Haldenstein
Haldenstein (in der Ortsmundart [ˈhaːldəˌʃtɑj], rätoromanisch )[1] ist eine Ortschaft in der Gemeinde Chur, am linken Rheinufer. Die seit 960 bezeugte Herrschaft befindet sich in der Region Plessur im Schweizer Kanton Graubünden. Am 1. Januar 2021 fusionierte die Gemeinde Haldenstein mit Chur.
Haldenstein | ||
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Staat: | Schweiz | |
Kanton: | Graubünden (GR) | |
Region: | Plessur | |
Politische Gemeinde: | Chur | |
Postleitzahl: | 7023 | |
frühere BFS-Nr.: | 3941 | |
Koordinaten: | 759170 / 194092 | |
Höhe: | 566 m ü. M. | |
Fläche: | 18,56 km² | |
Einwohner: | 1088 (31. Dezember 2020) | |
Einwohnerdichte: | 59 Einw. pro km² | |
Haldenstein | ||
Karte | ||
Geographie
Haldenstein liegt 3 km nördlich von Chur auf der linken Rheinseite. Der Gemeindebann erstreckte sich vom Fluss, der auf rund 6 km Länge die Südostgrenze bildet und den mit 540 m ü. M. tiefsten Punkt markiert, bis hinauf zum Grat des Calandamassivs, wo am Haldensteiner Calanda mit 2804 m ü. M. die grösste Höhe erreicht wird. Weder die Spitze des Haldensteiner noch des Felsberger Calandas gehören zum Territorium. Neben dem Haufendorf Haldenstein umfasste die ehemalige Gemeinde eine Reihe von Maiensässen am Calandahang, so auch den bis 1868 ganzjährig bewohnten Weiler Batänja (1400 m).
18 % des Gemeindegebietes waren unproduktiv, 54 % bewaldet und 26 % wurden landwirtschaftlich genutzt, wobei nur 5 % Wies- und Ackerbauland im Talgrund, der Rest Alpweide darstellen. Nachbargemeinden waren die Stadt Chur, Felsberg, Untervaz, Trimmis sowie Pfäfers im Kanton St. Gallen.
Geologie
Der Calanda wird zu einem grossen Teil von Kalkgesteinen aufgebaut, die dem helvetischen Ablagerungsraum zugeordnet werden. Es kommen mehrere übereinander liegende Gesteinsschuppen vor. Malmkalke bilden die Gesteinsplatten westlich von Haldenstein. Kreidekalke formen unter anderem die markante Felsrippe, die vom Klettergarten über die Ruine Lichtenstein zur Ruine Grottenstein zieht. Daneben kommen in den Kreideschuppen gegen den Calanda hinauf auch Mergellagen vor. Der Calanda ist geringmächtig von Moränenablagerungen bedeckt. Im nördlichen Teil von Haldenstein wird der Untergrund von Felssturzblöcken aufgebaut.
Wappen
Blasonierung: «In Silber ein pfahlgestelltes schwarzes Steinbockhorn mit Hornwurzel.» | |
Wappenbegründung: Wappen der Herren von Haldenstein |
Geschichte
Die frühesten archäologischen Funde in Haldenstein stammen aus der Jungsteinzeit und wurden bei der Ruine Lichtenstein gemacht. Im Dorfgebiet konnte eine spätbronzezeitliche Besiedlung nachgewiesen werden (um 800 v. Chr.). Im Schloss Haldenstein fand man römische Siedlungsreste. Urkundlich erwähnt wurde das Dorf wahrscheinlich erstmals 1149 als Herkunftsbezeichnung zum Personennamen Iohannes de Lanze. 1375 erscheint der Ortsname als Lentz inferior («Unterlenz»); die Entsprechung des zur Unterscheidung von Oberlentz benutzten Zusatzes lebt im heutigen romanischen Namen Lantsch sut fort. Mit dem Übergange zur deutschen Sprache ersetzte ab dem 14. Jahrhundert der Name der oberhalb des Dorfs gelegenen Burg Haldenstein die ältere Siedlungsbezeichnung, deren Herkunft nicht geklärt ist.[1]
Im 13. und 14. Jahrhundert besassen die Ritter von Haldenstein Burg und Dorf als Lehen des Bistums Chur. 1424 erwarb Peter von Grifensee alle Hoheitsrechte, so dass Haldenstein von nun an (bis 1803) eine autonome Freiherrschaft war, unabhängig von den Drei Bünden. Nach mehreren Eigentümerwechseln gelangte 1542 der französische Gesandte Jean Jacques de Castion durch Heirat in den Besitz des Zwergstaats. 1544–1548 entstand das neue Schloss, welches die Burg als Herrschaftsmittelpunkt allmählich ablöste. 1558 entschieden die eidgenössischen Orte, dass die Schirmherrschaft über Haldenstein den Drei Bünden zukomme, was allerdings erst 1568 durch Gregor Carl von Hohenbalken als Herrn von Haldenstein anerkannt wurde.[2]
Auch in den folgenden Jahrhunderten mussten sich die Haldensteiner mit häufig wechselnden Herren arrangieren. Thomas von Schauenstein erhielt 1612 vom Kaiser das Münzrecht, was zum Prägen von Gold- und Silbermünzen ausgenützt wurde. Er führte 1613 bis 1616 die Reformation ein, worin er von den evangelischen Churer Pfarrern Georg Saluz und Johann Pontisella kirchlich unterstützt wurde.[3] 1701 ging die Herrschaft an die Herren von Salis. Johann Luzius von Salis hob im selben Jahr die Leibeigenschaft auf.[4] Die Herrschaft war aber weiterhin nicht Teil der Drei Bünde.
