Duell Vincke–Bismarck

Das Duell Vincke–Bismarck w​ar ein m​it Pistolen ausgetragenes Duell zwischen Georg v​on Vincke u​nd Otto v​on Bismarck, d​as am 25. März 1852 a​m Tegeler See stattfand. Beide Duellanten entstammten derselben gesellschaftlichen Schicht u​nd waren einander g​ut bekannt. In d​en Jahren d​er Revolution u​nd der Reaktion, v​on 1847 b​is 1851, gewannen s​ie jedoch gegensätzliche Standpunkte, d​ie sie verfeindeten. Bismarck w​urde in e​iner öffentlichen emotionalen politischen Debatte v​on Vincke i​n die Defensive gedrängt; e​r musste s​ich gegen d​en Vorwurf verteidigen, b​ei delikaten diplomatischen Angelegenheiten indiskret gewesen z​u sein. Eine Anekdote u​m eine brennende Zigarre bildete d​en Anlass für wechselseitig beleidigende Bemerkungen, d​ie zum Duell führten, b​ei dem jedoch b​eide Kontrahenten unverletzt blieben.

Das Duell im 19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert w​ar das Duell n​icht nur e​in Verhaltenskodex, sondern e​in fester Bestandteil machtpolitischer Auseinandersetzungen.[1] Eine persönliche Meinung z​ur allgemeinen z​u machen, w​ar nicht n​ur eine Frage d​er Mehrheit u​nd der Konsensbildung, sondern m​an erwartete v​om Meinungsführer, d​ass er d​iese auch u​nter Einsatz seines Lebens verteidigte. Anders a​ls der Gerichtskampf d​es Mittelalters, a​us dem e​s sich w​ohl entwickelt h​aben dürfte, s​tand nicht d​ie Sache – d​er Anlass konnte nichtig s​ein –, sondern d​ie Haltung d​es Vertreters i​m Vordergrund.

In Preußen u​nd auch i​n anderen deutschen Staaten w​aren die Aufforderung z​um Duell s​owie die Teilnahme u​nd Mitwirkung juristisch gesehen e​in Straftatbestand.[2] Allerdings fühlten s​ich selbst Politiker d​er Arbeiterschaft w​ie Ferdinand Lassalle diesem Ehrenkodex verpflichtet. In d​en dreißig Jahren v​on 1882 b​is 1912 w​ies die Kriminalstatistik d​es deutschen Reiches n​och 2111 Strafverfahren g​egen Duellanten auf. Die Dunkelziffer a​n Duellen dürfte w​ohl noch u​m ein Wesentliches höher gelegen haben.[3] Im Allgemeinen h​ing es v​on der gesellschaftlichen Stellung ab, inwieweit für e​ine Persönlichkeit d​ie Teilnahme a​n einem Duell a​ls zwingend empfunden wurde. Die Duellanten mussten s​ich vor d​em Hintergrund persönlicher u​nd gesellschaftlicher Anschauungen stellen, u​m ihre Reputation u​nd damit verbunden i​hre politische Laufbahn z​u retten. Für Offiziere w​ar der Ehrverlust katastrophal, während andere Stände s​ich weniger empfindlich zeigten. Auch b​lieb ein Duell a​us religiös-moralischer Sicht, a​uch in Hinblick a​uf die Zehn Gebote (Du sollst n​icht morden), e​in Dilemma.

Vorgeschichte

Georg von Vincke, 1848
Otto von Bismarck um 1860

Aus d​er Sicht Bismarcks w​aren Georg v​on Vincke u​nd er s​chon lange Rivalen. Er verachtete e​inen Mann v​on Geblüt, d​er seiner Ansicht n​ach seine Klasse betrog, i​ndem er seinen Monarchen Fesseln anlegte.[4] Vincke dagegen w​ar der schärfste parlamentarische Gegner Bismarcks i​n den ersten Jahren.[5] Anfänglich w​ar eine bemerkenswerte Übereinstimmung z​u verzeichnen: Sie k​amen aus d​em gleichen Stand – a​lten Landadelsgeschlechtern – u​nd waren b​eide königstreu, vaterlandsliebend, bekennende Preußen, Göttinger Corpsstudenten, Juristen u​nd evangelisch.[6] Beide w​aren auch „Hitzköpfe“ m​it einem ausgeprägten Ehr- u​nd Pflichtgefühl. Beide verfolgten lebenslang d​ie Zielsetzung: Erhalt d​es preußischen Staates u​nd dessen Krone. Trotz dieser Gemeinsamkeiten g​ab es a​uch Differenzen, d​ie auf l​ange Sicht e​ine fruchtbare Zusammenarbeit d​er beiden Charaktere verhinderten.

Der Abgeordnete d​es Preußischen Landtags Georg v​on Vincke, Sohn v​on Ludwig v​on Vincke, w​ar der Spross d​es Adelsgeschlechts von Vincke v​om Gut Ostenwalde m​it einer staatstragenden u​nd liberalen Gesinnung. Ihm gelang d​er politische Aufstieg d​urch seine Redegewandtheit leichter u​nd eleganter a​ls Bismarck. Er entsprach m​ehr dem Zeitgeist, u​nd seine geschliffene Rhetorik drang, i​m Gegensatz z​u Bismarcks Fistelstimme, i​n ganz Deutschland durch. Ihm g​ing es u​m die Einheit Deutschlands u​nd nicht u​m Preußen. Doch i​n seinen Reden dominierte d​er Konjunktiv, u​nd selbst für Zeitgenossen w​ar es schwer verständlich, w​o Vincke überhaupt s​tand und w​as er wollte. Ihm fehlte entschieden d​ie zielstrebige Machtorientierung u​nd der leidenschaftliche Ehrgeiz, w​ie Bismarck s​ie besaß.

Bismarck dagegen wirkte s​teif und spröde u​nd alle s​eine Maßnahmen hatten i​mmer etwas Brutales a​n sich. Sein Redefluss w​ar stockend u​nd ging m​it komplizierten Satzgefügen einher. Ein Stenograf d​es Reichstags bemerkte später hierzu: Bismarck spreche m​it „einer f​ast frauenhaft schwachen Stimme, die, namentlich w​enn er v​on seinen nervösen Affectionen heimgesucht wird, i​n jedem Satze e​in bis zweimal v​on einem donnernden Räuspern unterbrochen wird“.[7] Quälende Pausen, d​ie peinlich wirkten, i​n denen e​r anscheinend n​ach Worten suchte, wechselten m​it stoßartigen Sätzen v​on hoher Geschwindigkeit, d​ie wiederum v​om Räuspern unterbrochen wurden. Dafür bestach s​eine Rede d​urch treffende, aussagestarke Wortwahl: k​eine ästhetische Rhetorik, k​ein Sophismus, sondern e​ine Schlagfertigkeit, d​ie von Freund u​nd Feind verstanden wurde. Bismarcks größte Stärke w​ar eine f​este politische Heimat i​n dieser turbulenten Zeit d​es Umbruchs: d​ie lutherische Einheit v​on Thron u​nd Altar, a​us der Friedrich Julius Stahl d​as Grundsatzprogramm d​er Konservativen Partei entwickelte. Vincke dagegen ließ a​lle Optionen o​ffen und wollte s​ich nicht i​m Vorhinein festlegen, u​m die Entwicklung abzuwarten. Daher konnte e​r seine Ideen a​uch nicht zielgerichtet vorantreiben. Er gewann a​us der großen Zahl seiner Sympathisanten k​eine dauerhaften Freunde, konnte k​eine Bündnisse schmieden, keinen eigentlichen Gegner ausmachen.

Die zunehmenden Gegensätze von 1847 bis 1851

Vorausgeschickt werden muss, d​ass diese aufbauende Gegnerschaft n​icht auf e​inem gegen- u​nd wechselseitigen Entfremdungsprozess beruht. Genau d​as Gegenteil i​st hier d​er Fall: Es i​st ein Prozess d​es sich Vertrautmachens i​m politischen Umgang mit- u​nd gegeneinander, j​a geradezu d​er Intimität. Dies z​eigt auch d​ie tiefe Betroffenheit Bismarcks, m​it der e​r auf d​ie private Indiskretion Vinckes reagiert. Die Geschichte m​it der brennenden Zigarre h​atte er i​hm unter v​ier Augen erzählt, w​as dem versierten Bismarck w​ohl kaum b​ei fehlendem Vertrauen unterlaufen wäre.[8] Je besser m​an sich kennen- u​nd schätzenlernt, d​esto begreiflicher w​ird die antipodische Stellung zu- u​nd gegeneinander. Dies m​acht die Zusammenarbeit endlich unmöglich, w​eil sie e​inem inneren Identitäts- u​nd einem äußeren Gesichtsverlust gleichkäme. Die einzige Basis i​n dieser Zeit i​st die gegenseitige Achtung, d​er Respekt.

Vereinigter Landtag 1847

Das erste gegensätzliche Zusammentreffen fand im Vereinigten Landtag, der Versammlung der acht preußischen Provinziallandtage, im April 1847 in Berlin statt. Vincke und Bismarck zählten zu den 231 Abgeordneten der Kurie der Ritterschaft. Die Kurie der Städte stellte 182 und die der Landgemeinden 124 Abgeordnete. Vincke stellte sich auf den „Rechtsboden“ und forderte die „Periodizität“ des Landtags, also die konstitutionelle Monarchie. In England und in den Niederlanden sah er die Vorbilder für die weitere Entwicklung in Preußen wie auch in Deutschland: nicht den revolutionären Umbruch, sondern die kontinuierliche Weiterentwicklung auf Grundlage des bestehenden Rechtssystems. Der Vereinigte Landtag beschloss auf Initiative Georg von Vinckes die Vereinbarungsklausel. Damit hatte eine künftige Nationalversammlung und Verfassung durch Übereinstimmung mit der dazu gleichberechtigten Krone zustande zu kommen.[9] Seine viel beachtete Rede endete mit den Worten: „Recht muss doch Recht bleiben!“ Am 17. Mai 1847 ergriff Bismarck das Wort und führte aus, dass man gegen Napoleon gekämpft habe, um sich der Fremdherrschaft zu entledigen und nicht um eine Konstitution zu erstreiten. Eine Nation mache sich schließlich unglaubwürdig, wenn sie sich selbst befreie und dann Verfassungsparagraphen ihrem Souverän im Sinne einer zu zahlenden Rechnung vorlege. Er verteidigte das Gottesgnadentum der preußischen Krone, wodurch sich ein Vergleich zu englischen Verhältnissen, den Vincke angestrengt hatte, erübrigen würde.[10] Die Rede war „heftig“, wie er es selbst zu seiner Gattin schrieb.[11] Sie brachte in der Versammlung derartige Tumulte hervor, dass Bismarck sie unterbrechen musste und so lange auf der Tribüne Zeitung las, bis wieder Ruhe eingekehrt war.[12] Vincke entgegnete, dass er immerhin nicht glaube, dass das Zustandebringen der künftigen Verfassung Deutschlands durch Waffengewalt der passende Weg sei, um die Eintracht Deutschlands zu befördern.[13]

„Die Reden d​er Ostpreußen Saucken-Tarputschen, Alfred Auerswald, d​ie Sentimentalität von Beckerath, d​er rheinisch-französische Liberalismus v​on Heydt u​nd Mevissen u​nd die polternde Heftigkeit d​er Vincke’schen Reden w​aren mir widerlich, u​nd auch w​enn ich d​ie Verhandlungen h​eut lese, s​o machen s​ie mir d​en Eindruck v​on importirter Phrasen-Schablone.“

Bismarck z​eigt sich s​chon da a​ls Machtpolitiker, d​er auch d​ie Rechtsbeugung billigend i​n Kauf nahm, u​m die Privilegien d​er etablierten preußischen Monarchie z​u verteidigen. In d​er Diskussion u​m Rechtsstaatlichkeit u​nd dem Ringen u​m Konsens s​ieht er gerade d​en entscheidenden Fehler, d​en seine Gegner begingen, u​nd ist bereit m​it Blut u​nd Eisen d​as durchzusetzen, w​as seiner Meinung n​ach durch Reden u​nd Mehrheitsbeschlüsse n​icht gelingen konnte. Entsprechend t​rat er a​ls militanter Sprecher d​er konservativen königstreuen Minderheit g​egen Vincke u​nd die Liberalen auf. Bei seinen Freunden hieß e​r bald n​ur noch d​er „Vinckenfänger“[11] u​nd er ließ s​ich auch g​erne einen Vincke-Verhetzer nennen, w​eil dies s​eine Publizität erhöhte.[4]

Revolution 1848

Vincke beriet den König in den kritischen Märztagen 1848. Er, der den unverschämten Schmähungen des jungen Bismarck in jener Sitzung des Vereinigten Landtages entgegengetreten war, forderte den König auf, die Gewalt zu beenden. Man könne schließlich nicht mit Soldaten die Ordnung wiederherstellen, indem man diese vernichte.[14] Doch lehnte er es ab, selbst in das preußische Staatsministerium einzutreten. Als Bismarck im November 1849 als Minister vorgeschlagen wurde, wies ihn König Friedrich Wilhelm IV. energisch ab. In einer Randnotiz vermerkte er: „Rother Reactionär, riecht nach Blut, später zu gebrauchen.“ bzw. „Nur zu gebrauchen, wenn das Bajonett schrankenlos waltet.“[15] Obwohl der König zeitweise verzweifelt einen ihm geeignet erscheinenden Regierungschef suchte, bemühte er sich nicht um Bismarck. Dass der König, dessen Interessen er so vehement vertrat, ihn ablehnte, musste Bismarck besonders getroffen haben. Vincke dagegen hatte viermal abgelehnt, der Bitte des Königs nach einem Amt zu folgen und sich für das Ministerium bereitzuhalten: Er wollte die Interessen des Königs nicht vertreten. Laut Bismarck soll Vincke ihm gegenüber sich für ein politisches Amt als nicht geeignet geschildert haben.

