Lingelbach (Alsfeld)
Lingelbach ist ein Stadtteil von Alsfeld im mittelhessischen Vogelsbergkreis.
Lingelbach Stadt Alsfeld | |
---|---|
Höhe: | 376 (374–402) m ü. NHN |
Fläche: | 16,6 km²[1] |
Einwohner: | 558 (31. Dez. 2020)[2] |
Bevölkerungsdichte: | 34 Einwohner/km² |
Eingemeindung: | 1. August 1972 |
Postleitzahl: | 36304 |
Vorwahl: | 06639 |
Lingelbach von Süden |
Geographie
Lingelbach liegt etwa östlich vom Hauptort. Im Ort treffen sich die Bundesstraße 62 und die Landesstraßen 3157 und 3161.
Geschichte
Von den Anfängen bis zur Gebietsreform in Hessen
Durch die Endung des Ortsnamens -bach lässt sich vermuten, dass es sich um eine fränkische Siedlung handelt. Das Gewässer Lintenbah ist bereits 812 zu belegen. Bekanntermaßen erstmals urkundlich erwähnt wurde das Dorf 1458 als Lyndelbach, darauf 1492 als Lingelbach, ist aber durch andere Belege schon für das 13. Jahrhundert zu erschließen.[1]
Erster evangelischer Pfarrer war um 1569 Johannes Maar, 1607 wechselte die Gemeinde zum reformierten Bekenntnis.
Für Lingelbach ist eine eigene Rotwelschvariante überliefert, die Lingelbacher Musikantensprache.[3]
Gebietsreform
Zum 1. August 1972 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Lingelbach im Zuge der Gebietsreform in Hessen kraft Landesgesetz in die Stadt Alsfeld eingegliedert. Gleichzeitig wechselte der Ort damit vom Kreis Ziegenhain in den Vogelsbergkreis.[4][5] Für den Stadtteil Lingelbach, wie für die übrigen Stadtteile von Alsfeld, wurde ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung eingerichtet.[6]
Territorialgeschichte und Verwaltung im Überblick
Die folgende Liste zeigt im Überblick die Territorien in denen Lingelbach lag, bzw. die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][7]
- 14. Jahrhundert: Heiliges Römisches Reich, Gericht Lingelbach
- vor 1567: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen, Gericht Breitenbach (Lehen der Freiherren von Dörnberg)
- ab 1567: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Marburg, Gericht Breitenbach
- 1604–1648: Heiliges Römisches Reich, strittig zwischen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und Landgrafschaft Hessen-Kassel (Hessenkrieg), Gericht Breitenbach
- ab 1648: Heiliges Römisches Reich, Landgrafschaft Hessen-Kassel, Gericht Breitenbach
- ab 1806: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Grafschaft Ziegenhain, Amt Oberaula
- 1807–1813: Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Hersfeld, Kanton Breitenbach
- ab 1815: Deutscher Bund, Grafschaft Ziegenhain, Amt Oberaula, Gericht Breitenbach[8]
- ab 1821: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Ziegenhain[9]
- ab 1848: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Bezirk Fritzlar
- ab 1851: Deutscher Bund, Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Ziegenhain
- ab 1867: Norddeutscher Bund, Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Ziegenhain
- ab 1871: Deutsches Reich, Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Ziegenhain
- ab 1918: Deutsches Reich, Freistaat Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Ziegenhain
- ab 1944: Deutsches Reich, Freistaat Preußen, Provinz Kurhessen, Landkreis Ziegenhain
- ab 1945: Amerikanische Besatzungszone, Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Ziegenhain
- ab 1949: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Ziegenhain
- ab 1972: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Vogelsbergkreis
- am 1. August 1972 wurde Lingelbach als Stadtteil nach Alsfeld eingegliedert.
