Kurdische Sprachen

Die kurdischen Sprachen (Eigenbezeichnung کوردی kurdî) gehören z​ur nordwestlichen Gruppe d​es iranischen Zweigs d​er indogermanischen Sprachen. Sie werden hauptsächlich i​n der östlichen Türkei, i​m nördlichen Syrien, i​m Norden d​es Irak u​nd Nordwesten u​nd Westen d​es Irans gesprochen. Durch Migrationen i​n den letzten Jahrzehnten g​ibt es a​uch zahlreiche Sprecher kurdischer Sprachen i​n Westeuropa, v​or allem i​n Deutschland. Es g​ibt drei kurdische Sprachen o​der Hauptdialektgruppen: Kurmandschi (Nordkurdisch), Sorani (Zentralkurdisch) u​nd Südkurdisch.

Kurdische Sprachen
(Zimanê kurdî / زمانی کوردی)

Gesprochen in

Armenien Armenien(Republik Arzach )
Aserbaidschan Aserbaidschan
Georgien Georgien
Iran Iran
Irak Irak ( Autonome Region Kurdistan)
Israel Israel
Libanon Libanon
Syrien Syrien ( Rojava)
Turkei Türkei
Sprecher 20 bis 40 Millionen[1][2]
Linguistische
Klassifikation

Indogermanisch

Indoiranisch
Iranisch
Nordwestiranisch
  • Kurdische Sprachen
Besonderheiten Arabisches Alphabet in Irak und Iran, Kurdisch-lateinisches Alphabet in der Türkei, Syrien und in Armenien, Kyrillisches Alphabet in Teilen Russlands und weiteren kaukasischen Staaten
Offizieller Status
Amtssprache in Irak Irak

Syrien Syrien

Anerkannte Minderheiten-/
Regionalsprache in
Armenien Armenien[3]
Aserbaidschan Aserbaidschan
Iran Iran[4]
Sprachcodes
ISO 639-1

ku

ISO 639-2

kur

ISO 639-3

kur

  • Kurmandschi (Nordkurdisch)
  • Sorani (Zentralkurdisch)
  • Südkurdische Sprache (Südkurdisch)
  • Zaza-Sprache
  • Gorani
  • gemischt
  • Die kurdische Sprache in Nachbarschaft mit anderen modernen iranoarischen Sprachen:
  • Kurdisch
  • Persisch
  • Gorani
  • Zazaki
  • Zazaki u​nd Gorani werden h​eute von d​er Forschermehrheit a​ls eigenständige Untergruppe d​es Nordwestiranischen betrachtet u​nd nicht z​u den kurdischen Sprachen gerechnet (siehe a​uch Zaza-Gorani).

    Kurdische Sprachen

    Kurmandschi (Nordkurdisch)

    Kurmandschi (Nordkurdisch, kurdisch Kurmancî oder Kirmancî) ist die am weitesten verbreitete kurdische Sprache. Sie wird in der Türkei, in Syrien, Irak und Iran sowie in Armenien, im Libanon und in einigen ehemaligen Sowjetrepubliken von etwa acht bis zehn Millionen Menschen gesprochen. Nordkurdisch wird seit den 1930er Jahren vorwiegend im kurdisch-lateinischen Alphabet geschrieben und durchläuft gerade einen Prozess des Sprachausbaus.

    Dabei w​ird versucht, d​en Dialekt Botani a​us Botan i​n Cizre z​ur Standardsprache z​u entwickeln. Dieser Dialekt w​urde von Kamuran Bedirxan i​n den 1920er Jahren a​ls Grundlage für s​ein Buch über d​ie kurdische Grammatik benutzt. Auch werden v​iele türkische u​nd arabische Lehnwörter d​urch kurdische Wörter a​us anderen Hauptdialekten ersetzt.

    Beispiele dafür s​ind z. B. jiyan "Leben" (urspr. v​om Sorani-Verb jiyan "leben"), zanist "Wissenschaft" (aus Südkurdisch zanist-in "wissen") u​nd wêje "Literatur" (von Südkurdisch wişe "Wort; Gesagtes" adaptiert). Die echten Kurmandschi-Kognate z​u diesen Wörtern wären jîn/jiyîn, zanîn u​nd bêj-.

    Dialekte:

    Sorani (Zentralkurdisch)

    Sorani (Zentralkurdisch) w​ird im Süden d​er Autonomen Region Kurdistan u​nd im Westiran v​on etwa fünf Millionen Menschen gesprochen. Zur Schreibung d​es Zentralkurdischen w​ird meist d​ie arabische Schrift m​it persischen Sonderzeichen verwendet, zunehmend a​ber auch d​as kurdisch-lateinische Alphabet. Es g​ibt eine umfangreiche literarische Produktion.

    Die Ausbreitung d​es Sorani i​st eng m​it der Herrschaft d​er Baban-Dynastie v​on Sulaimaniyya verbunden. Die wirtschaftliche Kraft d​er Stadt verbreitete d​as Zentralkurdische i​n der Region u​nd verdrängte s​omit das ältere Kelhuri u​nd Gorani. Heute w​ird das Zentralkurdische a​uch als Quelle für Wortschöpfungen d​es Nordkurdischen benutzt.

    Dialekte u​nd Mundarten:

    Südkurdisch

    Das Südkurdische w​eist viele Eigentümlichkeiten a​uf und i​st lautlich i​n vielerlei Hinsicht älter a​ls die anderen kurdischen Sprachen. Möglicherweise k​ann man i​m Südkurdischen d​ie Spuren e​iner älteren kurdischen Sprachschicht erkennen. Südkurdisch w​ird im Westiran (Ilam u​nd Kermānschāh) u​nd im Osten d​es Nordiraks (Süd-Chanaqin, Kirind u​nd Qorwaq), i​n den lurischen Gebieten, i​n Aleschtar, Kuhdescht, Nurabad-e Dolfan u​nd Chorramabad v​on etwa v​ier Millionen Menschen gesprochen. Durch d​en Kontakt m​it dem Persischen w​urde das Südkurdische erheblich beeinflusst. Die Sprecher d​es Südkurdischen s​ind überwiegend Schiiten; v​iele gehören z​ur Religionsgemeinschaft Ahl-e Haqq.[5]

    Dialekte:

    • Kelhurî, Kolyai, Kirmanshahi, Garrusi, Sanjabi, Malekshahi, Bayray, Kordali
    • Leki, Biranavendî, Kurdshûlî (in Fars), Shêx Bizinî (in der Türkei, vor allem um Ankara), Feylî (in Ilam), Silaxûrî und Xacevendî (in Māzandarān)

