Panzerfaust 3
Die Panzerfaust 3 ist die rückstoßfreie Panzerabwehrhandwaffe der Bundeswehr und der Schweizer Armee, Produzent ist die Dynamit Nobel Defence GmbH. Sie wird von allen infanteristisch kämpfenden Truppengattungen eingesetzt (Panzerabwehr aller Truppen).
Geschichte
Anfang der 1970er Jahre kamen aufgrund der ständig fortschreitenden Entwicklung in der Panzertechnik Forderungen nach einer neuen Panzerabwehrhandwaffe für die Infanterie auf, um die bis dahin in der Bundeswehr eingeführten und genutzten Waffen wie die leichte Panzerfaust 44 mm „Lanze“ und die schwere Panzerfaust 84 mm „Carl Gustaf“ zu ersetzen. Im Rahmen der konzeptionellen Überlegungen wurde in der Taktischen Forderung an das Wehrmaterial vom 23. Januar 1973 folgendes Anforderungsprofil festgelegt:
- Einwegwaffe
- wirksam gegen alle bekannten Panzertypen
- sichere und einfache Handhabung
- geringer Ausbildungsaufwand
- Schießen aus Deckungen möglich, aus geschlossenen Räumen mit geringer Tiefe erwünscht
1978 erhielt die damalige Dynamit-Nobel AG den Entwicklungsauftrag, 1986 begannen die ersten Truppenversuche, 1992 wurde schließlich die Panzerfaust 3 offiziell eingeführt.
Aufbau und Wirkungsweise
Die Panzerfaust 3 besteht aus dem wiederverwendbaren Griffstück und der Patrone. Die Patrone wiederum unterteilt sich in Abschussrohr und Geschoss. Der Geschosskopf liegt außerhalb des Rohres, wodurch die Abmessungen des Kopfes unabhängig vom Kaliber des Abschussrohres gewählt werden können. Er besteht aus zwei Teilen – dem Abstandsrohr und der Wirkladung. Gegen gepanzerte Ziele, wie Panzer, wird das Abstandsrohr ausgezogen. Gegen weiche Ziele, wie Lkw und Gebäude, bleibt es eingeschoben. Das Griffstück ist mit Visier und Abschusseinrichtung ausgestattet.
Aufgrund einer neuartigen Verdämmung kann die Panzerfaust 3 auch in geschlossenen Räumen eingesetzt werden. Der Sicherheitsbereich beträgt 10 m, wird allerdings im Ausbildungsbetrieb der Bundeswehr größer dimensioniert. Die Verdämmung besteht aus Plastikkugeln und wird beim Abschuss nach hinten ausgestoßen. Durch den Ausstoß wird ebenfalls der Rückstoß reduziert, die Wirkung gleicht einem rückstoßfreien Geschütz. Entgegen der ursprünglichen Festlegung als Einwegwaffe wurde dieses Konzept in den ersten Nutzungsjahren bei der Bundeswehr aufgegeben. Somit wird nach dem Schuss die Abfeuerungseinrichtung vom Abschussrohr abgenommen und kann zusammen mit einer neuen Patrone weiterverwendet werden.
Die Panzerfaust 3 ist in der Standardausführung nicht nachtkampffähig und damit auf Gefechtsfeldbeleuchtung angewiesen. Durch eine Montageplatte kann jedoch mit dem Nachtsichtaufsatz 80 (NSA 80) ein Restlichtverstärker angebracht werden.
Technische Daten
- Kaliber Geschosskopf: 110 mm
- Kaliber Abschussrohr: 60 mm
- Gewicht: 12,9 kg (Pzf 3), 13,3 kg (Pzf 3-T, Bunkerfaust), 15,1 kg (Pzf 3-IT-600) – alle Daten mit Griffstück
- Kampfentfernung: 300 m gegen fahrende Ziele, 400 m gegen stehende Ziele, Bunkerfaust ab 11 m
- Durchschlagsleistung: unterschiedlich je nach Version
- : 165 m/s (Pzf 3)
- : 248 m/s (Durch Nachbeschleunigung des Geschosses)
Versionen
Es wurden mehrere Patronenarten mit unterschiedlicher Wirkungsweise eingeführt. Jedoch besitzen alle Varianten die Möglichkeit des Abfeuerns aus geschlossenen Räumen, der Nutzung als „Bunkerbrecher“ und des Einsatzes als panzerbrechende Waffe.
- Panzerfaust 3: Die Standardpatrone wirkt nach dem Hohlladungsprinzip (700 mm Panzerstahl).
- Panzerfaust 3-T: Die Tandemhohlladung ist auch gegen Reaktivpanzerungen wirksam (800 mm Panzerstahl).
- Panzerfaust 3-IT-600: Die Abfeuereinrichtung DYNARANGE mit Computervisierung Simrad IS2000 misst per Laserentfernungsmesser die Entfernung zum Ziel. Ein Feuerleitrechner ermittelt nach einer kurzen optischen Verfolgung des Zieles mittels der Winkelgeschwindigkeit und Zielentfernung einen Haltepunkt, welcher dann dem Schützen angezeigt wird. Auf diese Weise können Ziele bis zu einer Entfernung von 600 m bekämpft werden. Keine andere ungelenkte Panzerabwehrwaffe bietet eine auch nur annähernd vergleichbare Reichweite und Präzision. Bei der Bundeswehr ist diese Konfiguration als Pzf 3-IT-600 eingeführt.
