L’Orphelin de la Chine
L’Orphelin de la Chine ist eine Tragödie in fünf Aufzügen von Voltaire. Das Stück wurde 1755 neukonzeptioniert in fünf Akten fertiggestellt und am 20. August desselben Jahres in Paris uraufgeführt. Eine erste durch den Rat der Stadt am 31. Juli missbilligte private Aufführung erfolgte im Juni 1755 in Genf.[1]
Daten | |
---|---|
Titel: | L’Orphelin de la Chine |
Gattung: | Tragödie |
Originalsprache: | Französisch |
Autor: | Voltaire |
Erscheinungsjahr: | 1755 |
Uraufführung: | 20. August 1755 |
Ort der Uraufführung: | Paris |
Personen | |
|
Handlung
Die Handlung, dem ins Französische übertragenen chinesischen Theaterstück Zhaoshi gu'er aus der Yuan-Zeit entnommen, spielt 1215 in Peking im Haus des Mandarins Zamti zur Zeit der Eroberung der Stadt durch die Mongolen. Zamti, verheiratet mit Idamé hat den letzten Kaisernachkommen als Waisen in seinem Haus versteckt. Gengis Khan verlangt die Herausgabe des Kindes zusammen mit Idamé, in die er sich in der Jugend bei einem früheren Inkognitobesuch verliebt hatte. Zamti will Gengis seinen eigenen Sohn unterschieben und danach mit seiner Frau Selbstmord begehen. Gengis rettet das Paar und schenkt dem kaiserlichen Waisenkind das Leben.[2]
Beigaben
Voltaire stellte seinem Orphelin eine zehnseitige Widmung an seinen Jugendfreund dem Marschall von Richelieu voran, in der er auf die vierzigjährige Freundschaft zu Richelieu und die chinesische Quelle verweist. Danach folgte im ersten Druck der Erstausgabe der offene Brief an Jean Jacques Rousseau, der Lettre à J(ean). J(aques). R(ousseau). C(itoyen). d(e). G(énève). Der Lettre wurde, leicht durch die Zensur gekürzt, in den Folgeausgaben dem Text nachgestellt. Mit dem bissigen und brillant formulierten Lettre beginnt die offen ausgetragene Fehde mit Rousseau, der in zwei offenen Briefen antwortete.
Entstehungsgeschichte
Nach dem Bruch Voltaires mit Friedrich II. und der einmonatigen Inhaftierung Voltaires in Frankfurt wurde Voltaire im August 1753 freundschaftlich vom Kurfürsten Karl IV.-Theodor von der Pfalz im Schloss Schwetzingen aufgenommen. Voltaire schrieb an seinen Freund Charles-Augustin de Ferriol d’Argental: "Der Kurfürst hat mir die Artigkeit erwiesen, vier meiner Stücke (im Schlosstheater Schwetzingen) zu spielen. Das hat mein altes Feuer wieder entzündet und ich habe mich, dem Tode nahe, wie ich mich fühle (immer noch!), daran gemacht, den Plan eines neuen Stückes zu entwerfen, das voll von Liebe sein wird. Ich schäme mich fast über diese Träumereien eins alten Narren." Diese Notiz ist der erste Hinweis auf den Orphelin. Die zunächst fünfaktig geplante, dann mangels Stoff dreiaktige Fassung entstand im Juli 1754 bei Voltairs Besuch von D'Argental in Plombières. Im September 1754 waren die ersten Abschriften fertig, wie ein Brief des Kurfürsten vom 17. September belegt, der das Stück schon dreimal gelesen haben wollte. Eine Aufführung des von D'Argental und Voltaire in seiner Dreiaktigkeit als unvollkommen angesehene Werk unterblieb. Die einzige in München überkommene Abschrift, wurde 1913 durch Leo Jordan publiziert. Die auf den Rat des Freundes begonnene Überarbeitung auf fünf Akte war am 7. Februar 1755 abgeschlossen. Korrekturen und leichte Abänderungen folgten noch während des Druckes der Erstausgabe bei Cramer im Juli 1755.[3]
Zeitgenössische Rezeption
Die Pariser Uraufführung in der Comédie-Française mit Henri Louis Lekain in der Rolle des Gengis und der Claire Clairon in der Rolle der Idamé verlief erfolgreich und erlebte zwölf Aufführungen in Folge. Voltaire übertrug den Darstellern danach die Rechte. Das Stück wurde im Herbst wieder in Fontainebleau aufgenommen. Unter mehreren Parodien und Bearbeitungen, als Erfolgsindikator, ist das einaktige Stück Les Magots uraufgeführt am 19. März 1756 von den Comédiens italiens ordinaires du Roi von Claude-Henri de Fusée de Voisenon hervorzuheben. Vincenzo Galeotti verarbeitete den Stoff 1780 zu einem einaktigen Ballettstück. Anicet Charles Gabriel Lemonnier malte 1812 eine erste Lesung des Stückes im Salon der Madame Geoffrin.