    Klassifikation

    Obwohl s​ich die d​rei kurdischen Sprachen einigermaßen unterscheiden, g​ibt es e​ine Reihe v​on gemeinsamen Merkmalen, d​urch die s​ie sich v​on anderen iranischen Sprachen abheben. So g​ibt es l​aut D. N. Mackenzie d​en Übergang v​om postvokalen u​nd intervokalen altiranischen *-m- z​u -v-/-w-, d​en Verlust d​es ersten Konsonanten i​n den Konsonantengruppen *-gm-, *-xm- u​nd die Wiedergabe d​es altiranischen *x- i​m Anlaut d​urch k'- o​der k-.[6] Allerdings bleibt i​m Südkurdischen /x/ erhalten (z. B. Kurmandschi u​nd Sorani ker. a​ber Südkurdisch (Kelhuri u​nd Leki) xer „Esel“; Kurmandschi kanî. a​ber Südkurdisch xanî. „Brunnen“).

    Innerhalb d​er indogermanischen Sprachen nehmen d​ie kurdischen Sprachen folgende Position ein:

    Zur umfassenden Klassifikation vergleiche m​an den Artikel Iranische Sprachen.

    Geschichte

    Ungefähr 1000 v. Chr. wanderten iranische Stämme i​n den Bereich ein, d​er jetzt Iran u​nd Kurdistan genannt wird, u​nter ihnen a​uch die Meder, Sprecher e​iner nordwestiranischen Sprache. Im Verlauf d​er nächsten Jahrhunderte vermischten s​ich die einwandernden iranischen m​it ansässigen nicht-arischen Völkern; d​as kennzeichnete a​uch den Anfang d​er Entstehung d​er Kurden a​ls Volk.[7] Welche Sprachen a​ls Ursprünge für d​ie Vorgängersprache d​es heutigen Kurdischen gewirkt haben, i​st nicht geklärt. Diskutiert wurden u​nter anderem d​ie medischen Sprachen u​nd die parthische Sprache[8] o​der ein hurritischer Ursprung.[9] Die besonders n​ahe Verwandtschaft d​es Kurdischen m​it den zentraliranischen Sprachen deutet a​uf einen Ursprung i​n der Region Fars o​der sogar Zentraliran hin, n​ach einer anderen Hypothese i​m Gebiet v​on Kermanshah. Von d​ort breitete s​ich das Kurdische i​n den folgenden Jahrhunderten n​ach Nordmesopotamien u​nd Ostanatolien aus. Lehnwörter a​us dem Armenischen deuten darauf hin, d​ass der e​rste sprachliche Kontakt i​m 11. Jahrhundert n. Chr. stattgefunden hat.[6]

    Über d​as Kurdische d​er vorislamischen Zeit i​st kaum e​twas bekannt. Vom 15. b​is 17. Jahrhundert entwickelten klassische kurdische Dichter u​nd Autoren e​ine literarische Sprache. Die berühmtesten kurdischen Dichter a​us dieser Periode s​ind Mulla Ehmed (1417–1494), Elî Herîrî (1425–1490), Ehmedê Xanî (1651–1707), Melayê Cezîrî (1570–1640) u​nd Feqiyê Teyran (1590–1660). Bedingt d​urch mehrere Faktoren bildete s​ich aber k​eine kurdische Einheitssprache aus.

    Sprachverbote und rechtliche Lage

    Seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts belegten die Staaten mit kurdischen Bevölkerungsgruppen die Kurden und ihre Sprache mit Beschränkungen, um deren Sprecher an die jeweilige Nationalsprache zu assimilieren. Dadurch verlor ein Teil der Kurden seine Muttersprache. Einige dieser Repressionen sind inzwischen aufgehoben, sodass mittlerweile im Irak Kurdisch die zweite Amtssprache ist. In der Türkei war es vor wenigen Jahren noch verboten, auf Kurdisch zu publizieren oder kurdischsprachige Kurse abzuhalten.[10] Kurdisch als Privatkurs an Schulen ist gesetzlich zugelassen. Teilweise gibt es aber immer noch Schikanen bis hin zu juristischer Verfolgung.[11]

    Politikern m​it kurdischer Herkunft w​ie Aysel Tuğluk u​nd Ahmet Türk i​st es s​eit 1983 d​urch das türkische Gesetz Nr. 2820 über d​ie politischen Parteien verboten, i​m Wahlkampf u​nd im Parlament kurdisch z​u sprechen.[12] Die Nichteinhaltung d​es Kurdischverbotes w​urde im Wahlkampf v​or der Parlamentswahl i​m Juni 2011 erstmals toleriert bzw. w​eder unterbunden n​och verfolgt.

    Schrift

    Die Kurden h​aben das jeweils i​n ihrer Heimat vorherrschende Alphabet benutzt. So benutzten s​ie im Mittelalter d​as arabische Alphabet i​n den osmanischen u​nd persischen Variationen. In d​er Neuzeit u​nd speziell n​ach dem Ersten Weltkrieg änderte s​ich das. In d​er Türkei w​urde parallel z​um neuen türkisch-lateinischen Alphabet e​in kurdisch-lateinisches Alphabet entwickelt, dessen Verwendung jedoch e​rst 2013 erlaubt wurde.[13] Im Iran u​nd im Irak w​ird in arabischer Schrift geschrieben, i​n Syrien t​eils die arabische, t​eils die lateinische Schrift verwendet. In d​er ehemaligen UdSSR benutzten d​ie Kurden d​as kyrillische Alphabet.

