Stockholmer Übereinkommen
Das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe, auch Stockholm-Konvention oder POP-Konvention, ist eine Übereinkunft über völkerrechtlich bindende Verbots- und Beschränkungsmaßnahmen für bestimmte langlebige organische Schadstoffe (engl. persistent organic pollutants, POP). Die Konvention trat am 17. Mai 2004 mit Hinterlegung der fünfzigsten Ratifizierungsurkunde eines Unterzeichnerstaates, der von Frankreich, in Kraft.
Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe | |
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Kurztitel: | POP-Konvention |
Titel (engl.): | Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants |
Datum: | 22. Mai 2001[1] |
Inkrafttreten: | 17. Mai 2004[1] |
Fundstelle: | Ch XXVII 15p |
Fundstelle (deutsch): | BGBl. 2002 II S. 803, 804 |
Vertragstyp: | Multinational |
Rechtsmaterie: | Chemikalienrecht |
Unterzeichnung: | 152[2] |
Ratifikation: | 185[2] |
Europäische Gemeinschaft: | Inkrafttreten: 14. Februar 2005 |
Deutschland: | Inkrafttreten: 17. Mai 2004 |
Liechtenstein: | Inkrafttreten: 3. März 2005 |
Österreich: | Inkrafttreten: 17. Mai 2004 |
Schweiz: | Inkrafttreten: 17. Mai 2004 |
Bitte beachte den Hinweis zur geltenden Vertragsfassung. |
Geschichte
Mit dem Stockholmer Übereinkommen, welches bisher (Stand: Oktober 2021) von Delegationen aus 152 Staaten unterzeichnet und gegenwärtig von 185 Staaten ratifiziert worden ist[2], werden die Herstellung und der Gebrauch von ursprünglich neun Pestiziden (Aldrin, Chlordan, DDT, Dieldrin, Endrin, Heptachlor, Hexachlorbenzol, Mirex, Toxaphen), einer Gruppe von Industriechemikalien (polychlorierte Biphenyle) sowie zwei Gruppen unerwünschter Nebenprodukte (polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane) eingeschränkt bzw. verboten. Diese Stoffe bzw. Stoffgruppen werden auch als das dreckige Dutzend bezeichnet. An der alle zwei Jahre stattfindenden Vertragsstaatenkonferenz wird unter anderem über die Aufnahme weiterer Stoffe entschieden.
Der Weg bis zur Unterzeichnung war lang. Insgesamt wurden fünf Verhandlungsrunden des Intergovernmental Negotiation Committee (INC) benötigt, um einen für alle Unterzeichnerstaaten tragfähigen Kompromiss zu finden. Zunächst wurde unter anderem über die Einstufung der zwölf POP in eine der drei auf der INC-2 beschlossenen Verbotskategorien gestritten:
- Verbot für die Produktion und Verwendung
- Beschränkung von Produktion und Verwendung
- Emissionsreduktion notwendig
Insbesondere die Positionen der Industrie- und der Entwicklungsländer sowie der ehemaligen Ostblockstaaten lagen anfangs weit auseinander. Während in den Industriestaaten für die zwölf POP bereits internationale oder europäische Konventionen die Herstellung und die Verwendung verboten bzw. stark einschränkten, wurden in den Entwicklungsländern und den ehemaligen Ostblockstaaten aufgrund fehlender preiswerter Alternativen viele dieser Stoffe noch angewendet. Auch die Industrieländer untereinander waren sich uneinig. So war z. B. noch auf der INC-5 ein Hauptstreitpunkt zwischen der EU und vor allem den USA, Japan und Australien das von der EU geforderte Vorsorgeprinzip als ein Kriterium für die zukünftige Aufnahme weiterer POP in die Konvention einzubinden. Schließlich haben sich die Verhandlungspartner darauf geeinigt, dass bei der Neuaufnahme von Stoffen in die Konvention das Fehlen eines endgültigen wissenschaftlichen Beweises der Umweltgefährlichkeit die Vertragsstaaten nicht von weiteren Maßnahmen abhalten soll.[3][4]
Implementierung
In der EU wurde das Übereinkommen in der Verordnung (EU) 2019/1021[5][6] umgesetzt, in der Schweiz wurde es in der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung – insbesondere deren Anhang 1.1[7] – ins nationale Recht übernommen. Zudem gibt es in Erlass 0.814.03[8] eine periodisch nachgeführte offizielle deutsche und italienische Übersetzung des Texts des Übereinkommens.
