Johann Gottfried Böker
Johann Gottfried Böker, als US-Bürger John Godfrey Boeker, weitere Schreibweisen Böcker, Bocker oder Boker (* 15. Januar 1795 in Vieringhausen bei Remscheid, Herzogtum Berg; † 3. März 1860 in New York City[1][2]), war ein deutschamerikanischer Wein- und Spirituosenhändler, konsularischer Vertreter, Kunstsammler und Galerist. Von 1822 bis 1829 diente er den Vereinigten Staaten als Konsul für die Rheinprovinz und Westfalen in Remscheid bzw. in Elberfeld. Von 1830 bis 1836 residierte er als US-Generalkonsul für die Schweiz in Basel. Von 1849 bis 1857 betrieb er die Düsseldorf Gallery in New York City, 1852 kurzzeitig auch in Boston, in der er seine Sammlung von Gemälden der Düsseldorfer Malerschule öffentlich ausstellte.
Leben
Böker, Sohn des Remscheider Kaufmanns Johann Bö(c)ker (* 1764 in Vieringhausen; † vor 1824 bei Hanau) und dessen Ehefrau Marianne Petronella, geborene Died(e)richs (* 1775 in Büchen bei Vieringhausen; † in Elberfeld),[3] heiratete seine Cousine Maria Hilgers (1800–1888).[4] Das Paar, das fünf Kinder bekam, John Boker (* 2. Dezember 1824 in New York City; † 20. August 1887 ebenda), Helen[e] (* 1830 in New York; † 18. September 1870), Walter (* 1824) und Mary Ann, wanderte in die Vereinigten Staaten aus. Als John Godfrey Boeker wurde Böker US-amerikanischer Staatsbürger. Ab 1825 taucht er im Einwohnerverzeichnis von New York City auf. Dort betätigte er sich bis zu seinem Lebensende erfolgreich als Wein- und Spirituosenhändler, mit seinem Bruder Eduard (* 1798 in Vieringhausen; † 1853 in New York) als Eigentümer der Firma J. G. & E. Böker,[5] ab 1853 mit seinem Sohn John Boker in der Firma J. G. &. J. Boker. Er importierte und vertrieb vor allem Weine aus Deutschland, Frankreich und Ungarn. Auch produzierte und vermarktete er Boker’s Bitters, einen Magen- und Cocktailbitter, der viel und gern getrunken wurde. Er kam so zu beträchtlichem Wohlstand und besaß das Anwesen „The Moorings“, einen Landsitz in Tarrytown (New York) auf 94 Acres am Hudson River, den er von Matthew Calbraith Perry erworben hatte.[6]
Außerdem agierte Boker als Interessenvertreter der im März 1821 in Elberfeld gegründeten Rheinisch-Westindischen Kompagnie. Um die britische Vorherrschaft im europäisch-amerikanischen Seehandel und die Dominanz der hanseatischen Seehäfen Hamburg, Bremen und Lübeck zu durchbrechen und zwischen dem Königreich Preußen und den Vereinigten Staaten zwecks Kostensenkung den Direkthandel zu entwickeln, schlug er dem US-Außenminister John Quincy Adams in einem Brief vom 8. August 1821 vor, in den neuen preußischen Rheinprovinzen, damals noch Provinz Großherzogtum Niederrhein und Provinz Jülich-Kleve-Berg, zur Förderung direkter Handelsbeziehungen ein US-Konsulat zu errichten. In diesem Zusammenhang wies Böker insbesondere auf die wirtschaftlichen Potenziale der frühindustriell aufstrebenden rheinpreußischen Städte Aachen, Barmen, Köln, Krefeld, Düsseldorf, Elberfeld, Mülheim an der Ruhr, Remscheid und Solingen als bedeutende Absatzmärkte für US-amerikanische Produkte (rohe Baumwolle und Tabak) hin. 1822 entsandten die Vereinigten Staaten Böker als US-Konsul für die Rheinprovinz und Westfalen.[7] Die entsprechende Approbation erhielt er von Präsident James Monroe. Sein Dienstsitz war zunächst Remscheid,[8] ab dem 1. Januar 1823 Elberfeld.[9]