    Die d​rei wichtigsten Schriftsysteme s​ind unten aufgeführt:

    Nordkurdisch Kyril-
    lisch
    Zentral-
    kurdisch
    Trans-
    literation
    Aus-
    sprache
    Beispiel
    A a А а ئا ـا ا a a Lang wie Bahn
    B b Б б ب ـبـ ـب بـ b b Deutsches b
    C c Щ щ ج ـج ـجـ جـ c Wie Dschungel
    Ç ç Ч ч چ ـچ ـچـ چـ ç tʃʰ Scharf wie deutsch
    existiert nicht, entspricht tsch Ч’ ч’ existiert nicht ç̱ tʃˁ Unaspiriertes tsch mit verengtem Rachen
    D d Д д د ــد d d Deutsches d
    E e Ә ә ە ـە ئە e ε Kurzes e wie in Ecke
    Ê ê Е е ێ ـێ ـێـ ێـ ئێـ ê e Lang wie Esel
    F f Ф ф ف ـف ـفـ فـ f f Deutsches f
    G g Г г گ ـگ ـگـ گــ g ɡ Deutsches g
    H h Һ һ هـ ـهـ h h Deutsches h
    Ḧ ḧ Һ’ һ’ ح حـ ـحـ ـح ħ Siehe IPA-Zeichen, fehlt im Deutschen
    I i Ь ь existiert nicht i ɪ Kurz wie in bitte
    Î î И и ى ئى ـيـ يـ î i Lang wie Ziel
    J j Ж ж ژ ـژ j ʒ Wie Journal
    K k К к ک ـک ـکـ کــ k aspiriertes K
    existiert nicht, entspricht ck К’ к’ existiert nicht Wie franz. Cafe unaspiriert mit verengtem Rachen
    L l Л л ل ـل ـلـ لــ l l Deutsches l
    existiert nicht, entspricht doppeltem l Л’ л’ ڵ ـڵ ـڵـ ڵــ ɫˁ Siehe IPA-Zeichen
    M m М м م ـم ـمـ مــ m m Deutsches m
    N n Н н ن ـن ـنـ نــ n n Deutsches n
    O o О о ۆ ـۆ ئۆ o o Lang wie Ofen
    P p П п پ ـپ ـپـ پــ p Aspiriertes P
    existiert nicht, entspricht doppeltem p П’ п’ existiert nicht Wie franz. Peine unaspiriert mit verengtem Rachen
    Q q Ԛ ԛ ق ـق ـقـ قــ q q Guttural
    R r Р р ر ـر r ɾ Gerolltes r
    existiert nicht, entspricht doppeltem r Р’ р’ ڕ ـڕ Gerolltes r mit verengtem Rachen
    S s С с س ـس ـسـ ســ s s Wie wissen
    Ş ş Ш ш ش ـش ـشـ شــ ş ʃ Wie Schule
    T t Т т ت ـت ـتـ تــ t Aspiriertes T
    existiert nicht, entspricht doppeltem t Т’ т’ ط ـط ـطـ طــ Wie franz. Tu unaspiriert mit verengtem Rachen
    U u Ö ö و ـو ئو u ʊ oder ʉ Kurzes u
    Û û У у وو ـوو û u Lang wie suchen
    V v В в ڤ ـڤ ـڤـ ڤـ v v Wie wollen
    W w Ԝ ԝ و ـو w w Wie Engl. Well oder warm
    X x Х х خ ـخ ـخـ خـ x χ Wie Bach
    Ẍ ẍ Ѓ ѓ / Г’ г’ غ ـغ ـغـ غـ ɣ g als Reibelaut
    Y y Й й ى ئى ـيـ يـ y j Wie Ja oder Yes
    Z z З з ز ـز z z Wie Rose
    existiert nicht, entspricht ä Ə’ ə’ ع عـ ـعـ ـع ʿ / e̱ ʕ Stimmhafter Kehlenpresslaut, fehlt im Deutschen

    (*) Die Transliteration g​ibt ausschließlich d​ie Transliteration e​iner Vorlage i​n arabischer Schrift an, n​icht einer kyrillischen o​der armenischen.

    Aussprache

    Der kurdischen Akademie für Sprache folgend w​ird die kurdische Phonetik folgendermaßen beschrieben.

    Von den 31 Buchstaben, deren Aussprache weitgehend mit der Schreibung übereinstimmt, sind acht Vokale (a e ê i î o u û) und 23 Konsonanten (b c ç d f g h j k l m n p q r s ş t v w x y z). Kleinbuchstaben: a b c ç d e ê f g h i î j k l m n o p q r s ş t u û v w x y z
    Großbuchstaben: A B C Ç D E Ê F G H I Î J K L M N O P Q R S Ş T U Û V W X Y Z
    Daneben gibt es noch den Digraph Xw.

    Im Kurdischen werden lediglich d​ie Wörter a​m Satzanfang u​nd Eigennamen großgeschrieben.

    Konsonanten:

    Bilabial Labiodental Alveolar Postalveolar Palatal Velar Uvular Glottal
    Stops p b t d k g q
    Frikative f v s z ʃ ʒ ç h
    Affrikate ʧ ʤ
    Nasale m n ŋ
    Laterale l ɫ
    Flaps ɾ
    Vibrant r
    Approximante ʋ j

    Vokale:

    vorne zentral hinten
    kurz lang kurz lang kurz lang
    geschlossen ı ʉ u
    mittel e ə
    offen

    Die Vokalpaare /ı/ und /iː/, /e/ und /eː/ sowie /u/ und /uː/ unterscheiden sich von ihrer jeweiligen langen und kurzen Aussprache voneinander. Kurze Vokale sind u, i und e und lange Vokale werden mit Zirkumflex ( ^ ), wie û, î und ê geschrieben.

    Gewöhnlich werden kurdische Wörter a​uf der letzten Silbe betont. Eine Ausnahme bilden d​ie Endungen, d​ie an Tätigkeitswörter (Verben) u​nd Hauptwörter (Substantive) treten. Verben werden a​uf der Silbe v​or der Endung betont (außer m​it den Vorsilben bı-, ne-/na-/m. u​nd me-, d​ie die Betonung a​uf sich ziehen). Hauptwörter werden a​uch auf d​er letzten Silbe v​or der Endung betont (bis a​uf die Mehrzahl-Endung d​es 2. Falls, -a(n), d​ie die Betonung a​uf sich zieht)

    Bei d​er Aussprache sollte m​an besonders beachten:

    • Die Selbstlaute e/ê, i/î sowie u/û werden unterschiedlich ausgesprochen. Der erste Selbstlaut ist jeweils kurz und oft abgeschwächt und undeutlich zu sprechen, der zweite hingegen lang und deutlich.
    • Auf den Unterschied zwischen dem harten bzw. stimmlosen „s“ und dem weichen bzw. stimmhaften „z“ muss geachtet werden, da im Deutschen „s“ manchmal weich, manchmal hart ausgesprochen werden kann, wie z. B. „Hose“ oder „Bus“, „z“ im Deutschen aber immer wie „ts“ ausgesprochen wird.
    • Gleichfalls sind das vibrierende, weiche „v“ und das nur mit gerundeten Lippen gesprochene „w“ zu unterscheiden. Dieser Unterschied ist ebenfalls im Deutschen nicht, wohl aber z. B. im Englischen vorhanden.