- ab 1981: Bundesrepublik Deutschland, Land Hessen, Regierungsbezirk Gießen, Vogelsbergkreis
Gerichte seit 1821
Mit Edikt vom 29. Juni 1821 wurden in Kurhessen Verwaltung und Justiz getrennt. Nun waren Justizämter für die erstinstanzliche Rechtsprechung zuständig, die Verwaltung wurde von Kreisen übernommen. In Ziegenhain wurde der Kreis Ziegenhain für die Verwaltung eingerichtet und das Amtsgericht Oberaula war als Gericht in erster Instanz für Lingelbach zuständig. Das Oberste Gericht war das Oberappellationsgericht in Kassel. Untergeordnet war das Obergericht Marburg für die Provinz Oberhessen. Es war die zweite Instanz für die Justizämter.[10]
Nach der Annexion Kurhessens durch Preußen wurde das Landgericht Marburg 1867 zum königlich Preußischen Amtsgericht Oberaula. Im Juni 1867 erging eine königliche Verordnung, die die Gerichtsverfassung in den zum vormaligen Kurfürstentum Hessen gehörenden Gebietsteilen neu ordnete. Die bisherigen Gerichtsbehörden sollten aufgehoben und durch Amtsgerichte in erster, Kreisgerichte in zweiter und ein Appellationsgericht in dritter Instanz ersetzt werden.[11] Im Zuge dessen erfolgte am 1. September 1867 die Umbenennung des bisherigen Justizamtes in Amtsgericht Oberaula. Die Gerichte der übergeordneten Instanzen waren das Kreisgericht Marburg und das Appellationsgericht Kassel.[12]
Auch mit dem Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes von 1879 blieb das Amtsgericht unter seinem Namen bestehen. Das Amtsgericht Oheraula war ab dem 15. Juli 1943 nur noch Zweigstelle des Amtsgerichts Treysa und ab März 1947 Zweigstelle des Amtsgerichts Neukirchen. Die Zweigstelle wurde am 30. Juni 1969 aufgehoben. Der Bezirk des ehemaligen Amtsgerichts Oberaula ging mit diesem Tag im Bezirk des Amtsgerichts Treysa auf das 1970 in Amtsgericht Schwalmstadt umbenannt wurde. In der Bundesrepublik Deutschland sind die übergeordneten Instanzen das Landgericht Marburg, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie der Bundesgerichtshof als letzte Instanz.
Einwohnerstruktur
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Lingelbach 600 Einwohner. Darunter waren keine Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 84 Einwohner unter 18 Jahren, 235 zwischen 18 und 49, 147 zwischen 50 und 64 und 150 Einwohner waren älter.[13] Die Einwohner lebten in 255 Haushalten. Davon waren 63 Singlehaushalte, 81 Paare ohne Kinder und 81 Paare mit Kindern, sowie 24 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In 54 Haushalten lebten ausschließlich Senioren/-innen und in 159 Haushaltungen leben keine Senioren/-innen.[13]
Einwohnerzahlen
Quelle: | Historisches Ortslexikon[1] |
• 1585: | 52 Hausgesesse |
• 1681: | 20 Hausgesesse, 1 Ausschuss |
• 1780: | 70 Wohnhäuser mit 396 Einwohnern |
Lingelbach: Einwohnerzahlen von 1780 bis 2020 | ||||
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Jahr | Einwohner | |||
1780 | 396 | |||
1800 | ? | |||
1834 | 729 | |||
1840 | 723 | |||
1846 | 704 | |||
1852 | 724 | |||
1858 | 701 | |||
1864 | 690 | |||
1871 | 702 | |||
1875 | 636 | |||
1885 | 644 | |||
1895 | 609 | |||
1905 | 675 | |||
1910 | 678 | |||
1925 | 655 | |||
1939 | 654 | |||
1946 | 919 | |||
1950 | 936 | |||
1956 | 753 | |||
1961 | 705 | |||
1967 | 714 | |||
1970 | 753 | |||
1980 | ? | |||
1990 | ? | |||
2000 | ? | |||
2011 | 600 | |||
2015 | 552 | |||
2020 | 558 | |||
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[1]; Zensus 2011[13]; Stadt Alsfeld: 2015[14], 2020[2] |
Religionszugehörigkeit
Quelle: | Historisches Ortslexikon[1] |
• 1861: | 697 evangelisch-reformierte, ein evangelisch-lutherischer, ein römisch-katholischer Einwohner |
• 1885: | 637 evangelische (= 98,91 %), 3 katholische (= 0,47 %) und 4 jüdische (= 0,62 %) Einwohner |
• 1961: | 632 evangelische (= 89,65 %), 71 römisch-katholische (= 10,07 %) Einwohner |
Erwerbstätigkeit
Quelle: | Historisches Ortslexikon[1] |
• 1780: | Einwohnern. Erwerbspersonen: 2 Müller, 4 Schmiede, 4 Schneider, 2 Schreiner, 1 Zimmermann, 1 Wagner, 4 Tagelöhner, 3 Weibspersonen, die sich vom Spinnen und Tagelohnen nähren. |
• 1838: | Familien: 37 Ackerbau, 30 Gewerbe, 77 Tagelöhner. |