Das gemeinsame Sekretariat der drei Konventionen der Vereinten Nationen, Basler Übereinkommen, Rotterdamer Übereinkommen und Stockholmer Übereinkommen, befindet sich in Genf.[9]
Es gibt ein weltweites Monitoring der POP in der Luft und in Muttermilch. Der Trend bezüglich Konzentrationen in der Muttermilch ist bei den meisten POP rückläufig. Eine Ausnahme bildet HBCDD.[10]
Gelistete Stoffe
Anlage(1) | Stoff | CAS-Nummer | Jahr Aufnahmeentscheid | Spezifische Ausnahmeregelung bzw. akzeptabler Zweck für …(2) | |
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Produktion | Verwendung | ||||
A | Aldrin | 309-00-2 | 2001[11] | keine | keine |
A | α-Hexachlorcyclohexan | 319-84-6 | 2009[12] | keine | keine |
A | β-Hexachlorcyclohexan | 319-85-7 | 2009[12] | keine | keine |
A | Chlordan | 57-74-9 | 2001[11] | keine | keine |
A | Chlordecon | 143-50-0 | 2009[12] | keine | keine |
A | Kurzkettige Chlorparaffine (C10–13; Chlorgehalt > 48 %) | 85535-84-8, 68920-70-7, 71011-12-6, 85536-22-7, 85681-73-8, 108171-26-2 | 2017[13] | zugelassen für die in das Register aufgenommenen Vertragsparteien | Übertragungsriemen, Förderbänder, Lederindustrie, Schmiermittelzusätze, Schläuche, Anstriche, Klebstoffe, Metallverarbeitung, Weichmacher in PVC mit Ausnahme von Spielzeugen und Kinderprodukten |
A | Decabromdiphenylether | 1163-19-5 | 2017[13] | zugelassen für die in das Register aufgenommenen Vertragsparteien | Teile für Fahrzeuge, Luftfahrzeuge, Textilien mit Ausnahme von Kleidern und Spielzeugen, Additive für diverse Elektrogeräte, Polyurethanschaum zur Gebäudeisolation |
B | DDT | 50-29-3 | 2001[11] | Verwendung zur Bekämpfung von Krankheitsüberträgern | Bekämpfung von Krankheitsüberträgern |
A | Dicofol | 115-32-2 | 2019[14] | keine | keine |
A | Dieldrin | 60-57-1 | 2001[11] | keine | keine |
A | Endosulfan | 115-29-7, 959-98-8, 33213-65-9 | 2011[15] | zugelassen für die in das Register aufgenommenen Vertragsparteien | Kombinationen von Kulturen und Schädlingen |
A | Endrin | 72-20-8 | 2001[11] | keine | keine |
A | Heptachlor | 76-44-8 | 2001[11] | keine | keine |
A | Hexabrombiphenyl | 36355-01-8 | 2009[12] | keine | keine |
A | Hexabromcyclododecan | 25637-99-4, 3194-55-6, 134237-50-6, 134237-51-7, 134237-52-8 | 2013[16] | zugelassen für die in das Register aufgenommenen Vertragsparteien | expandiertes und extrudiertes Polystyrol im Gebäudesektor |
A | Hexabromdiphenylether und Heptabromdiphenylether | diverse | 2009[12] | keine | Recycling unter bestimmten Bedingungen |
A, C | Hexachlorbenzol | 118-74-1 | 2001[11] | keine | keine |
A, C | Hexachlorbutadien | 87-68-3 | 2015[17] | keine | keine |
A | Lindan | 58-89-9 | 2009[12] | keine | Humanarzneimittel zur Kopflaus- und Krätzebehandlung als Zweitlinientherapie |
A | Mirex | 2385-85-5 | 2001[11] | keine | keine |
A, C | Pentachlorbenzol | 608-93-5 | 2009[12] | keine | keine |
A | Pentachlorphenol und seine Salze und Ester | diverse | 2015[17] | zugelassen für die in das Register aufgenommenen Vertragsparteien | Behandlung von Strommasten und deren Querträger |
A | Perfluoroctansäure (PFOA), ihre Salze und verwandte Verbindungen | diverse | 2019[14] | zugelassen für die in das Register aufgenommenen Vertragsparteien, mit Ausnahme von Feuerlöschschäumen | Halbleiterherstellung, fotografische Beschichtungen, Spezialtextilien, invasive und implantierbare Medizinprodukte, Feuerlöschschäume, Verwendung von Perfluoroctyliodid zur Herstellung von Perfluoroctylbromid für pharmazeutische Produkte, Herstellung von PTFE, PVDF, FEP und Fluorelastomeren |
B | Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), ihre Salze und Perfluoroctansulfonylfluorid | diverse | 2009[12] | Produktion für die nachstehend aufgeführten Verwendungen | Bekämpfung von Blattschneiderameisen der Gattungen Atta spp. und Acromyrmex spp. Metallgalvanisierung (Hartmetallbeschichtung) Feuerlöschschäume |
A, C | Polychlorierte Biphenyle (PCB) | diverse | 2001[11] | keine | keine |
C | Polychlorierte Dibenzo-p-dioxine und Dibenzofurane (PCDD/PCDF) | diverse | 2001[11] | – | – |
A, C | Polychlorierte Naphthaline, namentlich Dichlornaphthaline, Trichlornaphthaline, Tetrachlornaphthaline, Pentachlornaphthaline, Hexachlornaphthaline, Heptachlornaphthaline, Octachlornaphthalin | diverse | 2015[17] | Zwischenprodukt bei der Herstellung von polyfluorierten Naphthalinen, namentlich von Octafluornaphthalin | Herstellung von polyfluorierten Naphthalinen, namentlich von Octafluornaphthalin |
A | Tetrabromdiphenylether und Pentabromdiphenylether | diverse | 2009[12] | keine | Recycling unter bestimmten Bedingungen |
A | Toxaphen | 8001-35-2 | 2001[11] | keine | keine |
Anmerkungen:
- (1) Anlage A: Eliminierung; Anlage B: Beschränkung; Anlage C: Unerwünschte Nebenprodukte.
Die Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS), ihre Salze und verwandte Verbindungen wurde 2019 vom Überprüfungsausschuss (POPRC) zuhanden der Vertragsstaatenkonferenz 2021 für eine Aufnahme in die Anlage A ohne spezifische Ausnahmeregelungen empfohlen.[18] Dechloran Plus und Methoxychlor wurden 2019 für eine Aufnahme vorgeschlagen,[19] UV-328 2020,[20] Chlorpyrifos, mittelkettige Chlorparaffine und langkettige Perfluorcarbonsäuren 2021.[21]
Zur Aufnahme nominiert wurden die POP – vom Dreckigen Dutzend abgesehen – bisher von sieben Vertragsparteien:[22]
- EU: 13 (Chlordecon, Hexa-/HeptaBDE, Hexabrombiphenyl, Pentachlorbenzol, Endosulfan, Hexachlorbutadien[23], Pentachlorphenol[24], polychlorierte Naphthaline[25], kurzkettige Chlorparaffine, Dicofol[26], PFOA[27], Methoxychlor[28], Chlorpyrifos)
- Norwegen: 5 (Tetra-/PentaBDE, HBCDD[29], DecaBDE[30], PFHxS[31], Dechloran Plus[32])
- Mexiko: 3 (Lindan, α-HCH, β-HCH)
- Schweden: 1 (PFOS)
- Schweiz: 1 (UV-328)[20]
- Vereinigtes Königreich: 1 (mittelkettige Chlorparaffine)
- Kanada: 1 (langkettige Perfluorcarbonsäuren)
Siehe auch
- Details zu den ursprünglichen 12 Stoffen bzw. Stoffgruppen: Dreckiges Dutzend
- Chemikaliensicherheit
- Endokrine Disruptoren (EDC) oder Xenohormone
- Bioakkumulation
Einzelnachweise
- MTDSG, Volume II, Chapter XXVII, 15. Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants bei treaties.un.org, abgerufen am 20. Mai 2017.
- Chapter XXVII, Environment, 15. Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants bei treaties.un.org, Status per 20. Oktober 2021.
- [Anonymus]: Chemikalien: Das “dreckige Dutzend” soll verboten werden. DAZ 2001, Nr. 4, S. 99, 21. Januar 2001.
- U. Schlottmann, M. Kreibich: Aus für das dreckige Dutzend. In: Nachrichten aus der Chemie. 49(5), 2001, S. 608–614, doi:10.1002/nadc.20010490507.
- Verordnung (EU) 2019/1021 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über persistente organische Schadstoffe (Neufassung)
- Rat verabschiedet strengere Vorschriften für die weltweit gefährlichsten chemischen Stoffe Pressemitteilung des Rats der Europäischen Union vom 13. Juni 2019.