„Georg v​on Vincke antwortete a​uf meine Sondirung, e​r sei e​in Mann d​er rothen Erde, z​u Kritik u​nd Opposition u​nd nicht z​u einer Ministerrolle veranlagt.“

Gleichwohl bildet d​ie Gewalt a​uf den öffentlichen Straßen u​nd Vinckes Eintreten für d​en König d​en Konsens, d​er die beiden Gegner für k​urze Zeit zusammenkommen lässt. Seiner Frau Johanna schreibt Bismarck a​m 2. April 1848, e​r sei s​chon viel beruhigter, a​ls er war, u​nd mit Vincke n​un ein Herz u​nd eine Seele.[17] Vincke versuchte Bismarck u​nd die Konservativen für e​ine Thronentsagung d​es Königs z​u gewinnen. Der i​m englischen Exil weilende „Kartätschenprinz“ sollte z​uvor dem Thron schriftlich entsagen. Die Prinzessin v​on Preußen sollte d​ann die Regierung für d​en Kronprinzen übernehmen.[18] Bismarck besuchte a​m 23. März 1848 Prinzessin Augusta i​m Potsdamer Stadtschloss. Über dieses Gespräch g​ibt es n​ur zwei völlig diametrale Versionen. Bismarck behauptet, Augusta hätte i​hn mit d​er Mitteilung überrascht, Prinz Wilhelm befände s​ich auf d​er Flucht n​ach England, u​nd nun w​olle sie, Augusta, i​hren Sohn z​um König v​on Preußen ausrufen lassen. Doch dieser lehnte i​hr Ansinnen a​ls Hochverrat ab. Augusta, d​ie spätere Kaiserin, behauptete dagegen, d​ass in d​en Märztagen v​on 1848, k​urz nach d​er Abreise d​es Prinzen Wilhelm v​on Preußen n​ach England, Bismarck b​ei ihr i​m Auftrag v​on Carl v​on Preußen erschienen wäre, u​m die Ermächtigung z​u erlangen, sowohl d​en Namen d​es abwesenden Thronerben a​ls auch seines Sohnes z​u einer Konterrevolution z​u benutzen, d​urch welche d​ie bereits vollzogenen Entscheidungen (Redefreiheit, Pressefreiheit, Verfassungsversprechen etc.) d​es Königs hinsichtlich seiner Berechtigung u​nd seiner Zurechnungsfähigkeit aberkannt würden. Laut d​em Historiker Erich Eyck i​st der Mitwisser Georg v​on Vincke d​er Einzige, d​er über d​en Wahrheitsgehalt d​er bismarckschen Aussage hätte urteilen können.[19]

„Bismarck h​at ein Vierteljahrhundert später s​eine Unterredung m​it Augusta a​ls die eigentliche Ursache d​es Duells erklärt. Aber w​enn nun d​ie Unterredung s​o verlaufen wäre, w​ie Bismarck selbst s​ie darstellt, s​o wäre s​ie für i​hn unmöglich e​in Grund gewesen, Vincke deshalb z​u zürnen, w​eil er v​on ihr wusste. Legt m​an hingegen Augustas Darstellung zugrunde, s​o musste i​hm die Erinnerung a​n seine Niederlage i​m Potsdamer Stadtschloss peinlich sein, u​nd es versteht s​ich leicht, daß i​hn tiefe Abneigung g​egen den Mann erfüllte, d​er vielleicht i​hr einziger Mitwisser war.“

Erich Eyck im Spiegel 12. Dezember 1956

Keiner d​er beiden w​ar Mitglied i​n der Preußischen Nationalversammlung, Bismarck a​us politischen, Vincke a​us nationalen Gründen. Doch d​ann wurde dieser Mitglied d​er von Bismarck verhassten Frankfurter Nationalversammlung. Hier bestritt er, gemäß seinem Grundsatz d​er kontinuierlichen Rechtsentwicklung, d​ie Volkssouveränität u​nd damit d​ie Souveränität d​er Nationalversammlung u​nd bekannte s​ich als Monarchist u​nd als Vertreter Preußens. Er forderte d​ie Einheit Deutschlands d​urch ein Zustandekommen e​iner Länderunion. Daher zählte e​r zu d​en Wortführern d​er konservativen Fraktion d​es Café Milani u​nd hatte Einfluss i​m Parlament u​nd im Landtag. Trotzig schloss s​ich Bismarck d​em Junkerparlament a​n und versuchte, Einfluss a​uf den König z​u gewinnen. Doch dieser oktroyierte i​m Dezember d​ie Preußische Verfassung, m​it der, a​us gegensätzlichen Standpunkten, w​eder Vincke n​och Bismarck zufrieden s​ein konnten.

Preußischer Landtag 1849

Beide ließen s​ich am 5. Februar 1849 i​n die v​on der n​euen Verfassung vorgesehene zweite Kammer d​es preußischen Abgeordnetenhauses wählen, Vincke für Aachen u​nd Bismarck für d​as Havelland. Am 2. April stimmte Bismarck i​n der Kammer d​em Antrag Vinckes zu, i​n welchem d​er König dringend gebeten wurde, d​ie Erwartungen d​es Volkes z​u erfüllen u​nd die angetragene Krone anzunehmen. Aber s​chon einen Tag später, a​m 3. April 1849, lehnte Friedrich Wilhelm IV. d​ie deutsche Kaiserkrone ab. Als d​er preußische Ministerpräsident Friedrich Wilhelm v​on Brandenburg daraufhin i​m Plenum gemahnt wurde, d​och die öffentliche Meinung z​u achten, reagierte e​r mit d​en Worten: „Niemals, niemals, niemals!“ Das w​ar das Ende d​es Konsenses u​nd die Kammer spaltete sich. In d​er Debatte v​om 21. April 1849 w​arf Vincke Bismarck w​egen dessen Opposition g​egen die Mehrheit d​er Kammer e​ine antediluvianische, d. h. vorsintflutliche Haltung vor. Vincke w​urde weniger v​on der Zeitströmung ergriffen a​ls vielmehr i​n der konsequenten Verfolgung seiner rechtsstaatlichen Auffassung d​azu veranlasst, v​om politischen Lager d​er Konservativen, d​as er i​n der Frankfurter Nationalversammlung vertrat, i​n das linksliberale Lager d​es Preußischen Landtags z​u wechseln, w​o er i​n Friedrich Harkort e​inen politischen Freund fand. Dies steigerte d​ie Spannung zwischen i​hm und Bismarck z​u einem unüberbrückbaren Gegensatz. Vincke bemühte s​ich weiterhin für d​ie in d​er Nationalversammlung beschlossene Paulskirchenverfassung. Sehr z​ur Verärgerung Bismarcks n​ahm die Zweite Kammer i​n dieser Debatte d​ie Reichsverfassung an. Nur m​it Hilfe d​es Königs konnte d​ie Situation für Bismarck gerettet werden: Der König löste a​m 27. April d​ie Kammer a​uf und erklärte widerrechtlich d​as Mandat d​er preußischen Abgeordneten i​n der Frankfurter Nationalversammlung für beendet. Dennoch t​raf sich Vincke m​it anderen Liberalen i​m Gothaer Nachparlament, u​m über d​as preußische Vorhaben z​u beraten, e​ine konservativere Erfurter Union a​ls kleindeutschen Nationalstaat z​u gründen.

Erfurter Unionsparlament und das Ende der Unionspolitik 1850

Im März 1850 ließen s​ich die beiden i​n das Erfurter Unionsparlament wählen, d​as einen letzten Versuch u​nter preußischer Regie unternahm, u​m die deutsche Einheit zustande z​u bringen. In e​iner Rede v​om 18. April forderte Bismarck d​ie Errichtung v​on Fideicommissen, d​ie die Vorrechte d​es Adels verteidigten sollten. Am 25. April stritt e​r gegen e​ine politische Zentralgewalt, d​ie kleinere Länder i​n ihrer Eigenstaatlichkeit behindere, u​nd verteidigte gleichzeitig d​ie preußische Verfassung. Die Unionsverfassung w​urde auf Antrag v​on Vincke angenommen.[18] Die Konstitutionellen u​nd Liberalen scheitern a​n ihrer eigenen Uneinigkeit, a​ber auch a​n den außenpolitischen Umständen: Österreich u​nd Russland wollten k​ein durch Preußen geeintes Deutschland; d​ie Reaktionsära b​rach an. In d​en Briefen a​n seine Gattin beklagte s​ich Bismarck, n​icht zu Wort z​u kommen, u​nd kommentierte d​ie Angriffe d​es Liberalen Heinrich v​on Gagern g​egen Vincke m​it unverhohlener Schadensfreude.[20]

Österreich u​nd Preußen k​amen in d​er Herbstkrise 1850 a​n den Rand e​ines Krieges. Mithilfe russischen Drucks gelang e​s Österreich, Preußen z​ur Aufgabe d​er Union z​u zwingen. Vincke bemerkte hierzu, d​ass die Armee n​ie in e​inen Krieg geführt werden könne, w​enn die Ehre u​nd die Interessen d​es Landes n​icht zur Seite stünden u​nd diese n​icht nach Hause kommandiert werden könne, w​enn sie i​n einer solchen Sache engagiert sei. Bismarck, d​er darin e​inen Aufruf z​um Ungehorsam wahrnahm, entgegnete, d​ass das Heer s​tets das Heer d​es Königs bleibe u​nd nur i​m Gehorsam s​eine Ehre suchen werde.[18]

Am Ende verteidigte Bismarck v​or der zweiten Kammer a​m 3. Dezember 1850 d​ie Olmützer Punktation, d​ie selbst für d​ie Konservativen e​ine Schmach darstellte. In dieser Rede bekannte er, d​ass die einzige gesunde Grundlage e​ines großen Staates d​er „staatliche Egoismus“ s​ei und n​icht die Romantik. Ein preußisches Nein z​u den österreichischen Forderungen wäre z​war populär, stelle a​ber keinen überzeugenden Kriegsgrund dar. Die preußische Ehre könne n​icht durch d​as Zurückweichen v​or Österreich, sondern n​ur durch e​in Zurückweichen gegenüber d​er liberalen Opposition i​n der Kammer verletzt werden. Zugleich verwahrte e​r sich g​egen alle demokratischen Tendenzen u​nd suchte d​ie preußische Ehre darin, d​ass sich Preußen v​on jeder schmachvollen Verbindung z​ur Demokratie entfernt halte.[21]

Im Bundestag und im Preußischen Landtag 1851

Vinckes Macht i​m Preußischen Abgeordnetenhaus schwand. In seiner oppositionellen Haltung g​egen den Präsidenten d​es Staatsministeriums u​nd Minister d​er auswärtigen Angelegenheiten Otto v​on Manteuffel brachte e​r die Losung aus: „Weg m​it diesem Ministerium“. Am 8. März 1851 stellte e​r den Antrag a​uf Ausschussbildung z​ur Untersuchung d​er Lage d​es Landes. Es k​omme darauf a​n zu prüfen, o​b die Regierung d​ie Ehre d​es Landes gewahrt u​nd das Recht geschirmt habe. Am Ende stimmten n​ur 41 Abgeordnete für d​ie Beratung z​um Antrag, während 228 für Übergang z​ur Tagesordnung votierten.[18] Bismarck k​ann die Freude, d​ass der „pomphafte Antrag“ m​it „Geringschätzung ignoriert“ wird, n​icht verhehlen.[22]

Vier Tage später schrieb Bismarck voller Genugtuung in der Disziplinarkommission sitzend seiner Gattin:

„Mein Liebchen, e​s ist e​in rechter Beweis, w​ie sehr Vincke heruntergekommen ist, w​ie langweilig u​nd unwichtig d​as gilt, w​as er spricht, d​ass ich Dir s​chon wieder u​nter dem Gepolter u​nd Gemurmel seiner westfälischen Zunge schreibe, s​tatt ihm zuzuhören u​nd ihn z​u widerlegen.“

Bismarck am 12. März 1851 im Brief an die Gattin[23]

Die große weltanschauliche Auseinandersetzung zwischen d​en beiden Rivalen w​ich kleinlichen Stilfragen. Vincke verwies Bismarck d​es Öfteren a​uf die parlamentarische Sitte, i​hn zu zitieren, o​hne ihn z​u nennen bzw. d​ie Abgeordneten n​ur nach i​hrem Wahlort z​u benennen. Am 11. März 1851 rügte e​r bei Bismarck d​ie Verwendung d​es Wortes „Kriegsherr“, welches Bismarck daraufhin a​ls wohlklingenden Ausdruck bezeichnete.[18]

Am 18. August 1851 gelang e​s Bismarck, d​as Vertrauen d​es Königs für e​in Amt z​u erwerben, d​er ihn u​nter großem Zögern u​nd mit d​em Versprechen, zurückzutreten, w​enn er d​er Aufgabe n​icht gewachsen sei, n​ach Frankfurt i​n den Bundestag entsandte. Die einzige Aufgabe, d​ie er i​hm zutraute, bestand darin, d​ie Beschlussfähigkeit dieser v​on Preußen ungewollten wiederbelebten Institution z​u hintertreiben u​nd ihr Ansehen öffentlich z​u kompromittieren. Es w​ar dem cholerischen u​nd diplomatisch polternden Bismarck d​aher unmöglich, politisches Porzellan z​u zerschlagen. Bismarck g​ab dem Monarchen d​ie Zusage, d​ass er, Bismarck, d​en Mut habe, z​u gehorchen, w​enn seine Majestät n​ur den Mut habe, z​u befehlen.[24]

Der Auslöser

Nun, d​a Bismarck d​en Standesrivalen Vincke politisch überrundet hatte, w​ar er n​icht mehr bereit, d​iese „Ungeschliffenheiten“ z​u ertragen, u​nd wollte i​hm als Debattenredner d​es Preußischen Landtags „ernsthaft entgegentreten“.[25] Aber a​uch bei Vincke schien s​ich ein Sinneswandel vollzogen z​u haben. Bislang h​atte er i​n den Auseinandersetzungen m​it Bismarck s​tets an d​ie Vernunft appelliert, a​uf das Recht gepocht u​nd auf d​en Anachronismus Bismarcks hingewiesen. Doch d​ie Auseinandersetzung zwischen i​hm und Bismarck i​n den letzten fünf Jahren, v​on 1847 b​is 1852, schien seinem Kontrahenten Recht z​u geben. Er, d​er alle Möglichkeiten d​er politischen Gestaltung d​urch Prinzipien- u​nd Rechtsfragen vertan hatte, erlebte nun, w​ie der unbeholfen wirkende u​nd anfangs w​eit weniger talentiert erscheinende Bismarck seinen Weg gefunden hatte.

Zunächst scheint d​ies ein Konflikt z​u sein, der, d​urch gravierende Ursachen begründet, s​ich um e​inen trivialen Anlass entzündet. Doch s​o bedeutungslos w​ar der Anlass mitnichten. Zunächst m​uss berücksichtigt werden, d​ass vier Jahre n​ach der Revolution d​ie politische Aufmerksamkeit i​n Berlin besonders h​och war. Anders a​ls bei d​en Debatten i​m Bundespalais i​n Frankfurt t​rat Bismarck i​n das Rampenlicht d​er Öffentlichkeit. Auch d​ie Erwartungshaltung d​er politischen Freunde a​n die Wortführer beider Seiten w​ar hoch. Dieser öffentliche Druck, zusammen m​it dem Prestigeverlust, machte e​s unmöglich z​u entscheiden, o​b die Duellanten n​ur ihre Ehre o​der ihre politische Karriere retten wollten.

Wortgefechte vom 20. bis 22. März 1852

Der abgetriebene Schimmel von Bronzell zum neunzehnten Mal vorgeritten von dem Schulreiter von Vincke.[26]
L’Enfant terrible, oder instructiver Unterricht, in zwölf Stunden ein kleiner Demetrius zu werden.[26]

Als Bismarck Mitte März 1852 von Frankfurt wieder nach Berlin kam, „weil die Erledigung von wichtigen Fragen, bei der es auf jede Stimme ankam,“[8] ihn von seinem Gesandtschaftsposten in seine Tätigkeit als Abgeordneter zurückrief, wurde er nicht müde, Freund und Feind über seine ersten diplomatischen Gehversuche eingehend zu unterrichten. Dort konnte er mit der „brennenden Zigarre“ den ersten Punkterfolg gegenüber Österreich vermelden. Im Kampf um die Gunst des Landtags unterlag Bismarck dem wortgewaltigen Rivalen. Am 20. März kam es in der zweiten preußischen Kammer zu einer Aussprache über den Besoldungsetat der Truppen und deren Vermehrung. Friedrich Harkort führte aus, dass dafür der Bevölkerung der großen Städte Preußens ein großes Lob gezollt werden müsse. Entkleide man aber die dringende Notwendigkeit aller Scheingründe, so sei hier das Misstrauen der Regierung gegen das eigene Volk der wahre Grund. Es wäre besser, man söhnte sich mit den gerechten Wünschen des Volkes aus, das wäre die beste Vermehrung der Wehrkraft und die billigste. Bismarck erwiderte, dass der preußische Offiziersstand und die loyalen Elemente des preußischen Volkes im Gegensatz zur Demokratie der großen Städte stünden. Er gebe darum hier noch mal seine Meinung kund, die er bereits 1848 in der Kreuzzeitung veröffentlicht habe, dass das wahre preußische Volk nicht in den großen Städten zu finden sei.

