Hindenburgdamm
Hindenburgdamm ist die allgemein gebräuchliche Bezeichnung für einen Eisenbahndamm, der die nordfriesische Insel Sylt an das Festland der Kimbrischen Halbinsel anbindet. Die Bezeichnung ist häufiger Gegenstand von Diskussionen.[1] Der Damm wurde am 1. Juni 1927 nach einer Bauzeit von vier Jahren eröffnet und dient ausschließlich dem Eisenbahnverkehr. Er ist Bestandteil der Marschbahn von Elmshorn nach Westerland. Ursprünglich eingleisig erbaut und später zunächst mit einer Ausweichstelle versehen, ist der Damm seit 1972[2] durchgängig zweigleisig ausgebaut. Der Damm ist insgesamt 11,3 km lang; aufgrund der später erfolgten Landgewinnung im Zuge der Eindeichungen des Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koogs und Rickelsbüller Koogs, liegen heute hiervon bloß noch 8,1 km im Bereich des Nordfriesischen Wattenmeeres.
Geschichte
Die Situation vor dem Dammbau
Nach Ende des Deutsch-Dänischen Krieges 1864 gehörten Sylt und Westerland zum neuen Kreis Tondern. Das Seebad Westerland gewann zunehmend an Bedeutung. Die Marschbahn führte 1887 bereits von Altona über Husum und Niebüll nach Tondern. Von dort aus erhielt sie eine Zweigstrecke bis zum Umschlaghafen Hoyerschleuse, von dem aus Raddampfer zum Sylter Hafen Munkmarsch verkehrten, um den wachsenden Verkehr nach Sylt zu bedienen.
Die Verbindung war tidenabhängig, und im Winter schob sich gelegentlich das Eis im Wattenmeer zu einer unüberwindlichen Barriere zusammen. So dauerte die Überfahrt rund sechs Stunden, bei widrigen Witterungs- und Strömungsbedingungen auch länger. In der Zeit von 1875 bis 1876 führte Ludwig Meyn Untersuchungen und Bohrungen im Wattenmeer vor Sylt zum Bau eines Dammes vom Festland zur Sylter Ostspitze Nösse durch. Die zunehmende Bedeutung Westerlands als Seebad führte schließlich 1910 zur Aufnahme der amtlichen Planungen, 1914 begannen Bauvorbereitungen,[3] die aber durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wurden. Als Folge des Kriegs kamen Tondern und Hoyerschleuse 1920 zu Dänemark; Sylt verblieb nach einer Volksabstimmung bei Deutschland. Nun mussten deutsche Reisende, um den Festlandsfährhafen nach Sylt zu erreichen, die neue Grenze überqueren und benötigten dafür ein Visum, dies erhöhte die Dringlichkeit zum Bau eines Dammes auf deutschem Staatsgebiet. Zwar wurde die Visumpflicht 1922 durch eine Transitregelung mit plombierten Zügen über dänisches Gebiet und Überwachung des Umsteigens in Hoyerschleuse durch den dänischen Zoll abgelöst, doch hatte sich Dänemark dazu nur für eine begrenzte Zeit und nur unter der Bedingung bereitgefunden, dass das Deutsche Reich diese Zeit nutzt, um einen neuen Zugang nach Sylt vom deutschen Festland aus zu schaffen.[4]
Der Bau des Damms
Auf Grund der geringen Kapazität der Straßen nordwestlich von Niebüll wurde 1922 ein Gleis nach Klanxbüll verlegt, auf dem der Materialtransport erfolgte. 1923 wurde schließlich mit dem Bau des Eisenbahndammes begonnen. Vier Monate nach Baubeginn spülte eine Sturmflut das bis dahin Geschaffene fort. Nach dieser Erfahrung wurde die Trasse weiter nach Norden gelegt. Der Damm wurde von den Firmen Philipp Holzmann in Frankfurt am Main (vom Festland her) und Peter Fix Söhne in Duisburg (von Sylt her) unter der Regie des Preußischen Wasserneubauamtes Dammbau Sylt in Husum erbaut;[5] Vorstand des Neubauamtes war der Ingenieur Hans Pfeiffer. Zwischen Buschlahnungen und Spundwänden wurde ein Spülfeld geschaffen. 1.000 bis 1.500 Arbeiter waren als Dammbauer tätig. In dem vier Jahre dauernden Bauprozess wurden über drei Millionen Kubikmeter Sand und Klei sowie 120.000 Tonnen Steine vom Festland angefahren. Der Damm erhielt den Querschnitt eines zweiseitigen Seedeiches mit 50 Meter Fußbreite und 11 Meter Kronenbreite.[2]
Die Baukosten für den Damm beliefen sich auf 18,5 Millionen Reichsmark (das ergibt etwa 1700 Mark pro Meter – so viel kostete auch ein zweigleisiger Tunnel).[4] Um die Baukosten für den Dammbau in Höhe von 25 Millionen Mark (samt Zufahrstrecken)[2] aufzufangen, wurde für die Fahrt über den Hindenburgdamm ein Zuschlag zum Preis einer Fahrt von 40 Kilometer Länge eingeführt. Der Zuschlag wurde ab 1933 schrittweise gesenkt und fiel 1940 weg.