- SR 814.81 Verordnung vom 18. Mai 2005 zur Reduktion von Risiken beim Umgang mit bestimmten besonders gefährlichen Stoffen, Zubereitungen und Gegenständen (Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung, ChemRRV). Abgerufen am 24. Mai 2019.
- 0.814.03 Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe (POP-Konvention).
- BRS Conventions > Secretariat > Overview. Abgerufen am 19. Mai 2020.
- J. Fång, E. Nyberg, U. Winnberg, A. Bignert, Å. Bergman: Spatial and temporal trends of the Stockholm Convention POPs in mothers' milk – a global review. In: Environmental Science and Pollution Research International. Band 22, Nummer 12, 2015, S. 8989–9041, doi:10.1007/s11356-015-4080-z, PMID 25913228, PMC 4473027 (freier Volltext).
- The 12 initial POPs under the Stockholm Convention, abgerufen am 21. Mai 2009.
- Governments unite to step-up reduction on global DDT reliance and add nine new chemicals under international treaty, Pressecommuniqué, 8. Mai 2009.
- Reference: C.N.766.2017.TREATIES-XXVII.15 (Depositary Notification)
- 2019 Meetings of the Conferences of the Parties to the Basel, Rotterdam and Stockholm Conventions, 13. Mai 2019.
- United Nations targets widely-used pesticide endosulfan for phase out, Pressecommuniqué, 3. Mai 2011.
- UBA: Weltweites „Aus“ für Flammschutzmittel HBCD, Presse-Information vom 8. Mai 2013.
- Secretariat of the Basel, Rotterdam and Stockholm Conventions: Countries move forward on important issues for sustainable management of chemicals and waste, Pressemitteilung vom 16. Mai 2015.
- UN experts recommend elimination of additional hazardous chemicals to protect human health and the environment. Abgerufen am 8. Oktober 2019 (britisches Englisch).
- Fifteenth meeting of the Persistent Organic Pollutants Review Committee (POPRC.15). Abgerufen am 26. Juni 2019.
- Liste der als POP vorgeschlagenen Stoffe. ECHA, abgerufen am 8. Juni 2020.
- Overview. Abgerufen am 25. Juni 2021.
- Stockholm Convention: POPRC Recommendations for listing Chemicals. 2019, abgerufen am 26. Mai 2020 (englisch).
- Proposal to list hexachlorobutadiene in Annexes A, B and/or C to the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants, 2011.
- Proposal to list pentachlorophenol and its salts and esters in Annexes A, B and/or C to the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants, 2011.
- Proposal to list chlorinated naphthalenes in Annexes A, B and/or C to the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants, 2011.
- Proposal to list dicofol in Annexes A, B and/or C to the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants 2013.
- Proposal to list pentadecafluorooctanoic acid (CAS No: 335-67-1, PFOA, perfluorooctanoic acid), its salts and PFOA-related compounds in Annexes A, B and/or C to the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants, 2015.
- Proposal to list methoxychlor in Annex A to the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants, 2019.
- Summary of the proposal for the listing of hexabromocyclododecane (HBCDD) in Annex A to the Convention, 2008.
- Proposal to list decabromodiphenyl ether (commercial mixture, c-decaBDE) in Annexes A, B and/or C to the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants. 2013.
- Proposal to list perfluorohexane sulfonic acid (CAS No: 355-46-4, PFHxS), its salts and PFHxS-related compounds in Annexes A, B and/or C to the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants, 2017.
- Proposal to list Dechlorane Plus (CAS No. 13560-89-9) and its syn-isomer (CAS No. 135821-03-3) and anti-isomer (CAS No. 135821-74-8) in Annexes A, B and/or C to the Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants, 2019.
Literatur
- S. Richter, K.-G. Steinhäuser, H. Fiedler: Globaler Vertrag zur Regelung von POPs: Die Stockholm Konvention. In: Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung. 13(1), 2001, S. 39–44, doi:10.1065/uwsf2001.01.040.
- M. Porta, E. Zumeta: Implementing the Stockholm Treaty on Persistent Organic Pollutants. In: Occupational and Environmental Medicine. 59(10), 2002, S. 651–652, doi:10.1136/oem.59.10.651, PMC 1740221 (freier Volltext).
- K. Magulova: Stockholm Convention on persistent organic pollutants: triggering, streamlining and catalyzing global scientific exchange. In: Atmospheric Pollution Research. 3, 2012, S. 366–368, doi:10.5094/APR.2012.041.