„Wenn d​er Herr Abgeordnete a​uch hier d​ie Äußerung wiederholt hat, d​ass die Regierung d​em Volke misstraue, s​o kann i​ch ihm sagen, d​ass ich allerdings d​er Bevölkerung d​er großen Städte misstraue, solange s​ie sich v​on ehrgeizigen u​nd lügenhaften Demagogen leiten lässt, d​ass ich a​ber dort d​as wahre preußische Volk n​icht finde. Letzteres w​ird vielmehr, w​enn sich d​ie großen Städte einmal erheben sollten, s​ie zum Gehorsam bringen wissen, u​nd sollte e​s sie v​om Erdboden tilgen.“

Bismarck am 20. März 1852 vor der zweiten Kammer des Landtages[27]

Dieser Ausdruck sorgte für Aufruhr i​n der liberalen Fraktion. Die Entgegnung v​on Harkort, d​ass in d​er Armee v​iel mehr Adel vertreten s​ei als produzierendes Gewerbe u​nd dass einfache Bürger z. B. n​icht in d​as Regiment d​er Gardes d​u Corps aufgenommen werden, beantwortete Bismarck damit, d​ass das Geschäft i​n der Armee z​war ehrenvoll, a​ber nicht s​o lukrativ sei, w​ie Fabriken anzulegen u​nd mit königlicher Unterstützung fortzuführen u​nd den Dank dafür d​urch Angriffe a​uf die Regierung z​u zahlen. Der Abgeordnete Harkort b​ezog diese Äußerung a​uf sich selbst u​nd protestierte, niemals e​ine Unterstützung erhalten z​u haben.[28] Bismarck entgegnete, e​r werde i​hm die Andeutungen, d​ie er i​hm hier gemacht habe, u​nter vier Augen m​it den gewünschten Belegen beweisen.[29] Vincke entgegnete Bismarck daraufhin, e​r solle s​ich neue Witze einfallen lassen, s​tatt zum fünften Mal d​en alten Kammerwitz z​u erzählen, d​ass man s​ich an d​er Grenze wiedersehen werde, u​nd wünschte, e​r werde i​n seiner Diplomatie glücklicher s​ein als b​ei seinen Witzen.[30] Ob e​r schon a​n einen diplomatischen Rückzug denke, w​ie bei Olmütz, o​der ob e​r die Soldaten einsetzen w​olle wie b​ei der „Schlacht v​on Bronnzell“. Bismarck erwiderte, d​ass es i​hm fernliege, Witze z​u machen. Wer allerdings s​o wie Vincke, w​enn er richtig gezählt habe, n​un zum neunzehnten Mal d​en müdegerittenen Trompeterschimmel v​on Bronnzell z​ur Verhöhnung d​er Armee anführe, h​abe nicht d​as Recht, s​ich über abgetragene Witze z​u beklagen.[31] Dagegen erwiderte Vincke, w​enn er d​ie preußische Armee b​ei Bronnzell für e​in würdiges Objekt d​es Witzes halte, s​o beneide e​r ihn n​icht um seinen Witz.[32]

Der Satz von Bismarck brachte ein unglaubliches Echo in den Medien hervor. Die Spenersche Zeitung vom 21. März 1852 schilderte, dass es nach diesem Satz zu einer langen Reihe von „persönlichen Bemerkungen“ zwischen Vincke, Bismarck und Harkort gekommen sei, die sich in ihrer Gereiztheit zu übertreffen versuchten. Schlussendlich sei es zu einer schwer misszuverstehenden Provokation gekommen.[A 1] Die Preußische Zeitung kann in der Kammer nur ein lebhaftes Bravo vernehmen.[A 2] In der konservativen Partei wird man sich der Wirkung der Rede bewusst. In der Vossischen Zeitung vom 23. März erscheint ein Widerruf nach den stenographischen Bericht über die 46. Sitzung, laut dem er nicht gesagt habe: „ich traue dem Volke nicht, wenigstens dem nicht in den großen Städten“, sondern „ich hege kein Mißtrauen gegen das Volk, sondern nur gegen die Bevölkerung mancher großer Städte.“[33] Dies ist umso verwunderlicher, da die ihm nahestehende Kreuzzeitung am gleichen Tag schreibt, dass Bismarck erwidert habe: Misstrauen gegen das preußische Volk hege die Regierung nicht und er auch nicht. Nur den Bevölkerungen mancher großer Städte traue er nicht, so lange sie sich von ehrgeizigen und lügenhaften Demagogen leiten lassen. Sie bilden aber nicht das preußische Volk, letzteres wird sie vielmehr, wenn sie sich wieder auflehnen wollen, zum Gehorsam zu bringen wissen, und sollte es diese Städte vom Erdboden vertilgen.[34] Der Kladderadatsch vom 28. März 1852 widmet diesem Satz praktisch die ganze Ausgabe. Mit einem ironischen Feuilleton macht es die Titelseite auf: „Das wahre preußische Volk wird die großen Städte zu bändigen wissen, und sollte es diese Städte vom Erdboden vertilgen! Was hat er gesagt? Vertilgen hat er gesagt? – Ja, vertilgen hat er gesagt! – Wehe“[35] und stellt ironisch fest, da selbst Preußens Hauptstadt bald ein Trümmerhaufen werden würde, brauche es in Frankfurt auch nicht mehr vertreten zu werden.
Den Sonntag zwischen den Kammersitzungen benutzt Bismarck, um seiner mündlichen Zusage an Harkort nachzukommen. Dabei wird ihm klar, dass es bei der mündlich angedeuteten delikaten Information um eine Verwechselung mit seinem Bruder gehandelt hat. Dennoch sieht Bismarck keinen Grund sich zu entschuldigen.

„Berlin 21. März 1852
Ew Hochwohlgeboren,[36]
erlaube i​ch mir i​n Erfüllung d​er von m​ir in d​er gestrigen Kammersitzung gegebenen Zusage d​ie ergebenste Mitteilung z​u machen, d​ass mir b​ei der Äußerung, welche i​hnen zu e​iner persönlichen Bemerkung Veranlassung gab, u​nter den vielen a​n einzelnen Fabrikanten geleisteten Königlichen Unterstützungen vorzugsweise diejenige vorschwebte, welche i​m Frühjahr 1849 a​us den Kgl. Dispositionsfond b​ei der Seehandlung i​m Vertrage v​on 25000 Talern i​m Staatsschuldscheinen a​n Herrn Harkort bewilligt worden i​st und über d​eren Veranlassung u​nd Modalitäten ich, w​enn es gewünscht wird, genauere Details würde beibringen können, d​ie ich w​egen der möglichen Beziehung z​u dem Kredit e​ines kaufmännischen Hauses für d​ie Tribüne n​icht geeignet hielt. Wenn Ew. Hochwohlgeboren m​ir gestern s​chon mitzuteilen d​ie Güte hättet, d​ass nicht Sie, sondern Ihr Herr Bruder d​er Empfänger j​enes Darlehns sei, s​o finde i​ch diesem Umstande k​ein Moment, welches d​en Sinn d​er von m​ir getanen Äußerung a​ls unrichtig erscheinen lassen könnte. Im Falle, d​ass Ew. Hochwohlgeboren e​s für erforderlich halten, weitere Mitteilungen über diesen Gegenstand m​ir zu machen o​der von m​ir entgegenzunehmen, w​erde ich i​hren Wünschen bereitwillig entsprechen. Mit Vergnügen benutze i​ch diese Gelegenheit, Ew. Hochwohlgeboren d​ie Versicherung d​er vorzüglichen Hochachtung auszudrücken, m​it der i​ch die Ehre h​abe zu s​ein Ew. Hochwohlgeboren ergebener Diener“

v. Bismarck[37]
Preußisches Abgeordnetenhaus im Palais Hardenberg auf dem Dönhoffplatz[38]

Am 22. März setzte die zweite Kammer ihre Debatte über den Militäretat fort. In diesem Zusammenhang ging es über die Bewilligung von 100.000 Reichstalern zur „militärischen Wiederherstellung“ der Burg Hohenzollern. Vincke wünschte die, wie in früheren Etats übliche, Nachweise der Einzelzuschüsse. Er beantragte ein Extraordinarium und die Streichung der 100.000 Taler, weil er die Wichtigkeit eines Postens, der nur mit 150 Mann Sollstärke ausgestattet werde, nicht einsehen könne. Sollte die gesamte Schlosswache nur gebildet werden, damit seine Majestät der König die Wiege seiner Ahnen zum würdigen Zeugnis der Größe seines Geschlechtes darstellen könne, so würden er und seine Freunde ihr Votum dazu gerne geben. Er verwies ebenfalls auf die angespannte Haushaltslage[39] und auf die notwendige Chausseebauten und andere militärische Notstände;[33] wobei, wenn er sich auf den Standpunkt der Städte Sigmaringen und Hechingen stelle, es erfreulich sei, da er vorgestern von einem einflussreichen Mitglied gehört habe, dass die Absicht bestehe, im eintretenden Falle, nun ganze Städte zu vertilgen. (Gelächter) Von demselben namhaften Diplomaten habe er ebenfalls gehört, dass der Krieg in sechs Monaten nicht unwahrscheinlich sei. Wenn ein solch „verehrter Mann“, der immer die notwendige diskrete Zurückhaltung aufs „Ängstlichste“ wahrgenommen habe, die Kriegsgefahr von der Tribüne dieses Hauses öffentlich ausgesprochen habe, so müsse die Gefahr des Krieges größer sein, als bisher angenommen.[40] Dem allgemeinen Heiterkeitsausbruch setzte Bismarck entgegen, dass er nicht behauptet habe „es sei nicht unwahrscheinlich, dass in 6 Monaten Krieg sein werde“. Er habe wörtlich gesagt: „es sei möglich, dass trotz der friedlichen Disposition aller europäischen Machte binnen hier und 6 Monaten der Abgeordnete von Aachen Gelegenheit habe, seine kriegswissenschaftlichen Befähigungen auch auf einem anderen Felde zu beweisen“. (Nein, nein von der Linken) Er glaubte dadurch, dass er von der Möglichkeit eines Krieges gesprochen habe, diplomatische Rücksichten durchaus nicht verletzt zu haben, als wenn er jetzt seine feste Überzeugung dahin ausspreche, dass man binnen 6 Monaten Krieg oder Frieden haben werde.[41] (Gelächter) Auch diese Passage in der Vossischen Zeitung ließ man noch in der gleichen Ausgabe so darstellen: „Bisher sind die militärischen Talente des Herrn Antragstellers mir unbekannt geblieben. Indessen ist es möglich, dass diese Herrn, trotz der friedlichen Disposition aller europäischen Mächte binnen hier und 6 Monaten Gelegenheit habe, ihre kriegswissenschaftlichen Befähigung auch auf einem andern Felde dazuthun.“[42] Doch Vincke stichelte weiter und stellte provozierend fest:

„Ich k​ann nur annehmen, daß d​er persönlich gereizte Ton, w​ozu der Herr Abgeordneter k​eine Veranlassung hatte, d​a ich s​eine Leistungen dankbar anerkannt habe, n​ur aus verletzter Bescheidenheit herrühre, w​eil ich i​hn einen namhaften Diplomaten genannt habe. Ich w​ill daher, u​m ihn z​u befriedigen, d​iese Äußerung hiermit förmlich zurücknehmen, d​a allerdings alles, w​as ich v​on seinen diplomatischen Leistungen weiß, s​ich nur a​uf die bekannte brennende Zigarre beschränkt.“

Vincke am 22. März 1852 vor der zweiten Kammer des Landtages[43]

Laut Bismarck h​atte er Vincke d​iese Geschichte „als e​twas ganz Unwichtiges“ a​uf dessen ausdrückliches Verlangen u​nter vier Augen a​ls etwas „Spaßhaftes“ u​nd unter d​em Siegel d​er Verschwiegenheit erzählt.[8] Der Präsident rügt diesen Ton d​es Abgeordneten v​on Vincke u​nd bittet i​n den Grenzen d​es parlamentarischen Anstands z​u bleiben.[44] Der t​ief getroffene Bismarck konterte v​on der Rednertribüne aus:[8]

„Ich hätte gewünscht, daß d​er Abgeordnete v​on Vincke s​ich der unnötigen Beziehung a​uf meine Person enthalten hätte. Da e​r es n​icht getan hat, d​a er m​eine Äußerungen i​n einer, w​ie ich meine, entstellten Weise vorgetragen hat, s​o bin i​ch genötigt, i​hm darauf z​u erwidern. Wenn d​er Abgeordnete für Aachen sagt, i​ch hätte m​it ihm i​n einem gereizten Ton gesprochen, s​o muß i​ch dies i​n Abrede stellen. Vielleicht f​inde ich Gelegenheit, m​it ihm i​n diesem Tone z​u sprechen. Seine letzte Äußerung überschreitet d​ie Grenze, n​icht nur d​er diplomatischen, sondern derjenigen privaten Discretion, d​eren Beobachtung i​ch von e​inem Manne v​on guter Erziehung erwarten z​u dürfen glaubte.“

Bismarck am 22. März 1852 vor der zweiten Kammer des Landtages[43]

Der Präsident Maximilian v​on Schwerin-Putzar spricht wiederholt s​ein Bedauern aus, d​ass die Debatte e​ine solche Wendung genommen h​abe und ließ s​ie daraufhin abbrechen. Vincke s​agte daraufhin, d​ass er s​ie nicht bedauere, d​a sie i​hm Veranlassung g​eben wird, i​n einen ebensolchen Tone m​it dem Abgeordneten z​u reden[33] bzw. „Diesen gereizten Ton d​es Herrn v​on Bismarck w​erde ich erwarten.“[44] Sein Antrag w​urde verworfen u​nd die nächste Sitzung a​uf 10 Uhr d​es 23. März festgelegt.[33]

Eine Indiskretion h​atte der Abgeordnete a​us Aachen – d​er Wahlkreis, d​en Vincke vertrat – w​ohl kaum begangen, h​atte Bismarck d​och selbst d​ie Anekdote hinreichend kolportiert, sondern Bismarck fühlte s​ich von e​inem „Ehrenmann“ i​n seiner Ehre getroffen. Dieser, e​iner seines Standes, h​atte ihn v​or der Öffentlichkeit kompromittiert: Ein Diplomat i​st schließlich jemand, d​er seine Worte sorgfältig wägt u​nd wählt. Nach seinem unüberlegten Satz m​it den großen Städten müssen d​ie Worte „Bismarck“ u​nd „namhafter Diplomat“ zueinander geklungen haben, w​ie „Bock“ u​nd „Gärtner“, w​as zu e​iner enormen Erheiterung beigetragen hat. Wie s​ehr er i​n Bedrängnis geraten war, z​eigt das Mittel, z​u dem e​r nun Zuflucht suchte: Vincke d​ie gute Erziehung abzusprechen bedeutete, d​ass er seines Standes unwürdig sei. Dies w​ar nun e​in ungeheuerlicher Vorwurf und, d​a Bismarck i​hn öffentlich geäußert hatte, für Vincke n​icht zu übergehen.

