Geschichte des Papsttums
Die Geschichte des Papsttums umfasst die Entwicklung des Papst-Amtes der römisch-katholischen Kirche von der Antike bis zur Gegenwart. Das Amt und die Institution des Oberhauptes der katholischen Kirche in Rom lassen sich bis ins 4. Jahrhundert zurückverfolgen und belegen. Der Titel „Papst“ lässt sich zuerst bei Siricius (384–399) als Amtsbezeichnung nachweisen. Seit Gregor I. (590–604) beanspruchen die römischen Bischöfe, den Titel Papst exklusiv führen zu dürfen. In der Spätantike und im Mittelalter war die Rechtmäßigkeit einzelner Päpste umstritten und ihre Gegner warfen ihnen vor, durch Gewalt oder unrechtmäßige Papstwahlen eingesetzt worden zu sein. In solchen Fällen traten immer wieder Gegenpäpste auf. Die Lebensgeschichten mancher Päpste sind verschollen, unklar überliefert oder hagiographisch ausgedichtet oder wurden durch Chronisten aus kirchenpolitischen Gründen verändert. Die römisch-katholische Kirche selbst verzichtet seit einiger Zeit auf eine Zählung der rechtmäßigen Päpste.
Antike
Der Papst ist nach Lehre der römisch-katholischen Kirche Nachfolger des Apostels Petrus, der in diesem Sinn als erster Bischof von Rom angesehen wird. Seine Anwesenheit in Rom und sein Martyrium unter dem römischen Kaiser Nero werden insbesondere aus dem Zeugnis des Ersten Clemensbriefs hergeleitet und sind unter Historikern umstritten. In diesem Brief an die Gemeinde von Korinth fordert die Gemeinde von Rom von den Korinthern die Wiedereinsetzung von abgesetzten Presbytern. Der Brief, der um die 1. Jahrhundertwende geschrieben und dessen Autor bereits im 2. Jahrhundert mit Clemens von Rom identifiziert wurde, enthält Formulierungen, die traditionell als Hinweise auf das Martyrium der Apostel Petrus und Paulus in Rom gedeutet werden. Umstritten ist, ob der erste Clemensbrief bereits eine Vorrangstellung der Gemeinde von Rom dokumentiert oder als brüderliche Ermahnung unter Gleichberechtigten anzusehen ist.
In Rom setzte sich der um die erste Jahrhundertwende im Osten aufgekommene Monepiskopat erst spät, wohl im letzten Viertel des 2. Jahrhunderts durch. Mit der Zeit nahmen die Bischöfe der Landes- und Provinzhauptstädte allmählich die Stellung von Oberbischöfen ein, die Erzbischöfe oder im Osten Metropoliten genannt wurden. Unter diesen ragten jene heraus, deren Gemeinden auf die Gründung durch einen Apostel oder Apostel-Schüler zurückgeführt wurden, dies waren v. a. die auch als „Patriarchen“ bezeichneten Bischöfe von Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem.[1]
Im 3. Jahrhundert kam der Papsttitel als eine Ehrenbezeichnung für Bischöfe, Patriarchen und Äbte vor allem im Orient auf. Die erste bekannte Verbindung des Titels „Papst“ mit dem Bischof Roms findet sich aus der Zeit des Marcellinus († 304), der in der Grabinschrift des Diakons Severus so bezeichnet wird. Siricius von Rom (384 bis 399) bezeichnete sich als Erster selbst als papa. Als exklusive Amtsbezeichnung wurde der Titel Papst von Gregor I. (590 bis 604) gesetzlich festgeschrieben.
Seit dem 4. Jahrhundert beanspruchte der römische Bischof für sich eine Vorrangstellung unter den Patriarchen sowie allen christlichen Bischöfen, die jedoch nur in der westlichen Kirche durchgesetzt wurde. Leo der Große, von 440 bis 461 Bischof von Rom, wurde durch das 4. Konzil von Chalcedon (451) zum Ersten unter den Patriarchen erklärt.[1] Seitdem führt der Papst die Bezeichnung Pontifex Maximus („oberster Brückenbauer“), die bis zu Kaiser Gratian der römische Kaiser als oberster römischer Priester trug. Unter Papst Leo wuchs neben der geistlichen auch die politische Autorität des römischen Bischofs.
Mittelalter
Während des Langobardeneinfalls 754 und 756 in Italien rief Papst Stephan II. den fränkischen König Pippin III. zur Hilfe. Nach dem Sieg über die Langobarden erhielt Stephan von Pippin ein Gebiet in Mittelitalien geschenkt, welches die Grundlage des späteren Kirchenstaates werden sollte. Diese Pippinsche Schenkung wurde von Karl dem Großen bestätigt. Dieser wurde daraufhin von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt.