Im Zusammenhang mit den befürchteten Strömungsänderungen durch den Dammbau wurden im Festlandsbereich nördlich und südlich des Dammes je etwa 600 Meter Anwachs mit neuen, höheren Deichen eingedeicht, so dass der Wiedingharder Neue Koog und der Dreieckskoog entstanden.
Namensgebung
Der Damm wurde nach dem damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg benannt, der die Eisenbahnverbindung am 1. Juni 1927 eröffnete und als einer der ersten Passagiere im Eröffnungszug vom Festlandbahnhof Klanxbüll nach Westerland auf Sylt fuhr. Beim anschließenden Frühstück im Kurhaus von Westerland taufte Julius Dorpmüller, der Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn, den Damm auf den Namen Hindenburgdamm.[6]
Seit dem Zweiten Weltkrieg steht diese Bezeichnung immer wieder in der Kritik, da Hindenburg wegen seiner zögerlichen Haltung häufig als Wegbereiter Adolf Hitlers gesehen wird. Es gab zahlreiche Initiativen, eine andere Bezeichnung für den Damm zu finden.[7] Vorschläge wie „Sylt-Damm“, „Friedens-Damm“ und „Nordfriesland-Damm“ konnten sich jedoch bisher nicht durchsetzen.
Natur und Umwelt
Der Damm unterbrach den Gezeitenstrom, der bis dahin zwischen dem Festland und Sylt floss. Es wird heute vermutet, dass die dadurch verursachte Änderung der Strömungsverhältnisse mitverantwortlich für den erheblichen Landverlust an der Hörnum-Odde am Südende von Sylt ist.
Der Damm liegt in der besonders geschützten Zone I des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, die nicht betreten oder befahren werden darf. Wattwanderungen sind in diesem Teil des Wattenmeeres darüber hinaus auch deswegen nicht erlaubt, da die Tidenströme dort sehr stark sind.
Bahnverkehr
Verladung von Kraftfahrzeugen
Ab 1932 wurden auch Kraftfahrzeuge mit dem Zug nach Sylt befördert. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden sie nach Sylt nur als Wagenladungen transportiert. Täglich wurde ein Güterzug gefahren, der während der Sommersaison um einen reinen Kfz-Güterzug täglich ergänzt wurde.
Die Fahrzeuginsassen durften ab 1950 in den Fahrzeugen verbleiben, die nun nicht mehr mit Sicherungsseilen verzurrt wurden. Ab 1951 gab es spezielle Autotransportzüge, die als Naheilzüge eingesetzt wurden. Anfangs fuhren die Autozüge viermal täglich. Im Folgejahr fuhren Autozüge sechsmal pro Tag. Bald drohte die Kapazität für den Transport von Kraftfahrzeugen an ihre Grenzen zu stoßen und der Wunsch nach dem Bau einer Straßenverbindung nach Sylt wurde immer lauter.
1955 wurden zur Kapazitätssteigerung Kreuzungsmöglichkeiten auf dem Damm und auf dem Festland bei Lehnshallig geschaffen. Ostern 1957 wurden 450 Fahrzeuge übergesetzt. Nach Abschluss der Beschleunigungsarbeiten wurde die Strecke bis Morsum auf Sylt 1957 zur Hauptbahn heraufgestuft. Ab 1960 wurden Kraftfahrzeuge nur noch in reinen Autozügen befördert. 1961 wurden neue doppelstöckige Autotransportwagen in Betrieb genommen. 1964 kamen neue doppelstöckige Gliedertransportwagen zum Einsatz. Seit 1972 ist die Strecke auf dem Damm zweigleisig. Seit einigen Jahren verkehren die Züge als Sylt-Shuttle, seit 2016 auch als RDC Autozug Sylt. Von 1997 bis 2013 war für den Autoverladeverkehr die DB AutoZug zuständig. Diese wurde Ende September 2013 aufgelöst und auf DB Fernverkehr verschmolzen.
Am 20. Januar 2011 entschied das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, dass DB AutoZug Bedingungen festlegen muss, wie die Verladeterminals von anderen Anbietern mitgenutzt werden können.[8]
Sonstiger Bahnverkehr
Im Personenfernverkehr nutzen vor allem Urlauber den Hindenburgdamm zur Fahrt nach Sylt. Mehrmals täglich verkehren Intercity-Züge über den Damm. Regionalzüge der Deutschen Bahn fahren etwa im Stundentakt; sie dienen unter anderem der Beförderung von Pendlern aus dem Bereich Niebüll. Der Güterverkehr zur Versorgung der Insel wird im Wesentlichen über den Hindenburgdamm per Lkw gefahren und nutzt überwiegend den Sylt-Shuttle. In Westerland befinden sich mehrere Gleisanschlüsse zur Direktbelieferung mit Güterwagen; diese werden jedoch kaum noch genutzt.
