Pseudomonas aeruginosa
Pseudomonas aeruginosa (von lateinisch aerugo ‚Grünspan‘) ist ein gramnegatives, oxidasepositives Stäbchenbakterium der Gattung Pseudomonas. Es wurde im Jahr 1900 von Walter Migula entdeckt. Die Namensgebung bezieht sich dabei auf die blau-grüne Färbung des Eiters bei eitrigen Infektionskrankheiten.
Pseudomonas aeruginosa | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Pseudomonas aeruginosa | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Pseudomonas aeruginosa | ||||||||||||
Migula 1900 |
P. aeruginosa ist ein wichtiger Krankenhauskeim, der gegen mehrere Antibiotika resistent ist.
Vorkommen
Das Bakterium ist ein weitverbreiteter Boden- und Wasserkeim (Nasskeim), der in feuchten Milieus vorkommt (neben feuchten Böden und Oberflächengewässern auch in Leitungswasser, Waschbecken, Duschen, Schwimmbecken[1], Toiletten, Spülmaschinen, Dialysegeräten, Medikamenten und Desinfektionsmitteln). In der Hygiene gilt es daher als bedeutender Krankenhauskeim (nosokomialer Keim). Aber auch als Lebensmittelverderber spielt es eine erhebliche Rolle, was Isolate aus Pflanzen, Früchten, Lebensmitteln und dem Darmtrakt von Mensch und Tier belegen. Es kann selbst in destilliertem Wasser oder einigen Desinfektionsmitteln überleben und wachsen, wenn kleinste Spuren organischer Substanzen vorhanden sind. Die Bakterien sind auch an der sogenannten Dieselpest beteiligt. In verfahrenstechnischen Apparaten kann Pseudomonas aeruginosa aufgrund von Biofilm- und Schleimbildung unter anderem zum Verstopfen von Rohrleitungen und zur Werkstoffschädigung führen.[2]
Aussehen
Das Stäbchen kann 2–4 µm groß werden und besitzt büschelige lophotriche Flagellen. Haftfimbrien ermöglichen es dem Bakterium, sich an Oberflächen festzusetzen. Auf der äußeren Zellmembran ist ein Exopolysaccharid (Alginat) wie eine Kapsel aufgelagert. Es schützt vor Phagozyten und Antikörpern und wirkt dem Transport aus dem Respirationstrakt entgegen.
Stoffwechsel
Der Nonfermenter P. aeruginosa ist unter anaeroben Bedingungen in der Lage, Fermentation zu betreiben. Es werden Pyruvat oder Arginin fermentiert.[3][4] Als wichtiger Denitrifizierer ist es ebenfalls in der Lage, unter anaeroben Bedingungen und dem Zugang zu Stickoxiden diese als terminale Elektronenakzeptoren in der anaeroben Atmung zu nutzen. Die Fähigkeit zur Denitrifikation und die Eigenschaft, Biofilme zu bilden, sind für P. aeruginosa wichtige Virulenzfaktoren (siehe Mukoviszidose).[5] In verschiedenen Nährmedien (z. B. Cetrimid-Agar) setzt es Farbstoffe wie Pyocyanin, Pyoverdin, Pyorubin und Pyomelanin frei. Meist ist es auf Agar „metallisch-grün“ glänzend. Charakteristisch ist dabei ein als „lindenblüten-“ oder "traubenartig" beschriebener süßlicher Geruch („Gummibärchengeruch“), der auf die Produktion von 2-Aminoacetophenon (2-AA) zurückzuführen ist. Unter anderem wegen seiner Flüchtigkeit ist 2-AA ein potentieller, für P. aeruginosa selektiver Biomarker im Zusammenhang einer Infektion bei Mukoviszidosepatienten.[6] Außerdem scheint es Fliegen anzulocken und die Besiedlung ihres Darms zu unterstützen, ohne jedoch dabei deren Sterblichkeit zu erhöhen, wodurch es die Verbreitung von P. aeruginosa erleichtert.[7]
Neuere Forschungsergebnisse zeigen auf, dass P. aeruginosa mit Hilfe des eigenen Verdauungsenzyms SdsA sogar Natriumlaurylsulfat (SDS) verstoffwechseln kann. Dadurch ist das Bakterium in der Lage, auch dort zu überleben, wo andere Bakterien aufgrund der hohen SDS-Konzentration abgetötet werden, beispielsweise in Shampoos.[8]
P. aeruginosa produziert unter limitierenden Wachstumsbedingungen (z. B. Stickstoff-, Phosphat- oder Eisenlimitierung) auf Ölen (z. B. Sonnenblumenöl) aus nachwachsenden Rohstoffen sog. Rhamnolipide. Diese Biotenside werden teilweise schon im Produktionsmaßstab hergestellt und in Waschmitteln oder Kosmetika eingesetzt. Vermutlich geben die Zellen die Rhamnolipide in das sie umgebende Medium ab, um das Öl zu emulgieren und mittels Lipasen an den Wasser/Öl-Grenzflächen das Öl in Fettsäuren und Glycerid zu spalten. Die Rhamnolipidsynthese ist durch Quorum sensing reguliert, hängt also von der Zelldichte im Medium ab. Zuständig hierfür sind das Las- und Rhl-regulierte Quorum sensing.[9]
Genom
Im Jahre 2000 wurde erstmals das vollständige Genom des Stammes PAO1 sequenziert. Das Genom hat eine Größe von 6,3 Mbp und enthält 5570 Gene.[10]
Pathogenität
Das Bakterium ist ein Krankenhauskeim, der durch seinen Stoffwechsel und seine Zellmembranstruktur Mehrfachresistenzen gegenüber Antibiotika aufweist.[11] Mit ca. 10 % aller Krankenhausinfektionen gehört P. aeruginosa zu den in Deutschland am häufigsten auftretenden Krankenhauskeimen.[12]
Das Spektrum an Krankheiten, welche durch diese Bakterien verursacht werden, ist umfangreich. Das häufigste Erscheinungsbild sind Pneumonien bei zystischer Fibrose, die vor allem bei immunsupprimierten und AIDS-Patienten besonders schwerwiegend sind. Harnwegsinfekte, Enterokolitis, Meningitis, Otitis externa („swimmer’s ear“) oder Infektionen auf Brandwunden können ebenfalls ausgelöst werden.
