Panzerfaust
Die Panzerfaust (auch Panzerabwehrrohr) ist eine deutsche reaktive Panzerbüchse aus dem Zweiten Weltkrieg. Die in großen Stückzahlen produzierte Waffe wurde für die Panzerabwehr konstruiert. Durch ihre große Bekanntheit und die plakative Wirkung der Bezeichnung wurde die Panzerfaust ein Synonym für den gesamten Waffentyp.
Technik
Die Panzerfaust verschießt Hohlladungsgeschosse nach dem Prinzip des rückstoßfreien Geschützes. Die Rückstoß-Energie des Projektils wird durch die Energie einer sich entgegengesetzt nach hinten bewegenden Masse oder auch Gasmenge ausgeglichen. Der nach hinten austretende Strahl kann auf kurze Entfernung tödlich sein.
Die Abschussvorrichtung (Rohr) war eigentlich als Wegwerfwaffe konzipiert. Die Rohre wurden jedoch oftmals auf Kompanie-, Bataillons- oder Regimentsebene gesammelt und in der Waffenmeisterei nachgeladen.
Auf dem Abschussrohr befindet sich eine aufklappbare Metallschiene, die als einfaches, offenes Visier dient. In der Metallschiene befinden sich Löcher (Lochkimme) mit Meterangaben (30, 60, 80 bei Panzerfaust 60). Als Korn dient die Oberseite der Granate.
Abgeschossen wurde die Panzerfaust entweder von der Schulter oder unter der Schulter, eingeklemmt zwischen Oberarm und Rumpf.
Geschichte
Auf der Grundlage der von der Firma Hugo Schneider AG (HASAG) entwickelten Faustpatrone wurde 1942 die Panzerfaust von der HASAG entwickelt. Die Waffen wurde von zehntausenden Zwangsarbeitern unter menschenunwürdigen Bedingungen an verschiedenen Firmenstandorten in Deutschland und Polen sowie unter anderem im KZ-Außenlager Schlieben produziert.
Es handelte sich dabei um ein einfaches Werferrohr mit einem Gesamtgewicht von weniger als 10 kg. An der oberen Seite des Rohrs befand sich eine simple aufklappbare Zielvorrichtung mit Abzug. An der Vorderseite befand sich ein 3,3 kg schweres Geschoss mit ungefähr 1,6 kg Sprengstoff.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden durch die Wehrmacht drei Ausführungen eingesetzt: Die Panzerfaust 30 wurde seit dem August 1943 ausgeliefert. Die „30“ gab die Reichweite in Metern an. Später folgten die Panzerfaust 60 und die Panzerfaust 100.
In der Presse wurde über die neue Waffe erstmals Mitte 1944 gleichzeitig mit dem Panzerschreck berichtet.[1] Vorher wurde „Panzerfaust“ nur im Sinne von „Kampfkraft von Panzern“[2] bzw. „Panzerschreck“ synonym für „Angst vor Panzern“[3] verwendet.
Ein weiteres Modell, die Panzerfaust 150, mit 150 Metern Reichweite wurde von Februar 1945 bis zum Ende des Krieges in der vergleichsweise geringen Stückzahl von etwa 100.000 hergestellt. Charakteristisch war dabei die Granate, welche länger und schmaler war, was sie stromlinienförmiger machte. Ein optional montierbarer Splitterring (sog. „Splitterfaust“) verbesserte die Einsatzmöglichkeit als Antipersonenwaffe. Die Panzerfaust 150 war, wie ihre Vorgänger, eine nicht nachladbare Wegwerfwaffe.
Geplant war eine nachladbare Variante, deren Entwicklung aber vor dem Kriegsende noch nicht abgeschlossen war.[4] Diese nachladbare Panzerfaust 250 kam nie über die Planungsphase hinaus. Komplett geändert wurde auch die Abschussvorrichtung, denn sie ähnelte nun stark einem Pistolengriff mit gewöhnlichem Abzug. Verbessert wurden jeweils auch die Reichweite und die Granate. Sowohl die USA[5] wie auch die Sowjetunion erbeuteten Pläne der Waffe.[6] Die Panzerfaust 250 beeinflusste daher maßgeblich die Entwicklung der sowjetischen RPG-2.[7]
Nach Eike Middeldorf war der effektive Einsatz auf unter 80 Meter beschränkt. Als die Rote Armee im Januar 1945 ihre Panzer mit einem schützenden Gürtel von Infanteristen im Umkreis von 100 bis 200 m umgab, brachen die Abschusserfolge drastisch ein, und der Panzernahkampf war nur noch bei besonders günstigen Versteckmöglichkeiten möglich.[8]
Allein 1945 wurden noch über 2 Millionen Panzerfäuste hergestellt und an Soldaten sowie an den Volkssturm ausgegeben. Insgesamt wurden 6,7 Millionen Panzerfäuste produziert.[9]
Auch Finnland wurde als Verbündeter Deutschlands (bis September 1944) mit Panzerfäusten beliefert. Die Rote Armee erbeutete große Mengen der Panzerfaust und setzte diese ebenfalls ein, da ihr keine vergleichbare eigene Waffe zur Verfügung stand.