• 1961: | Erwerbspersonen: 225 Land- und Forstwirtschaft, 101 produzierendes Gewerbe, 31 Handel und Verkehr, 17 Dienstleistungen und Sonstiges. |
Kulturdenkmäler
Die evangelische Kirche, die zum evangelischen Kirchspiel Bechtelsberg im Kirchenkreis Schwalm-Eder der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck gehört, wurde 1793 nach Plänen von J.A. Engelhardt erbaut (datiert durch eine Jahreszahl über dem Hauptportal). Ein Taufstein und eine Glocke aus dem Spätmittelalter sowie drei vor 1600 geschaffene, farbige gefasste Stein-Epitaphien für Mitglieder der Familien Dörnberg bzw. Zerssen belegen eine ältere Kirche am gleichen Ort. Die Kanzel ist am intarsierten Schalldeckel auf 1794 datiert. Die Orgel wurde um 1864/65 errichtet.[15]
Siehe auch: Liste der Kulturdenkmäler in Lingelbach (Alsfeld)
Vereine
Das Vereinsleben im Ort prägen folgende Vereine:
- Bauernverband
- Burschenschaft Lingelbach
- Freiwillige Feuerwehr Lingelbach
- Gesangverein Eintracht Lingelbach
- Jagdgenossenschaft Lingelbach
- Jugendclub Lingelbach
- Landfrauenverein Lingelbach
- Motorradclub „Quetschedell“ Lingelbach,
- Evangelischer Posaunenchor Lingelbach
- Schützenverein Lingelbach
- Turn- und Sportverein Lingelbach
- Westerntanzgruppe „Hot Spurs“.
Windpark
Westlich von Lingelbach wurde im Jahr 2003 in Nachbarschaft zur B 62 ein Windpark mit insgesamt sechs Windkraftanlagen in Betrieb genommen. Die Anlagen des Typs Pfleiderer PWE 600 haben eine Nennleistung von je 600 kW. Sie zählen damit aus heutiger Sicht bereits zu den leistungsschwächeren Typen und werden auch nicht mehr hergestellt, da sich die Firma Pfleiderer bereits 2004 wieder aus der Windenergiebranche zurückgezogen hat.
Literatur
- Literatur über Lingelbach nach Stichwort nach GND In: Hessische Bibliographie
- Suche nach Lingelbach (Alsfeld) In: Archivportal-D der Deutschen Digitalen Bibliothek
Weblinks
- Stadtteil Lingelbach. In: Webauftritt. Stadt Aldfeld
- Lingelbach, Vogelsbergkreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
- Lingelbach, Vogelsbergkreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. September 2019). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Haushaltplan 2020, Vorbericht. Stadt Alsfeld, abgerufen im Juli 2021.
- Siehe dazu u. a. H. Weber: Die Lingelbacher Musikantensprache und die Geheimsprache der Vogelsbergmaurer. In: Hessische Blätter für Volkskunde. Nr. 11, 1912, S. 141–146.
- Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Alsfeld und Lauterbach (GVBl. II 330-12) vom 1. August 1972. In: Der Hessische Minister des Innern (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1972 Nr. 17, S. 215, §§ 2 und 12 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,2 MB]).
- Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. =347.
- Hauptsatzung. (PDF; 205 kB) § 8. In: Webauftritt. Stadt Alsfeld, abgerufen im Juli 2021.
- Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818. Verlag d. Waisenhauses, Kassel 1818, S. 86–87 (online bei Google Books).
- Verordnung vom 30sten August 1821, die neue Gebiets-Eintheilung betreffend, Anlage: Übersicht der neuen Abtheilung des Kurfürstenthums Hessen nach Provinzen, Kreisen und Gerichtsbezirken. Sammlung von Gesetzen etc. für die kurhessischen Staaten. Jahr 1821 – Nr. XV. – August. (kurhess GS 1821) S. 73 f.
- Neueste Kunde von Meklenburg/ Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und den freien Städten, aus den besten Quellen bearbeitet. im Verlage des G. H. G. privil. Landes-Industrie-Comptouts., Weimar 1823, S. 158 ff. (online bei HathiTrust’s digital library).
- Verordnung über die Gerichtsverfassung in vormaligen Kurfürstentum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf vom 19. Juni 1867. (PrGS 1867, S. 1085–1094)
- Verfügung vom 7. August 1867, betreffend die Einrichtung der nach der Allerhöchsten Verordnung vom 19. Juni d. J. in dem vormaligen Kurfürstentum Hessen und den vormals Königlich Bayerischen Gebietstheilen mit Ausschluß der Enklave Kaulsdorf, zu bildenden Gerichte (Pr. JMBl. S. 221–224 )
- Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,0 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 34 und 74 .
- Haushaltsplan 2017, Vorbericht.
- Website der Kirchengemeinde.