Auslöser dafür sind zum einen die Fähigkeit des Bakteriums zur Hämolyse und zum anderen Pathogenitätsfaktoren wie das Exotoxin A (ADP-Ribosyltransferase) sowie die Cytotoxine Exoenzym S und Exoenzym U, die das Bakterium produziert.
Veterinärmedizin
Im Folgenden werden die häufigsten tiermedizinischen Befunde aufgelistet:
- Entzündung des äußeren Gehörgangs beim Hund
- Eiterungen und Abszesse der Haut bei vielen Tierarten
- Darmentzündungen
- Euterentzündungen bei Kühen
- Scheidenentzündungen, Gebärmutterentzündung und Aborte bei Kühen und Stuten
- Traumatische Herzbeutelentzündung beim Rind
- Allgemeininfektion beim Geflügel
- Geschwürige Hornhautentzündung und Bindehautentzündung beim Pferd
- Eitrig-nekrotisierende Lungenentzündungen
- Blutende Lungenentzündung beim Nerz
- Maulschleimhautentzündungen, Abszesse und Allgemeininfektionen bei Reptilien
Therapie
- β-Lactam-Antibiotika (z. B. Piperacillin) + Aminoglykoside (Gentamicin, Tobramycin)
- Cephalosporine der Generation IIIb (höhere Wirksamkeit gegen Pseudomonas spp. als Generation IIIa) (z. B. Ceftazidim, Cefepim)
- Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin oder Levofloxacin
- Als Reserveantibiotika werden Carbapeneme (z. B. Imipenem oder Meropenem) und zunehmend Colistin eingesetzt.[13]
- Weitere Antibiotika: Das Monobactam Aztreonam
Wegen der Gefahr von Resistenzentwicklungen sollte keine Monotherapie, sondern (möglichst nach Antibiogramm) immer eine Kombinationstherapie durchgeführt werden.[14] Natürliche Resistenzen bestehen gegenüber Ampicillin + Sulbactam, Amoxicillin + Clavulansäure, den meisten Cephalosporinen (insbesondere allen der ersten und zweiten Generation), Ertapenem, Chloramphenicol, Trimethoprim, Tetracyclinen und Tigecyclin[15].
Literatur
- Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenlehre von Rolle/Mayr, Enke Verlag, Stuttgart 2007
- Frank Dara: Research topic on Pseudomonas aeruginosa, Biology, Genetics, and Host-Pathogen Interactions. In: Frontiers in Microbiology 2(2012) (Editorial)
- Markus Wloka: Rheologische Untersuchungen an nativen Biofilmen von Pseudomonas aeruginosa, Dissertation, Dortmund 2006
Weblinks
- P. aeruginosa in handelsüblichen Zigaretten
- Leckerer Seifenschaum. (P. aeruginosa auch in Shampoo lebensfähig). Auf: wissenschaft.de vom 20. Mai 2006
- The Pseudomonas Genome Project schlüsselt das komplette Genom von P. aeruginosa auf.
- www.systomonas.tu-bs.de – Systembiologische Datenbank zu Pseudomonaden
- Marion Martin: Den Gegner platzen lassen. Auf: wissenschaft.de vom 20. Juli 2011.
