Liebenau (Niedersachsen)
Liebenau ist eine Gemeinde und ein Flecken im Landkreis Nienburg/Weser in Niedersachsen und gehört zur Samtgemeinde Weser-Aue.
Wappen | Deutschlandkarte | |
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Basisdaten | ||
Bundesland: | Niedersachsen | |
Landkreis: | Nienburg/Weser | |
Samtgemeinde: | Weser-Aue | |
Höhe: | 26 m ü. NHN | |
Fläche: | 23,08 km2 | |
Einwohner: | 3903 (31. Dez. 2020)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 169 Einwohner je km2 | |
Postleitzahl: | 31618 | |
Vorwahl: | 05023 | |
Kfz-Kennzeichen: | NI | |
Gemeindeschlüssel: | 03 2 56 019 | |
Adresse der Verbandsverwaltung: | Rathausstraße 14 31608 Marklohe | |
Website: | ||
Bürgermeisterin: | Margit Schmidt (CDU) | |
Lage der Gemeinde Liebenau im Landkreis Nienburg | ||
Geografie
Liebenau liegt etwa 15 km südwestlich der Kreisstadt Nienburg/Weser zwischen der Mittelweser und dem Osthang der in der Eiszeit entstandenen Nienburg-Meppener Geestplatte. Durch den Ort fließt die Aue.
Geschichte
Auf dem Heidberg, einer Sanddüne etwa 2 km südwestlich von Liebenau, wurde 1953 das Altsächsische Gräberfeld Liebenau entdeckt. Das Gräberfeld ist zwischen dem 4. und 9. Jahrhundert für Brand- sowie für Körperbestattungen genutzt worden. Bei der über 35 Jahre anhaltenden Ausgrabungstätigkeit des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover wurden rund 450 Gräber entdeckt. Die Grabbeigaben lieferten wichtige Erkenntnisse zur Kultur der Altsachsen und ließen erkennen, dass Handelsbeziehungen zu weit entfernten Gebieten bestanden haben. Am Ortsrand bestand die Sächsisch-karolingische Siedlung von Liebenau aus dem 8. bis 9. Jahrhundert, die seit 2015 archäologisch untersucht wird.
In der schriftlichen Überlieferung wird Liebenau im Zusammenhang mit Ritter- und Adelsgeschlechtern im 12. und 13. Jahrhundert erwähnt. Der Name Liebenau taucht erstmals im Jahr 1167 in einer Urkunde Heinrichs des Löwen auf.
Da im 10. Jahrhundert der Heilige Laurentius häufig als Schutzherr neu gegründeter Gotteshäuser erscheint, darf angenommen werden, dass das Kirchspiel Bruchtorf mit diesem Schutzpatron zu dieser Zeit entstanden ist. Es gehörte zum Bistum Minden und war Gerichtsort der Mindener Bischöfe. Mit dem Zeugen Eilward von Bructhorpe, dem Ahnherrn des Adelsgeschlechts „von Brockdorff“, ist der Name des Dorfes Bruchtorf im Jahre 1167 erstmals urkundlich erwähnt.
In der Wesermarsch bei Bruchtorf kaufte 1241 der Bischof von Minden eine Burg namens Venau von den Grafen von Oldenburg-Wildeshausen, die der Bischof von Minden sogleich im Jahre 1242 zu der neuen, gegen die Grafschaft Hoya gerichteten Wasserburg Nygenhus ausbaute. 1346 eroberten die Grafen von Hoya die Burg und zerstörten sie. Aus den Steinen der zerstörten Burg bauten die Grafen von Hoya noch im 14. Jahrhundert nördlich der Großen Aue das Schloss Liebenau, um das der Flecken Liebenau entstand. Das Schloss zerstörten um 1512 die Grafen von Schaumburg. Es wurde später lediglich als Amtshof wiederaufgebaut.[2]
Etwa seit Mitte des 14. Jahrhunderts sind die Orte Bruchtorf und Liebenau gemeinsam verwaltet worden, wobei sie allerdings noch bis nach dem 30-jährigen Krieg getrennt unter ihren Namen erschienen. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts erhielt Liebenau Fleckenrechte. 1709 wurde das Amt Liebenau an das Amt Steyerberg angeschlossen, der Liebenauer Amtshof 1728 abgerissen.
