RIAS
Der RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) war eine Rundfunkanstalt mit Sitz im West-Berliner Bezirk Schöneberg (Kufsteiner Straße), die nach dem Zweiten Weltkrieg von der US-amerikanischen Militärverwaltung gegründet wurde und von 1946 bis 1993 zwei Hörfunkprogramme und von 1988 bis 1992 ein Fernsehprogramm ausstrahlte.
Entstehungsgeschichte
Der RIAS entstand unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg im zerstörten, in vier Sektoren aufgeteilten Berlin. Anlass war die Weigerung der Sowjetischen Militäradministration (SMAD), den westlichen Siegermächten Sendezeit im Berliner Rundfunk einzuräumen.[1] Daraufhin unternahmen die Amerikaner und Briten Vorkehrungen, selbstständige Rundfunkstationen in ihren Sektoren einzurichten. Es fehlte an eigenen terrestrischen Sendeanlagen, weshalb das U.S. Headquarters, Berlin District, zum 17. Dezember 1945 anordnete, die (weitgehend unterirdisch verlegten und intakten) Telefonkabel zur Signalleitung zu verwenden – den sogenannten Drahtfunk. Der Sender unterstand der direkten Aufsicht der Information Services Control Section.[2] Die ersten Sendungen liefen ab Februar 1946 unter dem Namen Drahtfunk im amerikanischen Sektor (DIAS); das Sendestudio befand sich im Fernamt Berlin in der Winterfeldtstraße in Schöneberg. Bis 1949 druckten Rundfunkzeitungen im Ostsektor der Stadt noch das Programm des neuen Westsenders ab, 1949 erklärte die DDR den RIAS zum Propagandainstrument des politischen Gegners.
Der RIAS, so die Diktion, weiche das sozialistische Bewusstsein mit Falschmeldungen auf und schaffe „Musikfallen“ für den unbescholtenen Hörer. Die „RIAS-Ente“ wurde zum gängigen Begriff der DDR-Propaganda der 1950er Jahre.[3] Die DDR-Führung störte den RIAS systematisch und begründete dies damit: „Die Finanzierung des Senders erfolgt über gedeckte Kanäle der Central Intelligence Agency, welche durch den Sender die DDR mit amerikanischer Propaganda überzieht.“ In zahlreichen DDR-Strafprozessen der 1950er Jahre war das unerlaubte Hören des RIAS ein Leitthema der Staatsanwaltschaft.[4] 1955 ordnete der Stasi-Funktionär Erich Mielke die „Aktion Enten“ an, um Informanten des RIAS in Ostdeutschland zu identifizieren und vor Gericht zu stellen. Im Juni 1955 führte das zum RIAS-Prozess, der mit hohen Haftstrafen und einem Todesurteil endete.
Das Gebäude des RIAS befand sich in der Kufsteiner Straße 69. Heute beherbergt das Funkhaus am Hans-Rosenthal-Platz das Deutschlandradio mit der Adresse Hans-Rosenthal-Platz. Hans Rosenthal gehörte zu den RIAS-Mitarbeitern der ersten Jahre.
Gerhard Löwenthal, der seit 1946 beim Sender arbeitete, schrieb in seinen Memoiren, „man habe Propaganda betrieben, deren Ziel es zumindest phasenweise gewesen sei, die DDR zu destabilisieren“.[5]
Programme
RIAS 1
Von Beginn an war der RIAS mit seiner Programmgestaltung innovativ und wirkte als Vorbild für die westdeutsche Rundfunkszene. Die Programme des Senders standen unter dem selbst gewählten Motto „Eine freie Stimme der freien Welt“. Vom 24. Oktober 1950 an wurde jeden Sonntag um 12 Uhr das Läuten der Berliner Freiheitsglocke vom Schöneberger Rathaus übertragen, gefolgt vom Verlesen des „Freiheitsgelöbnisses“.
Mit seinen auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen zugeschnittenen Magazinsendungen und der ausführlichen politischen Berichterstattung bot er ein umfassendes Informationspaket an. Während der Anteil der politischen Programme der öffentlich-rechtlichen Sender in den 1950er Jahren lediglich bei 15 Prozent lag, hatte er beim RIAS einen Umfang von etwa 34 Prozent. RIAS hatte als erster aktuelle Zeitfunksendungen im Programm und führte als erste Rundfunkstation auf deutschem Gebiet mehrstündige Zeitfunkmagazine ein. Schwerpunkt der Berichterstattung und Kommentierung war neben Berlin das Geschehen in der DDR. Speziell für die Berliner Hörer führte der erste Berliner Regierende Bürgermeister Ernst Reuter die Sendung Wo uns der Schuh drückt ein, die bis 1978 von seinen gewählten Nachfolgern fortgeführt wurde.
