Kraton

Als Kratone (altgriechisch κράτος kratos, deutsch Kraft) bezeichnet man die geologisch sehr alten präkambrischen Kerngebiete der Kontinente, die meist aus metamorphen Gesteinen bestehen; als typisch gelten die Grünsteingürtel.

Vereinfachte geologische Gliederung der Erde. Die Kratone werden repräsentiert durch die Tafeln (rosa) und Schilde (orange).

Hingegen bestehen die Ränder der Kontinente oft aus jüngeren Krustenteilen, die den Kratonen im Laufe der Erdgeschichte durch Gebirgsbildungen angegliedert wurden.

Die Kratone der Kontinente gliedern sich in zwei Teilbereiche:

  1. die präkambrischen Schilde, in denen das metamorphe Grundgebirge zutage tritt
  2. die kontinentalen Plattformen, wo das Grundgebirge von unmetamorphen, ungefalteten, phanerozoischen Sedimenten überdeckt wird.

Entstehung

Kratone gelten als tektonisch besonders stabil, das heißt, dass sie weder unter Zug- noch unter Druckspannung zu Deformation neigen, oder anders formuliert, dass sie weder anfällig für Riftbildung noch für Gebirgsbildung sind. Das liegt unter anderem an der besonders großen Mächtigkeit und der verhältnismäßig geringen Temperatur ihrer subkrustalen Lithosphäre sowie ihres an leicht aufschmelzbaren Elementen „verarmten“ Charakters.[1] Dieser lithosphärische Mantelkiel kann Tiefen von 250 bis 300 Kilometer erreichen. Aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung hat er einen besonders hohen Schmelzpunkt. Die kratonische Kruste hingegen besitzt mit 35 bis 40 Kilometer nur durchschnittliche Mächtigkeiten.

Kratone entstanden vor allem im Archaikum im Zusammenhang mit den damals höheren Temperaturen im Erdmantel.[2][3] Die Asthenosphäre ist unterhalb von Kratonen meist relativ geringmächtig oder gar nicht vorhanden.[4] Es wird davon ausgegangen, dass sich aus Ozean-Ozeanplatten-Kollisionen Inselbögen formten, die durch Inselbogenvulkanismus, gegenseitige Überschiebung von Inselbögen und Unterschiebung ozeanischer Kruste eine krustale Verdickung stattfand und diese Inselbögen durch weitere „Orogenesen“ langsam immer kontinentaler wurden.[5]

Einteilung

Die bis zu 200 Kilometer in den Erdmantel reichenden – ursprünglich magmatischen, im Zeitenlauf aber meist metamorph überprägten – Kratone aus relativ (zur übrigen Erdkruste) leichtem Gestein können ihrem Alter entsprechend grob in folgende Provinzen eingeteilt werden:

  • Tektone: bestehen aus Gesteinen die infolge tektonischer Ereignisse im Meso- und Neoproterozoikum, das heißt, im Zeitraum vor 1,6 Milliarden bis vor 600 Millionen Jahren, gebildet oder zuletzt metamorph überprägt wurden (tektonothermales Alter).
  • Protone: sind Kratonprovinzen mit einem tektonthermalen Alter zwischen 1,6 und 2,5 Milliarden Jahren.
  • Archone: sind von jüngeren Kratonprovinzen umschlossene archaische „Gesteinsinseln“ (auch als archaische Kerne) mit einem tektonothermalen Alter von mehr als 2,5 Milliarden Jahren, die teilweise sogar hadaisches Material (älter als vier Milliarden Jahre) enthalten.

Phanerozoische Entwicklung der Kratone

Kratone haben meist nach dem Proterozoikum oder sogar länger keine tektonische Umformung wie Faltung, Aufwölbung oder ähnliches mehr erfahren, sind also über Äonen im Großen und Ganzen unverändert geblieben. Sie sind die Kerne der Kontinente und wurden meist schon im Präkambrium durch tektonische Vorgänge intensiv verfaltet, in großen Tiefen metamorph umgewandelt oder intrudiert und stark erodiert.