1803 kam Haldenstein zu Graubünden. 1825 brannte ein grosser Teil des Dorfes ab. 1943 erfasste ein vom Zielgebiet des Churer Schiessplatzes ausgehender Waldbrand den ganzen Calandahang, verschonte aber das Dorf.[5][6][7]
Fusion mit Chur: Im November 2019 stimmten die Bürger über ein Fusion mit der Stadt Chur ab. Das Ergebnis war äusserst knapp. 253 stimmten mit Ja, 251 stimmten mit Nein. Im Februar 2020 stimmten die Churer Bürger über die Fusion ab. Wie erwartet stimmten 80 % für eine Fusion mit Haldenstein.[8][9]
Bevölkerung
Die Bevölkerungszahl von Haldenstein nahm in den letzten 200 Jahren im Ganzen und im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts, nach einem zwischenzeitlichen Einbruche, deutlich zu.
Bevölkerungsentwicklung | |||||||||||
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Jahr | 1803 | 1850 | 1900 | 1950 | 1970 | 1980 | 1990 | 2000 | 2002 | 2005 | 2019 |
Einwohnerzahl | 349 | 492 | 464 | 521 | 478 | 671 | 677 | 808 | 855 | 894 | 1090 |
Wirtschaft
In Haldenstein finden 274 Personen Beschäftigung, wovon immerhin noch 13 % im primären Sektor (Landwirtschaft), 44 % im sekundären (Industrie/Gewerbe) und 43 % im Dienstleistungssektor arbeiten (Stand 2002). Rund zwei Drittel der Bewohner von Haldenstein finden ausserhalb Arbeit, zum Beispiel in Chur. Neben Landwirtschaftsbetrieben gibt es in Haldenstein Gewerbe- und Industriebetriebe – Bäckerei, Schreinerei, Metallbau, Verpackungsmaschinenbau, Kieswerk. Seit Frühjahr 2013 steht mit der Windenergieanlage Calandawind in Haldenstein die erste grosse Windenergieanlage des Kantons Graubünden.[10] Diese soll so viel Elektrizität produzieren, wie in Haldenstein verbraucht wird.[11]
Verkehr
Haldenstein liegt nahe dem Autobahnanschluss Chur-Nord an der A13. Ans Netz des öffentlichen Verkehrs ist sie mit der (jenseits des Rheins auf Churer Gebiet gelegenen) Station Haldenstein der Rhätischen Bahn sowie der Churer Stadtbuslinie 3 angeschlossen.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
- Reformierte Kirche von 1732.
- Burg Haldenstein. Die im 12. Jahrhundert erbaute Stammburg der Ritter von Haldenstein war mindestens bis 1695 bewohnt. Im 18. Jahrhundert verfiel sie zusehends, wozu auch ein Erdbeben 1787 massgeblich beitrug. Neben dem dreieckigen Bergfried mit fünf Geschossen haben sich Mauerreste des Wohntrakts erhalten.
- Burg Lichtenstein, volkstümlich Katzenburg genannt. Die Feste der 1180 erwähnten, wohl mit den Rittern von Haldenstein verwandten Herren von Lichtenstein stammt aus derselben Epoche. Sie wurde bereits im 16. Jahrhundert als Ruine bezeichnet.
- Burg Grottenstein. Von der unter einem Felsvorsprung gelegenen Höhlenburg fehlen urkundliche Zeugnisse. Ein rund 20 m langer Abschnitt der Frontmauer ist noch vorhanden.
- Schloss Haldenstein. Das im 16. Jahrhundert im Renaissancestil am Dorfrand erbaute Schloss wurde 1732 nach einem Brand erneuert. Seit 1701 im Besitz der Salis-Maienfeld, beherbergte es 1763–1771 eine Erziehungsanstalt des Philanthropismus. Heute wird das seit 1966 einer Stiftung gehörende, von 1986 bis 2005 restaurierte Gebäude von der Gemeindeverwaltung und vom Archäologischen Dienst des Kantons genutzt. Seit 2001 wird im Zweijahresrhythmus im Schloss eine Freiluftoper durch die Kammerphilharmonie Graubünden unter der Leitung von Marcus R. Bosch aufgeführt.