1939 entstand unmittelbar westlich von Liebenau in der Eickhofer Heide eine große Munitionsfabrik.[3] Gebaut wurde diese Fabrik von der Firma Wolff & Co. in Bomlitz. Sie wurde dann an die Montan GmbH übergeben, die sie an die Firma Eibia GmbH, eine hundertprozentige Tochter von Wolff & Co., verpachtete. Die Eibia produzierte auf dem Gelände für das Oberkommando des Heeres zum größten Teil verschiedene Pulvergrundstoffe, Pulver, Nitrozellulose und Raketentreibsätze. Ab 1943 wurden zudem auf dem Gelände verschiedene Prüfstände für Raketenmotoren errichtet. Etwa 2.000 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, die dort zu Tode kamen, wurden in der Kriegsgräberstätte Deblinghausen bei Steyerberg bestattet.
Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde zunächst von der Dynamit Nobel, später von der holländischen Eurometaal bis 1994 auf dem Eibia-Gelände in Liebenau Munition produziert. Noch Anfang der 1960er Jahre war die Pulverfabrik in Liebenau die größte in ganz Westdeutschland.
Von 1963 bis 1992 befand sich auf dem Gelände außerdem das Atomwaffendepot Sondermunitionslager Liebenau für die 1. Panzerdivision der Bundeswehr. Heute liegt das 12 Quadratkilometer große Areal der ehemaligen Eibia weitgehend brach und kann noch immer nicht ohne Erlaubnis betreten werden. Käufer und Investoren werden gesucht.[4]
Politik
Gemeinderat
Der Gemeinderat aus Liebenau setzt sich aus 15 Ratsfrauen und Ratsherren zusammen.
(Stand: Kommunalwahl am 12. September 2021)[5]
Bürgermeister
Die ehrenamtliche Bürgermeisterin Margit Schmidt wurde am 17. November 2011 gewählt. Am 11. November 2021 wurde sie für ihre dritte Amtszeit vom Gemeinderat einstimmig wiedergewählt.[6]
Wappen
Blasonierung: „In Grün der wachsende, golden nimbierte, blau gekleidete heilige Laurentius, der mit der Linken einen schwarzen Rost hält; rechts vor ihm der goldene Spitzhelm eines Kirchturms über Zinnenkranz“. Bereits in einem Weichbildsiegel, datiert auf das Jahr 1558, zeigt den Heiligen mit der Kirche. Dass der Kirchenpatron auch nach der Reformation erhalten blieb, erklärt sich mit seiner Bedeutung als Schutzheiliger der Schmiede, Liebenau war ein wichtiger Ort an dem Sensen hergestellt wurden. Die Tingierung des Siegelbildes ist neueren Datums, ein von Otto Hupp abweichendes Bild zeigt den Heiligen stehend und die Kirche mitsamt Turm und Langhaus.[7] Die Hauptfarben des Wappens Blau und Gold lehnen sich an das Löwenwappen der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg an, die in den Besitz von Liebenau nach dem Aussterben der Grafen von Hoya kamen.
- Erste Apotheke von 1720
- Fachwerkhaus von 1717
- Brunnenanlage
- Ortsblick
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Bauwerke
St.-Laurentius-Kirche
Am Standort der heutigen St.-Laurentius-Kirche stand zunächst eine Holzkirche, die ungefähr im Jahre 900 errichtet wurde. Zum Schutzpatron dieser Kirche wählte man den Heiligen Laurentius. Während der Lehnskriege der Hoyaer Grafen mit den Herzögen von Braunschweig und Lüneburg wurde die Kirche teilweise zerstört. Die Inschrift über dem nördlichen Eingang nennt als Jahr der Wiederherstellung 1522. Auch nach der Reformation ist der Kirchenpatron, der Heilige Laurentius beibehalten worden. Dies erklärt sich wohl aus einer Bedeutung als Schutzheiliger der Schmiede; der Flecken Liebenau war in dieser Zeit durch die Herstellung von Sensen weithin bekannt.