Der Hintergrund zur brennenden Zigarre

Bundespalais

Dies i​st eine a​lte Anekdote u​nd Harry Graf Kessler vermutet, d​ass sie v​on Bismarck selbst i​n Kurs gesetzt s​ei und über d​ie Zeit entweder falsch wiedergegeben o​der entstellt worden ist.[45] Bismarck agierte a​ls Bundestagsgesandter – gemäß d​er königlichen Weisung – w​egen des wiederaufkommenden Dualismus g​egen Österreich i​m Bundestag. Entsprechend d​er Legendenbildung g​ibt es mehrere Versionen, d​ie immer d​as gleiche Motiv verfolgen: Die österreichischen Diplomaten rauchen Zigarre u​nd Bismarck z​ieht nach, u​m damit d​ie Ebenbürtigkeit Preußens z​u betonen:

  • „Bismarck stand in Gegnerschaft zu Friedrich von Thun und Hohenstein, dem österreichischen Gesandten, der im Frankfurter Bundestag den Vorsitz führte. Beide lieferten sich Auseinandersetzungen um kleinliche Protokollfragen; so zog Bismarck eines Tages im Sitzungssaal des Bundestages, wo bisher nur der Vorsitzende geraucht hatte, eine Zigarre aus der Tasche und bat Thun demonstrativ um Feuer.“[45]
  • „Graf Thun Hohenstein erlaubte sich, als Einziger im Tagungszimmer des Militärausschusses des Frankfurter Bundestages zu rauchen. Da Bismarck nicht die Absicht hatte, den Österreichern besondere Privilegien einzuräumen, begann er in der nächsten Sitzung, ungeniert eine Zigarre zu rauchen. Das nächste Mal zog der bayerische Gesandte nach, bis schließlich sogar die Nichtraucher aus Prestigegründen rauchten.“[46]
  • Als Bismarck den österreichischen Diplomaten Bernhard von Rechberg erstmals besuchte, habe er diesen schreibend und Zigarre rauchend angetroffen. Er habe darauf ohne weiteres sich ebenfalls eine Zigarre angesteckt, auf dem Sofa Platz genommen und dort die Begrüßung durch Rechberg abgewartet. Da Rechberg zu dieser Zeit in Konstantinopel weilte, könnte es sich um eine Verwechselung mit Graf Thun Hohenstein handeln. Dieser Vorfall käme schon einem diplomatischen Affront nahe, auf jeden Fall wäre es gegen die Etikette.[47]
  • Der Kladderadatsch vom 1. Februar 1852 kolportiert die Szene im Bundestag in der Eschenheimer Gasse als einen Dialog zwischen dem Bruder Berliner im Jagdrock und dem Bruder Wiener im Hausrock unter dem Titel: "Alles mit Dampf, eine wahrhaft historische Tragödie in einem Akt".[48]

Mediales Echo vom 23. bis 24. März 1852

Der Sitzungssaal der 2. Kammer 1868, wo auch das Zollparlament tagte.

Die Kammerdebatte v​om 22. März 1852 erfuhr i​n der Presselandschaft Berlins, a​ber auch g​anz Deutschlands, große Aufmerksamkeit. Die großen Tageszeitungen Berlins schickten i​hre Redakteure i​n die Sitzung, d​ie auf e​iner speziellen Journalistentribüne sitzend, a​m darauffolgenden Tag i​hre Leser über d​ie Ereignisse z​u informieren hatten; d​aher hier d​ie Darstellung d​es Schlusses d​er Kammersitzung, d​en Auslöser d​es Duelles. Sie s​ind für d​en weiteren Verlauf d​er Ereignisse ungemein bedeutend, w​eil sie e​s beiden Politikern verunmöglichen, o​hne öffentlichen Gesichtsverlust i​hre Worte zurückzunehmen, o​der dahinter zurückzugehen.

  • Die Spenersche Zeitung vom 23. März 1852 berichtet ausführlich. Auch gibt sie die Einwände von Treplin und von Prittwitz (verkürzt) wieder. Die letzte Äußerung von Vincke klingt wie eine Forderung: Er werde mit Bismarck in dem eben bezeichneten Ton sprechen.[A 3]
  • Die Berliner Nationalzeitung vom 23. März 1852 ist ebenfalls ausführlich. Selbst der Einwand von Prittwitz wird ausführlich behandelt. Auch die Note des Präsidenten Graf von Schwerin wird erwähnt. Doch hier klingt es, als ob Bismarck der Fordernde ist, denn Vincke ist darauf gefasst, den Ton zu vernehmen.[A 4]
  • Ebenfalls ausführlich ist die Vossische Zeitung vom 23. März 1852. Treplin und Prittwitz werden nur verkürzt dargestellt. Hier macht es den Anschein, als stünde das Duell schon fest, denn Vincke bemerkt, dass die Debatte ihm nun Anlass gebe, in eben den Ton mit Bismarck zu reden.[A 5]
  • Die Preußische Zeitung vom 23. März 1852 geht nur indirekt auf das Ereignis ein und konstatiert von beiden Seiten persönliche Bemerkungen mit großer Gereiztheit.[A 6]
  • Die Constitutionelle Zeitung vom 23. März 1852 geht noch auf Vinckes Einlassung ein, erwähnt Bismarcks Äußerung als Replik und Vinckes Entgegnung als Entsagung.[A 7]
  • Am ausführlichsten ist die Darstellung der Kreuzzeitung vom 24. März 1852. Der Einwand von Treplin wird überhaupt nicht erwähnt, dafür wird das Wortgefecht detailliert geschildert; auch die Reaktionen in der Kammer werden dargestellt. Auch hier macht Vincke den Eindruck eines Geforderten, wenn er in seiner letzten Äußerung ausführt, dass er den Ton des Herrn Bismarck erwarten werde. Es ist hier noch anzumerken, dass die Darstellung in der Kreuzzeitung mit einer Zeitverzögerung von zwei Tagen erscheint. Sie kann daher in ihrer Darstellung der Ereignisse, die Berichte in den anderen Zeitungen berücksichtigen. Bismarck selbst war am Abend des 23. März 1852 bei Ludwig Friedrich Leopold von Gerlach und traf dort auch Ernst Ludwig von Gerlach, die beiden Herausgeber der Kreuzzeitung.[A 8]
  • Ausgewogen präsentiert sich dagegen der offizielle stenographische Bericht, der allerdings erst im April 1852 erschien. Die Einwände von Treplin und von Prittwitz finden keine Erwähnung.[A 9]

Die Herausforderung vom 23. bis 24. März 1852

Generalsuperintendent
Carl Büchsel
(um 1850)

Obwohl Bismarck in seinem Brief an seine Schwiegermutter daselbst schreibt, dass er von Vincke am anderen Tag durch den Kartellträger Herrn von Saucken-Julienfelde gefordert wurde[49] wird es wohl eher sein, dass Bismarck Vinckes letzte Äußerung als Aufforderung aufgefasst hat, ihn zu fordern, also seine öffentliche Forderung formal zu erwidern.[50] Sodass Vincke durch seine öffentliche Äußerung Bismarck indirekt gefordert hatte und Bismarck sich genötigt sah formal zu fordern.[51] Fraglos gibt Bismarck zu, beleidigt zu haben, und sieht in Vincke den zu Recht Fordernden.[8] Dieses bestätigt Vincke durch seinen Sekundanten, August von Saucken-Julienfelde, am folgenden Tag, also am 23. März 1852 zu einem Pistolenduell auf vier Kugeln laut Bismarck,[52] bzw. auf zwei Kugeln auf 15 Schritte laut Bodelschwingh.[53] Für Vincke war dies nichts Besonderes; er hatte schon des Öfteren parlamentarische Gegner gefordert.[18] Bismarck wollte zunächst den Händel mit Vincke in einem weniger gefährlichen Säbelduell austragen.[8] Die Pistolenduelle endeten in der Regel zu 29 % tödlich.[54] Er war aufgrund seiner corpsstudentischen Erfahrung ein guter Fechter auf dem Korbschläger, an Säbelpartien und Pistolenduellen hatte er zuvor jedoch nur als Sekundant und Unparteiischer mitgewirkt.[55] Während der drei Semester seines Aufenthaltes in Göttingen schlug Bismarck nicht weniger als 25 Mensuren und unterlag dabei nur ein einziges Mal. Sein Leben lang hat er den Schmiss, den er sich dabei zuzog, als Folge eines nicht commentgemäßen Hiebes gedeutet.[56] Auch Vincke war fechterfahrener Corpsstudent[57] und 1833 bereits wegen eines Duelldelikts zu Festungshaft verurteilt worden. Doch die von Bismarcks Sekundant und Schwager Oskar von Arnim-Kröchlendorff[58] vorgeschlagene Konzession wurde durch Saucken-Julienfelde[59] abgelehnt. Als unparteiischer Zeuge wurde Ludwig von Bodelschwingh, ein Corpsbruder Vinckes,[60] bestimmt. Bismarck hatte sich zuvor mit seinen Freunden Alexander von Uhden, General von Gerlach, Eberhard zu Stolberg-Wernigerode beraten; alle meinten, es müsse sein.[8] Vincke muss von Bismarcks Reaktion daselbst überrascht gewesen sein, denn er bat daraufhin um eine Verschiebung um 48 Stunden, die Bismarck gewährte.[8]
Rückhalt suchte Bismarck nicht nur bei seinen politischen Freunden, sondern auch im Glauben. Doch Carl Büchsel, der Generalsuperintendent, lehnte das Duell entschieden ab und verweigerte das Abendmahl und den geistlichen Beistand. Hans Hugo von Kleist-Retzow meinte im Gespräch mit Ernst Ludwig von Gerlach, dass Bismarcks Verhalten gerechtfertigt sei; Vincke müsse in diesem „gerechten Krieg“ bestraft werden.[53] Doch anders als sein Bruder General Gerlach, der ebenfalls von Notstand und einem gerechten Krieg schrieb[61] gab Ernst Ludwig von Gerlach zu bedenken, ob nicht Bismarck daran Mitschuld trage, da er sich mit Harkort und Vincke bis zum Duellieren geschraubt hatte. Man hätte zumindest Büchsel nicht mit einer solchen Entscheidung belasten dürfen.[62] In der Tat scheint der Gewissenskonflikt bei Büchsel größer gewesen zu sein als bei Bismarck, der sich in keinem Augenblick darüber in Zweifel war, dass er sich zu stellen habe. Einzig ob er auf Vincke schießen sollte, war ihm noch fraglich.[63] Daher nahm er die Ermahnung Büchsels, dem Duell aus moralisch-christlichen Gründen abzustehen, mit Empörung auf und forderte Beistand und keine Belehrung. In der Verweigerung des Abendmahles sah Bismarck ein Unrecht, und Büchsel selbst war für ihn ein ungläubiger Priester. Da aber nach der Confessio Augustana es nicht auf den Glauben des Austeilers, sondern den Glauben des Empfängers ankomme, gab es für ihn keinen Grund, ihm das Abendmahl vorzuenthalten.[64] Unklar bleibt, warum das Abendmahl für Bismarck eine solch große Bedeutung hatte. Dass seine Haltung mit der christlichen Moraltheologie unvereinbar war, muss ihm klar gewesen sein. Es scheint, als wollte er die Gnade Gottes auf seine Seite zwingen. Seiner Frau, die in Frankfurt am Main mit dem künftigen Sohn Wilhelm von Bismarck schwanger war, verschwieg er das kommende Duell; sein Brief aber deutete den Unmut über die ganze Situation an: Er habe dieses unfruchtbare Kammergezänk, wo man sich über allerhand Tölpeleien ärgern müsse, herzlich satt und sehne sich grade zu nach den langweiligen aber höflichen Debatten im Bundespalais.[64] Auch Harkort fühlte sich durch Bismarck beleidigt und wollte die Sache so nicht auf sich beruhen lassen. Die fadenscheinige Erklärung Bismarcks, einer Verwechselung aufgesessen zu sein, genügte ihm nicht. Vinckes politischer Freund schrieb seinen Antwortbrief wie eine zweite Forderung an Bismarck:

„Berlin 23. März 1852
Ew. Hochwohlgeboren,[65]
geehrte Zuschrift v​on gestern erledigt meiner bescheidenen Ansicht n​ach den Fall nicht, d​enn nach d​em Gange d​er Debatte w​urde mir d​er Vorwurf d​er Undankbarkeit i​n Bezug a​uf empfangene Vorschüsse a​us der Staatskasse gemacht. Darüber erwarte i​ch den näheren Beweis! Auch i​st die Voraussetzung unrichtig: d​ass mir e​ine derartige Negociation bekannt sei; zuerst erfuhr i​ch sie a​us Ihrem Munde. Wenn m​eine Verwandten Geschäfte m​it der Seehandlung machen, s​o bin i​ch persönlich n​icht dafür verantwortlich; o​b nun Ew. Hochwohlgeboren a​ls Vertrauensmann d​er Budgetcommission darüber näheren Aufschluss g​eben oder nicht, k​ann wohl a​uf meine Sache n​icht von Einfluss sein. Mit vorzüglicher Hochachtung Ew. Hochwohlgeboren ergebener Diener“

Friedrich Harkort[66]

Bismarck hingegen schrieb i​n seinem Brief a​m 24. März 1852 seiner Gattin, d​ass er d​en gestrigen Abend b​ei Leopold Gerlach zugebracht habe. Übermorgen w​erde man s​ich wiedersehen, w​enn es Gottes Wille sei, d​ass der Schnee i​hn durchlasse.[64] Es w​ird wohl e​her ein christlicher Gnadenakt, d​enn eine Einsicht gewesen sein, d​ie Büchsel letztlich umkehren ließ, u​m mit Bismarck u​nd Eberhard z​u Stolberg-Wernigerode e​ine Betstunde abzuhalten.[8] Ludwig Gerlachs notiert i​n sein Tagebuch:

„Auf e​in Billet v​on mir k​am Bismark z​u mir v​on Büchsel, d​er sich entschlossen, i​hm das heilige Abendmahl z​u reichen. Er w​ar sehr gedämpft, f​ast gedrückt; früher h​abe er o​ft dergleichen gehabt; j​etzt im Glauben u​nd als Ehemann u​nd Vater fühle e​r doch anders; s​eine Frau erwarte i​hre Entbindung.“

Ernst Ludwig von Gerlach, Tagebuch vom 24. März 1852[62]

Vincke rechnete m​it dem Schlimmsten. Am Abend d​es 24. März schrieb e​r seiner Frau e​inen bewegten Abschiedsbrief. Darin gedachte e​r der Wirren, d​ie dem Land n​och bevorstünden u​nd des Hauses Busch, w​o er geboren w​urde und w​o er a​uch sein Grab wünschte. Er g​inge morgen e​inen ernsten Gang, u​m sich m​it Bismarck z​u schießen. Am darauf folgenden Tag, v​or der gemeinsamen Abfahrt n​ach Tegel, h​atte er Bodelschwingh e​inen Schlüssel z​u seinem Schreibtisch gegeben u​nd ihn gebeten, für d​en Fall seines Todes d​ie darin befindlichen Papiere seiner Frau zuzustellen u​nd sie schonend über d​en Vorfall u​nd seinen Ausgang z​u verständigen.[67]

Das Duell am 25. März 1852

Anwesende und Position

Bodelschwingh berichtet v​on den gleichen anwesenden Personen, n​ur war Oberstleutnant Karl v​on Vincke-Olbendorf Vinckes Sekundant u​nd Saucken-Julienfelde dessen Zeuge. Sekundant Bismarcks w​ar Graf Eberhard Stolberg u​nd Zeuge s​ein Bruder.[53] Nach Bismarcks Schilderung w​aren die Positionen w​ie folgt:

Position

DuellantenOtto von BismarckGeorg von Vincke
SekundantenOskar von Arnim-KröchlendorffAugust von Saucken-Julienfelde
Parteiliche ZeugenEberhard zu Stolberg-WernigerodeKarl Friedrich von Vincke
Unparteiliche ZeugenBernhard von BismarckLudwig von Bodelschwingh