Ein Streit im Jahr 1054 führte zwischen Päpsten und Kaisern zur sogenannten Kirchenspaltung zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche. Die Patriarchen beider Seiten exkommunizierten sich gegenseitig. Unabhängig davon kam es auch in Westeuropa selbst zu Streitigkeiten, wie vor allem zwischen Papst Gregor VII. und dem römisch-deutschen König und späteren Kaiser Heinrich IV. Es ging vor allem um die Kompetenz bezüglich Einsetzung der Bischöfe, die bis anhin weitgehend durch die weltliche Gewalt (siehe Reichskirche) erfolgt war. Nach der Exkommunikation Heinrichs folgte eine Auseinandersetzung, die man als Investiturstreit bezeichnet. Dieser sollte fast ein halbes Jahrhundert andauern, bis Heinrichs gleichnamiger Sohn und Papst Kalixt II. das Wormser Konkordat schlossen, welches allein dem Papst das Recht der Investitur zugestand. Der Kaiser durfte nur im Falle einer Uneinigkeit von seinem Entscheidungsrecht Gebrauch machen. Damit war eine Stärkung der machtpolitischen Stellung der Päpste vorbereitet, die allerdings spätestens mit der Gefangensetzung von Bonifaz VIII. durch den französischen König Philipp IV. 1303 und die zwangsweise Übersiedlung der Residenz von Rom nach Avignon ihr Ende nahm.[2]
In den nächsten beiden Jahrhunderten folgten weitere kriegerische Auseinandersetzungen. Nach dem Tod Heinrichs VI. 1197 brachen politisch unruhige Zeiten an. Währenddessen wurde Innozenz III. Papst. Er mischte sich in die Belange des Heiligen Römischen Reiches ein und setzte Friedrich II., einen Sohn Heinrichs, auf den Thron. Innozenz war auch der erste Papst, der sich als Stellvertreter Christi auf Erden bezeichnete. Das Papsttum kam unter ihm zu seiner größten Machtentfaltung. Nach seinem Tod brach der Konflikt zwischen Kaisern und Päpsten jedoch erneut aus.
Im gesamten Mittelalter amtierten häufiger mehrere Päpste gleichzeitig, da zu Lebzeiten eines bereits kanonisch gewählten Papstes ein Gegenpapst erhoben wurde. Dazu kam es, weil sich zum Beispiel das Kardinalskollegium spaltete, der Kaiser oder stadtrömische Adelsfamilien in die Papstwahl eingriffen. Solche Eingriffe sind inzwischen unter Androhung der Exkommunikation verboten. Außerdem wurde im 14. Jahrhundert die Residenz nach Avignon verlegt (Avignonesisches Papsttum). Papst Clemens V., ein Franzose, verlegte 1309 seinen Sitz nach Avignon, weil er unter dem Einfluss des französischen Königs Philipp IV. stand und weil dieser ihm maßgeblich dazu verholfen hatte, Papst zu werden. König Philipp IV. nutzte die Nähe des Papstes aus, um die Besetzung hoher Kirchenämter zu beeinflussen und um den Templerorden zu bekämpfen. Bis 1377 blieben alle nachfolgenden Päpste in Avignon. Erst Gregor XI. kehrte nach Rom zurück. Nach seinem Tod entwickelte sich ein Streit zwischen Urban VI. und Clemens VII. Beide erkannten sich gegenseitig nicht als Papst an. Es kam zum Abendländischen Schisma, welches in einem Konzil im Jahr 1409 beendet werden sollte. Beide Päpste wurden abgesetzt und durch einen dritten ersetzt. Allerdings ging dieser Plan nicht auf. Erst das Konstanzer Konzil von 1414 bis 1418 beendete die Misere. Alle drei Päpste wurden abgesetzt und Martin V. wurde neues Kirchenoberhaupt.
Im 15. und 16. Jahrhundert führte die zunehmende Verweltlichung des Papsttums zu einer Krise, deren ultimative Konsequenz letztlich die Reformation war. Verschiedene Persönlichkeiten versuchten vorerst, Reformen innerhalb der Kirche durchzuführen. Unter ihnen waren Erasmus von Rotterdam, Martin Luther, Ulrich Zwingli und Johannes Calvin. Diese Reformversuche führten zu innerkirchlichen Konflikten, da sie von den Päpsten keine Unterstützung erhielten. Letzten Endes mündeten diese Konflikte in eine weitere Spaltung der Kirche, in die heutige römisch-katholische und protestantische Kirchen.[3]
Neuzeit
In der Zeit der Renaissance und des Barock nahmen die Päpste Dienste von Künstlern wie zum Beispiel Michelangelo, Raffael, Gian Lorenzo Bernini in Anspruch, um Kirchen, Plätze, Adelshäuser usw. zu renovieren oder neue Bauten zu errichten. Ein Beispiel ist der im 16. Jahrhundert erbaute Petersdom auf dem Mons Vaticanus.
