Friedrich von Gagern (General)
Friedrich Balduin Ludwig Freiherr von Gagern (* 24. Oktober 1794 in Weilburg; † 20. April 1848 bei Kandern (im Gefecht auf der Scheideck)) war ein niederländischer General deutscher Herkunft und Befehlshaber der Truppen des Deutschen Bundes gegen den Heckeraufstand.
Leben
Herkunft, Jugend und Studienzeit
Gagern entstammte dem alten rügenschen Adelsgeschlecht von Gagern und wurde als ältester von sieben Söhnen des nassauischen Ministers Hans Christoph Ernst von Gagern geboren. Seine Mutter war eine geb. Freiin v. Gaugreben. Er ist ein Bruder des Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung Heinrich von Gagern und des Politikers Maximilian von Gagern. Als Westdeutschland 1795 zum Kriegsschauplatz wurde, folgten die Eltern dem nassauischen Fürstenhaus nach Bayreuth; erst 1800 kehrten sie nach Weilburg zurück. Gagern besuchte das Gymnasium, begleitete seinen Vater mehrfach auf dessen diplomatischen Reisen. Während der Jahre 1809 und 1810 hielt sich Gagern in Paris auf, um sich dort zum Besuch der École polytechnique vorzubereiten. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Göttingen, Marburg und Gießen.
In Göttingen wurde er 1810 Mitglied der Corps Hannovera und Rhenania.[1] 1814 wurde er Mitglied der Burschenschaft Teutonia Heidelberg und 1817 war er Mitgründer der Heidelberger Burschenschaft.
Befreiungskriege
Nach dem Studium schlug er die ihm vom Vater vorgezeichnete Offizierslaufbahn ein. Er ging nach Wien und trat dort als Kadett in österreichische Dienste und machte 1812 am Feldzug Österreichs gegen Russland unter Fürst Schwarzenberg mit. 1813 wurde er zum Offizier befördert, nahm an den Befreiungskriegen gegen Frankreich teil. Sein Regiment gehörte dem Corps des Grafen Gyulay an. Der Vater, der mittlerweile als Generalbevollmächtigter in die Dienste des Prinzen von Oranien getreten war, zog den Sohn nach sich. Als der Prinz als König Wilhelm I. die Regierung der nördlichen Niederlande übernommen hatte, wurde Gagern im Januar 1814 als Hauptmann des Generalstabs und Ordonnanzoffizier des Prinzen von Oranien in der niederländischen Armee angestellt. Als solcher nahm er 1815 an der Schlacht bei Waterloo und der Schlacht bei Quatre-Bras teil, in der er verwundet wurde.
Niederländische Dienste
In Paris gelangte er durch die Verbindungen des Vaters in die zu dieser Zeit maßgebenden politischen Kreise. Nach dem Frieden wurde Gagern vom Vater, der das Herzogtum Luxemburg beim Bundestag des Deutschen Bundes in Frankfurt vertrat, attachiert und studierte gleichzeitig bis Ende 1816 in Heidelberg. Er kehrte dann in die Niederlande zurück und arbeitete als Generalstabsoffizier bis 1823 an der großen Landestriangulation. 1824 bis Mai 1825 war er der Bundesmilitärkommission in Frankfurt zugeteilt; 1826 wurde er Major und fand bis 1830 verschiedene Verwendungen als Generalstabsoffizier innerhalb der belgischen Provinzen. Nach dem Ausbruch der belgischen Revolution 1830, als Prinz Friedrich von Oranien genötigt gewesen war, den Angriff auf Brüssel aufzugeben, wurde er Chef des Generalstabs unter Herzog Bernhard von Weimar.
1834 avancierte er zum Oberstleutnant, schied nunmehr auch aus seinem Verhältnis zum Herzog Bernhard. Er trat zur Kavallerie über und erhielt dort bald das Kommando eines in Deventer garnisonirenden Dragonerregiments; er wurde zum Oberst befördert. Als solcher begleitete er den Prinzen Alexander von Oranien (Sohn des Prinzen von Oranien) 1839 nach Sankt Petersburg und Moskau. 1842 wurde Gagern zum Brigadekommandeur und Provinzialkommandanten von Nordholland in Haarlem.
Im Oktober 1843 gelangte Gagern infolge einer durch die niederländische Finanzlage notwendig gewordenen allgemeinen Reduzierung der Armee in „Nonaktivität“. Der König Wilhelm II. ernannte ihn zu seinem „persönlichen Adjutanten im außerordentlichen Dienst“. Während der Beurlaubung verweilte er in seinem Elternhaus in Hornau.
Reise nach Südostasien
Im Juni 1844 wurde Gagern als Generalmajor mit einer besonderen vertraulichen Mission in die holländischen Kolonien auf die Sunda-Inseln entsandt. Dort inspizierte er das Militär und die Verteidigungssysteme der Kolonien. Der amtliche Teil der Reise erstreckte sich auf Java, Madura und Sumatra. Hin- und Rückweg gaben ihm Gelegenheit, Madeira und Brasilien kennenzulernen und sich eingehende Anschauungen von Britisch-Indien und von Ägypten zu verschaffen. Die Expedition, deren Resultate die vollste Anerkennung des Königs und des Ministeriums fanden, nahm drei volle Jahre in Anspruch. Seine Tierpräparate-Sammlung gelangte später an das Museum Wiesbaden. Nach seiner Rückkehr wurde Gagern 1847 zum Provinzialkommandant von Südholland und zum Gouverneur der Residenz des niederländischen Königshauses in Den Haag ernannt.