Beispielgebend war der RIAS ebenso auf dem Kultur- und Unterhaltungssektor. Der bereits in der Anfangszeit gegründete RIAS-Kammerchor und das RIAS-Symphonie-Orchester sorgten für kulturelle Höhepunkte in Berlin. Brillanter Beobachter und Kritiker der Berliner kulturellen Szene war Friedrich Luft, dessen Stimme der Kritik erstmals am 9. Februar 1946 ausgestrahlt wurde und bis zum Tode Lufts 1990 wöchentlicher Programmpunkt war.
In der Unterhaltungsmusik war das RIAS-Tanzorchester weit über Berlin hinaus aktiv. Besonders unter seinem Leiter Werner Müller begleitete es zahlreiche öffentliche Veranstaltungen in Westdeutschland sowie im Fernsehen. Der RIAS ist auch als Erfinder der Hitparade im Rundfunk in Deutschland anzusehen. Bevor diese 1958 von Radio Luxemburg gestartet wurde, hatte der RIAS schon 1947 die wöchentlichen Schlager der Woche in seinem Programm. Der RIAS war Träger folgender Musikvereinigungen:
- RIAS Kammerchor
- RIAS Knabenchor (1955 aufgelöst)
- RIAS Kammerorchester (1946 unter der Leitung von Karl Ristenpart gegründet, 1953 aufgelöst)[6]
- RIAS-Symphonie-Orchester (RSO, 1956 umbenannt in Radio-Symphonie-Orchester Berlin und 1993 umbenannt in Deutsches Symphonie-Orchester Berlin [DSO])
- RIAS Tanzorchester
- RIAS Big Band
Zu den weiteren populären RIAS-Programmen gehörten die 149-mal ausgestrahlte Kabarettsendung Die Insulaner von Günter Neumann, die am 25. Dezember 1948 Premiere hatte. Außerdem sind hervorzuheben die Hörspielserien Es geschah in Berlin von Werner Brink (1951–1972, 499 Folgen), Pension Spreewitz – Kleine Geschichten im großen Berlin von Thierry (1957–1964, 150 Folgen) und Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin. Letztere lief 1964 und 1987 mit 40 Geschichten verschiedener bekannter Autoren in insgesamt 426 Folgen; mit dieser Reihe verdiente sich der spätere Fernseherfolgsautor Curth Flatow seine ersten Sporen. Eine weitere erfolgreiche Hörspielserie war die von Michael Koser kreierte Reihe mit den Abenteuern des Universalgelehrten Professor van Dusen (1978–1999, 79 Folgen), durch die die Schauspieler Friedrich W. Bauschulte und Klaus Herm deutschlandweit bekannt wurden.
Von 1947 bis 1972 war Fritz Genschow Onkel Tobias vom RIAS in seiner gleichnamigen Kindersendung, die er zusammen mit „Tante Erika“ (Erika Görner)[7] und den RIAS-Kindern sowie dem Gitarristen Gerhard Tucholski jeden Sonntag um 10 Uhr gestaltete.[8]
Das Programm RIAS 1 wurde über Mittelwelle vom Sender Berlin-Britz und vom RIAS-Sender Hof sowie über UKW aus Berlin und Bayern aus der Region um Hof gesendet.
RIAS 2
RIAS 2 wurde am 1. November 1953 vom Rundfunk im amerikanischen Sektor neben RIAS 1 als zweites Hörfunkprogramm eingerichtet und sendete auf Mittelwelle und UKW über die Sender Berlin-Britz und in Bayern in der Region Hof über den Sender Großer Waldstein.