Am 30. November 1829 wurde Böker zum US-Generalkonsul für die Schweiz ernannt. Im Oktober 1830 trat er in Basel seinen Dienst als überhaupt erster offizieller Vertreter der Vereinigten Staaten in der Schweiz an,[10] eine Funktion, die er bis 1836 ausübte.[11] Den Posten als US-Konsul für die Rheinprovinz und Westfalen übernahm 1829/1830 sein Stiefbruder Wilhelm Troost-Simons,[12][13][14] der Sohn des Kaufmanns, Handelsrichters und Mitgründers der Rheinisch-Westindischen Kompagnie, Johann Abraham Troost (1762–1840),[15] der am 10. März 1824 in zweiter Ehe Bökers Mutter geheiratet hatte.[16]
Über Bökers Tätigkeiten in der Zeit zwischen 1836 und 1846 ist wenig bekannt. Möglicherweise pendelte er zwischen New York City und Düsseldorf, wo er sich besonders für die aus der Kunstakademie Düsseldorf hervorgehende Düsseldorfer Malerschule interessierte. Seit 1829 Mitglied des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen baute er in vielen Jahren eine beachtliche Kollektion dieser Malerschule auf. Berichtet wird, dass er etwa die Gemäldesammlung des Düsseldorfer Kunsthändlers und Hofvergolders Anton Kraus erwarb. Am 8. August 1846 wählten ihn die Mitglieder des Kunstvereins in dessen Ausschuss.
Als erfahrener Geschäftsmann und Interessenvertreter des Kunstvereins entwickelte er Pläne, den US-amerikanischen Markt für die Düsseldorfer Maler zu erschließen. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen stand die Idee einer permanenten Ausstellung am Broadway in New York City, dem Kunstzentrum Nordamerikas. Am 18. April 1849 eröffnete er dort im Obergeschoss eines neugotischen Kirchenbaus die Düsseldorf Gallery. Sie umfasste rund 150 Gemälde der Düsseldorfer Malerschule, darunter einige, die erst im Zuge der in Deutschen Revolution 1848/1849 dorthin in Sicherheit gebracht wurden. Anfangs war die Ausstellung ein großer Erfolg. Dieser drückte sich auch darin aus, dass die Zahl der amerikanischen Subskribenten des Kunstvereins beachtlich anstieg. Die Öffentlichkeitswirkung der Berichterstattung über die Ausstellung in den US-amerikanischen Medien trug ferner dazu bei, dass sich in dieser Zeit eine beachtliche Anzahl junger US-Amerikaner entschloss, Malerei in Düsseldorf zu studieren. Kurz nach Eröffnung der Düsseldorf Gallery stellte Böker 1849 bei einem Aufenthalt in Düsseldorf den Düsseldorfer Künstlern die Gründung einer German-American Art-Union in Aussicht.
Doch schon 1850 ließ das Interesse des Publikums an der Düsseldorf Gallery erheblich nach. 1850 und 1854 kursierten Gerüchte, dass Böker die Ausstellung auflösen wolle. 1857 erwarb die Cosmopolitan Art Association des Kunsthändlers Chauncey L. Derby aus Sandusky (Ohio) die Bilder. Dessen Bruder Henry W. Derby, der die New Yorker Filiale des Unternehmens leitete, veränderte das Ausstellungskonzept und verlegte den Sitz der Kollektion und Galerie mehrmals am Broadway. 1861 beendete der Ausbruch des Sezessionskrieg den Betrieb der letzten Ausstellung der Düsseldorfer Sammlung. Im Dezember 1862 wurde sie in einer Auktion in New York verkauft.
Durch seinen Tod Anfang März 1860, den er im Alter von 65 Jahren als Folge eines Herzinfarkts erlitt, erlebte Böker die Schließung der Ausstellung und die Auflösung seiner ehemaligen Kunstsammlung nicht mehr. Bestattet wurde er auf der Woodlawn Cemetery.[17] Seine Witwe zog 1882 nach Bonn, wo sie 1888 verstarb.
Literatur
- Das Unternehmen Böker – Zielsetzung und Organisation. In: Sabine Morgen: Die Auswirkungen der Düsseldorfer Malerschule nach Amerika im 19. Jahrhundert. Düsseldorfer Bilder in Amerika und amerikanische Maler in Düsseldorf. Göttinger Beiträge zur Kunstgeschichte, Band 2, Edition Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-7675-3059-1, S. 266 ff.