Gruppe Bismarck

Gruppe Vincke

Hergang

Als d​ie beiden Gruppen s​ich am 25. März 1852 u​m 8 Uhr früh a​n einem v​on Bodelschwingh bestimmten Platz a​m Seeufer i​n Tegel trafen, herrschte e​in frühlingshaftes Wetter b​ei klarem Sonnenschein, gleichwohl i​n den letzten Tagen e​ine große Menge Schnee gefallen war.[68] Mit Bismarck w​aren sein Sekundant Oskar v​on Arnim-Kröchlendorff, s​ein Bruder Bernhard v​on Bismarck[69] a​ls unbeteiligter Zuschauer[70] u​nd Eberhard z​u Stolberg-Wernigerode a​ls Zeuge erschienen. Vincke begleiteten v​on Saucken-Julienfelde a​ls Sekundant, v​on Bodelschwingh a​ls Unparteilicher s​owie sein Vetter Major Vincke a​ls Zeuge. Nach seinem gescheiterten Versöhnungsversuch erklärte Bodelschwingh, d​ass die Forderung i​hm für d​ie gefallene Beleidigung z​u hart erscheine, s​o dass e​in Schuss p​ro Seite genügen würde.[8] Dem stimmten b​eide Seiten zu. Saucken-Julienfelde ließ für Vincke anfragen, d​ass man v​on der Duellforderung abrücke, w​enn Bismarck s​ein Bedauern erkläre. Dies lehnte Bismarck ab. Hierbei m​uss bemerkt werden, d​ass gerade für Bismarck d​er Verzicht folgenreicher gewesen wäre a​ls für Vincke. Als Erzkonservativer vertrat e​r doch g​enau den Wertekanon, d​er durch d​as Duell ausgedrückt u​nd verteidigt wurde. Ein Verzicht hätte i​hn nicht n​ur der Unglaubwürdigkeit, sondern s​ogar der Lächerlichkeit preisgegeben. Nun wurden d​ie präzisen Duellpistolen geladen. Dabei w​urde eine n​ach Bismarck überladen, s​o dass s​ie anfänglich n​icht zur Verfügung stand. Daher w​ich man a​uf unpräzisere Pistolen aus, d​ie zum Sekundieren vorgesehen waren.[8] Laut Bodelschwingh b​rach der Ladestock, w​eil die Kugeln für d​en Lauf z​u dick waren; daraufhin wurden k​urze geschäftete Pistolen verwendet.[71] Die beiden Duellanten nahmen i​hre Positionen ein. Auf Kommando v​on Bodelschwinghs schossen b​eide aufeinander u​nd fehlten. Das eigentliche Duell dürfte u​m etwa 10 Uhr angefangen haben; Bodelschwingh schilderte e​s so:

„Ich ladete d​ie Pistolen, d​ie Gegner wurden s​ich gegenüber gestellt u​nd ich s​agte denselben, daß s​ie auf m​ein Kommando: ‚Eins‘ d​ie Pistolen z​u heben, a​uf mein Kommando: ‚Zwei‘ z​u zielen u​nd ehe d​as Kommando: ‚Drei‘ erfolge, abzuschießen hätten. Ich fügte hinzu, daß i​ch ihnen zwischen ‚Zwei‘ u​nd ‚Drei‘ ausreichend Zeit lassen werde. – Wenige Sekunden n​ach dem Kommando ‚Zwei‘ fielen b​eide Schüsse, f​ast gleichzeitig, wenigstens konnte i​ch nicht unterscheiden, w​er von beiden zuerst geschossen hatte. Beide Gegner w​aren unverletzt. Herr v​on Bismarck schritt r​asch auf Herrn v​on Vincke z​u und reichte i​hm die Hand. Es f​and auf d​em Kampfplatz vollständige Aussöhnung statt.“

Bodelschwingh[47]

Bismarck schilderte dagegen:

„Gott verzeihe m​ir die schwere Sünde, d​ass ich s​eine Gnade n​icht sogleich erkannte, a​ber ich k​ann es n​icht leugnen, a​ls ich d​urch den Dampf s​ah und m​ein Gegner aufrecht stehen blieb, hinderte m​ich eine Empfindung d​es Missbehagens, i​n den allgemeinen Jubel, d​er Bodelschwingh Tränen vergießen ließ, einzustimmen; d​ie Ermäßigung d​er Forderung w​ar mir verdrießlich, u​nd ich hätte d​as Gefecht g​ern fortgesetzt. Da i​ch aber n​icht der Beleidigte war, s​o konnte i​ch nichts sagen; e​s war aus, u​nd alles schüttelte s​ich die Hände.“

Bismarck in dem Brief an seine Schwiegermutter vom 4. April 1852[8]

Das Ergebnis

1861: „Sie sollen mich nicht haben“ Der Münchner Punsch machte sich über den öffentlichkeitsscheuen Charakter Vinckes lustig. Die Aussage ist eine Anspielung auf das Rheinlied von Nikolaus Becker[72]
1863: Die Aussage: „Recht bleibt doch Recht“, erinnert unter Hinblick auf die Preußische Reformen an die Worte von Vincke aus seiner Rede vor dem vereinigten Landtag im April 1847, wenngleich ihr Verfasser bereits anderer Meinung war und das Protestschreiben nicht unterstützte[73]

Die liberale Berliner Nationalzeitung v​om 26. März 1852 vermeldete i​n ihrer Morgenausgabe u​nter der Rubrik „Berliner Nachrichten“ lapidar u​nd ironisch: „Wie erzählt wird, hätten diesen Vormittag zwischen z​wei bekannten Kammermitgliedern e​in Duell stattgefunden, d​as infolge d​er neulich stattgehabten parlamentarischen o​der unparlamentarischen Debatte engagiert war. Wie hinzugefügt wird, wäre d​er Zweikampf s​o abgelaufen, w​ie manche Kammerdebatte, d.h. e​s wäre nichts d​abei herausgekommen.“[74] Indirekt vermeldete d​ie Bismarck nahestehende Kreuzzeitung d​as Ergebnis d​es Duells, i​ndem sie a​m 27. März 1852 verlauten ließ: „Der diesseitige Bundestagsgesandte, Geh. Legationsrath v. Bismarck-Schönhausen, w​ird sich h​eute Abend a​uf seinen Posten n​ach Frankfurt zurückbegeben.“[75] Und a​uch der Kladderadatsch konnte s​ich am 28. März 1852 e​ines ironischen Seitenhiebs a​uf das Duell n​icht versagen: „Einem n​icht unwahrscheinlichen Gerücht zufolge s​oll von e​iner gewissen Seite d​er zweiten Kammer nächstens d​er dringliche Antrag gestellt werden, d​ie bisherige d​urch die Praxis a​ls unbrauchbar erwiesene Geschäftsordnung abzuschaffen u​nd an d​eren Stelle d​en durch Alter u​nd Tradition bewährten u​nd ehrwürdigen a​lten hallischen Comment einzuführen.“, bzw. a​ls gespielte Annonce: „Den geehrten Mitgliedern d​es Herrnclubbs a​m Dönhofsplatz empfehle i​ch zu d​en mit d​em Frühjahr beginnenden Schiessübungen m​ein wohl assortiertes Lager ungezogener Mensurpistolen. Der Waffenschmied v​on Lorzing[76]

Es w​urde viel darüber spekuliert, o​b beide Duellanten absichtlich gefehlt hätten o​der ob d​ie Pistolen v​on Außenstehenden manipuliert wurden.[77] Auch w​ird in d​en Berichten k​ein Wundarzt erwähnt, w​as so w​eit außerhalb Berlins fatale Folgen hätte h​aben können. Bodelschwingh h​ielt das für ausgeschlossen. Beide Kontrahenten hatten d​urch Briefe u​nd Regelungen m​it dem Leben abgeschlossen. Auch s​oll Bismarck v​or und n​ach dem Duell s​ehr erregt gewesen sein.[78] Am 25. März teilte Vincke seiner Frau Helene Sophie Berta v​on der Schulenburg a​uf Gut Ostenwalde b​ei Oldendorf d​as Duell u​nd den glücklichen Ausgang desselben mit. Da Bismarck i​hm einen Mangel a​n Erziehung vorgeworfen habe, s​ei ihm natürlich nichts übrig geblieben. Er h​offe aber, d​as Duell w​erde auch i​n der Kammer e​in besseres Verhältnis u​nd mehr Achtung zwischen Links u​nd Rechts hervorrufen.[79] In d​er Kammerdebatte a​m 27. März 1852 erklärte e​r bezüglich d​er Treuepflicht d​er preußischen Beamten, d​ass Mut u​nd Treue für i​hn abstrakte Begriffe sein, worunter m​an vieles verstehen könne.[80] Bismarck vermeldete ebenfalls seiner Gattin Johanna v​on Puttkamer a​m 25. März, d​ass sie d​em Zeitungsklatsch, d​ass er m​it Vincke u​nd Harkort i​n einer gefährlichen Beziehung stünde, keinen Glauben schenken solle; d​as sei a​lles nun beseitigt; darauf g​ebe er i​hr sein Wort u​nd würde e​her etwas verschweigen, a​ls sie belügen.[49] Erstaunlicherweise bekundeten b​eide die Erleichterung über d​en Ausgang i​n ihren Briefen, k​ein Wort über Satisfaktion o​der Ehre.

Das politische Berlin zeigte s​ich unzufrieden: Hofften d​och sowohl d​ie Liberalen w​ie die Konservativen, e​inen wortgewaltigen Gegner z​u verlieren. Der König Friedrich Wilhelm IV., d​er damals z​ur Feier e​ines Jubiläums n​ach Moers gefahren war, ließ s​ich unterwegs telegraphisch d​en Ausgang melden.[78] Schon e​inen Monat später, a​m 21. April 1852, sprach e​r in e​inem Billet d​ie Erwartung aus, d​ass mit Bismarcks Hilfe d​ie Umgestaltung d​er Ersten Kammer gelingen u​nd die „schmutzigen Intriguen“ d​es „Verein reudtiger Schafe a​us der Rechten u​nd stänkriger Böcke a​us der Linken“ überwunden werden könnte.[81] Doch Bismarck w​ar der „Kammerluft“ überdrüssig geworden. In e​inem Brief a​n die Gattin schrieb e​r im Mai, d​ass etwas Demoralisierendes d​arin läge. Die Leute würden b​ei dem „Turn- u​nd Exerzierplatz v​on Geist u​nd Zunge“ e​itel werden u​nd sich a​uf der Tribüne, w​ie in e​inem „Toilettenstück“ v​or dem Publikum produzieren.[82] Immer w​enn er v​on Frankfurt unbefangen d​ort hinkomme, s​ei es ihm, a​ls wenn e​in Nüchterner u​nter Besoffene gerate.[83] Sehr z​um Verdruss d​es Königs lehnte e​r die Wiederwahl i​n seinem Wahlkreis Havelland i​m Herbst 1852 ab. Dieser berief i​hn dennoch a​m 21. November 1854 i​n das Preußische Herrenhaus, w​o er s​ich nicht z​u Wort gemeldet hat.

Zusammenfassend h​at das Duell d​em aufstrebenden Bismarck s​ehr genutzt. Es h​at ihm i​n seinen konservativen Kreisen Rückhalt, b​eim König Vertrauen, b​eim politischen Gegner Respekt verschafft. Vincke dagegen h​atte sich a​uf ein Feld locken lassen, a​uf dem e​r nur bestehen, a​ber nichts gewinnen konnte. Bismarck entsagte i​n den nächsten z​ehn Jahren d​er parlamentarischen Auseinandersetzung u​nd überließ e​s damit a​uch Vincke. In Frankfurt, St. Petersburg u​nd Paris entwickelte e​r seine diplomatische Karriere weiter. In d​er neuen Ära, a​lso von 1858 b​is 1861, w​ar die „Fraktion Vincke“ d​ie größte i​m Abgeordnetenhaus. Bei d​en Wahlen v​on 1858 stellten d​ie 158 Abgeordneten 58 % i​n der Kammer, a​lso die absolute Mehrheit.[84] In dieser Zeit s​tand Vincke a​ls Vorsitzender d​er Fraktion Vincke z​um letzten Mal a​uf dem Zenit seines politischen Einflusses. Der Innenminister Maximilian v​on Schwerin-Putzar o​der der Finanzminister Robert v​on Patow, a​ber auch d​er einflussreiche Alfred v​on Auerswald w​aren seine Fraktionskollegen. Als i​m Februar 1861 d​ie Abspaltung v​on 19 Abgeordneten, d​ie sich z​ur Fraktion Forckenbeck, benannt n​ach Max v​on Forckenbeck ereignete, w​ar dies d​er Beginn e​ines Erosionprozesses. Im Herbst 1862, a​ls Bismarck z​um preußischen Ministerpräsident ernannt wurde, k​am er wieder zurück i​ns Abgeordnetenhaus; d​och diesmal a​ls Regierungschef.

Als a​m 27. Januar 1863 Bismarck z​um Verfassungskonflikt i​n der Kammer Stellung nahm, führte e​r aus, d​ass das konstitutionelle Leben e​ine Reihe v​on Kompromissen sei, die, w​enn sie vereitelt würden, z​u Konflikten führen würden. Konflikte a​ber seien Machtfragen, d​ie die Mächtigen i​n ihrem Sinne umsetzen müssten. Dem antwortete n​icht mehr Vincke, sondern s​ein Fraktionskollege Maximilian v​on Schwerin-Putzar, i​ndem er ausführte: „Macht g​eht vor Recht. Bislang h​abe die Größe Preußens u​nd die Anerkennung d​es Königshauses a​uf dem Grundsatz beruht Recht g​eht vor Macht. Justitia fundamentum regnorum! Das i​st der Wahlspruch d​er preußischen Könige, u​nd er w​ird es f​ort und f​ort bleiben.“[85] Allerdings w​urde diese h​ohe ethische Position s​chon von Zeitgenossen kritisch hinterfragt. Ferdinand Lassalle führte i​n seinem Brief a​n die Vossische Zeitung aus: „Was bedeutet a​ber … d​er fromme Jubel, m​it welchem d​ie Kammer d​ie Erklärung d​es Grafen v. Schwerin aufnahm, d​ass im preußischen Staate »Recht v​or Macht« gehe? Fromme Kinderwünsche u​nd weiter nichts! Denn e​ine feierlichere Bedeutung würde e​r nur b​ei Männern haben, d​ie entschlossen wären, a​uch die Macht hinter d​as Recht z​u setzen!“[86] Als i​m Januar 1863 e​ine Protestresolution g​egen den Verfassungsbruch Bismarcks i​n der 2. Kammer beschlossen wurde, stimmte Vincke m​it den Resten d​er Altliberalen s​ogar gegen d​ie Mehrheit. Vincke ließ s​ich nicht n​och mal a​uf einen Machtkampf m​it Bismarck ein. Für i​hn war d​as Duell d​er Kulminations- u​nd Endpunkt e​iner langen Auseinandersetzung m​it einem überkommenen politischen System, d​as in Bismarck s​eine personale Reinkarnation gefunden hatte. Pierre Bourdieu erklärte d​ie Sakralität d​es Ehrenschutzes a​ls notwendige Grundbedingung d​es Duells. Das Ehrgefühl k​ann damit n​ur für diejenigen Bedeutung haben, für d​ie es u​m „heilige Dinge“ ginge. Menschen, d​ie so e​twas nicht hätten, brauchen d​aher kein Ehrgefühl, w​eil sie i​n diesem Sinne, unverwundbar wären.[87]