Am Unterhaltungsprogramm des RIAS hatte Hans Rosenthal einen besonderen Anteil. Er führte die erfolgreichen Quizsendungen Wer fragt, gewinnt und Allein gegen alle, die später auch von anderen Sendern übernommen wurden, und das Funkkabarett Die Rückblende (Autoren u. a. Michael Alex, Curth Flatow, Eckart Hachfeld, Volker Ludwig, Horst Pillau und Rolf Ulrich) ein. Er erfand mit seinem Klingenden Sonntagsrätsel die Höreranalyse, denn mit seiner Sendung sollte die Resonanz der Ausstrahlung von RIAS 2 über den Sender Hof ermittelt werden. Als erster deutschsprachiger Sender begann RIAS in den 1970er Jahren mit der Ausstrahlung von Marathon-Popnächten unter dem Titel Rock over RIAS. Nach der am 30. September 1985 vollzogenen Umwandlung von RIAS 2 in einen 24-Stunden-Popmusik-Kanal wurde auch dieser Wegbereiter für viele andere Jugendprogramme. Nach dem Berliner Mauerbau überwand der RIAS die trennende Grenze über den Äther mit seiner sonntäglichen Grußsendung Musik kennt keine Grenzen.
Am 30. September 1985 wurde RIAS 2 zu einem 24-Stunden-Jugend-Programm umgestaltet (Jingle: RIAS 2 – Typisch Berlin). Die Berliner Zeitung sprach rückblickend von einem fulminanten Start. „Allein in West-Berlin erreichte man mit RIAS 2 auf Anhieb 300.000 Hörer pro Durchschnittsstunde.“ Auch in Ost-Berlin und in der DDR war RIAS 2 populär. „Für viele Ostler gehörte der West-Sender zum Leben wie Broiler und Club-Cola.“[9]
RIAS TV
Am 22. August 1988 startete der RIAS mit seinem Fernsehprogramm RIAS-TV in Berlin. Hier führte er als erster das Sendeformat des Frühstücksfernsehens in Deutschland ein, das später auch von anderen Sendern übernommen wurde.
Nach der Wiedervereinigung
Im Jahr 1990 wurde mit der deutschen Wiedervereinigung der Fortbestand des Senders ungewiss. Zunächst hatten die USA nach einem Bericht der U.S. Advisory Commission on Public Diplomacy 1989/1990 eine weitere Rundfunkpräsenz von RIAS erwogen, um in Mitteleuropa weiterhin eine „wichtige Informationsquelle über Demokratie und die Vereinigten Staaten für 16 Millionen Ostdeutsche“ zu gewährleisten.
Am 1. April 1992 wurde RIAS-TV von der Deutschen Welle übernommen, die fortan unter der Bezeichnung DW-TV ein Fernsehprogramm für das Ausland produzierte und ausstrahlte. Am 19. Mai 1992 wurde zwischen den Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und den USA ein Abkommen über die Gründung der RIAS Berlin Kommission unterzeichnet, das am 26. Oktober 1992 in Kraft trat. Die Kommission hat sich zur Aufgabe gemacht, „die Tradition der deutsch-amerikanischen Kooperation im Rundfunk weiter fortzusetzen und als neue Tradition im transatlantischen Mediendialog Begegnungen und Verbindungen zwischen Rundfunkjournalisten auf beiden Seiten des Ozeans zu ermöglichen“.
Am 1. Juni 1992 wurde RIAS 2 privatisiert und in rs2 umbenannt. rs2 sendet heute in Berlin auf derselben UKW-Frequenz 94,3 MHz, auf der zuvor RIAS 2 ausgestrahlt wurde, sowie über ein Netz weiterer UKW-Frequenzen in Brandenburg. Die Hofer RIAS-2-Frequenz 91,2 MHz wurde 1992 aufgelassen. Die einstige Berliner Mittelwellenfrequenz 855 kHz von RIAS 2 wurde für DRM-Übertragungen und Sondersendungen des Deutschlandradios genutzt. RIAS 1 (UKW 89,6 MHz) wurde zunächst weitergeführt und ging zum 1. Januar 1994 zusammen mit Deutschlandsender Kultur und dem Deutschlandfunk im Deutschlandradio, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, auf. Anfangs hatte diese Anstalt mit dem Deutschlandradio Berlin und dem Deutschlandradio Köln zwei Programme, derzeit (Stand: 2018) besteht Deutschlandradio aus den Programmen Deutschlandfunk Kultur, Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Nova.
Die Klangkörper sind heute überwiegend in der Rundfunk-Orchester und -Chöre gGmbH Berlin zusammengefasst.
Das ehemalige Funkhaus des RIAS liegt am nach dem populären Moderator benannten Hans-Rosenthal-Platz direkt an der Bezirksgrenze zwischen Schöneberg und Wilmersdorf am Rudolph-Wilde-Park beziehungsweise am Volkspark Wilmersdorf mit dem sogenannten RIAS-Spielplatz. Von hier wird das Programm Deutschlandfunk Kultur ausgestrahlt.