- Johanna M. Sweere et al.: Bacteriophage trigger antiviral immunity and prevent clearance of bacterial infection, Science Band 363, Nr. 6434, 29. März 2019, eaat9691, doi:10.1126/science.aat9691 – über Pseudomonas aeruginosa filamentous phages (Pf-Phagen), Inoviridae. Dazu:
- UM researchers publish new discoveries on bacterial viruses, auf: EurekAlert!, 1. April 2019, Quelle: University of Montana
- Teiji Sawa, Masaru Shimizu, Kiyoshi Moriyama, Jeanine P. Wiener-Kronish: Association between Pseudomonas aeruginosa type III secretion, antibiotic resistance, and clinical outcome: a review, in:
Crit Care 18(6), 13. Dezember 2014, S. 668, doi:10.1186/s13054-014-0668-9, PMID 25672496, PMC 4331484 (freier Volltext)
Einzelnachweise
- Hygieneanforderungen an Bäder und deren Überwachung, Empfehlung des Umweltbundesamtes, Bundesgesundheitsblatt 2014 Bl. 258, 260f (PDF) auch zur Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes
- VDI 3679 Blatt 1:2014-07 Nassabscheider; Grundlagen, Abgasreinigung von partikelförmigen Stoffen (Wet separators; Fundamentals, waste gas cleaning of particle collections). Beuth Verlag, Berlin. S. 48.
- Martin Eschbach, Kerstin Schreiber, Katharina Trunk, Jan Buer, Dieter Jahn: Long-Term Anaerobic Survival of the Opportunistic Pathogen Pseudomonas aeruginosa via Pyruvate Fermentation. In: Journal of Bacteriology. Band 186, Nr. 14, Juli 2004, ISSN 0021-9193, S. 4596–4604, doi:10.1128/JB.186.14.4596-4604.2004, PMID 15231792, PMC 438635 (freier Volltext).
- C Vander Wauven, A Piérard, M Kley-Raymann, D Haas: Pseudomonas aeruginosa mutants affected in anaerobic growth on arginine: evidence for a four-gene cluster encoding the arginine deiminase pathway. In: Journal of Bacteriology. Band 160, Nr. 3, Dezember 1984, ISSN 0021-9193, S. 928–934, PMID 6438064, PMC 215798 (freier Volltext).
- J. B. Lyczak, C. L. Cannon, G. B. Pier: Establishment of Pseudomonas aeruginosa infection: lessons from a versatile opportunist. In: Microbes and Infection. Band 2, Nr. 9, Juli 2000, ISSN 1286-4579, S. 1051–1060, PMID 10967285.
- Amy J Scott-Thomas, Mona Syhre, Philip K Pattemore, Michael Epton, Richard Laing: 2-Aminoacetophenone as a potential breath biomarker for Pseudomonas aeruginosa in the cystic fibrosis lung. In: BMC Pulmonary Medicine. Band 10, Nr. 1, Dezember 2010, ISSN 1471-2466, S. 56, doi:10.1186/1471-2466-10-56, PMID 21054900, PMC 2989937 (freier Volltext) – (biomedcentral.com [abgerufen am 12. Januar 2020]).
- Stefania-Elisavet Kapsetaki, Ilias Tzelepis, Kalodoti Avgousti, Ioannis Livadaras, Nikos Garantonakis: The bacterial metabolite 2-aminoacetophenone promotes association of pathogenic bacteria with flies. In: Nature Communications. Band 5, Nr. 1, Dezember 2014, ISSN 2041-1723, S. 4401, doi:10.1038/ncomms5401 (nature.com [abgerufen am 12. Januar 2020]).
- Hagelüken, Gregor et al. (2006): The crystal structure of SdsA1, an alkylsulfatase from Pseudomonas aeruginosa, defines a third class of sulfatases In: PNAS, Bd. 103, S. 7631–7636 PMID 16684886 doi:10.1073/pnas.0510501103
- F. Leitermann: Biotechnologische Herstellung mikrobieller Rhamnolipide. Karlsruhe 2008, Universität Karlsruhe (TH)
- Stover, CK et al. (2000): Complete genome sequence of Pseudomonas aeruginosa PAO1, an opportunistic pathogen In: Nature Bd. 406(6799), S. 947–8, PMID 10984043
- Kozlova, E. V., L. A. Anisimova, et al. (1989): [Antibiotic resistance in clinical strains of Pseudomonas aeruginosa isolated from 1979-1984]. In: Antibiot Khimioter 34(1): 24-8. PMID 2499281
- Zeitschrift für Chemotherapie 3-2008 (Memento vom 15. Juni 2012 im Internet Archive)
- I. Stock: Die „Renaissance“ der Polymyxine. (PDF; 371 kB) In: Arzneimitteltherapie Band 29, 2011, S. 71–80.
- Marianne Abele-Horn: Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten. Unter Mitarbeit von Werner Heinz, Hartwig Klinker, Johann Schurz und August Stich, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Peter Wiehl, Marburg 2009, ISBN 978-3-927219-14-4, S. 194 und 266.
- R. Leclercq et al.: EUCAST expert rules in antimicrobial susceptibility testing. In: Clinical Microbiology and Infection. Band 19, Nr. 2. Wiley-Blackwell, 2013, ISSN 1469-0691, S. 141–160, doi:10.1111/j.1469-0691.2011.03703.x, PMID 22117544 (wiley.com [abgerufen am 17. Februar 2013]).