- Panzerfaust 3 „Bunkerfaust“: Ein zündverzögerter Splittersprengsatz, die sogenannte Nachschussladung, fliegt durch das von der Hohlladung geschaffene Loch und explodiert im Inneren des Ziels. Diese Patrone ist zum Einsatz gegen gehärtete Bauwerke aus armiertem Beton oder Feldbefestigungen gedacht. Die Durchschlagsleistung beträgt maximal 30 cm bei armiertem Beton und mehrlagiger Ziegelmauer sowie 130 cm bei Sandsackstellungen oder Erdbunkern.
- Panzerfaust RGW 60: RGW steht für engl. Recoilless Grenade Weapon (rückstoßlose Granat-Waffe) und ist eine Weiterentwicklung auf Basis der Panzerfaust 3 im Kaliber 60 mm statt 110 mm. Das kleinere Kaliber reduziert das Gewicht enorm und ermöglicht den Einsatz beim Orts- und Häuserkampf sowie in Situationen, in denen die Durchschlagsleistung weniger wichtig ist. Dieses System wurde zusammen mit dem Programm Infanterist der Zukunft bei der Bundeswehr 2004 eingeführt. Eine Version mit 90 mm und Antistrukturgefechtskopf (AS) wurde im März 2012 an die Bundeswehr ausgeliefert.[1] Eine weitere Variante mit Wall-Breaching-Gefechtskopf (WB), der es ermöglicht mannsgroße Löcher in Mauern und Wände zu schlagen, wird vom Hersteller angeboten.[2]
Für Übungen in der Umgangsweise mit der Panzerfaust gibt es vier Systeme:
- Panzerfaust 3 EX: Entspricht der Standardpatrone in Gewicht und Aussehen, enthält allerdings keinen Treibsatz oder Sprengstoff und dient nur zur Übung im Umgang mit der Panzerfaust. Bei Manövern ohne AGDUS dient diese auch als Darstellung der Panzerabwehr.
- Panzerfaust 3 AGDUS: AGDUS steht für Ausbildungsgerät Duellsimulator und simuliert mittels Laser den Waffeneinsatz und ermöglicht eine waffennahe Ausbildung. Die Software berücksichtigt dabei auch Ziel- und Bedienungsfehler.
- Panzerfaust 3 UEB-T: Dieser Typ entspricht der richtigen Panzerfaust 3, verschießt aber Unterkalibermunition im Kaliber 18 mm (siehe Bild).
- Panzerfaust 3 UEB 60 mm: Diese Variante ist ebenfalls in Gewicht und Aussehen der scharfen Patrone gleich, unterscheidet sich aber durch einen blauen Geschosskopf, der als Darstellungskörper nur Aluminium enthält. In Bezug auf Rückstoß und Verhalten der Waffe beim Abschuss entspricht diese Version dem scharfen Geschosskopf exakt, da auch die identischen Griffstücke mit der entsprechenden Justierung verwendet werden.
Nutzer
Neben Deutschland und der Schweiz nutzen auch die Niederlande, Japan, Italien, Peru[3] und Südkorea die Panzerfaust 3. Die genaue Bezeichnung der Munition in Deutschland ist in der Liste von Bundeswehrmunition ersichtlich. Im Rahmen der Ausbildungsunterstützung der Bundeswehr im Irak erhielten auch die kurdischen Peschmerga im Irak die Panzerfaust 3. Nach dem Russischen Überfall auf die Ukraine 2022 erlaubte Deutschland den Niederlanden die Ausfuhr von 400 Exemplaren in die Ukraine und lieferte weitere 1000 Stück selbst.[4]
Literatur
- R. Abresch, R. Wilhelm (Hrsg.): Moderne Handwaffen der Bundeswehr. Frankfurt am Main, Bonn 2001, ISBN 3-932385-10-1.
- Der Reibert. Das Handbuch für den deutschen Soldaten. Hamburg 2007, ISBN 978-3-8132-0878-8.
- Günter Wollert, Reiner Lidschun, Wilfried Kopenhagen: Schützenwaffen. (1945–1985). In: Illustrierte Enzyklopädie der Schützenwaffen aus aller Welt. 5. Auflage. Band 1+2. Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 1988, ISBN 3-89488-057-0, Waffen, S. 165.
Weblinks
Einzelnachweise
- YouTube.de RGW 90 AS – Die Produktion, YouTube-Kanal der Bundeswehr, Video, abgerufen am 18. Mai 2012
- Hardthöhenkurier Schultergestützte Handwaffen für das urbane Gefecht, abgerufen am 18. Mai 2012
- Peru – Weapon holdings (Seite 2)
- Ukraine: Bundesregierung genehmigt nun doch Waffenlieferungen auf www1.wdr.de, abgerufen am 3. März 2022