Der Sendeschluss des RIAS war am 31. Dezember 1993 um 23:55 Uhr. Die letzten Worte sprach der Programmdirektor Siegfried Buschschlüter.
Der Betrieb des rund 65 Jahre zuvor vom RIAS aufgebauten Mittelwellensenderstandortes in Berlin-Britz wurde am 4. September 2013 endgültig eingestellt.
Personen
Der RIAS stand in den ersten Jahren unter der Aufsicht des Information Control Services des U.S. Headquarters Berlin. Ab 1965 wurde er der United States Information Agency des US-Außenministeriums unterstellt. Er wurde zunächst von einem vierköpfigen Direktorium (Direktor, Vizedirektor, Produktionschef, Verwaltungschef) geleitet, dessen Posten von Amerikanern besetzt waren. Ab 1989 war nur noch der Direktor Amerikaner. Die Programmgestaltung lag ausschließlich in deutschen Händen. Zu den bekanntesten Chefredakteuren des RIAS zählt der spätere SPD-Politiker Egon Bahr, der diesen Posten von 1950 bis 1959 bekleidete.
Bekannte Moderatoren des RIAS waren Curth Flatow, Fred Ignor, John Hendrik, Lord Knud, Barry Graves, Nero Brandenburg, Désirée Persh, Ian McConnachie, Henry Gross, Juan Liebig, Uwe Golz, Andreas Dorfmann, Oliver Dunk, Gregor Rottschalk, Peter Kohagen, Hans-Günter Goldbeck-Löwe, Christian Graf, Uwe Wohlmacher, Rik De Lisle, Dennis King, Konstantin Klein, Uwe Hessenmüller, Stefan Waggershausen und Hans Rosenthal.
Aushängeschilder im Bereich der politischen Berichterstattung waren Jürgen Graf, Hanns Werner Schwarze, Lutz Meunier, wichtige Korrespondenten waren Günter Graffenberger (Schweden), Jürgen Koar (USA), Ulrich W. Sahm (Israel, heute Korrespondent von N24), Gustav Chalupa (Ex-Jugoslawien).
Bekannte Regisseure waren der Leiter der Hörspielabteilung Hanns Korngiebel und Ivo Veit, der unter anderem die Hörspielserie Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin inszenierte. Nach dem Tod von Hanns Korngiebel (1969) setzte die RIAS-Hörspielabteilung unter der Leitung seines Nachfolgers und Chefdramaturgen Gerhard Niezoldi auf Innovation der Hörspielformen: auf das „Neue Hörspiel“, Collagen und experimentelle Formen, um dem betont konservativen RIAS-Hörspiel den Anschluss an das zeitgenössische Hörspiel zu ermöglichen, was durch Preise wie dem Prix Italia oder dem Hörspiel des Monats bestärkt wurde. Bekannte Regisseure dieser neuen Phase des RIAS-Hörspiels waren der Oberspielleiter Ulrich Gerhardt (der als Weltneuheit die Kunstkopf-Stereophonie ins Hörspiel einführte), Manfred Marchfelder, Jörg Jannings, Götz Naleppa (der als erster Hörspielleiter im späteren Deutschlandradio dort die neue Hörspielabteilung aufbaute), Hans-Ulrich Minke, Robert Matejka, Rainer Clute (der Regisseur der Kultserie Professor van Dusen) u. a. Ähnlich dem konkurrierenden Rundfunk der DDR setzte die Hörspielabteilung des RIAS auf ein eigenes Regie-Team und weniger auf Gastregisseure. Das und das Modell einer Gruppenarbeit bewirkte die eigene stilistische Handschrift dieser zweiten Phase des RIAS-Hörspiels 1969–1993.