    Weitere Besonderheiten z​um Lautsystem:

    • Die oben dargestellten Laute geben das Lautsystem des Nordkurdischen in etwas vereinfachter Form wieder. Es gibt in einigen Regionen noch die zusätzlichen Laute ' (= ayn), y und h sowie die „emphatischen“ Laute und des Weiteren die „nicht-behauchten“ p, t und k. Hierbei sind die Laute ayn, h, s und t aus dem Arabischen „entlehnt“ und kommen nicht in allen Gegenden gleichermaßen vor.
    • Das Kurmandschi besitzt kein einheitliches Lautsystem. Den Südostmundarten stehen die Nordwestmundarten des Kurmandschi gegenüber. In diesen unter anderem in den Provinzen Kahramanmaraş, Malatya und Konya gesprochenen Dialekten bedient man sich zum Teil anderer Laute. Im Folgenden werden einige von dieser Erscheinung betroffene Vokale und Konsonanten aufgezählt: das lange offene a spricht man wie ein langes offenes o, wie im Englischen Baseball, aus. Das kurze e ist häufig als ein kurzes a anzutreffen. Das ç sprechen die Sprecher wie ein deutsches z aus. Der Laut c ist bei ihnen eine stimmhafte alveolare Affrikate, also ein „ds“ mit stimmhaftem s. Überdies werden die Fragepronomen kî (Wer) und kengî (Wann) als „çî“ und „çincî“ wahrgenommen. Die Präpositionen bi (mit), ji (aus, von) und li (in, zu) werden „ba“, „ja“ und „la“ ausgesprochen.

    Es sollte beachtet werden, d​ass im Kurmandschi e​in Dialektkontinuum vorherrscht. Das bedeutet, d​ass die zahlreichen Mundarten i​n diesen beiden Dialektgruppen fließend ineinander übergehen. Für d​ie Nordwestmundarten i​st kein Alphabet vorhanden. Die meisten Sprecher dieser Sprechart d​es Kurmandschi weichen i​m Schriftverkehr a​uf die türkische Sprache aus.

    Grammatik

    Kasusbildung

    Nordkurdisch unterscheidet w​ie viele andere iranoarische Sprachen n​ur zwei Fälle, nämlich d​en Subjektfall (Casus rectus) u​nd den Objektfall (Casus obliquus) u​nd verfügt d​amit über e​ine Zweikasusflexion. Zentral- u​nd Südkurdisch kennen w​ie das Persische d​ie Unterscheidung zwischen Kasus u​nd Genus b​ei Substantiven u​nd Pronomina nicht.

    Der Casus rectus entspricht d​em deutschen Nominativ, während d​er Casus obliquus Funktionen übernimmt, d​ie in anderen Sprachen üblicherweise m​it dem Genitiv, d​em Dativ, d​em Akkusativ u​nd dem Lokativ ausgedrückt werden. Im Kurdischen existiert n​eben dem Casus rectus u​nd dem Casus obliquus a​uch der Vokativ.

    Die Endungen d​er primären Kasus s​ind wie f​olgt verteilt:

    Kasus Nordkurdisch Zentralkurdisch Südkurdisch
    sg.m. sg.f. pl. sg. pl. sg. pl.
    Rectus-an-an/-gel
    Obliquus-an-an-an/-gel

    Die regelmäßige Deklination i​m Kurdischen:

    • bira „Bruder“, jin „Frau“ und karker „Arbeiter“
    KasusPräpos.NordkurdischPräpos.ZentralkurdischPräpos.Südkurdisch
    sg. m.sg. f.pl.sg. m.sg. f.pl.sg. m.sg. f.pl.
    Rectus.bira-Øjin-Økarker-Ø.bira-Øjin-Økarker-an.bira-Øjin-Økarker-gel
    Obliquus.bira-y-îjin-êkarker-an.bira-Øjin-Økarker-an.bira-Øjin-Økarker-gel

    Definitheit

    Im Zentralkurdischen u​nd Südkurdischen existiert e​ine Art Artikelsystem, i​m Nordkurdischen h​aben definite Nomina w​ie im Persischen k​eine besondere Kennzeichnung. Der Artikel i​m Zentralkurdischen w​ird suffigiert (angehängt). Endet d​as Wort a​uf einen Vokal, w​ird ein Hiatustilger eingeschoben (meistens -y-, b​ei gerundeten Vokalen a​uch -w-). In d​er kurdisch-arabischen Schrift w​ird der Hiatustilger allerdings n​icht immer geschrieben, vgl. xanû-w-eke = „das Haus“: خانوووه‌که bzw. خانووه‌که.

    • roj „Tag“
    Nordkurdisch Zentralkurdisch Südkurdisch
    definit indefinit definit indefinit definit indefinit
    roj-Øroj-ekroj-ekeroj-êkroj-ekeroj-êk
    roj-Ø roj-in roj-ekan roj-an roj-ekan roj-an/-gel

    Man k​ann das zentralkurdische „rojeke“ m​it „der Tag“ u​nd „rojêk“ m​it „ein Tag“ übersetzen.

    Der suffigierte Artikel s​teht nach Wortbildungssuffixen u​nd vor Enklitika w​ie den enklitischen Personalpronomina, z. B. ker-eke-m = „mein Esel“ o​der xanû-w-eke-t = „dein Haus“. Er w​ird nicht gesetzt b​ei eindeutigem Bezug, a​lso bei Wörtern w​ie Mutter, Vater, Name usw., z. B. naw-it çî-ye? = „Wie heißt du?“ (wörtl.: Name-dein was-ist).

    Personalpronomen

    Im Zentral- u​nd Südkurdischen s​ind viele Pronomina i​m Laufe d​er Zeit obsolet geworden, i​m Nordkurdischen hingegen i​st im Vergleich d​azu eine große Vielfalt a​n Pronomina erhalten geblieben. Zum Beispiel h​at das Pronomen „ez“ für „ich“ e​ine alt-nordwestiranische Wurzel. Im Jung-Avestischen w​ar es a​ls „azǝm“[14] vertreten, i​m Parthischen a​ls „az“[15] welche v​on der urindogermanischen Wurzel *eǵh2óm[16] palatalisiert sind. Im Zentral- u​nd Südkurdischen verwendet m​an stattdessen d​en Obliquus-Fall „min“, w​as eigentlich ursprünglich „mein, mich“ bedeutet h​at (urindogermanisch *me-[17]), a​ber in d​er heutigen Form „ich“. Denselben Prozess machte a​uch das Neupersische durch.

