Kältemischung
Als Kältemischung werden Mischungen von Stoffen bezeichnet, die – für eine gewisse Zeit nach dem Anmischen – zum Entziehen von Wärme dienen können. Für diesen Zweck sind, je nach gewünschter Zieltemperatur, unterschiedliche Substanzen und Mischungen bekannt.
Die Wirkung der Kältemischung nutzt drei Effekte:
- Der Lösungsvorgang von Stoff A in Stoff B kann endotherm sein.
- Durch die Beimengung eines Additivs kann der Schmelzpunkt eines Stoffes stark abgesenkt werden. Die physikalischen Ursachen dieses Effektes sind im Artikel Schmelzpunkterniedrigung erläutert.
- Die kühlende Substanz unterliegt einem Phasenübergang, die erreichbare Temperatur ist dann die Phasenübergangstemperatur (s. u.: Trockeneis, flüssiger Stickstoff).
Im Unterschied zu Kältemitteln sind die meisten Kältemischungen in getrennter Form ohne Druckbehälter lagerbar. Daher werden Kältemischungen häufig dann verwendet, wenn ohne Kältemaschine mit einfachen Mitteln tiefe Temperaturen erzeugt und kurzzeitig gehalten werden sollen (z. B. im Labor).
Als Kältemittel und Verfahren zur mechanischen Herstellung von Kälte noch unbekannt waren, vor 1860 also, verwendete man Kältemischungen, um Kälte künstlich herzustellen.[1]
Arten von Kältemischungen
Zusammensetzung | Min. Temperatur (°C)[2] |
---|---|
100 g Wasser + 100 g Eis | 0 |
100 g Wasser + 75 g NaNO3 | −5,3 |
100 g Wasser + 140 g KI | −12 |
100 g Wasser + 133 g NH4SCN | −18 |
100 g Eis + 33 g NaCl | −21 |
100 g Eis + 143 g CaCl2 · 6 H2O | −50 |
Ethanol + CO2 (fest) | −72 |
Diethylether + CO2 (fest) | −77 |
Aceton + N2 (flüssig) | −94 |
Mit Salzen
Kältemischungen von Salzen mit Wasser nutzen zur Kühlung die endothermen Wärmeeffekte beim Lösen von Substanzen. Die Temperaturänderung beim Lösen ergibt sich dabei als Summe der Energie, die zum Auflösen des Ionengitters der Salze nötig ist, und der Hydratisierungsenergie, die beim Lösen frei wird: Wenn die Gitterenergie größer ist als die Hydratisierungsenergie, entzieht die Mischung die insgesamt fehlende Energie der Umgebung, die Lösung kühlt sich ab. Mit Kältemischungen von Salzen in Wasser können Temperaturen bis zu −18 °C erreicht werden.
Tiefere Temperaturen (bis zu −50 °C) werden bei Kältemischungen von Wassereis mit Salzen erreicht. Durch das Mischen mit Eis addiert sich nämlich zum endothermen Lösen des Salzes im Schmelzwasser die Abkühlung durch das vorhergehende Schmelzen des Eises.
Siehe auch Sole (Kältetechnik).
Mit Trockeneis
Trockeneis (d. h. gefrorenes CO2) sublimiert und entzieht die nötige Sublimationswärme der Lösung, sodass sich die Kältemischung abkühlt. Kältemischungen mit Trockeneis können Temperaturen bis zu −78 °C erreichen, der Sublimationstemperatur des Trockeneises: in Ethanol bis −72 °C, in Diethylether bis −77 °C und in Chloroform bis −77 °C.[2]
Mit flüssigem Stickstoff
Kältemischungen mit flüssigem Stickstoff (N2) können theoretisch Temperaturen von −196 °C erreichen, dem Siedepunkt des flüssigen Stickstoffs. Die praktisch nutzbare Temperatur hängt vom Schmelzpunkt des verwendeten Lösungsmittels ab: sobald ein Teil des Lösungsmittels gefriert, ist eine konstante Temperatur erreicht. Durch Nachfüllen von flüssigem Stickstoff kann die Temperatur konstant gehalten werden.[2]
Historisches
Ole Rømer (1644–1710) nutzte den Gefrierpunkt einer Salzlake als Fixpunkt seiner 1701 entwickelten Temperaturskala. Daniel Fahrenheit verwendete daraufhin als Nullpunkt seiner 1708 vorgeschlagenen Skala die tiefste Temperatur, die er mit einer Mischung aus Eis, Wasser und Salmiak (= Ammoniumchlorid) oder Seesalz erzeugen konnte: −17,8 °C. Durch die Entdeckung der Gefrierpunktserniedrigung durch Charles Blagden (1748–1820) war bekannt, dass diese linear mit der Salzkonzentration zunahm.[3] In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Kältemischungen aus Schnee und Säuren, beispielsweise verdünnter Salpetersäure, hergestellt. Der Apotheker Richard Walker berichtete 1788 über verschiedene Kältemischungen.[4] Er konnte auch im Sommer Quecksilber (Schmelzpunkt −38,83 °C) zum Erstarren bringen.[3] Tobias Lowitz (1757–1804) erzielte mit Hilfe von Mischungen von kristallwasserhaltigem Calciumchlorid („salzsauer Kalk“) und Schnee Temperaturen bis zu −50 °C.[5] 1796 berichtete er über seine Versuche vom Winter 1792/1793: mit einer seiner Kältemischungen konnte er in einem geheizten Zimmer zwölf Pfund Quecksilber zum Erstarren bringen, mit Calciumchlorid und Schnee 35 Pfund Quecksilber.[6] 1819 war schon eine umfangreiche Liste von Kältemischungen bekannt.[3]
Siehe auch
Literatur
- Heinz G. O. Becker, Werner Berger und Günter Domschke: Organikum. 22. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2004, ISBN 978-3-527-31148-4. S. 16
Einzelnachweise
- Ferdinand Fischer: Über die Herstellung von Eis. In: Polytechnisches Journal. 224, 1877, S. 165–174.
- Eintrag zu Kältemischungen. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 15. Januar 2015.
- Abraham Rees: Freezing. In: The Cyclopaedia; Or, Universal Dictionary of Arts, Sciences and Literature. Band 15. Longman, Hurst, Rees, Orme & Brown, London 1819, Freezing Mixtures (biodiversitylibrary.org [abgerufen am 5. Juni 2018]).
- Richard Walker: Experiments on the Production of Artificial Cold. By Mr. Richard Walker, Apothecary to the Radcliffe Infirmary at Oxford. In a Letter to Henry Cavendish, Esq. F.R.S. and A.S. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Band 78, 1. Januar 1788, ISSN 0261-0523, S. 395–402, doi:10.1098/rstl.1788.0027 (royalsocietypublishing.org [abgerufen am 30. April 2017]).
- Claus Priesner: Lowitz, Tobias. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 259–261 (Digitalisat).
- Tobias Lowitz: Versuche über die Hervorbringung von künstlicher Kälte. In: Lorenz von Crell (Hrsg.): Chemische Annalen für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunst und Manufakturen. Band 1, Nr. 1. C. G. Fleckeisen, 1796, S. 529–539 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).