Gert Bastian
Gert Bastian (* 26. März 1923 in München; † vermutlich 1. Oktober 1992 in Bonn) war ein deutscher Generalmajor und Politiker (Die Grünen).
Leben
Militärische Laufbahn
Bastian absolvierte im Sommer 1941 ein Notabitur an einem Realgymnasium. Er trat im Zweiten Weltkrieg freiwillig als Offiziersanwärter in die Wehrmacht (Pionier-Ersatz-Bataillon 7 in München) ein und wurde am 1. August 1941 zum Fahnenjunker ernannt. 1942 war er zunächst als Gruppenführer im Pionierbataillon 45 an der Ostfront eingesetzt. Im Anschluss absolvierte er 1942/43 den Zugführerlehrgang und den Lehrgang zum Kompanieführer. Nach den Lehrgängen wurde er zum Panzerpionierbataillon 86 der 9. Panzer-Division versetzt, wo er bis Mai 1945 als Offizier an der Ost- und Invasionsfront zunächst als Zugführer, später als Kompanieführer eingesetzt wurde. Noch vor Kriegsende heiratete er im Alter von 22 Jahren. Bastian geriet in Bayern in US-Kriegsgefangenschaft.
In der Nachkriegszeit absolvierte er in München von 1946 bis 1948 eine Lehre zum Buchbinder. Bevor er 1950 Behördenangestellter wurde, arbeitete er selbständig in seinem Lehrberuf. 1956 trat Bastian in die neu gegründete Bundeswehr im Dienstgrad Oberleutnant[1] ein und wurde als Hörsaaloffizier an der Heeresoffizierschule I in Hannover und der Heeresoffizierschule III in München eingesetzt. Er absolvierte von 1959 bis 1960 den 3. Generalstabslehrgang an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Von 1962 bis 1967 war Bastian bei der 1. Gebirgsdivision als G2 und G3-Stabsoffizier eingesetzt, 1964 unterbrochen von einer einjährigen Verwendung als Hörsaalleiter an der Führungsakademie der Bundeswehr. Es schloss sich eine Verwendung als G3-Stabsoffizier im III. Korps in Koblenz an. Danach wurde er zum Führungsstab des Heeres versetzt, wo er vom 1. April 1968 bis 30. September 1971 als Referent an der Konzeption des Heeres mitwirkte. Es folgte bis 31. März 1974 eine Truppenverwendung als Kommandeur der Jägerbrigade 4 in Göttingen. Am 1. April übernahm er den Dienstposten des stellvertretenden Amtschefs und Chef des Stabes des Heeresamtes in Köln, am gleichen Tag wurde er zum Brigadegeneral ernannt. Unter Beförderung zum Generalmajor übernahm Bastian am 1. Oktober 1976 das Kommando über die 12. Panzerdivision in Veitshöchheim, die er bis 21. Januar 1980 in seiner letzten Truppenverwendung führte. Er hatte um die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten, weil er den NATO-Nachrüstungsbeschluss nicht mittragen könne.[2]
Politische Laufbahn
Bastian, Mitglied der SPD,[3] war Gegner der geplanten Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen in Europa (NATO-Doppelbeschluss) und schloss sich der Friedensbewegung an, die er an führender Stelle mitorganisierte. Dabei lernte er Petra Kelly kennen, die seine Lebensgefährtin wurde. Zunächst war Bastian auch Mitglied im Rotary-Club Würzburg, verließ diesen jedoch nach zunehmender Kritik an seinem Engagement für die Friedensbewegung. Verschiedentlich wurde behauptet, Bastian sei Freimaurer, was jedoch von späteren Chronisten bestritten wird.
1980 initiierte er zusammen mit Josef Weber den „Krefelder Appell“ gegen die Stationierung neuer Atomraketen in Europa. Seine Gegner warfen ihm vor, dass sein Auftreten gegen atomare Mittelstreckenraketen der NATO nicht glaubwürdig sei. Es stehe in eklatantem Widerspruch zu seinem Verhalten als Kommandeur der 12. Panzerdivision, wo er kurz vor seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr noch Manöver geleitet hatte, bei denen der Einsatz von Atomwaffen geübt worden war. Andere Vorwürfe gingen dahin, das plötzliche Auftreten des ehrgeizigen Bastian als Atomwaffengegner sei auf mangelnde weitere Karriereperspektiven in der Bundeswehr und seine bevorstehende Pensionierung wegen Erreichens der Altersgrenze zurückzuführen.
1981 gründete er mit anderen ehemaligen Generalen die Gruppe „Generale für den Frieden“, der später nachgewiesen wurde, dass sie vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR mit angeregt und mitfinanziert wurde. Der Verdacht, Bastian selbst habe ebenfalls für das MfS gearbeitet, wurde durch das Auffinden von Unterlagen sowie Zeugenaussagen, die einigen Interpretationsspielraum zulassen, immer wieder diskutiert.[4] 1981 erhielt er die Carl-von-Ossietzky-Medaille des Vereins Internationale Liga für Menschenrechte.