Badische Aufstände und Märzrevolution
- Gedenkstein für Gagern auf dem Scheideckpass
- Tod des Generals Friedrich von Gagern im Gefecht bei Kandern
- Hofgut der Familie Gagern in Hornau
Die Märzrevolution von 1848 veranlasste Gagern, in seine deutsche Heimat zurückzukehren. Am 13. April 1848 begann in Konstanz der Heckeraufstand und am 14. April wurde Gagern vom badischen Großherzog Leopold und dessen Kriegsminister Hoffmann zum zeitlichen Stellvertreter des Prinzen Maximilian als Kommandeur der mobilen Truppen der badischen Division des VIII. Korps der Bundesarmee berufen und erhielt den Rang eines Generalleutnants.[2] Das Haus Baden wollte seine Mitglieder nicht in den bevorstehenden Auseinandersetzungen mit der eigenen Bevölkerung exponieren. Gagern der immer noch in Diensten des niederländischen Königs Wilhelm II. stand und nur beurlaubt war, ließ sich von der deutschen Bundesversammlung die Dringlichkeit der Annahme dieser Berufung für die Sicherheit Badens bestätigen. Den Befehl zur sofortigen Rückkehr in die Niederlande den er am 19. April in Schliengen erhielt befolgte Gagern nicht.[3] Schon am 20. April traf er mit seinem Kontingent badischer und großherzoglich-hessischer Bundestruppen im Gefecht auf der Scheideck auf eine von Hecker geführte aufständische Freischar. Nachdem eine Unterredung mit Hecker auf einer Brücke bei Kandern nicht zu der beiderseits erwünschten unblutigen Lösung des Konflikts führte, kam es eine Stunde später auf der Passhöhe Scheideck zwischen Kandern und Steinen zum Kampf. Auf den Ruf aus den Reihen der Freischaren: „General vor!“ ging Gagern vor und versuchte vergeblich, die aufständischen Truppen durch Unterhandlungen und mündliche Aufforderungen zum Niederlegen der Waffen zu bestimmen. Dies wurde mit dem an die von Gagern angeführten Truppen gerichteten Aufruf zur Verbrüderung mit den Aufständischen beantwortet. Gagern stieg zu Pferd und im folgenden Feuergefecht wurde er unter nie geklärten Umständen erschossen. Beide Seiten behaupteten der Gegner hätte die Kampfhandlungen begonnen.[4] Gagern wurde das erste Opfer des für seine Truppen siegreichen Gefechts bei Kandern. 1851 wurde ihm auf der Passhöhe ein Denkmal errichtet.
Sein Grab befindet sich in der Nähe des Familiengutes in Hornau.
Heinrich von Gagern wurde der Biograf des Bruders („Das Leben des Generals Friedrich von Gagern“; von Heinrich v. G., Leipzig und Heidelberg 1856–57, 3 Bde.). Mit der Biografie ist ein wertvoller literarischer Nachlass veröffentlicht worden.
Auszeichnungen
Friedrich von Gagern war Ritter und Offizier des Militär-Wilhelms-Orden.
Literatur
- Heinrich von Gagern: Das Leben des Generals Friedrich von Gagern. 3 Bände (4 Teile). Winter, Leipzig u. a. 1856/57.
- Band 1, 1856 Digitalisat
- Band 2, 1857 Digitalisat
- Band 3, 1856 (literarischer Nachlaß) Digitalisat
- Julius Hartmann d. Jüngere: Gagern, Friedrich Freiherr von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 8, Duncker & Humblot, Leipzig 1878, S. 301–303.
- Paul Wentzke: Gagern, Friedrich Freiherr von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 29 (Digitalisat).
- Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 2: F–H. Winter, Heidelberg 1999, ISBN 3-8253-0809-X, S. 96–97.
Weblinks
Einzelnachweise
- Kösener Korps-Listen 1910, 70, 12; 83, 2
- Heinrich von Gagern: Das Leben des Generals Friedrich von Gagern Band 2, Leipzig 1857, S. 798 im Internet Archive
- Heinrich von Gagern: Das Leben des Generals Friedrich von Gagern Band 2, Leipzig 1857, S. 80 im Internet Archive
- siehe Das Gefecht bei Kandern und Tod des Generallieutenants von Gagern am 20. April. Nach neuen, bisher unveröffentlichten Aktenstücken. Verlag Franz Nöldeke, Karlsruhe 1848. online auf Google Books. Sammlung von Berichten und Meldungen zum Gefecht, enthält unter anderem: Friedrich Hecker: Erklärung des Dr. Hecker vom 12. Mai 1848; Heinrich Wilhelm von Hinkeldey: Bericht an das Kriegsministerium über das Gefecht der großherzoglich badischen und großherzoglich hessischen Truppen gegen die Rebellen bei Kandern am 20. April 1848