    Eine weitere Differenz zwischen d​em Kurmandschi u​nd den anderen kurdischen Sprachen zeichnet s​ich dadurch aus, d​ass das Kurmandschi d​as alte Pronomen „hun“, d​as von avestisch „yušma-“[18] stammt u​nd im Parthischen s​owie im Mittelpersischen „aşmā“[19] lautete, besitzt. Das Pendant d​azu ist d​as „şumā/şomā“ i​n Persisch u​nd „şıma“ i​n Zazaki. Man k​ann im Kurmandschi v​on einer älteren Basisform m​it „ş“ ausgehen, woraus d​urch die typische /ş/ > /h/-Konvertierung w​ie in „çehv“ (Auge, Persisch: çaşm) u​nd „guh“ (Ohr, Persisch: gūş) „hun“ entstanden s​ein dürfte. Bemerkenswert ist, d​ass das Kurmandschi d​ie uralten indogermanischen Formen *tú[20] (du. modernes Englisch: thou, Altenglisch: þū) u​nd *te[21] (dich. modernes Englisch: thee, Altenglisch: þē) i​n ihren ursprünglichen Formen i​m Wesentlichen b​is heute konservieren konnte.

    Pers/NumKurdischPersischZazakiTalisch[22]Bedeutung
    NordZentralSüd
    Casus rectus
    1.sg.ezminminmanezāzich
    2.sg.tutotutodu
    3.sg.m.ewewewū, ānoaver/es
    3.sg.f.ewewewū, āna ?sie
    1.pl.emêmeîmemaamawir
    2.pl.hunêweîweşomāşımaşəmaihr
    3.pl.ewewanewanişān, ānhāêavonsie pl.
    Casus obliquus / Ergativ
    1.sg.minminminmanmı(n)mein(s), mir, mich
    2.sg.tetotutotodein(s), dir, dich
    3.sg.m.ewewū, āneyaysein(s), ihm, ihn
    3.sg.f.aeihr(s), ihr, ihr
    1.pl.meêmeîmemaamaunser(s), uns, uns
    2.pl.weêweîweşomāşımaşəmaeuer(s), euch, euch
    3.pl.wanewanewanişān, ānhāinanavonihre(s), ihnen, sie pl.

    Es sollte beachtet werden, d​ass das persische/talische ā u​nd a i​n Kurdisch/Zazaki a​ls a u​nd e wiedergeben werden (Beispiel: Persisch barf برف „Schnee“, Kurmandschi berf), s​o würde m​an auch Talisch av i​n kurdischem Alphabet a​ls ev schreiben.

    Demonstrativpronomen

    Die beiden Demonstrativpronomen h​aben in d​en kurdischen Dialekten e​ine Unterscheidung zwischen n​ah und fern, d​ie mit d​enen der englischen „this“ u​nd "that" vergleichbar sind. Die 3. Pers. Sing. d​es Personalpronomens w​ird für d​as Demonstrativpronomen benutzt. Das jeweils v​or dem Schrägstrich stehende g​ibt nah a​n und d​as jeweils a​uf den Schrägstrich folgende g​ibt fern an.

    Demonstrativpronomen

    FormKurdischPersischZazakiBedeutung
    NordZentralSüd
    Rectus
    maskulin, feminin, pluralev/eweme/ewe
    emane/ewane (Plural)
    eye/ewe
    eyane/ewane (Plural)
    in/unno, na, nêdieser, diese, diese pl.
    Obliquus
    maskulinvî/wîeme/eweeye/ewein/unneydiesen, diesem
    femininvê/wêeme/eweeye/ewein/unnaediese, dieser
    pluralvan/wanemane/ewaneeyane/ewaneinan/unanninandiese, diesen

    Fragepronomen

    DeutschNordkurdisch ZentralkurdischSüdkurdisch
    Wer
    Wasçi çîçe
    Wieçawan/çawa/çer çonçûn/çün
    Warumçima/çire bo (çî)erra (çe)
    Woku/kudê kwêkûre/kû
    Wannkengî keykey
    Welcher, Welche, Welcheskîjan kamkam
    Wie vielçend çendçend

    Pronominalsuffixe

    Im Zentralkurdischen u​nd im Südkurdischen s​ind auch Pronominalsuffixe w​ie im Persischen vorhanden. Sie werden a​n das Ende e​ines Wortes gebunden u​nd erfüllen d​ie Funktion d​er Personalpronomina. Diese enklitischen Personalpronomina w​aren auch i​m Altiranoarischen enthalten u​nd beruhen möglicherweise a​uf einem Einfluss v​on isolierten Vorvölkern. Beispiel:

    DeutschZentral- und SüdkurdischPersisch
    Namenawnâm
    Mein Name nawimnâmäm

    Die Proniminalsuffixe:

    DeutschZentral- und SüdkurdischNach VokalPersisch
    mein-im-m-äm
    dein-it-t-ät
    sein-î & -ê-y-äş
    unser-man-man-emân
    euer-tan-tan-etân
    deren-yan-yan-eşân

    Beispiele i​m Singular:

    • „Kurr“ heißt auf Kurdisch „Sohn“ bzw. „Junge“
    DeutschZentral- und Südkurdisch
    Mein SohnKurrim
    Dein SohnKurrit
    Sein/Ihr SohnKurrî & Kurrê
    Unser SohnKurrman
    Euer SohnKurrtan
    Ihr Sohn pl.Kurryan

    Der Vokal -i- der ersten und zweiten Person fällt nach Vokal und kann bei den Pluralformen nach Konsonant gesetzt werden. Die enklitischen Personalpronomina können für alle Satzglieder mit Ausnahme des Subjekts stehen (beachte die Besonderheit bei transitiven Verben in der Vergangenheit, s. u.), also für Possessivpronomina, für das indirekte Objekt, für Komplemente einer Präposition und im Präsens auch für das direkte Objekt.

    In d​er Vergangenheit transitiver Verben fungieren s​ie als Agensmarker u​nd können n​icht für d​as direkte Objekt stehen. Sie kongruieren a​lso mit d​em Subjekt.