Im 17. und 18. Jahrhundert bauten die Päpste eine strukturierte Verwaltung auf. Der Papst stand als absolutistischer Herrscher an der Spitze des Kirchenstaats. Dessen Ende kam im Jahre 1870, als Vittorio Emanuele Rom eroberte und Italien zu einem Staat einte. Papst Pius IX. verlor sein Machtgebiet und verschanzte sich als freiwilliger Gefangener im Vatikan. Erst die Lateranverträge im Jahre 1929 zwischen Papst Pius XI. und Benito Mussolini legten die Souveränität des Vatikanstaats fest.
Im Ersten Vatikanischen Konzil 1869/70 erließ Papst Pius IX. das Unfehlbarkeitsdogma für seine Person in Lehrmeinungen, das in der Folge in einigen Ländern zum Kulturkampf führte.[2]
Im Zeitalter von Industrialisierung und Kapitalismus vollzog das Papsttum nach der russischen Oktoberrevolution von 1917 eine bemerkenswerte dogmatische Kehrtwende: Hatte die Sozialenzyklika von Leo XIII. 1891 noch hervorgehoben, dass „vom Überfluss Almosen zu spenden“ seien, was „nicht eine Pflicht der Gerechtigkeit“ sei, so betonte jene von Pius XI. 1931, der Staat könne „anordnen, was die Eigentümer hinsichtlich ihres Eigentumsgebrauchs dürfen, und was ihnen verwehrt ist“.[4]
Eine umstrittene Rolle spielte Papst Pius XII. während des Zweiten Weltkrieges. Dem Papst und der Kurie wird vorgeworfen, die nationalsozialistischen Verbrechen nicht genügend deutlich verurteilt zu haben.[5] Eine grundlegende Reform des Katholizismus leitete Papst Johannes XXIII. mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils ein. Im Jahre 1978 wurde mit dem polnischen Kardinal Karol Wojtyla zum ersten Mal seit Jahrhunderten ein Nichtitaliener zum Papst auserkoren. Sein Pontifikat war geprägt von einer Betonung der päpstlichen Autorität. Eine weltweite Anteilnahme war bei seinem Tod und der Neuwahl seines Nachfolgers Benedikt XVI. – zuvor Kardinal Joseph Ratzinger – aus Deutschland zu beobachten. Er gab als erster Papst nach mehr als 700 Jahren am 11. Februar 2013 freiwillig seinen Rücktritt mit dem 28. Februar 2013 um 20 Uhr (MEZ) bekannt. Sein Nachfolger ist der Argentinier Jorge Bergoglio. Bergoglio gehört dem Orden der Jesuiten an und gab sich den Namen Franziskus.
Siehe auch
Literatur
Weiterführende Literaturangaben bieten die Bibliographien der genannten Werke.
- Eamon Duffy: Saints & Sinners: A History of the Popes. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Yale University Press, New Haven 2006, ISBN 0-300-11597-0.
- Thomas Frenz: Das Papsttum im Mittelalter. Böhlau Verlag, Köln u. a. 2010, ISBN 978-3-8252-3351-8 (= UTB 3351).
- Horst Fuhrmann: Die Päpste. 3. aktualisierte Auflage. C. H. Beck, München 2005, ISBN 978-3-406-52863-7.
- Elke Goez: Papsttum und Kaisertum im Mittelalter (Geschichte kompakt). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009.
- Klaus Herbers: Geschichte des Papsttums im Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2012, ISBN 978-3-534-23170-6.
- Tanja Michalsky u. Norbert Zimmermann: Die Päpste und Rom zwischen Antike und Mittelalter, Regensburg 2017, ISBN 978-3-7954-3089-4.
- Ludwig von Pastor: Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters. 16 Bände. Freiburg i. B. 1886–1933.
- Volker Reinhardt: Pontifex. Die Geschichte der Päpste. C.H. Beck, München 2017, ISBN 978-3406703812.
- Bernhard Schimmelpfennig: Das Papsttum. Von der Antike bis zur Renaissance. 6. bibliografische aktualisierte Aufl., Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-23022-8.
- Georg Schwaiger: Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert: von Leo XIII. zu Johannes Paul II. Beck, München 1999.
- Franz Xaver Seppelt: Geschichte der Päpste. 5 Bde., teils in 2. Auflage (neu bearbeitet von Georg Schwaiger). München 1954–1959.
- Franz Xaver Seppelt und Klemens Löffler: Papstgeschichte von den Anfängen zur Gegenwart. 1933 (archive.org).
Einzelnachweise
- Urs Küry: Kirchengeschichte, Christkatholischer Schriftenverlag, 1968
- dtv-Atlas Weltgeschichte, Band 1, 31. Auflage 1997
- Thomas Ribi: Die Macht der Päpste: Wieso ist der Papst immer noch so mächtig? In: Neue Zürcher Zeitung vom 8. Juni 2017
- dtv-Dokumente: Eigentum und Freiheit; hrsgg. von Friedhelm Forwick, 1972
- Hubert Wolf: Wie der Papst zu Hitlers Machtantritt stand. In: FAZ.net. 28. März 2008, abgerufen am 13. Oktober 2018.