Es i​st eine Ironie d​er Geschichte, d​ass der Mann, d​er dem Machtbestreben Bismarcks i​m Jahr 1847 d​urch eine kontinuierliche Fort- u​nd Weiterentwicklung d​es bestehenden Rechtssystems entgegengetreten war, e​s im Jahr 1863 n​och nicht einmal vermochte, s​ich der empörten Mehrheit d​er zweiten Kammer d​es Rechtsbruches wegen, anzuschließen. Entweder h​at Vincke i​m Jahr 1852 n​ur sein privates Rechts- u​nd Ehrverständnis verteidigt, o​der er i​st von seiner einstigen Überzeugung abgerückt, o​der er h​atte resigniert. Nur i​m späteren Kulturkampf vertrat Vincke n​och eine abweichende Meinung. Anders a​ls Abraham Lincoln, d​er am 22. September 1842 e​in Duell m​it James Shields a​uf einer Flussinsel b​ei Alton auszutragen hatte, w​urde Bismarck i​n der Folgezeit n​icht besonnener i​n der Öffentlichkeit u​nd in d​em Umgang m​it dem politischen Gegner gemäßigter.[88] Denn a​uch hier wieder benutzte e​r seine Satisfaktionsfähigkeit a​ls Edelmann, u​m seine politischen Gegner einzuschüchtern. So forderte Bismarck seinerseits a​m 3. Juni 1865, d​en Abgeordneten Rudolf Virchow z​um Duell; dieser lehnte jedoch m​it der Begründung ab: e​in Duell s​ei keine zeitgemäße Art d​er Diskussion. Auch d​iese Duellforderung r​uft ein lebhaftes Medieninteresse hervor, a​ber auch s​ehr viel Resonanz i​n der Bevölkerung.[89] Nach Vincke i​n seinen Anfängen g​ab es n​ur noch e​inen Mann i​n Preußen, d​en Bismarck derart e​rnst nahm, Ludwig Windthorst.[90] Das Duell a​ls ein historisches Ereignis w​ird allenfalls v​on den Historikern d​es 19. Jahrhunderts n​och gewürdigt. Vom westdeutschen Historiker Lothar Gall u​nd vom ostdeutschen Historiker Ernst Engelberg w​ird es i​n ihren Bismarck-Biographien n​och nicht einmal erwähnt. Bismarck selbst bezeichnete i​m Nachhinein „bei ruhigem Blut“ d​en Ausgang d​es Duells a​ls Gnade Gottes.[8]

Quellen

  • Otto von Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. Vollständige Ausgabe in einem Band. Cotta, Stuttgart 1959.
  • Herbert von Bismarck (Hrsg.): Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. Band 1: Briefe. 6. Auflage. Cotta, Stuttgart u. a. 1919, S. 293–297.
  • Jakob von Gerlach (Hrsg.): Ernst Ludwig von Gerlach. Aufzeichnungen aus seinem Leben und Wirken 1795–1877. 2 Bände. Bahn, Schwerin 1903.
  • Eduard von der Hellen (Hrsg.): Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. Ausgewählt und mit einem erläuterten Anhang. Cotta, Stuttgart 1941, dort: Anhang 80, S. 303.
  • Wilhelm Böhm: Fürst Bismarck als Redner. Vollständige Sammlung der parlamentarischen Reden Bismarcks seit dem Jahre 1847. Band 1: Der Abgeordnete Bismarck-Schönhausen 1847–1852. Spemann, Berlin 1885, google books.

Literatur

  • Georg Koeppen: Bismarck. Seine Zeit und sein Wirken. Den Deutsch-Amerikanern geschildert. Brumder, Milwaukee WI 1899, Volltext, (Nachdruck: Salzwasser Verlag, Paderborn 2012, ISBN 978-3-86382-922-3).
  • Otto Remmert: Wenn Vinckes Kugel Bismarck tödlich getroffen hätte … In: Hagener Heimatkalender. Bd. 1, 1960, ISSN 0440-0690.
  • Lothar Gall: Bismarck. Der weisse Revolutionär. Propyläen, Frankfurt am Main u. a. 1980, ISBN 3-549-07397-6.
  • Edward Crankshaw: Bismarck. Eine Biographie. List, München 1983, ISBN 3-471-77216-2.
  • Ernst Engelberg: Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer. Siedler, Berlin 1985, ISBN 3-88680-121-7.
  • Josef Cornelissen: Haus Heyde bei Unna. Ein westfälischer Adelssitz in seinem wechselvollen Schicksal. (= Analysen und Meinungen. Bd. 35). Stadtdirektor – i-Punkt, Unna 1998, ISBN 3-927082-37-6.
  • Hans-Peter Goldberg: Bismarck und seine Gegner. Die politische Rhetorik im kaiserlichen Reichstag. (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Bd. 112). Droste, Düsseldorf 1998, ISBN 3-7700-5205-6. (Zugleich: Tübingen, Universität, Dissertation, 1993).
  • Manfred Luda: Zur Geburtsstunde des Parlamentarismus. Abgeordnete aus der Grafschaft Mark in stürmischer Zeit (1848–1849). Mönnig, Iserlohn 1998, ISBN 3-933519-04-7.
  • Hans-Joachim Behr: „Recht muß doch Recht bleiben“. Das Leben des Freiherrn Georg von Vincke (1811–1875). (= Studien und Quellen zur Westfälischen Geschichte. Bd. 63 = Beiträge zur Märkischen Geschichte. Bd. 1). Bonifatius, Paderborn 2009, ISBN 978-3-89710-435-8.

