: Karin Hanczewski, Mark Waschke und mehr: #actout: 185 deutsche Schauspieler/innen feiern ihr Coming-out. Abgerufen am 8. Februar 2021.
- Seit 2012 Direktor der AdK Sektion Darstellende Kunst
- Vorstand & Kuratorium. Akademie für gesprochenes Wort, abgerufen am 2. März 2018.
- Die vierte Gewalt – Themenabend Journalistische Verantwortung. Das Erste, abgerufen am 1. Dezember 2016.
- Ulrich Matthes in: Kulturamt Landeshauptstadt Düsseldorf