Aufführungen
Eine erste private Aufführung der Urfassung fand nach ersten Proben in Genf im Juni 1755 in Voltaires gerade im März erworbenem Sitz Les Délices statt.
Drucklegung
Voltaire siedelte im März 1755 auf eine Einladung des Verlegers Gabriel Cramer (1723–1793) zunächst nach Genf über, wo er das Landgut Les Délices erwarb. Der erste Druck des Orphelin mit privatem Charakter ohne Titelblatt war die erste umfangreichere gemeinsame Veröffentlichung von Voltaire mit Cramer. Letzte Veränderungen des Textes und der Abfolge der Begleittexte wurden noch während der Drucklegung eingebracht. Im August des gleichen Jahres erschien die erste offizielle französische Ausgabe bei Michel Lambert in Paris. In ihr sind die Errata der Genfer Ausgabe eingearbeitet. Im offenen Brief an Rousseau wurde der letzte Halbsatz durch die Zensur unterdrückt. Der Verfasser des Werkverzeichnisses, Bengesco, erklärte die Lambertausgabe irrtümlich zur Erstausgabe.
Erste Ausgaben
- L’Orphelin de la Chine, nur Halbtitel, (Cramer, Genf, 1755), XV, (I), 80 S. Variante A der Erstausgabe
- L’Orphelin de la Chine, nur Halbtitel, (Cramer, Genf, 1755), X, (II), 85 (II) S. Variante B der Erstausgabe, mit dem nunmehr an das Ende gestellten Lettre à Rousseau und einem Blatt Errata Digitalisat auf Gallica
- L’Orphelin de la Chine, nur Halbtitel, (Cramer, Genf, 1755), X, (II), 86 S. Variante C der Erstausgabe, mit dem an das Ende gestellten Lettre à Rousseau und den Errata
- L’Orphelin de la Chine, Lambert, Paris, 1755, XII, 72 S., Titelblatt mit mehreren Varianten des typographischen Elementes
- Der Waise in China, ein Trauerspiel von 5 Aufzügen aus dem Französischen des Herrn von Voltaire, in teutsche Verse übersetzt... von Ludwig Korn, Wien, im Kraussischen Buchladen, 1763, II, 80 S.
- Voltaires Orphelin de la Chine, in 3 Akten, nach der einzigen Münchner Handschrift, mit Einleitung, den Varianten der Münchener Handschrift und der Drucke des fünfaktigen Orphelin, nebst Anmerkungen, zum ersten Male herausgegeben von Leo Jordan, Dresden, Gesellschaft für romanische Literatur, 1913, VII, 231 S. Digitalisat auf Archive.com
Literatur
- Basil J. Guy: Orphelin de la Chine, in: Dictionnaire Voltaire, Hachette Livre, 1994, S. 149 ff.
- Siegfried Detemple: Voltaire: Die Werke, Katalog zum 300. Geburtstag, Berlin, 1994, S. 112.
Weblinks
Einzelnachweise
- Vgl. Voltaire: Die Werke, Katalog zum 300. Geburtstag, Berlin, 1994, S. 113.
- Vgl. Voltaire: Die Werke, Katalog zum 300. Geburtstag, Berlin, 1994, S. 113.
- Leo Jordan: Voltaires Orphelin de la Chine in drei Akten nach der einzigen Münchener Handschrift, S. 5–23