Ein großes Problem beim Einsatz dieser Waffe war, dass der Schütze durch den nach hinten austretenden Gasstrahl der Panzerfaust seinen Standort sehr deutlich markierte und somit verriet.
Technische Daten
Bezeichnung | Gewicht in kg |
Gewicht der Treibladung in g |
Ø des Gefechtskopfes in mm |
Geschwindigkeit Vmax in m/s |
effektive Schussweite in m |
Durchschlags- leistung in mm |
---|---|---|---|---|---|---|
Faustpatrone 30 | 2,7–3,2 | 70 | 100 | 28 | 30 | 140 |
Panzerfaust 30 | 6,6 | 95–100 | 149 | 30 | 40 | 140 |
Panzerfaust 60 | 8,5 | 120–134 | 149 | 45 | 80 | 200 |
Panzerfaust 100 | 9,4 | 190–200 | 149 | 45 | 100 | 200 |
Panzerfaust 150 | 6,5 | 190–200 | 106 | 85 | 150 | 280–320 |
Bundeswehr heute
Aktuell verwendet die Bundeswehr – nach Ablösung der lange genutzten leichten Panzerfaust 44 mm sowie der schweren Panzerfaust 84 mm „Carl Gustaf“ – zur Panzerabwehr die Panzerfaust 3 sowie das Wirkmittel 90.
Literatur
- OKW: Vorschrift D 560/2 – Merkblatt für die Handhabung der Panzerfaust, 1943.
- Gordon L. Rottman: World War II Infantry Anti-Tank Tactics Osprey Publishing, 2005, Seite 47, ISBN 978-1-84176-842-7. (67 Seiten online-PDF) (Memento vom 15. Mai 2018 im Internet Archive)
- Reiner Lidschun, Günter Wollert: Enzyklopädie der Infanteriewaffen – 1918 bis 1945 – Band 1 Bechtermünz Verlag, Augsburg 1998, ISBN 3-8289-0406-8, S. 226–228
Weblinks
- Panzerfäuste der Wehrmacht auf WaffenHQ.de
- Panzerjäger in Pantoffeln. In: Die Presse. http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1333051/Syrien_Panzerjaeger-in-Pantoffeln?from=gl.home_politik
Einzelnachweise
- Die Panzerzerstörer mit neuen Waffen an der Ostfront. In: Oberdonau-Zeitung. 7. Mai 1944, S. 2 (ANNO – AustriaN Newspapers Online [abgerufen am 4. Mai 2020]).
- Stoß auf die Rollbahn Nord. In: Wiener Kronen Zeitung. 22. November 1943, S. 1 (ANNO – AustriaN Newspapers Online [abgerufen am 4. Mai 2020]).
- Befehl: Panzer durchrollen lassen... In: Kleine Volks-Zeitung. 12. Oktober 1943, S. 3 (ANNO – AustriaN Newspapers Online [abgerufen am 4. Mai 2020]).
- Gordon L. Rottman: Panzerfaust and Panzerschreck, Osprey Publishing, 2014, ISBN 9781782007906, S. 23–24
- mdr.de: Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie: die HASAG – Leipzigs vergessene Waffenschmiede | MDR.DE. Abgerufen am 21. März 2021.
- Gordon L. Rottman: The Rocket Propelled Grenade, Osprey Publishing, 2010, ISBN 9781849081535, S. 13
- Gordon L. Rottman: The Rocket Propelled Grenade, Osprey Publishing, 2010, ISBN 9781849081535, S. 16
- Eike Middeldorf: Taktik im Russlandfeldzug. Erfahrungen und Folgerungen. Frankfurt am Main 1956, S. 167 f.
- Vgl. Hans Holzträger: Kampfeinsatz der Hitler-Jugend im Chaos der letzten Kriegsmonate. AGK 1995, ISBN 978-3-928389-15-0; S. 29 Fn. 39.
- Reiner Lidschun, Günter Wollert: Enzyklopädie der Infanteriewaffen – 1918 bis 1945 – Band 1 Bechtermünz Verlag, Augsburg 1998, ISBN 3-8289-0406-8, S. 228
- Fritz Hahn: Waffen und Geheimwaffen des deutschen Heeres 1933–1945, Band 1, Bernard und Graefe Verlag, Koblenz 1986, S. 88–92