Direktoren und Intendanten | |||
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US-Direktoren: | |||
1948–1949: | William F. „Bill“ Heimlich | ||
1949–1953: | Fred G. Taylor | ||
1953–1957: | Gordon A. Ewing | ||
1957–1959: | Lawrence Dalcher | ||
1959–1961: | Alexander A. Klieforth | ||
1961–1968: | Robert H. Lochner | ||
Deutsche Intendanten: | |||
1945–1947: | Franz Wallner-Basté | ||
um 1948–1949: | Erfrid Heinecke (am 25. Januar 1949 entlassen) | ||
1969–1974: | Roland Müllerburg | ||
1974–1984: | Ludwig von Hammerstein-Equord | ||
1984–1987: | Peter Schiwy | ||
1987–1989: | Bernhard F. Rohe | ||
1990–1993: | Helmut Drück |
Technische Entwicklung
Am 7. Februar 1946 ging erstmals der „Drahtfunk im amerikanischen Sektor“ (DIAS) über Telefonleitungen im amerikanischen Sektor auf Sendung. Die Sendestelle war in Schöneberg im Fernamt Winterfeldtstraße (das spätere Fernmeldeamt 1 Berlin) untergebracht. Gesendet wurde täglich von 17 bis 24 Uhr im Langwellenbereich auf den Frequenzen 210 und 245 kHz. Ab Juni 1946 wurde der Sendebetrieb auch auf den Britischen Sektor Berlins ausgeweitet.
Der erste terrestrische Mittelwellensender, ein fahrbares Aggregat der US-Armee, wurde am 5. September 1946 in Betrieb genommen und damit der Übergang vom Drahtfunk zum Rundfunk vollzogen. Der mobile Sender in Berlin-Britz, Standort auch des späteren RIAS-Großsenders, strahlte mit einer relativ geringen Leistung von 800 Watt auf der Frequenz 610 kHz. Er wurde im Juni 1947 durch einen 1935 gebauten 20-kW-Sender der ehemaligen Wehrmacht ersetzt. Am 6. Juli 1948 wurde das neue RIAS-Funkhaus in der Kufsteiner Straße 69 (heute: Hans-Rosenthal-Platz) eingeweiht. Nach Sendebeginn der „Stimme Amerikas“ auf Kurzwelle am 6. Juli 1948 vom Sender Ismaning bei München aus und der Verbesserung der Antennenanlagen in Britz wurde mit der Inbetriebnahme des 20-kW-Mittelwellensenders Hof am 1. November 1948 im oberfränkischen Hof an der Saale deutlich gemacht, dass das Verbreitungsgebiet des RIAS auch auf das Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone ausgedehnt werden sollte. Da der RIAS von Anfang an ein von der US-Politik geprägtes Meinungsbild vertrat, geriet er den Machthabern der im Oktober 1949 gegründeten DDR schnell zum Feindbild. So erklärte das Oberste Gericht der DDR am 27. Juni 1955 den RIAS zu einer „Spionage-, Sabotage- und Verbrecher-Organisation“. Schon vorher hatte die DDR begonnen, ihr gesamtes Territorium mit einem Netz von Störsendern zu überziehen. Das wiederum veranlasste den RIAS zu einer immensen technischen Aufrüstung.
Nachdem der Mittelwellensender Berlin-Britz bereits 1949 auf 100 kW verstärkt worden war und von dort ab 7. August 1951 ein zweiter Kurzwellensender aus sendete, ging im März 1952 in Britz der erste durch die Frequenzmodulation relativ störresistente UKW-Sender in Betrieb. Ab dem 15. Januar 1953 wurde von Britz auf der Mittelwelle 989 kHz mit 300 kW gesendet, damals die höchste Sendeleistung in Mitteleuropa. Um mit alternativen Sendezeiten von wechselnden Senderstandorten dem ostdeutschen Störbetrieb auszuweichen, wurde am 1. November 1953 das Programm RIAS 2 gestartet, gleichzeitig wurde eine neue Mittelwellen- und eine neue UKW-Frequenz in Berlin in Betrieb genommen. Im Laufe des Jahres 1954 kamen zwei weitere Mittelwellenfrequenzen hinzu und in Kooperation mit dem US-Auslandssender „Stimme Amerikas“ konnte die leistungsstarke Frequenz 173 kHz auf Langwelle genutzt werden. Mitte der 1950er Jahre standen dem RIAS insgesamt vier Mittelwellenfrequenzen zur Verfügung, die abwechselnd im Tag-Nacht-Betrieb von den beiden Sendern in Berlin und Hof genutzt wurden. Hinzu kamen zwei UKW-Frequenzen (Berlin), eine Lang- und eine Kurzwellenfrequenz. Am effektivsten waren die UKW- und Kurzwellenfrequenzen, die kaum zu stören waren. Erst als mit der Einführung des Genfer Wellenplans von 1975 (1978 in Kraft getreten) die DDR-Störsender abgeschaltet wurden, konnte der RIAS zu einem konstanten Sendebetrieb übergehen.
