Hamburgische Staatsoper
Die Hamburgische Staatsoper am Gänsemarkt in der Hamburger Neustadt gehört zu den weltweit führenden Opernhäusern und blickt auf eine über 300-jährige Geschichte zurück. Die Oper beherbergt unter ihrem Dach die Staatsoper Hamburg, das Philharmonische Staatsorchester Hamburg und das Hamburg Ballett.
Geschichte
Die Hamburger Oper am Gänsemarkt wurde am 2. Januar 1678 unter dem Namen Opern-Theatrum als erstes privatwirtschaftlich geführtes Opernhaus in Deutschland gegründet.[1] Gespielt wurde in einem länglichen Holzbau am Jungfernstieg, Ecke Gänsemarkt, der 1677 von dem italienischen Baumeister Girolamo Sartorio erbaut wurde. Zur Eröffnung wurde das Singspiel Adam und Eva oder Der Erschaffene, Gefallene und Aufgerichtete Mensch von Johann Theile aufgeführt.[2] Dieses religiöse Sujet war ein Zugeständnis an die vom Pietismus beeinflusste Hamburger Pfarrerschaft, die heftig gegen diese weltliche Institution opponiert hatte. Die Befürworter der Oper unter den lutherisch orthodoxen Pfarrern ergriffen für diese Partei. Es kam zum ersten Theaterstreit.
Vom Ende des 17. bis etwa 1725 nahm die Hamburger Oper eine führende Rolle in der musikalischen Welt Europas ein. Vor allem die Aufführung von Werken der bedeutenden Komponisten Reinhard Keiser, Georg Philipp Telemann oder Georg Friedrich Händel unterstreichen dies. Händel war während seiner Hamburger Jahre auch als Geiger und Cembalist bei der Oper beschäftigt. 1705 wurde hier seine erste Oper Almira uraufgeführt.
1738 musste das privatwirtschaftlich geführte Haus infolge von Misswirtschaft und nachlassendem Publikumszuspruch schließen. Das Haus wurde bis zum Abriss 1763 noch als Bühne für herumziehende Komödiantengruppen genutzt. Zum Niedergang in den 1730er Jahren trug wohl der Einfluss einer italienischen Direktion und die Dominanz italienischer Opern mit "abscheulichen" Tänzen[3] bei.
Im am selben Ort neu errichteten Comödienhaus der Ackermann’schen Schauspielergruppe, einem schlichten Bau mit Walmdach des Baumeisters Johann David Fischer, wurden ab dem 31. Juli 1765 wieder Opern im Wechsel mit Schauspiel und Musiktheater aufgeführt. Von 1767 bis 1769 übernahm das Hamburger Nationaltheater, auch Entreprise genannt, das Haus unter der Leitung von Johann Friedrich Löwen. Lessing war der Dramaturg der Bühne, brachte hier am 30. September 1767 die Minna von Barnhelm zur Uraufführung und gab die Hamburgische Dramaturgie heraus. Ab 1771 führte Friedrich Ludwig Schröder das Haus mit einigem Erfolg. So fand am 29. August 1787 hier die Uraufführung von Friedrich Schillers Drama Don Carlos statt.
Am 3. Mai 1827 zog die Bühne als Stadt-Theater in ein neues Haus auf dem Gelände des ehemaligen Kalkhofs an der Dammtorstraße. Es war ein schlichter Bau nach Plänen von Carl Ludwig Wimmel und hatte Patz für 2.500 Zuschauer.[4] Speziell die Akustik hob den neuen Bau gegenüber anderen Opernhäusern seiner Zeit ab. Damit baute die Hamburger Oper ihren internationalen Ruf weiter aus. Da die klassizistische Fassade Wimmels vielen Zeitgenossen jedoch zu nüchtern erschien, erhielt der Bau in den 1873/1874 eine neue repräsentative Fassade von Martin Haller.[5]
Von 1874 bis 1897 war Bernhard Pollini Direktor des damaligen sog. Stadtheaters. Pro Woche standen regelmäßig viermal Oper, zweimal Schauspiel, einmal Operette oder Ballett auf dem Programm. Pollini war außerordentlich erfolgreich, erzielte volle Häuser und stattliche Überschüsse. Er brachte 175 Erstaufführungen, davon 51 Uraufführungen, auf die Bühne. Er verpflichtete bedeutende Sänger und Dirigenten, denen er hohe Gagen bezahlte und brachte das Haus damit auf ein hohes künstlerisches Niveau. Bekannte Komponisten wie etwa Puccini und Tschaikowsky wurden engagiert, um ihre eigenen Werke zu dirigieren. Im Jahre 1891 berief Pollini Gustav Mahler als Nachfolger von Hans von Bülow als Ersten Kapellmeister. Gemeinsam mit ihm organisierte er ein Gastspiel des Ensembles an die Covent Garden Opera nach London, bei dem unter dem Dirigat von Mahler Der Ring des Nibelungen von Richard Wagner und weitere Opern aufgeführt wurden.