Bahnhof/Blockstelle „Hindenburgdamm“
Im Jahre 1955 wurde der Bahnhof Hindenburgdamm mit einem mechanischen Einheitsstellwerk eröffnet, um die Zugfolge zwischen dem Festland und der Insel Sylt erhöhen zu können; allerdings war dieser als reiner Betriebsbahnhof, also ohne Bahnsteige, ausgeführt.[9] 1970 erreichte das zweite Gleis den Kreuzungsbahnhof, zwei Jahre später ging es bis Morsum weiter. Die Betriebsstelle wurde zur Blockstelle zurückgebaut. Durch die abgelegene Lage wurde das Personal mit planmäßigen Betriebshalten von Autozügen gebracht und abgeholt. Seit 1996 wird sie als selbsttätiger Streckenblock ohne Personal betrieben.
Bis heute gibt es im Gebäude kein fließendes Wasser und auch nur eine Trockentoilette, die in den Spannwerksraum gebaut wurde. Bis 1989 war nicht einmal letztere Einrichtung vorhanden.
Literatur
- Kümmel: Der neue Eisenbahnweg durch das Wattenmeer nach Westerland-Sylt. In: Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen, 67. Jahrgang, Nr. 21 (26. Mai 1927), S. 557–562.
- Kümmel: Der Hindenburgdamm (Bahnlinie Niebüll–Westerland). In: Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 72. Jahrgang, Nr. 2 (14. Januar 1928), S. 48–50.
- H. Pfeiffer, W. Mügge: Bau eines hochwasserfreien Eisenbahndamms vom Festlande nach der Insel Sylt. In: Die Bautechnik, 6. Jahrgang, Heft 6 (10. Februar 1928) und Heft 7 (17. Februar 1928), S. 69–72 und 86–89.
- Erich Staisch: Der Zug nach Norden – 150 Jahre Eisenbahn-Verkehr in Schleswig-Holstein ; von der Christian-Bahn bis zur Elektrifizierung Ernst Kabel, Hamburg 1994, ISBN 3-8225-0298-7.
- Hans Bock: Die Marschbahn von Altona nach Westerland. Eine Fotochronik. Boyens, Heide 1989, ISBN 3-8042-0458-9.
- Rolf Stumpf: Die Eisenbahn nach Sylt. Verlag Eisenbahn Kurier, Freiburg 2003, ISBN 3-88255-455-X (Regionale Verkehrsgeschichte 38)
- Jan Kirschner: Auf Schienen durch die Nordsee – 75 Jahre Hindenburgdamm. sh:z, Flensburg 2002, ISBN 3-926055-65-0.
- Thomas Steensen: Wie der Hindenburgdamm zu seinem Namen kam. In: Nordfriesland Tageblatt, 22. Mai 2017.
Weblinks
Einzelnachweise
- Spiegelartikel zur Diskussion über die Namensgebung
- Gerd Holmer: Der Hindenburgdamm an der Strecke Niebüll – Westerland. In: Pressedienst der Bundesbahndirektion Hamburg (Hrsg.): 100 Jahre Eisenbahndirektion Hamburg 1884–1984, S. 119–121
- Gerhart Eckert, Hans-Jürgen Stöver: Auf Schienen durchs Watt. Hans Christians Verlag, Hamburg 1977, ISBN 3-7672-0467-3
- Rolf Stumpf: Die Eisenbahn nach Sylt. EK, Freiburg 2003, ISBN 3-88255-455-X.
- Hans Jessel (Hrsg.): Das große Sylt-Buch. Ellert und Richter Verlag, Hamburg 1994, S. 193
- Die Einweihung des Sylter Bahndammes. In: Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen, 67. Jahrgang, Nr. 23 (9. Juni 1927), S. 633–635. Die Rede wird dokumentiert und kommentiert in: Arno Bammé und Thomas Steensen: Nachwort. In: Margarete Boie: Dammbau. Ein Sylter Roman. (Nordfriesland im Roman, Bd. 6), Husum Druck- und Verlagsgesellschaft 2012, S. 285–336, ISBN 978-3-89876-610-4.
- nje: Der Hindenburgdamm und die Namensfrage. In: Sylter Rundschau. sh:z Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag GmbH & Co. KG, 15. Januar 2014, abgerufen am 19. September 2016: „Als letzter hatte vor rund drei Jahren der Historiker Nils Hinrichsen vom Nordfriesischen Institut für eine Umbenennung plädiert.“
- Die Welt: Kein Monopol mehr auf Sylt
- Stellwerk im Meer. Abgerufen am 14. Januar 2020 (deutsch).