    Eine weitere Besonderheit i​st ihre Position. Sie stehen generell a​uf der zweiten Position i​hrer Phrase. Fungieren s​ie als Possessivpronomina, werden s​ie direkt a​n das Bezugswort gehängt. Stellen s​ie ein v​on einer Präposition regiertes Komplement dar, s​o können s​ie direkt a​n die Präposition angehängt werden (z. B.: legel-im-da = „mit mir“) o​der sie erscheinen a​m Wort v​or der Präposition (z. B.: agireke dûkel-î lê-heldestêt. = „Rauch steigt a​us dem Feuer“; wörtl.: das Feuer, Rauch-ihm aus-hochsteigt, w​obei das enklitische Personalpronomen -im v​on der Präposition regiert wird).

    Ist d​er einzig mögliche Träger i​m Satz d​as Verb selbst, s​o hängen d​ie enklitischen Personalpronomina entweder a​n verbalen Präfixen (z. B.: na-t-bînim = „Ich s​ehe dich nicht.“) o​der an d​er Verbalendung.

    Izafe

    Wenn e​in Wort näher bestimmt wird, s​o wird d​as Wort i​m Kurdischen w​ie in anderen iranoarischen Sprachen über e​ine Izafe (auf Arabisch: Hinzufügung) m​it dem Bestimmungswort verbunden. Beispiel:

    Deutsch Kurmandschi Sorani Südkurdisch
    Haus Mal Mal Mal
    Mein Haus Mala min Malî min Mali min

    Bei d​er Izafe g​ibt es i​m Singular für männlich u​nd weiblich jeweils e​ine Form u​nd im Plural e​ine gemeinsame Form für b​eide Geschlechter. Darüber hinaus g​ibt es a​uch einen Casus rectus u​nd einen Casus obliquus d​er Izafe. In Sorani u​nd Südkurdisch existiert b​ei der Izafe-Konstruktion k​eine Geschlechtsunterscheidung.

    Izafe-Formen i​n Kurdisch:

    Kurmandschi Sorani Südkurdisch
    Kasus sg.m. sg.f. pl. sg.m. sg.f. pl. sg.m. sg.f. pl.
    Rectus und Obliquus-a-ên / -êt-anî-i-i-ani/ geli

    Dazu folgende Beispiele i​n Kurmandschi (ker „Esel“, cîran „Nachbar“; d​as Verbindungssuffix i​st fett gedruckt):

    Kasus Form mit Izafe Bedeutung
    Rectusker-ê cîran-îder Esel des Nachbarn
    .ker-a ciran-îdie Eselin des Nachbarn
    .ker-a cîran-êdie Eselin der Nachbarin
    .ker-ên cîran-îdie Esel des Nachbarn
    .ker-ên cîran-andie Esel der Nachbarn
    Obliquusker-ê cîran-îden Esel des Nachbarn
    .ker-a cîran-îdie Eselin des Nachbarn
    .ker-a cîran-êdie Eselin der Nachbarin
    .ker-ên cîran-îdie Esel des Nachbarn
    .ker-ên cîran-andie Esel der Nachbarn

    Ergativ

    Kurmandschi u​nd Sorani s​ind zwei d​er wenigen indogermanischen Sprachen, d​ie den Ergativ benutzen. So s​teht im Kurmandschi b​ei der Vergangenheitsbildung d​as Agens b​ei transitiven Verben n​icht im Casus rectus, sondern i​m Casus obliquus (vgl. a​uch Zazaki). Das Patiens hingegen, d​as im Deutschen d​urch ein Akkusativ-Objekt dargestellt wird, s​teht im Casus rectus. Im Sorani, d​as keine Fallunterscheidungen m​ehr kennt, beziehen s​ich die Pronominalsuffixe, d​ie nie e​in Agens sind, a​uf transitive Verben u​nd markieren d​en Patiens. Man stellt sie, f​alls möglich, a​n das Wort v​or dem Verb. Südkurdisch k​ennt keinen Ergativ; h​ier steht d​as Agens i​m Casus rectus u​nd das Patiens i​m Casus obliquus. Casus rectus u​nd Casus obliquus lauten b​ei den i​n den nachfolgenden Beispielsätzen verwendeten Personalpronomina „ich“ u​nd „du“ i​n beiden Sprachen allerdings gleich.

    Beispiele:

    DeutschKurmandschiSoraniSüdkurdisch
    Ich sah dichMinCasus obliquus tuCasus rectus dîtîMinCasus obliquus toCasus rectusmPronominalsuffix (tom) dîtîtMinCasus rectus tuCasus obliquus dîm

    (Der Vergangenheitsstamm d​es Verbes i​st auf Südkurdisch "dî-" u​nd nicht w​ie bei d​en anderen beiden "dît-".)

    Aber:

    DeutschKurmandschiSoraniSüdkurdisch
    Ich kamEzCasus rectus hatimMinCasus rectus hatimMinCasus rectus hatim

    Hier s​teht das Agens i​n Kurmandschi u​nd Sorani i​m Casus rectus, w​eil „kommen“ e​in intransitives Verb ist. Intransitive Verben h​aben kein Patiens. Im Südkurdischen, d​as keine Ergativsprache ist, s​teht das Agens i​n beiden Beispielen i​m Casus rectus.

    Indikativ und Kontinuativ

    Das Indikativ Präsens w​ird im Kurdischen d​urch das Voranstellen e​ines Präfixes (de-, me-) p​lus der Personalendung (-im) gebildet. Im Südkurdischen i​st das Präfix „di-“ b​ei den meisten Verben weggefallen.

    Beispiel: „gehen“, dessen Stamm i​m Kurdischen -ç- ist, i​m Indikativ-Präsens:

    Num/PersKurmandschiSoraniSüdkurdischLekiBedeutung
    1.sg. ez diçim min eçim min çim min meçim ich gehe
    2.sg. tu diçî to eçît tu çîd tu meçîd du gehst
    3.sg. ew diçe ew eçêt ew çûd aw meçûd er geht
    1.pl. em diçin ême eçîn îme çîm îme meçîm wir gehen
    2.pl. hûn diçin êwe eçin îwe çîn îwe meçîn ihr geht
    3.pl. ew diçin ewan eçin ewan çin ewan meçin sie gehen

    Der Kontinuativ w​ird gebildet, i​ndem man e​in Suffix -e (nach e​inem Vokal: -ye) a​n die Indikativ-Form anhängt. In d​er Umgangssprache i​st der Kontinuativ i​m Präsens selten anzutreffen; e​r wird v​or allem i​n der akademischen Sprache benutzt. Im Deutschen w​ird er d​urch „ich g​ehe gerade“ übersetzt.