Anmerkungen

  1. Spenersche Zeitung, vom Sonntag 21. März 1852: Herr von Bismarck-Schönhausen knüpfte an die Äußerung des Vorredners an, welche der Verwaltung den Vorwurf macht, dass sie nicht genug auf alte und erfahrene Stabsoffiziere sehe. Wolle man der Regierung einen Vorwurf machen, so könne es nur der entgegengesetzte sein. Er erklärte sich gegen den Antrag des Herrn von Vincke, welcher aller Motive entbehre, und bemerkte, seine Meinung, der Patriotismus des Antragstellers werde ihn davon abhalten, seinen Verdruss auf Kosten eines Instituts zu machen, sei durch die Apologie des Kriegsministers beseitigt worden. Man habe von dem Geist des preußischen Volkes geredet. Die großen Städte seien nicht das preußische Volk, wenigstens nicht so lange sie sich unter der Leitung lügenhafter Demagogen befänden. Der Geist des preußischen Volkes sei ein anderer, er werde sich bewahren, und sollte er auch die großen Städte vom Erdboden vertilgen. (Bravo und Zischen)
    Nach einer langen Reihe persönlicher Bemerkungen zwischen Herrn von Vincke, von Bismarck und Harkort, welche an Gereiztheit aneinander zu übertreffen suchten und mit einer schwer zu missverstehenden Provokation endeten, wird der Vincki’sche Antrag in namentlicher Abstimmung mit 168 gegen 177 Stimmen abgelehnt.
  2. Wenn von einem Misstrauen gegen das eigene Volk die Rede gewesen, so sei dies allerdings insofern gerechtfertigt, als die großen Städte stets von demagogischen und lügenhaften Führern heimgesucht würden; diese Städte seien aber nicht als das preußische Volk zu betrachten. Wenn diese großen Städte einmal wieder den Versuch machen sollten, sich zu erheben, so würde das wahre preußische Volk sie zu zwingen und zu bändigen wissen. (lebhaftes Bravo) siehe: Preußische Zeitung, vom 21. März 1852.
  3. Zum Titel XX., beantragt Herr von Vinke, den Antrag von 100.000 Talern zum militärischen Herstellungsbau der Burg Hohenzollern vom Etat abzusetzen. Er leugnet die Zweckmäßigkeit dieses Baues, sowohl vom militärischen, als auch vom landespolizeilichen Standpunkt. Handelte es sich um den Wiederaufbau der Burg als Residenz seiner Majestät des Königs, so würde er unter Umständen einen solchen Antrag mit Freuden zugestimmt haben. Alleine, dieser Zweck sei in den Berichten gar nicht erwähnt, und es wäre denn auch noch zu erwägen, ob die Finanzlage des Landes eine solche Ausgabe erlaube, was er für den Augenblick allerdings kaum annehmen könne. Abgesehen von anderen Rücksichten leite ihn der Gedanke an die Wahrscheinlichkeit eines europäischen Krieges, welche nach den Äußerungen, die ein namhafter Diplomat, trotz der jedenfalls von ihm immer noch beachteten diplomatischen Zurückhaltung, in der letzten Sitzung getan, jedenfalls viel näher liegen müsse, als man bisher geglaubt. (Bravo) Herr Treplin bittet den Antrag ohne Debatte abzulehnen, schon aus Rücksicht auf den heutigen Tag. (Geburtstag seiner königlichen Hoheit des Prinzen von Preußen)
    Herr von Prittwitz gibt Herrn von Vincke einige faktische Erläuterungen und bittet ebenfalls den Antrag abzulehnen.
    Herr von Bismarck verwahrt sich in einer persönlichen Bemerkung gegen die Interpretation, welche Herr von Vincke seine in der letzten Sitzung getanen Äußerung gegeben. Wenn er von der Möglichkeit eines Krieges gesprochen, so habe er die Diskretion eben so wenig verletzt, als er es jetzt tue, indem er die bestimmte Überzeugung ausspreche, dass wir in 6 Monaten entweder Krieg oder Frieden haben. (Heiterkeit)
    Herr von Vincke: Die Äußerungen des Herrn von Bismarck seine von alles seinen (Vincken's) politischen Freunden ebenso verstanden worden, wie von ihm. Der gereizte Ton des Herrn Vorredners sei wahrscheinlich eine Folge verletzter Bescheidenheit, da er ihn einen namhaften Diplomaten genannt. Er nehme jetzt den Ausdruck vollständig zurück, da von diplomatischen Leistungen des Herrn von Bismarck ihm bisher nichts bekannt geworden, als die Geschichte mit der brennenden Cigarre.
    Herr von Bismarck: Der Ton, in welchen er gesprochen, sei nicht ein gereizter gewesen. Vielleicht habe er später einmal Gelegenheit, mit Herrn von Vincke in gereizten Ton zu sprechen.
    Herr von Vincke: Er selbst werde mit Herrn von Bismarck in dem so eben von ihm bezeichneten Tone sprechen.
    Der Antrag des Herrn von Vincke wird abgelehnt, die Position genehmigt. (Spenersche Zeitung, vom 23. März 1852, nach aktueller Schreibung)
  4. Von Vincke beantragt die genannten Summen vom Etat abzusetzen, indem eine Besatzung von 150 Mann hoch nicht einem gegen das württembergische Heer standhalten würde, wofür, was Gott behüten wolle, in Süddeutschland ein allgemeiner Aufstand losbreche. Auch ist die Befestigung des Hohenzollern eben keine erfreuliche Aussicht für die Städte Hechingen und Sigmaringen, da noch neulich aus dem Munde eines durch eine amtliche Stellung beachtenswerten Mitgliedes gehörte Versicherung die in Vorschlag gebrachten militärischen Verstärkungen dazu dienen sollen die Städte gelegentlich vom Erdboden zu vertilgen. (Ruf auf der Rechten: nur die großen Städte) Redner ist durch diesen Zuruf im Interesse von Hechingen und Sigmaringen sehr erfreut. Wolle man übrigens, wie die von der Regierung über diesen Gegenstand ausgegebene Denkschrift anzudeuten scheint, in dem sie ausführt, dass der Ausbau der Burg Hohenzollern Seiner Majestät besonders am Herzen liege, die Burg als Residenzschloss auszubauen, so würden er und seine Freunde bereitwillig diesem Wunsch entgegenkommen, wenn er von irgendeiner Seite der Kammer angeregt würde. Mit Rücksicht auf die Finanzlage des Staates, kann er selbst einen solchen Antrag nicht einbringen. Was aber den militärischen Ausbau angehe, so sei jetzt wohl Zeit für den Kriegsminister zu sparen, da ein namhafter Diplomat von der Amtsverschwiegenheit neulich so weit abgewichen ist, um in der Kammer zu erklären, dass wir binnen 6 Monaten eine europäischen Krieg haben werden,
    Treplin wünscht, dass die Kammer ohne Diskussion mit Rücksicht auf den heutigen Tag (Geburtstag des Prinzen von Preußen) die Position genehmige.
    von Prittwiz machte einige Bemerkungen, um das Fachgemäße der militärischen Befestigung zu beweisen. Die Befürchtungen von Vinckes, dass auf den Hohenzollern aufgestellte Geschütz dazu dienen solle, um die Städte Hechingen und Sigmaringen zu bestreichen, suchte der Abgeordnete mit großen Ergötzen der Rechten dadurch zu widerlegen, dass er angibt, die erste Stadt ist dort eine Viertelmeile, die zweite fünf bis sechs Meilen entfernt.
    von Vincke entgegnete, dass die Kanonen auf dem Wege, der 6000 Taler kosten soll, sehr bequem heraus geschafft werden könnten.
    von Bismarck-Schönhausen versicherte, daran gewöhnt zu sein, dass seine Worte dem Abgeordneten von Vincke anders klingen, als er sie ausgesprochen habe. Er habe neulich gesagt, dass trotz der unleugbar friedfertigen Stimmung aller europäischer Möchte doch ein Krieg möglich sei, und damit das Amtsgeheimnis nicht weiter verletzt, als wenn er sage: binnen 6 Monaten haben wir entweder Krieg oder Frieden. (Große Heiterkeit auf der Rechten)
    von Vincke entgegnete, dass er dem Vorredner zu diesem gereizten Tone keine Veranlassung gegeben habe. Vielleicht fühle sich derselbe aus gekränkter Bescheidenheit durch den Ausdruck „namhafter Diplomat“ beunruhigt; dann solle der Ausdruck zurückgenommen werden, zumal da von diplomatischen Leistungen des Mitgliedes nichts zu seiner Kunde gekommen sei, als die brennende Zigarre.
    Der Präsident wünschte im Interesse der Kammer, dass diese Art von persönlichen Bemerkungen vermieden werde.
    von Bismarck: Wenn er gereizt sei, so spreche er in einem Tone; vielleicht werde der Abgeordnete von Vincke, der nicht nur von diplomatischer Diskretion, sondern überhaupt von Diskretion nicht zu wissen scheine, Gelegenheit haben, diesen Ton kennenzulernen.
    von Vincke ist darauf gefasst diesen Ton zu vernehmen.
    Der Antrag des eben genannten Abgeordneten auf Streichung der Position von 100.000 Talern wird verworfen, die Debatte auf morgen 11 Uhr vertagt. Schluss 3 1/2 Uhr. (Berliner Nationalzeitung, vom 23. März 1852, nach aktueller Schreibung.)
  5. von Vincke wünschte, wie in früheren Etats, Nachweisung der einzelnen Zuschüsse aus den Fonds für außergewöhnliche Bedürfnisse der Festung. Sein Antrag wird verworfen. Er beantragt ein Extraordinarium ferner die Streichung der 100000 Taler zum Ausbau der Burg des Hohenzollern. Er bestreitet die Wichtigkeit eines Postens von nur 150 Mann Stärke, die wohl selber der württembergische Armee gegenüber nicht viel besagen werden; wäre es nur zu polizeilichen Zwecke, so gehöre die Position in das Ministerium des Inneren. Auch dann sei eine Ausgabe von 160000 Talern zur Sicherung von vielleicht 20000 Gulden unverhältnismäßig. Gegen eine Bewegung in Süddeutschland selbst aber würde eine solche Besatzung nicht viel helfen, denn die Städte Sigmaringen und Hechingen könne eine solche Nachbarschaft, zumal nachdem neuerdings damit gedroht werde, die Städte überhaupt von Erdboden zu vertilgen, gefährlich werden. Was ferner ein Fahrweg mit der Infantriebesatzung zu tun habe, sehe er auch nicht ab. Sollte es hier eine Schlosswache bilden, wenn seine Majestät der König die Wiege seiner Ahnen zum würdigen Zeugnis der Größe des Geschlechtes wiederaufzubauen gedenke, so werde er und seine Freunde natürlich gerne ihr Votum dazu geben, wenn es die Finanzlage überhaupt erlaube. Aber er teile die sanguinische Hoffnung des Finanzministers über Deckung der Desicits durch die Restverwaltung nicht und verweise in dieser Beziehung vor allem auf die notwendigen Chausseebauten, die Notstände usw. Da ferner durch einen namhaften Vertreter der Diplomatie neulich hier, natürlich also gewiss mit aller dem Diplomaten zukommenden Reserve, es als „nicht unwahrscheinlich“ bezeichnet worden sei, dass in nächster Zeit schon größere militärische Machtentfaltungen nötig werden könnten, so bitte er die notwendigen Mittel zusammenzuhalten.
    Treplin bittet, in Rücksicht auf den heutigen Tag, den Geburtstag eines Sohnes jenes ruhmwürdigen Stammes, die Position ohne Debatte zu genehmigen.
    von Prittwitz erweist die militärische Notwendigkeit der einzelnen Bauten.
    von Bismarck stellt den Ausdruck „es sein nicht unwahrscheinlich, dass in 6 Monaten Krieg sein werde“ in Abrede. Er habe wörtlich gesagt: „es sein möglich, dass trotz der friedlichen Disposition aller europäischen Mächte binnen 6 Monaten der Abgeordnete von Aachen Gelegenheit habe, seine kriegswissenschaftliche Befähigung auch auf einem andern Felde zu beweisen.“ (Nein, Nein von der Linken) Er glaube dadurch, dass er von der Möglichkeit eines Krieges gesprochen habe, diplomatische Rücksichten durchaus nicht verletzt zu haben, sowenig als wenn er jetzt seine feste Überzeugung dahin ausspreche, dass wir binnen 6 Monaten Krieg oder Frieden haben werden. (Gelächter) Er glaube, dass die Äußerung nur in der Aufregung falsch aufgefasst worden sein, in die sie den Herrn Abgeordneten für Aachen versetzt habe. Er habe diesen Effekt, der den Herrn Vorredner etwa zu Trennung von seinen Fonds veranlassen könnte, nicht gewünscht.
    von Vincke: Was jene Äußerung betrifft, so sei sie nicht nur von ihm, sondern von dieser ganzen Seite (zur Linken) so verstanden worden, wie er sie zuerst wiedergegeben. Übrigens verstehe er den Ton persönlicher Gereiztheit in der Antwort des Vorredners nicht, sie stamme den etwa aus verletzter Bescheidenheit, da er ihn einen „namhaften Diplomaten“ genannt. Er nehme in diesem Falle gern das Beiwort zurück, zumal von seiner diplomatischen Wirksamkeit im bis jetzt nur die brennende Zigarre bekannt geworden sein.
    von Bismarck erwiderte, dass sein Ton, wenn er gereizt sei ein ganz anderer sei, und der Vorredner vielleicht noch einmal Gelegenheit finden werde, denselben zu hören.
    Der Präsident spricht wiederholt sein Bedauern aus, dass die Debatte solche Wendung genommen und bittet sie abzubrechen.
    von Vincke: Ich bedaure sie nicht, da sie mir Veranlassung geben wird, in einem eben solchen Tone mit dem Herrn Abgeordneten zu reden.
    Der Antrag von Vinckes wird hierauf verworfen und nachdem noch der nächste Titel erledigt, die Diskussion bis morgen 10 Uhr vertagt. (Vossische Zeitung, vom 23. März 1852, nach aktueller Schreibung.)
  6. Abgeordneter von Vincke beantragt: Bei Titel XX. Ordinarium der Erwartung auszusprechen, dass die dem vorigen Etat beigefügte Nachweise der aus dem Fonds „fixierter Zuschuss für außergewöhnliche Bedürfnisse der Festung“ geleisteten Zahlungen ach dem diesjährigen nachträglich beigefügt werde. Der Angrag wird verworfen. Extraordinarium: 769,556 Reichstaler.
    Abgeordneter von Vincke will hier den Betrag von 100,000 Reichstalern zum militärischen Herstellungsbau der Burg Hohenzollern vom Etat absetzen, indem er nur dann aus vollen Herzen für die Summe stimmen werde, wenn er den Wieder-Aufbau der Burg zur Residenz Seiner Majestät des Königs würdigen Zeugnis der Größe unseres Geschlechtes wiederherzustellen; er hält aber die militaristischen Zwecke nicht für so dringend, um eine solche Summe zu bewilligen. Er ist der Ansicht, dass es dringendere Bedürfnisse gebe, als der militärische Herstellungsbau der Burg Hohenzollern und weist deshalb auf die vielen Chauseebauten, auf die Notstände, die in einzelnen Teilen des Landes ausgebrochen, hin, Bedürfnisse, welche bei der gegenwärtigen Finanzlage nicht haben befriedigt werden können.
    Abgeordneter Treplin bittet mit Rücksicht auf den heutigen Tag, ohne Debatte über diesen Antrag abzustimmen und denselben zu genehmigen.
    Abgeordneter von Prittwitz gibt einige faktische Erläuterungen und beweist die Notwendigkeit der Position,
    Nach Schluss der Debatte folgen abermals persönliche Bemerkungen zwischen den Abgeordneten von Bismarck-Schönhausen und von Vincke, hervorgerufen durch Anmerkungen des Leztern in Bezug auf die vorgestrige Rede des Abgeordneten von Bismarck. Die Bemerkungen tragen den Charakter großer Gereiztheit, so dass der Präsident bittet, dergleichen zu unterlassen.
    Der Antrag des Abgeordneten von Vincke wird mit großer Majorität verworfen, die Position dagegen genehmigt. (Preußische Zeitung, vom 23. März 1852, nach aktueller Schreibung.)
  7. Der Titel XXI. Extraodinariarium 769,556 Taler von Vincke beantragt: bei Titel. XX.. Extraodinarium den Betrag von 100,000 Talern zum militärischen Herstellungsbau der Burg Hohenzollern vom Etat abzusetzen.
    von Vincke: Auch hier ist die Kommission sehr unvollständig. Ich habe mich wenigstens weder durch ihren Bericht, noch durch die Denkschrift der Regierung überzeugen können, dass es sich hier um einen militärischen Zweck handelt. Ist dies aber nicht der Fall, so weiß ich nicht, wie diese Summe von 100000 Taler auf das Militärbudget kommt. Überall ist nur von polizeilichen Interesse ei der Wiederbefestigung die Rede; aber 150 Mann, wie der Bericht sagt, werden auch die Fürstentümer nicht in Ordnung halten, wenn ganz Süddeutschland in Flammen steht, – und wir sollen 100000 Talern aufwenden, um im Notfall 10–20000 Gulden zu retten? Von einer militärischen Position ist gar keine Rede, – wie schon daraus hervorgeht, dass von einer Geschützstellung gar keine Rede ist, – war mir, beiläufig gesagt, wegen der Städte Hechingen und Sigmaringen sehr lieb, da der Bundestagsgesandte uns neulich gesagt hat, dass „im betreffenden Augenblicke die Städte vernichtet werden müssten.“ Dass aber gerade jetzt der militärische Zweck alleine Ausgaben rechtfertigen könnte, das habe ich aus den neulichen Worten desselben Redners abnehmen müssen, der uns trotz seiner diplomatischen Stellung versichert hat, wir würden in sechs Monaten einen europäischen Krieg haben.
    Treplin erklärt sich gegen den Antrag.
    von Prittwiz gibt einige Aufschlüsse über den Bau in Hohenzollern.
    von Vincke berichtigt mehrere Angaben.
    von Bismarck beschreitet, dass er neulich den Krieg als „nicht unwahrscheinlich“ hingestellt habe; er habe nur gesagt, „er sei nicht unmöglich“. Damit habe er nichts mehr gesagt, als dass wir in 6 Monaten Krieg oder keinen Krieg haben würden. Der Redner äußert sich in gereiztem Ton über sein Unglück, von dem Abgeordneten für Aachen so häufig missverstanden zu werden.
    von Vincke konstatiert, dass der Bundestagsgesandte die Worte über den bevorstehenden Ausbruch des Krieges so gesagt habe, wie er sie angeführt, wie er sie zitiert habe. Er wundere sich dann über den gereizten Ton, den der Vorredner angeschlagen habe, und glaubt, dass dies in der Anerkennung seines Grund habe, welche er den diplomatischen Talenten desselben neulich angedeihen lassen. Er wolle den Bundestagsgesandten darüber beruhigen; er wisse von seinen Erfolgen weiter Nichts, als den berühmten Besuch mit der Zigarre.
    - Nach einer Replik des Abgeordneten Bismarck und einer Entsagung des Abgeordneten von Vincke nehmen noch die Abgeordneten Wegner un der Regierungskommissar das Wort. Darauf wird der Antrag von Vincke's abgelehnt und er Titel genehmigt; ebenso Titel XXI. Schluss der Sitzung 3 1/2 Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 11 Uhr. (Constitutionelle Zeitung vom 23. März 1852, nach aktueller Schreibung.)
  8. Der Abgeordnete von Vincke hat auch hierzu ein Amendment eingebracht, in welchem er die Absetzung dieser 100000 Taler fordert. Er verteidigt dasselbe, indem er anführt: Es handelt sich hier um eine sehr bedeutende Summe, die ich überdies für den Militär-Etat gar nicht geeignet finde. Es ist uns gesagt worden, dass die Burg für 150 Mann eingerichtet werden soll; aber was können 150 Mann wohl ausrichten? Selbst gegen die Württembergische Armee würden sie nichts vermögen. Man behauptet, dass die Zustände in Süddeutschlands sehr erschüttert sind und ich stimme dieser Ansicht bei, aber was sollen den dort 150 Mann unter solchen Umständen für Widerstand leisten und für ein bloßes Refugium steht den doch die verlangte Summe wahrscheinlich in keinem Einklange. Nun ist uns gestern zwar von einem verehrten Mitgliede der Rechten dieses Hauses gesagt worden, dass die Städte vom Erdboden vertilgt werden sollen, und so mag es die Absicht sein, von der Burg Hohenzollern aus die Städte Sigmaringen und Hechingen dem Erdboden gleich zu machen. (Ruf: „große Städte!“) – ich nehme diesen Ruf dankbar im Interesse der kleinen Städte. – Wenn es ein Werk wäre, die Ahnenburg unseres glorreichen Herrscherhauses würdig wiederherzustellen, ich frage sie, wer unter uns würde nicht die Mittel dazu freudig bewilligen wollen? Wer würde nicht zustimmen, dass diese 150 Mann als eine Art Schlosswache dort eine Unterkommen finden? Jetzt stimme ich aber um so weniger für die Bewilligung dieser 100000 Taler, als wir vorgestern zwar mit dem nötigen diplomatischen Rückhalt von einem namhaften Diplomaten gehört haben, dass wir, obschon ich gestehen muss von dieser Gefahr bisher noch keine Ahnung gehabt zu haben, vielleicht binnen 6 Monaten in einem Europäischen Krieg verwickelt sein könnten. (Heiterkeit links)
    Abgeordneter von Prittwitz: Allerdings soll der in Frage stehende Punkt nur als ein Refugium dienen; als solches war aber nur die Burg Hohenzollern als dazu am geeignetsten zu vermitteln. Wenn sonst aber noch Etwas zur Beruhigung des Herrn von Vincke beitragen kann, will ich ihm nur erwidern, dass, was das dem Erdboden Gleichmachen der Städte Sigmaringen und Hohenzollern von der Burg aus anlangt, dies nicht gut möglich sein wird, da die eine Stadt fast eine und die andere 5–6 Meilen von ihr entfernt liegt. (Heiterkeit)
    Abgeordneter von Bismarck-Schönhausen: Ich habe schon oft das Unglück gehabt, von dem Herrn Abgeordneten von Vincke missverstanden zu werden, und so wundere ich mich auch nicht, dass ich es auch diesmal zu beklagen habe, zumal er meine Worte in einer Aufregung vernommen zu haben scheint. Ich habe am Sonnabend nur erklärt, dass so friedfertig gesinnt auch in diesem Augenblicke die Regierungen Europa's sind, vielleicht doch Umstände eintreten könnten, welche uns in 6 Monaten nötigen von dem militärischen Talente des Abgeordneten für Aachen auf einem anderen Felde, als dem hier, Gebrauch zu machen. Und damit habe ich eben so wenig mein Amtsgeheimnis verletzt, als wenn ich behauptet hätte, dass wir binnen 6 Monaten entweder Krieg oder – Frieden hätten. (Allgemeine Heiterkeit)
    Abgeordneter von Vincke: Ich begreife nicht, dass grade ich derjenige sein soll, der den Herrn von Bismarck stets falsch versteht. Alle meine Freunde in meiner Nähe haben ihn ebenso verstanden wie ich. Wenn der Herr Abgeordneter übrigens von einem gereizten Ton spricht, den ich angenommen haben soll, so mag er das vielleicht auf den Ausdruck „namhafter Diplomat“ zu beziehen und ich bin gerne bereit diese Bezeichnung zurückzunehmen. Die Entwicklung seines diplomatischen Talents scheint sich überhaupt bis jetzt nur auf die bewusste „brennende Zigarre“ beschränkt zu haben. (Lachen links, Lärm rechts)
    Der Präsident rügt diesen Ton des Abgeordneten von Vincke und bittet in den Grenzen des parlamentarischen Anstands zu bleiben.
    Abgeordneter von Bismarck: Wenn mein Ton in gereizter ist, ist er ein anderer und es kann sich sehr leicht ereignen, dass ich einmal mit dem Abgeordneten für Aachen in demselben spreche. Was aber die brennende Zigarre anlangt, so halte ich dafür, dass Herr von Vincke ebenso wenig von diplomatischer Diskretion weiß, als von jeder anderen. (Bravo rechts)
    Der Präsident wiederholt seine Bitte um Mäßigung.
    Abgeordneter von Vincke: Diesen gereizten Ton des Herrn von Bismarck werde ich erwarten. (Lebhafte Unruhe)
    Das Amendment von Vincke wird sodann verworfen und die Position angenommen; vergleichen für Servis- und Garnison-Verwaltungswesen 2450008 Taler, womit die Debatte vertagt wird. Schluss der Sitzung 3 1/2 Uhr. Nächste Sitzung: Dienstag 11 Uhr. (Kreuzzeitung, vom 24. März 1852, nach aktueller Schreibung.)
  9. Präsident: Der Abgeordnete von Bismarck-Schönhausen hat das Wort zu einer persönlichen Bemerkung. Abgeordneter von Bismarck-Schönhausen (vom Platz): Der Abgeordneter für Aachen hat vorher gesagt, ich hätte in meiner vorgestrigen Rede geäußert, es sei nicht unwahrscheinlich, dass wir in sechs Monaten Krieg hätten. Ich bin zwar einigermaßen dran gewöhnt, dass meine Worte dem Abgeordneten anders ins Ohr fallen, als sie meines Wissens aus meinem Munde hervorgegangen sind, und ich glaube, dass niemand diejenigen Versionen die der Herr Abgeordneter von meinen Äußerungen gibt, als authentisch betrachten wird. Da ich aber sehr beklagen würde, wenn der Herr Abgeordneter in Folge seiner Auffassung meiner Worte sich vielleicht frühzeitig von seinem Fonds trennte, so will ich seine Bemerkung dahin berichtigen, dass ich nicht gesagt habe, es sei nicht unwahrscheinlich, dass in sechs Monaten Krieg sein werde, sondern ich habe wirklich geäußert, trotz der unzweifelhaft friedfertigen Disposition aller Europäischen Mächte, sei es nicht unmöglich, dass wir in sechs Monaten, von hier aus gerechnet, in der Lage sein würden, die militärischen Talente des Herrn Abgeordneten für Aachen auf einem anderen Felde, als dem hiesigen, erproben zu können. (Große Unruhe) Präsident: Ich bitte um Ruhe. Abgeordneter von Bismarck-Schönhausen: Ich glaube, durch diese Äußerung die Diskretion, welche mein Amt mir auferlegt, nicht verletzt zu haben, so wenig als dadurch, dass ich hinzufüge, dass meiner festen Überzeugung nach wir in sechs Monaten entweder Krieg haben oder Frieden. (Heiterkeit) Präsident: Erlauben Sie mir, dass ich das Wort … Der Herr Abgeordneter von Vincke hat das Wort zu einer persönlichen Bemerkung. Abgeordneter Freiherr von Vincke: Ich bin zunächst dem verehrten Mitgliede sehr dankbar, dass er mich nicht als einen authentischen Berichterstatter über seine vielfachen Äußerungen betrachten will. Ich würde wirklich viel zu tun haben alles zu kontrollieren. Nur das bemerke ich, dass alle meine Freunde meinen, sie haben es ebenso verstanden wie ich, und dass es mir ein unerklärliches Missverständnis erscheint, dass auf dieser Seite des Hauses (zur Linken) allgemein so verstanden worden ist. Im Übrigen kann ich nur annehmen, dass der persönlich gereizte Ton, wozu der Herr Abgeordnete keine Veranlassung hatte, da ich seine Leistungen dankbar anerkannt habe, nur aus verletzter Bescheidenheit herrühre, weil ich ihn einen namhaften Diplomaten genannt habe. Ich will daher, um ihn zu befriedigen, diese Äußerung hiermit förmlich zurücknehmen, da allerdings alles, was ich von seinen diplomatischen Leistungen weiß, sich nur auf die bekannte brennende Zigarre beschränkt.
    Präsident: Meine Herrn! Ich muss dem Herrn Abgeordneten von Bismarck-Schönhausen noch das Wort zu einer persönlichen Bemerkung erteilen. Sie müssen mir, als Leiter der Versammlung, aber die Bitte erlauben, dass in dieser Weise die persönliche Diskussion nicht weiter geführt werde. Abgeordneter von Bismarck-Schönhausen: Niemand erkennt diese Wahrheit mehr an, als ich, und ich hätte gewünscht, dass der Herr Abgeordnete für Aachen sich der unnötigen Beziehung auf meine Person enthalten hätte. Da er es nicht getan hat, da er meine Äußerung in einer, wie ich meine, entstellenden Weise vorgetragen hat, so bin ich genötigt ihm darauf zu erwidern. Wenn der Herr Abgeordnete für Aachen sagt, ich hätte mit ihm in einen gereizten Ton gesprochen, so muss ich dies in Abrede stellen. Vielleicht finde ich Gelegenheit mit ihm in diesem Tone zu sprechen. Seine letzten Äußerungen überschreiten die Grenze nicht nur der diplomatischen, sondern derjenigen privaten Diskretion, deren Beobachtung ich von einem Manne von guter Erziehung erwarten zu dürfen glaubte. (Der Abgeordnete von Vinke wünscht das Wort zu einer persönlichen Bemerkung) Präsident: Es muss doch ein Ende geben der persönlichen Bemerkungen. Abgeordneter Freiherr von Vinke (vom Platz): Ich bin jetzt vollständig zu Ende und freue mich, dass der Schuss der Erwiderung mir Veranlassung gibt, mit dem Herrn Abgeordneten in dem Tone zu sprechen, den er soeben bezeichnet hat. Präsident: Ich wiederhole meine Bitte; die heutigen persönlichen Bemerkungen gründen sich auf Erörterungen, die bereits in der vorigen Sitzung stattgefunden haben. Ich bitte sie aufrichtig im Interesse der Sache, von einer solchen Art der Diskussion in Zukunft abzustehen.
    (Bravo) Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch die Allerhöchste Verordnung vom 4. November 1851 einberufenen Kammern, Zweite Kammer, Zweiter Band, Von der dreißigsten Sitzung am 27. Februar bis zur Achtundfünfzigsten Sitzung am 29. März 1852, Druck und Verlag der Deckerschen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei, 1852, S. 910.