- Ensemble Zumthor: Atelier Zumthor, 1986[12] und Wohn- und Atelierhaus Zumthor, 2004[13], Architekt: Peter Zumthor
- Haus Clavuot-Merz, 2002, Architekt: Conradin Clavuot[14]
- Reformierte Kirche Haldenstein
- Burg Haldenstein
- Burg Lichtenstein
- Burg Grottenstein
- Mauern der Schlossanlage Haldenstein
- Schloss Haldenstein
- Blick vom Schloss Richtung Chur
- Bahnhof Haldenstein 1958
Persönlichkeiten
- Peter Zumthor (* 1943), Architekt, lebt und arbeitet in Haldenstein
- Peter Conradin Zumthor (* 1979), Musiker (Schlagzeug u. a.), geboren und aufgewachsen in Haldenstein
- Josias Gasser (* 1952), Unternehmer, Politiker, lebt und ist heimatberechtigt in Haldenstein
- Gimma (* 1980), Rapper, lebt in Haldenstein
Literatur
- Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Band VII: Die Stadt Chur und der Kreis der fünf Dörfer. (= Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 20). Hrsg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Bern 1948, DNB 760079668.
- Georg Lütscher: Geschichte der Freiherrschaft und Gemeinde Haldenstein. Überarbeitet und ergänzt von Silvio Margadant. Haldenstein 1995, ISBN 3-905241-51-X.
- Otto P. Clavadetscher, Werner Meyer: Das Burgenbuch von Graubünden. Zürich 1984, ISBN 3-280-01319-4, S. 297–302.
- Mathis Berger: Die staatliche Stellung der Herrschaft Haldenstain in der Geschichte. In: Bündner Monatsblatt. 1956, Nr. ¾, S. 61 ff.
Weblinks
- Silvio Margadant: Haldenstein. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Einzelnachweise
- Andres Kristol: Haldenstein GR (Landquart). In: Dictionnaire toponymique des communes suisses – Lexikon der schweizerischen Gemeindenamen – Dizionario toponomastico dei comuni svizzeri (DTS|LSG). Centre de dialectologie, Université de Neuchâtel, Verlag Huber, Frauenfeld/Stuttgart/Wien 2005, ISBN 3-7193-1308-5, und Éditions Payot, Lausanne 2005, ISBN 2-601-03336-3, S. 427.
- Rudolf Jenny (Hrsg.): Urkunden-Sammlungen im Staatsarchiv Graubünden. 2. Teil: Regesten in chronologischer Folge 9. Jh.–1877 zum Urkunden-Zuwachs 1967–1970 und Inventar zu den Urkunden-Sammlungen (= Quellen zur Kultur- und Landesgeschichte Graubündens. Band IV). Chur 1977, S. 115 f., 117.
- Website Evangelisch-reformierte Kirche Haldenstein. In: haldenstein-ref.ch, abgerufen am 22. September 2021.
- Silvio Margadant: Haldenstein. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 16. Dezember 2019.
- Daniel Steffen: Flug durch die Hölle. In: Neue Zürcher Zeitung. 18. August 2018, abgerufen am 22. September 2021.
- Peter de Jong: Vor 70 Jahren wütete am Calanda ein verheerender Grossbrand. In: Churermagazin. 29. Juli 2013 (?), S. 9 (churermagazin.ch [PDF; 608 kB]).
- H. Hemmi: 1943. Der Waldbrand am Felsberger Calanda. Referat anlässlich der Delegiertenversammlung des kantonalen Feuerwehrverbandes Graubünden. In: Schweizerische Feuerwehr-Zeitung. Bern, August 1953, S. 241–250 (burgenverein-untervaz.ch [PDF; 3,3 MB]).
- (can): Knapper Entscheid: Zwei Stimmen machen in Haldenstein den Unterschied. In: suedostschweiz.de, 22. November 2019, abgerufen am 22. September 2021.
- Bettina Cadotsch: Die Churer Stimmbevölkerung hat zur Hochzeit mit Haldenstein «Ja» gesagt. Mit knapp 80 Prozent hat Chur ein deutliches Zeichen gegeben. In: suedostschweiz.de, 9. Februar 2020, abgerufen am 22. September 2021.
- Daten. In: wind-data.ch, abgerufen am 22. September 2021.
- Calandawind – Windkraftwerk Haldenstein. In: calandawind.ch, abgerufen am 22. September 2021.
- Ensemble Zumthor: Atelier Zumthor, 1986. In: baukultur.gr.ch, abgerufen am 22. September 2021.
- Ensemble Zumthor: Wohn- und Atelierhaus Zumthor. In: baukultur.gr.ch, abgerufen am 22. September 2021.
- Haus Clavuot-Merz. In: baukultur.gr.ch, abgerufen am 22. September 2021.