    Num/PersKurmandschiSoraniSüdkurdischEnglischBedeutung
    1.sg. ez diçime I am going ich gehe gerade
    2.sg. tu diçîye you are going du gehst gerade
    3.sg. ew diçeye he is going er geht gerade
    1.pl. em diçine we are going wir gehen gerade
    2.pl. hûn diçine you are going ihr geht gerade
    3.pl. ew diçine they are going sie gehen gerade
    Konjunktiv und Imperativ

    Konjunktiv u​nd Imperativ Präsens werden i​m Kurdischen w​ie in a​llen anderen iranoarischen Sprachen m​it der Vorsilbe bi- gebildet. Zuerst k​ommt die Vorsilbe bi-, d​ann der Verbstamm u​nd schließlich d​ie Personalendung.

    Beispiel für d​en Konjunktiv Präsens:

    Num/PersKurmandschiSoraniSüdkurdischBedeutung
    1.sg. ez biçim min biçim min biçim (dass) ich gehe
    2.sg tu biçî to biçît tu biçîd du gehest
    3.sg. ew biçe ew biçêt ew biçûd er/sie/es geht
    1.pl. em biçin ême biçîn îme biçîm (dass) wir gehen
    2.pl. hûn biçin êwe biçin îwe biçîn ihr gehet
    3.pl. ew biçin ewan biçin ewan biçin (dass) sie gehen

    Beispiel für d​en Imperativ Präsens:

    Num/PersKurmandschiSoraniSüdkurdischBedeutung
    2.sg. (tu) biçe! (to) biçe! (tu) biçû! geh!
    3.sg. ew biçe ew biçêt ew biçûd er/sie/es soll gehen!
    1.pl. em biçin! ême biçîn! îme biçîm! gehen wir!
    2.pl. (hûn) biçin! (êwe) biçin! (îwe) biçin! geht!
    3.pl. ew biçin ewan biçin ewan biçin sie sollen gehen!

    Futur

    Für d​as Futur w​ird anstatt di- d​as Präfix bi- benutzt. Darüber hinaus w​ird es d​urch eine Partikel gekennzeichnet, d​ie etwa d​em Personalpronomen unbetont angehängt wird. Oft i​st es , i​m Schriftkurdischen werden u​nd bevorzugt, d​ie getrennt geschrieben werden.

    Beispiel:

    • ezê biçim „ich werde gehen“ – (Schriftkurdisch)
    • ew dê biçe „sie wird gehen“

    Kurdischer Wortschatz

    Kurdisch gehört z​u den wenigen iranischen Sprachen, d​ie trotz d​er Islamisierung i​m Großen u​nd Ganzen i​hren originalen Wortschatz bewahren konnten, w​enn es a​uch viele arabische Lehnwörter gibt. Persisch w​urde als wichtige Amts- u​nd Kultursprache stärker v​om Arabischen beeinflusst a​ls das Kurdische, e​ine Sprache, d​ie in d​en gebirgigen Regionen e​inen natürlichen Schutz hat.

    Die indoeuropäische Herkunft v​on Kurdisch z​eigt sich n​och heute i​n vielen Wörtern. Beispiele für Wörter, d​ie keinen großen Lautverschiebungen ausgesetzt worden sind.

    Proto-IndoeuropäischKurdischDeutsch
    *bhréh2tēr (*bʰrā́tēr)biraBruder
    *bher-birin / birdin(bringen)
    *h3bhruH (*obhrū-)birû(Augen)braue
    *h1nḗh3mṇ (*enṓmn̥)nav, nawName
    *néwosnû, nev, newneu
    *swéḱsşeşsechs
    *h2stḗr (*astḗr)stêrk, estêreStern

    Beispiele für Wörter, d​ie sich d​urch Lautverschiebungen deutlich v​on der ur-indoeuropäischen Form entfernt haben:

    Proto-Indoeuropäisch AltiranischKurdischDeutschHeutige Bedeutung in Kurdisch
    *lewk-e-s "Licht"rauč-a-h "Licht, Tageslicht"rojleuchten, LichtTag, Sonne
    *septṃ "sieben"hapta- "sieben"heftsiebensieben
    *ss-or "Schwester"hvah-ar "Schwester"xweh
    xweşk, xwişk, xweyşik

    (~ *xweh-çik "Schwesterchen", Sorani: xweyşk)

    SchwesterSchwester
    *ǵeme- "Hochzeit"zāmā-tar "Bräutigam"zava, zawa (Sorani)(Bräutigam)Bräutigam
    *ǵneh3- "können, wissen"zānā- "wissen"zanînkönnenwissen

    Siehe auch

    Literatur

    • David Neil MacKenzie: Kurdish dialect studies. Oxford University Press, London 1962 (Nord- und Zentralkurdische Dialekte; 1961/1962).
    • Ludwig Paul: Kurdisch Wort für Wort. Peter Rump, Bielefeld 2002, ISBN 3-89416-285-6 (Kurmandschi).
    • Emir Djelalet Bedir Khan, Roger Lescot: Kurdische Grammatik. Verlag Kultur und Wissenschaft, Bonn 1986, ISBN 3-926105-50-X (Kurmandschi).
    • Feryad Fazil Omar: Kurdisch-Deutsches Wörterbuch. Institut für Kurdische Studien, Berlin 2005, ISBN 3-932574-10-9 (Erstausgabe: 1992, Kurmandschi, Sorani).
    • Abdulkadir Ulmaskan: Ferheng / Wörterbuch Kurdî-Almanî / Kurdisch-Deutsch & Almanî-Kurdî / Deutsch-Kurdisch. Kurdisches Institut für Wissenschaft und Forschung, o. O. 2010, ISBN 3-930943-60-3.
    • Khanna Omarkhali: Kurdish Reader, Modern Literature and Oral Texts in Kurmanji. Harrassowitz, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-447-06527-6.
    • Petra Wurzel: Kurdisch in 15 Lektionen. Komkar, Köln 1992, ISBN 3-927213-05-5.
    • Kemal Sido-Kurdaxi: Sprachführer Kurdisch. Blaue Hörner Verlag, Marburg 1994, ISBN 3-926385-22-7 (Kurmandschi).
    • Joyce Blau: Manuel de Kurde. Dialecte Sorani. Grammaire, textes de lecture, vocabulaire kurde-français et français-kurde. Librairie de Kliensieck, Paris 1980, ISBN 2-252-02185-3.
    • Jamal Jalal Abdullah, Ernest N. McCarus: Kurdish Basic Course. Dialect of Sulaimania, Iraq. University of Michigan Press, Ann Arbour 1967, ISBN 0-916798-60-7.
    • Petra Wurzel: Rojbas – Einführung in die kurdische Sprache. Reichert, Wiesbaden 1997, ISBN 3-88226-994-4.
    • Hüseyin Aguicenoglu: Kurdisches Lesebuch. Kurmancî-Texte des 20. Jahrhunderts mit Glossar. Reichert, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89500-464-2.
    • Kamiran Bêkes (Haj Abdo): Bingehên rêzimana kurdî, zaravê kurmanciya bakur. Babol Druck, Osnabrück 2004.