Kratone gliedern sich geologisch in Schilde und Tafeln. In den Schilden tritt weitgehend das kristalline Grundgebirge zutage, da dort die kontinentale Kruste eine niedrige Dichte und hohe Dicke hat und sich deshalb ständig isostatisch in Hebung befindet. In den Tafel- oder Plattformregionen sind die Schilde mit unverformten Sedimenten bedeckt (Deckgebirge). Diese Sedimente liegen dem Grundgebirge in aller Regel diskordant auf, da Erstgenanntes vor Ablagerung der Tafelsedimente eine Gebirgsbildung und dadurch eine Phase der Abtragung durchlaufen hatte. Entsprechend besteht zwischen den jüngsten Gesteinen des Schildes und den ältesten (am weitesten unten liegenden) Gesteinen der Sedimentdecke eine zeitliche Lücke. Da die Kruste des Grundgebirges der Tafeln eine geringere Dicke und eine höhere Dichte besitzt als die der Schilde, besitzt es weniger Auftrieb und konnte daher im Verlauf der vergangenen 500 Millionen Jahre mehrfach von einem Epikontinentalmeer bedeckt werden, was letztlich ursächlich für die Ablagerung der Tafelsedimente war.

Kratone weisen alte Störungszonen auf, die bei tektonischer Beanspruchung reaktiviert werden können. So zeigen manche Kratone aktive oder zum Stillstand gekommene Grabenbrüche, wobei dann in diesen Gräben mächtige Sedimentschichten abgelagert wurden und noch werden und teilweise große Mengen vulkanisches Material zutage gefördert wurde.

Wirtschaftliche Bedeutung

Weil Minerale und Gesteine sowie die darin enthaltenen Edelmetalle, aber auch verschiedene Schmucksteine im Allgemeinen und Diamanten im Besonderen, im Lauf der Zeiten dazu tendieren, in der Erdkruste separiert und verteilt oder im Erdmantel wieder aufgeschmolzen zu werden, sind die ältesten Kratone – da sie seit Äonen keinen plattentektonischen Veränderungen unterworfen wurden – für Prospektoren und Bergbau­unternehmen von größtem Interesse. So wird – besonders in Kanada und Australien – mit Messung des Paläomagnetismus und Gamma-radiometrischen, sonar­reflektorischen und anderen stratigraphischen und geochronologischen Methoden an der Entdeckung und Erforschung dieser alten Festlandteile der Erde gearbeitet. Auch die unzugänglichen Gebiete des sibirischen Kratons und die politisch unruhigen, bergbautechnisch interessanten Regionen Afrikas stehen im Interesse der Weltwirtschaft. Das offen zutageliegende Kraton des Baltischen Schildes – die Halbinsel Kola – ist wichtiger Rohstofflieferant Russlands. Eine Ausnahme ist das Kraton der Antarktis. Ihre entlegene geographische Lage und die harten klimatischen Bedingungen verhinderten lange Zeit eine Exploration von Lagerstätten. Seit 1961 steht zudem der Antarktisvertrag einer wirtschaftlichen Nutzung entgegen.

Liste der Kratone

Vereinfachte geologische Weltkarte (italienisch)
Vereinfachte tektonische Gliederung Nordamerikas
Die tektonischen Provinzen Nordamerikas (einschl. Grönlands) und Fenno­skandi­naviens. Alles was älter als 600 Millionen Jahre ist, also alles außer der blassgrünen Areale, zählt prinzipiell als kratonisch. Zu beachten ist aber, dass in Nordamerika der südwestliche Teil des Kratons von den mesozoischen Gebirgsbildungen („Cordillera“) ergriffen und herausgehoben wurde (u. a. das Colorado-Plateau). Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom metastabilen Kraton (siehe auch darüberstehende Abbildung).

Dies ist eine Aufstellung bekannter Schilde und Kratone sowie einiger daran beteiligter Platten, Tafeln, Becken und Grabenbrüche.

Weitere Karten

Siehe auch

Literatur

  • Roland Walter: Erdgeschichte. Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. de Gruyter, 2003, ISBN 3-11-017697-1.
Commons: Kratone – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. https://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev-earth-040610-133505
  2. Henry N. Pollack: Cratonization and thermal evolution of the mantle. In: Earth and Planetary Science Letters. 80, 1986, S. 175–182, doi:10.1016/0012-821X(86)90031-2.
  3. Stephen F. Foley: Rejuvenation and erosion of the cratonic lithosphere. In: Nature Geoscience. 1, 2008, S. 503–510, doi:10.1038/ngeo261.
  4. D. E. James et al.: Formation and evolution of Archean cratons: insights from southern africa. In: The Early Earth: Physical, Chemical and Biological Development. London 2002.
  5. Cin-Ty A. Lee, Peter Luffi, and Emily J. Chin: Building and Destroying Continental Mantle. Annual Review of Earth and Planetary Sciences 2011 39:1, 59–90
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