- William H. Gerdts: Die „Düsseldorf Gallery“. „Die Düsseldorfer Gemäldesammlung bildete eine Ära der amerikanischen Kunst“. In: Katharina Bott, Gerhard Bott (Hrsg.): ViceVersa. Deutsche Maler in Amerika, amerikanische Maler in Deutschland 1813–1913. Ausstellungskatalog, Deutsches Historisches Museum Berlin, München 1996, S. 44 ff.
- Walter Lorenz: Johann Gottfried Böker. In: Die Heimat spricht zu Dir. Monatsbeilage des Remscheider General-Anzeigers, 43. Jahrgang, Nr. 6 (Juni 1976, PDF).
- Raymond L. Stehle: The Düsseldorf Gallery of New York. In: The New-York Historical Society Quarterly, 58 (Oktober 1974), S. 306 ff. (Digitalisat).
Einzelnachweise
- Walter Lorenz: Remscheider in aller Welt: Johann Gottfried Böker, ein Bergischer in New York. In: Die Heimat spricht zu Dir. Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsvereins/Abteilung Remscheid, 43. Jahrgang, Nr. 6 (Juni 1976), Tafel: „Vorfahren des Johann Gottfried Böker“
- Nekrolog in: The [New York] Evening Post, 3 March 1860
- Bernhard Koerner: Deutsches Geschlechterbuch, C. A. Starke Verlag, Görlitz, Band 24, S. 217
- Horst Heidermann: Wir haben die Bilder! Heinrich Christoph Kolbe im Wuppertal. In: Geschichte im Wuppertal, Jahrgang 16 (2007), S. 47 (PDF (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. )
- Allgemeines Organ für Handel und Gewerbe des In- und Auslandes und damit verwandte Gegenstände. Zweiter Jahrgang, Köln, Ausgabe Nr. 4 vom 14. Januar 1853, S. 17 (Google Books)
- Sale at Tarrytown of the Country Seat of the Late John G. Boker. In: The New York Times, Ausgabe vom 2. Juni 1860
- Donat Grünberger: Das Nordamerikanische Konsularwesen in Preußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, unter besonderer Berücksichtigung der Städte Elberfeld und Düsseldorf. Universität Erlangen-Nürnberg, Diplomarbeit 1976, S. 66 ff. Zitiert nach: Michael Zeuske: Preußen und Westindien: Handels- und Konsularbeziehungen. In: Sandra Carreras, Günther Maihold (Hrsg.): Preussen und Lateinamerika. Im Spannungsfeld von Kommerz, Macht und Kultur. Münster 2004, ISBN 3-8258-6306-9, S. 154 f. (Google Books)
- Peter Force: The National Calendar and Annals of the United States of MDCCCXXII. Washington 1822, Band 3, S. 19 (Google Books)
- Jonathan Elliot: Diplomatic Code of the United States of America: Embracing a Collection of Treaties and Conventions Between the United States and Foreign Powers, From the Year 1778 to 1827. Washington 1827 (Google Books)
- History of the U.S. and Switzerland, Webseite im Portal ch.usembassy.gov, abgerufen am 21. Mai 2018
- Debra J. Allen: Historical Dictionary of U.S. Diplomacy from the Revolution to Secession. Scarecrow Press, Lanham/Maryland 2012, ISBN 978-0-8108-6186-2, S. 335 (Google Books)
- Samuel Bell: Journal of The Senate of the United States of America. Washington 1829, S. 52 (Google Books)
- Michael Zeuske, S. 155
- Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf, Jahrgang 1830, S. 252 (Google Books)
- Rheinisch-Westindische Kompagnie, gestiftet zu Elberfeld im März 1821, ihre Entstehung – Form – Zweck und Folgen. Elberfeld 1821 (Digitalisat)
- Horst Heidermann: Unter Linden an dem Rhein – die Ruhestätten der Wuppertaler in Bonn und Bad Godesberg. In: Geschichte im Wuppertal, Jahrgang 17 (2008), S. 89 (PDF (Memento des Originals vom 23. September 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. )
- John G. Boker, Webseite im Portal findagrave.com