Weitere bedeutende Sänger, die Pollini nach Hamburg verpflichtete, waren unter anderen Albert Niemann, Katharina Klafsky oder Anna von Mildenburg.
Im Oktober 1906 und mit Gastspielen bis 1913 begeisterte Enrico Caruso in diversen Rollen das Hamburger Publikum.
Trotz des Ersten Weltkriegs, der für viele Mitarbeiter aus allen Bereichen den Einzug zum Wehrdienst brachte, wurde der Spielbetrieb auch in den Kriegsjahren aufrechterhalten. 1925 stimmte die Hamburgische Bürgerschaft dem Umbau des Bühnenhauses zu, das in dieser Form noch heute benutzt wird.
1934 folgte in der Zeit des Nationalsozialismus eine erneute Umbenennung, diesmal in den bis heute gültigen Namen Hamburgische Staatsoper. Bei einem Bombenangriff in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1943 wurde der Zuschauerraum völlig zerstört, lediglich das Bühnenhaus blieb verschont.
Schon 1946 genehmigte die Militärregierung neue Aufführungen. Der Zuschauerraum wurde erst provisorisch ins Bühnenhaus integriert, später in die Ruine des Vorderhauses erweitert, sodass wieder 1.200 Zuschauer Platz fanden. Die Stiftung Wiederaufbau der Hamburgischen Staatsoper wurde 1952 initiiert von Alfred Toepfer. Die Stiftung brachte unter ihrem ehrenamtlichen Geschäftsführer Wilhelm Oberdörffer damals innerhalb weniger Monate 1,5 Millionen Mark Sponsorengelder zusammen. 1953 begann der Neuaufbau mit dem Abriss der Vorderhausruine. Bis 1955 entstand dann ein neues Zuschauerhaus mit ca. 1.690 Sitzplätzen nach Plänen Gerhard Webers, das mit einer Aufführung von Mozarts Zauberflöte am 15. Oktober 1955 eröffnet wurde.
Anneliese Rothenberger wagte 1946 unter dem Intendanten Günther Rennert ihre ersten Soloschritte in der Hamburgischen Staatsoper. Plácido Domingo debütierte im Januar 1967 als Cavaradossi in Tosca und eröffnete so seine Erfolge in Europa, die ihn zur Weltkarriere trugen. Namen wie Montserrat Caballé, Luciano Pavarotti, Mirella Freni, Rudolf Schock, Martha Mödl, Birgit Nilsson sind mit dem Haus verbunden. Bedeutende Sänger wie Gunnar Graarud, Josef Greindl, Lawrence Winters, Gottlob Frick, Franz Grundheber, Bernd Weikl und Kurt Moll gehörten lange Jahre zum Ensemble des Hauses (siehe Liste von Ensemblemitgliedern der Hamburgischen Staatsoper).
Theaterdirektoren vor 1945
- Benedikt von Ahlefeldt (1722–1726)
Direktoren nach dem Bau des Stadttheaters (Dammtorstraße) 1827[6]
- Friedrich Ludwig Schmidt (1827–1841), Co-Direktor Karl August Lebrun (1827–1837), Co-Direktor Julius Mühling (1837–1841)
- Julius Mühling (1841–1847), Co-Direktor Julius Cornet
- Jean Baptist Baison (1847–1848), Co-Direktor Chéri Maurice, später Josef Wurda
- Chéri Maurice (1848–1854), Co-Direktor Josef Wurda
- Carl Albert Sachse (1856–1858)
- Anton Wollheim (1858–1861)
- Bernhard Anton Herrmann (1862–1866), Co-Direktor Johann Friedrich Anton Wüppermann (1861–1863)
- J.C. Reichardt (1866–1869)
- Moritz Ernst (1869–1871)
- Bernhard Anton Herrmann (1871–1873)
- Bernhard Pollini (1874–1897)
- Max Bachur (1897–1912), Co-Direktor Franz Bittong (1897–1904)
- Hans Loewenfeld (1912–1921)
Generalmusikdirektoren nach der Umwandlung in ein Musiktheater 1922 und der Umbenennung in Hamburger Staatsoper 1934
- Egon Pollak (1922–1931)
- Karl Böhm (1931–1934)
- Eugen Jochum (1934–1945)
Intendanten der Hamburgischen Staatsoper seit 1945
Amtszeit | Intendant |
---|---|
1945 bis 1957 | Günther Rennert |
1957 bis 1959 | Heinz Tietjen |
1959 bis 1973 | Rolf Liebermann |
1973 bis 1977 | August Everding |
1977 bis 1984 | Christoph von Dohnányi |
1984 bis 1985 | Kurt Horres |
1985 bis 1988 | Rolf Liebermann |
1988 bis 1997 | Peter Ruzicka |
1997 bis 2000 | Albin Hänseroth |
2000 bis 2005 | Louwrens Langevoort |
2005 bis 2015 | Simone Young |
seit der Spielzeit 2015/16 | Georges Delnon |
Generalmusikdirektoren seit 1945
Amtszeit | Generalmusikdirektor |
---|---|
1945 bis 1949 | Eugen Jochum |
1951 bis 1961 | Joseph Keilberth |
1961 bis 1972 | Wolfgang Sawallisch |
1972 bis 1977 | Horst Stein |
1977 bis 1984 | Christoph von Dohnányi |
1984 bis 1988 | Hans Zender |
1988 bis 1997 | Gerd Albrecht |
1997 bis 2005 | Ingo Metzmacher |
2005 bis 2015 | Simone Young |
seit der Spielzeit 2015/16 | Kent Nagano |
Gegenwart
Seit 2015 ist Kent Nagano Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper und des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg. Opern- und Orchesterintendant ist der Schweizer Georges Delnon. In der Dekade von 2005 bis 2015 war die australische Dirigentin Simone Young Intendantin sowie Generalmusikdirektorin des Hauses.