Bastian war von 1983 bis 1987 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er wurde über die Landesliste Bayern der Grünen gewählt. Zwischen dem 10. Februar 1984 und dem 18. März 1986 war er fraktionsloser Abgeordneter – sein zeitweiliges Ausscheiden aus der Fraktion der Grünen beruhte darauf, dass er sich dem damals in dieser Partei geltenden Rotationsprinzip widersetzte und sein Abgeordnetenmandat nicht, wie von der Partei gefordert, nach der Hälfte der Legislaturperiode zur Verfügung stellte.
Tod
Gert Bastian wurde am 19. Oktober 1992 mit seiner Lebensgefährtin Petra Kelly in der gemeinsamen Wohnung in Bonn-Tannenbusch tot aufgefunden. Dem Polizeibericht zufolge soll Bastian seine Lebensgefährtin im Schlaf mit einer Pistole vom Typ Deringer erschossen haben. Danach soll er sich selbst getötet haben.[5] Der exakte Todeszeitpunkt war wegen des späten Auffindens der Leichen nicht genau zu ermitteln. Allerdings wird bisweilen der 1. Oktober angenommen. Bastian hinterließ seine Ehefrau Charlotte geb. Freiin von Stipsicz (* 23. Februar 1924 in Budapest; † 12. Oktober 2017 in München) und zwei Kinder, Eva-Marina und Till Bastian. Gert Bastian wurde 69 Jahre alt und auf dem Münchner Nordfriedhof beigesetzt (Grab: Mauer links, Nr. 271).[6]
Der ehemalige Beamte und Psychologe beim Bundeskriminalamt Michael Baurmann und die Historikerin Jennifer Schevardo untersuchten 20 Jahre später den Todesfall der beiden Politiker. Sie fanden keine Hinweise auf eine Beteiligung Dritter. Die Untersuchung wurde 2012 als Dokumentation verfilmt und 2014 ausgestrahlt.[7][8]
Publikationen
- Warum ich die „Nachrüstung“ ablehne. In: Offiziere gegen Atomkriegsgefahr. Pahl-Rugenstein, Köln 1981, S. 12–18.
- Abrüstung, nicht Abschreckung, ist das Gebot der Stunde. In: Offiziere gegen Atomkriegsgefahr. Pahl-Rugenstein, Köln 1981, S. 19–23.
- Frieden schaffen! Gedanken zur Sicherheitspolitik. Kindler, München 1983, ISBN 3-463-00854-8.
Literatur
- Alice Schwarzer: Eine tödliche Liebe – Petra Kelly und Gert Bastian. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-03040-X. Aktualisierte Neuauflage des 1993 erschienenen Buches.
- Till Bastian: Die Finsternis der Herzen. Nachdenken über eine Gewalttat. PapyRossa Verlag, Köln 1994, ISBN 3-89438-074-8.
Filmische Umsetzung
- Kelly Bastian – Geschichte einer Hoffnung, TV-Film, ARD 2001; Regie: Andreas Kleinert, Drehbuch: Wolfgang Menge
- Kelly Bastian – Geschichte einer Hoffnung in der Internet Movie Database (englisch)
- Thomas Imbach (Regie): Happiness Is a Warm Gun. 2001
- Happiness Is a Warm Gun in der Internet Movie Database (englisch)
- Geheimakte Geschichte (2), Die Mordakte Kelly und Bastian, Dreiteiliger Film von Heike Nelsen-Minkenberg und Tom Müller
Quellen
- Handbuch der Bundeswehr 1978, Hrsg. von Bundesministerium der Verteidigung, Dezember 1977, ISBN 3803302595
Weblinks
- Literatur von und über Gert Bastian im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Lebenslauf von Gert Bastian auf Chronik der Wende
- Dossier auf Spiegel Online
- Knut Köstergarten: „Der verdrängte Ursprung der Grünen“, Film Rezension zu Kelly-Bastian, die Geschichte einer Hoffnung auf freitag.de, 12. Oktober 2001.
- Der Lack ist ab! Offener Brief von Gert Bastian vom September 1992 zu brennenden Asylantenheimen in Deutschland.
- Mark Hertsgaard: „Who killed Petra Kelly?“, Mother Jones, January/February 1993 Issue.
Einzelnachweise
- Schwarzer 1993, S. 71.
- WDR-Stichtag zu G.Bastian
- Offiziere gegen Amtomkriegsgefahr, 1981, Rückseite.
- Focus Online: Gert Bastian: Stasi schrieb die Reden – Der grüne Politiker und seine Generale für den Frieden wurden von Ostberlin beliefert, 26. April 2007.
- Der alte Mann und das Mädchen. In: Der Spiegel. Nr. 44, 1992 (online).
- knerger.de: Das Grab von Gert Bastian
- Filmprojekt "Geheimakte Geschichte"
- Geschichte im Ersten: Dreiteilige Dokumentation - Geheimakte Geschichte