Die Kirche ist im spätgotischen Baustil errichtet. Es ist ein dreischiffiger Hallenbau mit Kreuzgewölben. Die Außenmauern bestehen aus Bruch- steinen und Findlingen; die Sakristei ist im Fachwerkbaustil errichtet und stammt aus der nachreformatorischen Zeit. Die evangelische Kirche ist etwa 40 m lang und 16,55 m breit. Der Kirchturm ist 35 m hoch.
Das wertvollste Kunstwerk der Kirche ist das aus Sandstein gearbeitete Tabernakel, auch Sakramentshäuschen genannt. Sie ist eine spätgotische Arbeit und hat eine Höhe von 6,5 m. Der Schrein ist mit einem kunstvollen schmiedeeisernen Gittertürchen, das in Liebenau gefertigt wurde, verschlossen. Der Schnitzaltar stammt aus dem Jahr 1517.
Heimathaus Witten Hus
Dieses für die Region typische Ackerbürgerhaus steht in der Ortstraße in Liebenau auf einem etwa 4000 Quadratmeter großen Grundstück. Nach dem großen Brand vom 21. April 1869 in Liebenau, dem zahlreiche Gebäude im Bereich der Langen Straße und Ortstraße zum Opfer fielen, wurde das Gebäude Ende des 19. Jahrhunderts neu errichtet. Das Haus wurde bis 1997, zuletzt von der Familie Dietrich Witte, bewohnt. Da viele Jahrzehnte keine baulichen Veränderungen vorgenommen worden sind, war das Anwesen besonders für die Einrichtung eines Heimathauses geeignet. Mitglieder des Heimatvereines Liebenau haben das historische Gebäude in ehrenamtlichem Einsatz saniert und eingerichtet.
Das Heimathaus beherbergt eine Vielzahl von Exponaten handwerklicher und hauswirtschaftlicher Gegenstände aus der Region. In einer Scheune sind alte landwirtschaftliche Maschinen und Geräte zu sehen. In einer Remise ist eine funktionstüchtige alte Dreschmaschine ausgestellt.
Zum ständigen Programm des Heimatvereines gehören Ausstellungen, Lesungen und gesellige Veranstaltungen. Die rustikale Atmosphäre des alten Fachwerkhauses nutzen Liebenauer Hochzeitspaare gern für ihre standesamtliche Trauung. Vor dem Gebäude befindet sich ein Gedenkstein für den Heimatforscher Heinrich Gade.
Schloss Eickhof
Inmitten des Forstes Eickhof liegt das Schloss Eickhof. Bis 1938 war das Schloss Sitz der Adelsfamilie von Eickhof-Reitzenstein. Seit 2006 befindet sich im Schloss ein Zenkloster der Rinzai-Linie.[8] Neben der Übung des Zen werden Lehrgänge und Seminare angeboten. Das Schloss ist umgeben von einem japanischen Garten, der von den jetzigen Eigentümern gestaltet wurde.
Burg Liebenau
Unmittelbar an der Aue lag die im Jahr 1300 erstmals erwähnte Burg Liebenau. In der Folge eines Erbstreits zwischen der Obergrafschaft Hoya und den Herzöge von Braunschweig-Lüneburg wurde die Burg 1512 zerstört und später überbaut. Zur Burg führte ein Damm, der mit der Dammstraße in diesem Bereich überliefert ist.
Burg Neuhaus
Südlich von Liebenau lag nahe der Weser die 1242 erbaute Burg Neuhaus. Sie bestand aus einem Burgturm sowie einer Ringmauer und war von einem Burggraben umgeben. Die Burganlage wurde vom Mindener Bischof Wilhelm erbaut, um das Gebiet gegen die Grafschaft Hoya zu sichern. 1335 gelang es den Grafen von Hoya, die Burg einzunehmen und zu zerstören. Ihre Baureste wurden bis 1850 vollständig abgetragen, vermutlich zum Gebäudebau in Liebenau. Heute liegt die Burgstelle auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche.