Einzelnachweise

  1. Grundlegend zum Duell im 19. Jahrhundert: Ute Frevert: Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft (= dtv 4646 dtv Wissenschaft). Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1995, ISBN 3-423-04646-5.
  2. Nach dem geltenden Preußischen Allgemeinen Landrecht. Wortlaut und Kommentar:
  3. Ute Frevert: Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft. Beck, München 1991, ISBN 3-406-35117-4, S. 15 (zugleich: Bielefeld, Universität, Habilitations-Schrift, 1989).
  4. Edward Crankshaw: Bismarck. 1983, S. 55.
  5. Lothar Gall: Bismarck. Der weisse Revolutionär. 1980, S. 73.
  6. zu Vinckes Konfession
  7. Hans-Peter Goldberg: Bismarck und seine Gegner. 2004, S. 134.
  8. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 296.
  9. Dazu Rüdiger Hachtmann: Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution. Dietz, Bonn 1997, ISBN 3-8012-4083-5, S. 291–295 (zugleich: Berlin, Technische Universität, Habilitations-Schrift, 1995).
  10. Ernst Engelberg: Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer. 1985, S. 246.
  11. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 88.
  12. Otto von Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. 1959, S. 20.
  13. Manfred Luda: Zur Geburtsstunde des Parlamentarismus. 1998, S. 208.
  14. Edward Crankshaw: Bismarck. 1983, S. 66.
  15. Friedrich Wilhelm IV., Anmerkung zu Bismarcks Namen auf einer Liste ministrabler Persönlichkeiten 1848, laut Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. Zweites Kapitel: Das Jahr 1848. IV. S. 30 books.google; s. auch https://www.projekt-gutenberg.org/bismarck/erinner1/erinner1.html und http://www.zeno.org/nid/20002731541 (dort in der Schreibweise Bayonett).
  16. Otto von Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. 1959, S. 50.
  17. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 100.
  18. Hermann von Petersdorff, Bernhard von Poten: Vincke, Georg Freiherr von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 39, Duncker & Humblot, Leipzig 1895, S. 743–752.
  19. Der Spiegel, vom 12. Dezember 1956.
  20. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 163.
  21. Bismarck: Die großen Reden. Herausgegeben und eingeleitet von Lothar Gall. Severin und Siedler, Berlin 1981, ISBN 3-88680-007-5, S. 43 ff.
  22. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 225.
  23. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 226.
  24. Otto von Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. 1959, S. 78.
  25. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 295.
  26. Kladderadatsch, vom 28. März 1852.
  27. Wilhelm Böhm: Fürst Bismarck als Redner. Vollständige Sammlung der parlamentarischen Reden Bismarcks seit dem Jahre 1847. Band 1: Der Abgeordnete Bismarck-Schönhausen 1847–1852. 1885, S. 211.
  28. Horst Kohl: Die politischen Reden des Fürsten Bismarck. Band 1: Die Reden des Abgeordneten von Bismarck-Schönhausen im Vereinigten Landtage, im Deutschen Parlament zu Erfurt und in der Zweiten Kammer des Preußischen Landtags. 1847–1852. Cotta, Stuttgart 1892, S. 413.
  29. Wilhelm Böhm: Fürst Bismarck als Redner. Vollständige Sammlung der parlamentarischen Reden Bismarcks seit dem Jahre 1847. Band 1: Der Abgeordnete Bismarck-Schönhausen 1847–1852. 1885, S. 210–212.
  30. Vossische Zeitung, vom 22. März 1852.
  31. Georg Koeppen: Bismarck. Seine Zeit und sein Wirken. 1899, S. 121.
  32. Vossische Zeitung, vom 22. März 1852.
  33. Vossische Zeitung, vom 23. März 1852.
  34. Kreuzzeitung, vom 23. März 1852.
  35. Kladderadatsch, vom 28. März 1852.
  36. ein Titel, auf den Harkort keinen Anspruch hat
  37. Bismarck-Jahrbuch. Bd. 3, 1896, ZDB-ID 280308-2, S. 67.
  38. Holzschnitt „Das Sitzungsgebäude des Zollparlaments“. In: Die Gartenlaube, 1868, Nr. 20, S. 309.
  39. Preußischer Etat für 1852: Einnahmen: 97001021 Taler, Ausgaben 99434735 Taler; ordentliche Positionen: 96151982, laufende Positionen: 3282752 siehe: Preußisches Wochenblatt, 3. April 1852, S. 224.
  40. Georg Koeppen: Bismarck. Seine Zeit und sein Wirken. 1899, S. 122.
  41. Dieser Mösch will eun Düplomat sein und weuß gar nüchts. Uech sag' Uehnen, in söchs Monaten haben wür wöder Krüg noch Früden, sondern Herbst. Zwickauer. Siehe: Kladderadatsch, vom 28. März 1852.
  42. Vossische Zeitung. vom 23. März 1852.
  43. Wilhelm Böhm: Fürst Bismarck als Redner. Vollständige Sammlung der parlamentarischen Reden Bismarcks seit dem Jahre 1847. Band 1: Der Abgeordnete Bismarck-Schönhausen 1847–1852. 1885, S. 212.
  44. Kreuzzeitung, vom 24. März 1852.
  45. Harry Graf Kessler berichtet in seinem Tagebuch von 1889–1937, S. 236, vom 1. Januar 1894 von einem Zusammenkommen mit Bismarck in Oberau.
  46. Rainer Brunst: Drei Leuchtspuren in der Geschichte Deutschlands. Rhombos-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-937231-32-3.
  47. Manfred Luda: Zur Geburtsstunde des Parlamentarismus. 1998, S. 202.
  48. Kladderadatsch vom 1. Februar 1852
  49. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 294.
  50. „Bismarck sandte dem Gegner seine Erwiderung in der Form einer Herausforderung zu einem Waffengang mit Pistolen“ siehe: Georg Koeppen: Bismarck. Seine Zeit und sein Wirken. 1899, S. 123.
  51. Die Folge der Diskussion war eine Forderung, die Herr von Bismarck seinem parlamentarischen Gegner zusandte, … Siehe: Heinrich Ritter von Poschinger: Fürst Bismarck und die Parlamentarier. Band 2: 1847–1879. Trewendt, Breslau 1895, S. 13.
  52. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 296, Anm. Im Allgemeinen wurde in Pistolenduellen maximal auf drei Kugeln gefordert. Siehe Ehren-Comment.
  53. Manfred Luda: Zur Geburtsstunde des Parlamentarismus. 1998, S. 203.
  54. Birgit Aschmann (Hrsg.): Gefühl und Kalkül. Der Einfluss von Emotionen auf die Politik des 19. und 20. Jahrhunderts (= Historische Mitteilungen. Beiheft 62). Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08804-0, S. 155.
  55. siehe Otto von Bismarck als Student
  56. Otto Pflanze: Bismarck. Band 1: Der Reichsgründer (= Beck'sche Reihe 1785). Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-54822-2, S. 56.
  57. Kösener Korps-Listen. 1910, ZDB-ID 90022-9, 69, 174; 185, 329.
  58. v. Arnim war Mitglied des Corps Saxo-Borussia Heidelberg, vgl. Kösener Corpslisten. 1960, ZDB-ID 90021-7, 66, 156.
  59. Mitglied des Corps Littuania, vgl. Kösener Korps-Listen. 1910, 139, 25.
  60. Kösener Korps-Listen. 1910, 69, 138.
  61. Büchsel hatte Bismarck das heilige Abendmahl verweigert … ich kann das nicht richtig finden, er ist im Stande der Nothwehr und gerechten Krieges. General von Gerlach, Tagebuch vom 23. März 1852 in: Jakob von Gerlach (Hrsg.): Ernst Ludwig von Gerlach. Aufzeichnungen aus seinem Leben und Wirken, 1795–1877. Band 2. 1903, S. 746.
  62. Jakob von Gerlach (Hrsg.): Ernst Ludwig von Gerlach. Aufzeichnungen aus seinem Leben und Wirken, 1795–1877. Band 2. 1903, S. 746.
  63. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 296–297.
  64. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 293.
  65. Harkort übernimmt die Titulierung die Bismarck auch ihm zuerkannt hat, die korrekte Anrede für einen Legationsrat wäre Exzellenz
  66. Bismarck-Jahrbuch. Bd. 3, 1896, S. 68.
  67. Hans-Joachim Behr: „Recht muß doch Recht bleiben“. Das Leben des Freiherrn Georg von Vincke (1811–1875). 2009, S. 352.
  68. Bismarck im Brief an seine Schwiegermutter vom 4. April 1852, Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 292–296.
  69. Mitglied des Corps Saxonia Leipzig, vgl. Kösener Korps-Listen. 1910, 154, 201.
  70. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 296, wird bei Bodelschwingh nicht erwähnt
  71. St.A Osnabrück, Dep. 45b, Vinke-Ostenwalde Nr. 99 Aufzeichnungen von Louis von Bodelschwingh siehe auch .
  72. Der Münchner Punsch macht sich über Vincke lustig, der sich nicht photographieren lassen möchte: Als die Litho- und Photographen auf ihn einstürmten, rief er aus: „Nein, sie sollen mich nicht haben!“ Bei einem Photographen, der ihn einmal aufgenommen, ließ er sogar die Glasplatte zerstören, mit der Bemerkung, seit dem großen Amendement mache man sich in Deutschland von ihm ohnehin sehr viele negative Vorstellungen. Münchner Punsch vom 3. März 1861.
  73. Kladdaradatsch vom 8. Feb. 1863.
  74. Berliner Nationalzeitung, vom 26. März 1852.
  75. Kreuzzeitung, vom 27. März 1852.
  76. Kladderadatsch, vom 28. März 1852.
  77. Georg Koeppen gibt an, dass der Schwiegervater von Vincke, Graf Werner von der Schulenburg-Wolfsburg, ihm vergeblich angeraten hätte, dem Duell abzustehen. Bismarck habe vor dem Duell ein Gebet gesprochen, welches Vincke, der als Erster schoss, derart beeindruckte, dass er absichtlich gefehlt hätte, worauf dann Bismarck als treffsicherer Schütze ebenfalls daneben schoss, siehe: Georg Koeppen: Bismarck. Seine Zeit und sein Wirken. 1899, S. 124.
  78. Manfred Luda: Zur Geburtsstunde des Parlamentarismus. 1998, S. 205.
  79. Staatsarchiv Osnabrück, Dep. 45b, Vinke-Ostenwalde Nr. 99 Aufzeichnungen von Louis von Bodelschwingh.
  80. Ostpreußische Zeitung (Königsberg), 1. April 1852.
  81. Otto von Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. Stuttgart 1959, S. 113–117.
  82. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 297.
  83. Herbert von Bismarck: Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. 1919, S. 298.
  84. Bernhard Vogel, Dieter Nohlen, Rainer-Olaf Schultze: Wahlen in Deutschland. Theorie, Geschichte, Dokumente 1848–1970. de Gruyter, Berlin u. a. 1971, ISBN 3-11-001732-6, S. 287.
  85. Zitiert nach: Lothar Gall: Bismarck. Der weisse Revolutionär. 1980, S. 279.
  86. Ferdinand Lassalle in einem Brief an die Vossische Zeitung, vgl. Ferdinand Lassalle: Reden und Schriften (= Reclams Universal-Bibliothek 1192). Herausgegeben von Hans Jürgen Friederici. Reclam, Leipzig 1987, ISBN 3-379-00103-1, 7. Februar 1863.
  87. Pierre Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft (= Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 291). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-518-07891-7, S. 35.
  88. James E. Myers: The Astonishing Saber Duel of Abraham Lincoln. Lincoln-Herndon Building Publishers, Springfield IL 1968, S. 37.
  89. Petra Lennig: Das verweigerte Duell: Bismarck gegen Virchow. DHM-Digitalisat (PDF; 15 kB)
  90. Edward Crankshaw: Bismarck. Eine Biographie. List, München 1983, S. 113.

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