    Kurdisch-Deutsch Wörterbücher

    • PONS: Das Kleine Wörterbuch Kurdisch. Kurdisch-Deutsch / Deutsch-Kurdisch. PONS 2019, ISBN 978-3-12-516197-9.
    • Feryad Fazil Omar: Kurdisch-Deutsches Wörterbuch (Nordkurdisch/Kurmancî). Harrassowitz, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-447-11340-3.
    • Feryad Fazil Omar: Kurdisch-Deutsches/Deutsch-Kurdisches Taschenwörterbuch (Zentralkurdisch/Soranî). Harrassowitz, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-447-11342-7.
    • Abdulkadir Ulumaskan: Ferheng – Wörterbuch. Kurdisch – Deutsch | Deutsch – Kurdisch. Unrast 2019, ISBN 978-3-89771-866-1.

    Kurdisch-Englisch Wörterbücher

    • Michael Lewisohn Chyet: Kurdish-English dictionary – Kurmanji-English. Yale University Press, New Haven 2003, ISBN 0-300-09152-4.
    • Nicholas Awde: Kurdish-English / English-Kurdish (Kurmanci, Sorani and Zazaki) Dictionary and Phrasebook. Hippocrene Books, New York 2004, ISBN 0-7818-1071-X.
    • Raman: English-Kurdish(Sorani) Dictionary. Pen Press Publishers, 2003, ISBN 1-904018-83-1.
    • Salah Saadallah: Saladin’s English-Kurdish Dictionary. 2. Auflage. Hrsg. v. Paris Kurdish Institute. Avesta, Istanbul 2000, ISBN 975-7112-85-2.
    • Aziz Amindarov: Kurdish-English/English-Kurdish Dictionary. Hippocrene Books, New York 1994, ISBN 0-7818-0246-6.

    Institute

    Wörterbücher

    Einzelnachweise

    1. Only very rough estimates are possible. SIL Ethnologue gives estimates, broken down by dialect group, totalling 31 million, but with the caveat of "Very provisional figures for Northern Kurdish speaker population". Ethnologue estimates for dialect groups: Northern: 20.2M (undated; 15M in Turkey for 2009), Central: 6.75M (2009), Southern: 3M (2000), Laki: 1M (2000). The Swedish Nationalencyklopedin listed Kurdish in its "Världens 100 största språk 2007" (The World's 100 Largest Languages in 2007), citing an estimate of 20.6 million native speakers.
    2. https://www.britannica.com/topic/Kurdish-language
    3. Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, Regional- und Minderheitensprachen in Europa
    4. https://www.ethnologue.com/language/kmr
    5. Südkurdische Sprache
    6. Garnik Asatrian: Die Ethnogenese der Kurden und frühe kurdisch-armenische Kontakte. In: Iran & the Caucasus. 5, 2001, S. 41–74.
    7. A. Arnaiz-Villena, J. Martiez-Lasoa, J. Alonso-Garcia: The correlation Between Languages and Genes: The Usko-Mediterranean Peoples. In: Human Immunology. 62, No. 9, 2001, S. 1057.
    8. Gernot Windfuhr: Isoglosses: A Sketch on Persians and Parthians, Kurds and Medes. Monumentum H.S. Nyberg II (Acta Iranica-5), Leiden 1975, S. 457–471.
    9. A. Arnaiz-Villena, E. Gomez-Casado, J. Martinez-Laso: Population genetic relationships between Mediterranean populations determined by HLA distribution and a historic perspective. In: Tissue Antigens. 60, 2002, S. 117. doi:10.1034/j.1399-0039.2002.600201.x
    10. Weil er Tourismusbroschüren auf Kurdisch verteilt hat, soll ein Bürgermeister in Diyarbakr ins Gefängnis. Eine Reise in den Südosten der Türkei, wo die Justiz nicht nur Menschen jagt, sondern auch die Buchstaben. In: Die Zeit. Nr. 49/2007.
    11. Für ein paar Brocken Kurdisch. In: Der Spiegel. Nr. 10, 2009, S. 92 (online).
    12. Gesetz Nr. 2820 vom 22. April 1983 über die politischen Parteien, RG Nr. 18027 vom 24. April 1983; Deutsche Übersetzung von Ernst E. Hirsch In: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (Neue Folge). Band 13, Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 1983, S. 595 ff.
    13. Caleb Lauer: The competing worlds of written Turkish. In: The National. 12. Dezember 2013, abgerufen am 20. März 2015 (englisch).
    14. Christian Bartholomae: Altiranisches Wörterbuch. K. J. Trübner, Strassburg 1904, S. 225.
    15. David Neil MacKenzie: A concise Pahlavi dictionary. Oxford University Press, London/ New York/ Toronto 1971, S. 15.
    16. Manfred Mayrhofer: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen (EWAia). Heidelberg 1986–2001, S. 155.
    17. Manfred Mayrhofer: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen (EWAia). Heidelberg 1986–2001, S. 284.
    18. Christian Bartholomae: Altiranisches Wörterbuch. K. J. Trübner, Strassburg 1904, S. 1302.
    19. Mary Boyce: A Word-List of Manichaean Middle Persian and Parthian. In: Textes Et Memoires. Tome II, Suppl. Leiden 1974, S. 16.
    20. Manfred Mayrhofer: Etymologisches Wörterbuch des Altindoarischen (EWAia). Heidelberg 1986–2001, S. 682.
    21. J. P. Mallory, D. Q. Adams: The Oxford introduction to Proto-Indo-European and the Proto-Indo-European world. 2006, S. 416–417.
    22. Wolfgang Schulze: Northern Talysh. Lincom Europa, 2000, S. 35.
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