Jüdischer Friedhof
Auf dem 2150 m² großen Jüdischen Friedhof Liebenau an der Stolzenauer Straße befinden sich noch 70 Grabsteine aus der Zeit nach 1850 – ein Teil von ihnen nur mit hebräischen Inschriften.
Siehe auch
Kulinarische Spezialitäten
- Liebenauer Spargel
Wirtschaft und Infrastruktur
Liebenau ist schon in den vergangenen Jahrhunderten durch die Fabrikation von Sensen und das Klöppeln von Spitzen weit über seine Grenzen hinaus bekannt geworden.
Verkehr
Die Gemeinde Liebenau ist über die L 351 zu erreichen, die von Nienburg nach Stolzenau führt. Der ÖPNV wird mit Bussen im Rahmen der Verkehrsgesellschaft Landkreis Nienburg durchgeführt. Der Bahnhof Liebenau (Han) liegt an der Bahnstrecke Nienburg–Rahden, es findet dort kein SPNV statt.
Persönlichkeiten
- Heinrich Gade (1816–1910), Pädagoge, Heimatforscher und Ehrenbürger
- Paul Wagner (1843–1930), Agronom
- Georg Wagner (1844–1921), Pädagoge
- Friedrich Bomhoff (1909–2004), Pädagoge, Heimatforscher und Ehrenbürger
- Rolf Meyer (1951–2014), Politiker (SPD)
- Peter Knorn (* 1956), Musiker
- Anne-Marie Keding (* 1966), Politikerin (CDU)
- Carola Ferstl (* 1968), Fernsehmoderatorin und Buchautorin
- Andreas Winkelmann (* 1968), Schriftsteller und Thrillerautor
- Thorsten Wilhelms (* 1969), Radrennfahrer
Siehe auch
- Sportverein SV Aue Liebenau
Literatur
- Martin Zeiller: Liebenau. In: Matthäus Merian (Hrsg.): Topographia Ducatus Brunswick et Lüneburg (= Topographia Germaniae. Band 15). 1. Auflage. Matthaeus Merians Erben, Frankfurt am Main 1654, S. 139 (Volltext [Wikisource]).
- Heinrich Gade: Geschichte des Fleckens Liebenau an der Weser. In: Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen. Jahrgang 1863, Hannover 1884, S. 289–346 (books.google.de).
- Martin Guse: Pulverfabrik Liebenau 1938 bis 1945. Dokumentationsstelle Pulverfabrik Liebenau e.V., Liebenau 2003, OCLC 836847227.
- Friedrich Bomhoff: Geschichte eines Weserfleckens. Herausgegeben Flecken Liebenau.
Einzelnachweise
- Landesamt für Statistik Niedersachsen, LSN-Online Regionaldatenbank, Tabelle A100001G: Fortschreibung des Bevölkerungsstandes, Stand 31. Dezember 2020 (Hilfe dazu).
- Eintrag von Stefan Eismann zu Liebenau in der wissenschaftlichen Datenbank „EBIDAT“ des Europäischen Burgeninstituts, abgerufen am 15. Juli 2021.
- Website zur Geschichte der Pulverfabrik Liebenau
- Webseite über die Geschichte des Eibia-Geländes in Liebenau
- https://votemanager.kdo.de/20210912/032565411/praesentation/ergebnis.html?wahl_id=225&stimmentyp=0&id=ebene_8_id_2830
- https://www.dieharke.de/Nachrichten/Margit-Schmidt-geht-in-die-dritte-Amtszeit-als-Liebenauer-Buergermeisterin-139777.html
- Klemens Stadler: Deutsche Wappen Bundesrepublik Deutschland. Die Gemeindewappen der Bundesländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Band 5. Angelsachsen-Verlag, Bremen 1970, S. 56.
- Website des Zen-Klosters