Heute gehört die Hamburgische Staatsoper zu den renommiertesten Opernhäusern der Welt, die Fachzeitschrift Opernwelt zeichnete sie 1997 und 2005 als „Opernhaus des Jahres“ aus.
Anfang 2005 wurde das neue Betriebsgebäude hinter dem Haupthaus nach Entwürfen des Architekturbüros von Kleffel Köhnholdt fertiggestellt, das Platz für drei Probebühnen und die opera stabile bietet. Die „Mantelbebauung“ mit Wohnungen und Büros verhindert es, dass eine ungegliederte Fassade des – auf diese Weise innenliegenden – Betriebsgebäudes das Stadtbild in dem zentralen Bereich Hamburgs negativ beeinflusst.
Auszeichnung
- International Opera Award 2014, Anniversary Production (Verdi) für die Verdi-Trilogie (La battaglia di Legnano, I due Foscari, I Lombardi)
Literatur
- Friedrich Ludwig Schmidt: Geschichte des Hamburgischen Theaters. 1809. In: Almanach fürs Theater. Gottfried Vollmer, Hamburg 1809, S. 1–76 (Beginn).
- Friedrich Ludwig Schmidt: Geschichte des Hamburgischen Theaters. 1810. In: Almanach fürs Theater. Gottfried Vollmer, Hamburg 1810, S. 1–81 (Fortsetzung).
- Friedrich Ludwig Schmidt: Geschichte des Hamburgischen Theaters. 1811. In: Almanach fürs Theater. Gottfried Vollmer, Hamburg 1811, S. 3–43 (Beschluß).
- Hermann Uhde: Das Stadttheater in Hamburger 1827-1877, Verlag der J.G. Cotta'schen Buchhandlung, Stuttgart 1879, Digitalisat.
- Ferdinand Pfohl: Aus Glanztagen der Oper – Caruso in Hamburg. In: Hamburger Jahrbuch für Theater und Musik 1947-48, J.P. Toth Verlag, Hamburg 1947, S. 218–261.
- Hundertjahrfeier des Hamburger Stadttheaters, 1827–1927, Max Beck Verlag, Hamburg/Leipzig/Stuttgart 1927, Digitalisat
- Rudolf von Gottschall: Ein Tribun der Bühne. In: Die Gartenlaube. Heft 1, 1878, S. 5–7 (Volltext [Wikisource]).
- Friedrich Ludwig Schmidt. Beiträge für: Almanach fürs Theater, 1809–1812
Weblinks
- Staatsoper Hamburg. Abgerufen am 29. Januar 2021.
- Philharmonisches Staatsorchester Hamburg. Abgerufen am 29. Januar 2021.
- Hamburg Ballett; John Neumeier. Abgerufen am 29. Januar 2021.
- Staatsoper Hamburg bei Operabase (Inszenierungen, Künstler und Kalender)
- Frühe Dokumente und Zeitungsartikel zur Hamburgische Staatsoper in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
Einzelnachweise
- Geschichte der Staatsoper - Oper für die Stadt. In: Staatsoper Hamburg. Staatsoper Hamburg, abgerufen am 31. Dezember 2021 (deutsch).
- Dazu und zum Repertoire um 1700 siehe G. E. Lessing: Kollektaneen. In: G. E. Lessing: Werke Bd. 5, München 1973, S. 750 ff.
- Lessing 1973, S. 752.
- Franklin Kopitzsch, Daniel Tilgner (Hrsg.): Hamburg Lexikon. 4., aktualisierte und erweiterte Sonderausgabe. Ellert & Richter, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8319-0373-3, S. 379–380.
- Dieter Schädel (Hrsg.): Wie das Kunstwerk Hamburg entstand. Hamburg 2006, S. 34.
- Vgl.Hermann Uhde: "Das Stadttheater in Hamburg 1827-1877", Cotta, Stuttgart 1879