Frequenzübersicht | |||
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Mittelwelle | |||
1958 | 1978 | ||
Britz 1: | 989 kHz 200/300 kW | 990 kHz 300 kW | |
Britz 2a: | 683 kHz 100 kW tags | 855 kHz 100 kW | |
Britz 2b: | 737 kHz 20 kW nachts | ||
Britz 2c: | 854 kHz 100 kW nachts | ||
Hof: | 683 kHz 40 kW nachts | 684 kHz 100 kW | |
Hof: | 737 kHz 40 kW tags | ||
UKW | |||
Britz 1 | 89,6 MHz 30 kW | Hof 1 (Großer Waldstein) 89,3 MHz 20 kW (ab 1980) | |
Britz 2 | 94,3 MHz 50 kW | Hof 2 (Großer Waldstein) 91,2 MHz 20 kW (ab 1964) | |
Kurzwelle bis 1993 | |||
Ismaning/Berlin | 6.005 kHz 100 kW | ||
Langwelle bis 1964 | |||
Erching | 173 kHz 1000 kW |
Literatur
- Herbert Kundler: RIAS Berlin. Eine Radiostation in einer geteilten Stadt. 2. Auflage. Reimer, Berlin 2002, ISBN 3-496-02536-0.
- Manfred Rexin (Hrsg.): Radio-Reminiszenzen. Erinnerungen an RIAS-Berlin. 2. Auflage. Vistas, Berlin 2003, ISBN 3-89158-335-4.
- Petra Galle: RIAS Berlin und Berliner Rundfunk 1945–1949. Lit, Münster u. a. 2003, ISBN 3-8258-6469-3.
- Schanett Riller: Funken für die Freiheit. Die U.S.-amerikanische Informationspolitik gegenüber der DDR von 1953–1963. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2004, ISBN 3-88476-646-5.
- Gerhard Specht: Zeuge der Wende – Das war mein RIAS-TV, omnino Verlag, Berlin, 2020, ISBN 3958941761.
Weblinks
- Bundeszentrale für politische Bildung: Der 17. Juni 1953 und die Medien
- RIAS Berlin Kommission. Organisation zur Förderung der deutsch-amerikanischen Verständigung im Rundfunkwesen mit geschichtlichen Informationen
- Die Freiheitsglocke (DKultur)
- Karl Wilhelm Fricke: Der DDR-Schauprozess gegen den RIAS. (PDF-Datei; 143 kB)
- khd-research RIAS Berlin. Private Website mit Tondokumenten
- rias1.de (private Mitschnittsammlung)
- Der RIAS und seine Berliner Sendestelle
- Rundfunkschätze - Der RIAS
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Hintergrund war, dass die Amerikaner, Briten und Franzosen ihre Besatzungssektoren in Berlin erst zwei Monate nach den Sowjets übernahmen. Die Rote Armee hatte sich bereits des Rundfunks in Berlin bemächtigt und im Haus des Rundfunks in der Masurenallee in Westend, also im Westsektor, den Berliner Rundfunk installiert. Die Schlüsselpositionen waren mit moskautreuen Deutschen besetzt. Die westlichen Besatzungsmächte versuchten, über die Alliierte Kommandantur zu erreichen, dass dieser Sender unter Vier-Mächte-Kontrolle gestellt würde. Die SMAD lehnte das ab.
- Siehe Abdruck des Gründungsdokuments mit deutscher Übersetzung bei Herbert Kundler: RIAS Berlin, Berlin 2002, S. 38.
- Jörg-Uwe Fischer: Die Rias-Ente – eine Spurensuche. In: info 7 – Medien, Archive, Information, Heft 1/2013, S. 61 ff.
- Siehe zum Beispiel der Strafprozess gegen Elli Barczatis
- Klaus Arnold, Christoph Classen (Hrsg.): Zwischen Pop und Propaganda. Radio in der DDR. Ch. Links Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-86153-343-X, S. 212 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- „Chronik der ARD“. Abgerufen am 15. September 2013.
- Sigrid Scherer et al.: Märchenwelten: der Schauspieler, Regisseur und Produzent Fritz Genschow. Deutsches Filmmuseum 2005, S. 56
- Fritz Genschows Märchenwelten beim hr (Memento vom 30. Juni 2007 im Webarchiv archive.today)
- Brenda Stohmaier: Radio im anderen Sektor. In: Berliner Zeitung, 30. September 2005.