Buchstabensäuren

Als Buchstabensäuren bezeichnet man amin- und/oder hydroxysubstituierte Naphthalinsulfonsäuren. Sie sind wichtige Zwischenprodukte der Farbstoffchemie. Der Name Buchstabensäure leitet sich von der Tatsache ab, dass diese Säuren meist nur mit einem vorangestellten Buchstaben benannt werden, zum Beispiel „H-Säure“. Die Buchstabenvergabe erfolgte historisch und nicht immer ist die Wahl des Buchstaben nachvollziehbar. Manche Säuren sind auch mit dem Namen ihres Entdeckers bezeichnet (zum Beispiel „Brönner-Säure“) oder tragen den Namen der Firma, die diese Verbindung erstmals hergestellt hat (zum Beispiel „Cassella-Säure“); auch die beiden letztgenannten Typen werden noch zu den Buchstabensäuren gezählt. Die Buchstabensäuren werden als Diazo- oder Kupplungs-Komponenten in Azokupplungen oder als Substituenten (beispielsweise zur Substitution eines Chloratoms in Cyanurchlorid) eingesetzt.

Naphthylamin-Sulfonsäuren

Aus den Naphthylaminen α-Naphthylamin und β-Naphthylamin erhält man je nach Reaktionsbedingungen durch Sulfonierung eine oder mehrere Naphthylaminsulfonsäuren. Durch Nitrierung und anschließende Béchamp-Reduktion lassen sich höher aminierte Verbindungen erhalten.

Naphthol-Sulfonsäuren

Aus Naphtholen erhält man je nach Reaktionsbedingungen durch Sulfonierung eine oder mehrere Naphtholsulfonsäuren. Durch Nitrierung und anschließende Bechamp-Reduktion lassen sich aminierte Verbindungen erhalten.

Nomenklatur

Die Verbindungen werden seit langer Zeit als Zwischenprodukte bei der Herstellung von Azofarbstoffen benutzt. Da die systematischen Namen unübersichtlich sind, wurden die meisten mit Trivialnamen belegt. Die Salze der Sulfonsäuren (Sulfonate) bezeichnet man üblicherweise nach dem „Stamm-Trivial-Namen“ : H-Säure → H-Salz, ggf. noch das Kation (Natrium-H-Salz). Die Trivial-Nomenklatur wird nochmals unübersichtlicher durch die Bezifferung der Substituenten. Historisch und herstellungstechnisch bedingt wird inkonsequenterweise mal das Kohlenstoff-Atom, das die Hydroxy-, mal jenes, das die Amino-Gruppe trägt, mit dem Lokanten 1 versehen.

Die Trivialnomenklatur entstand überwiegend im deutschen Sprachraum. Im Englischen wird meist 1 : 1 übersetzt (Brönner-SäureBroenner's Acid).

Beispiele

Buchstabensäuren der Farbenchemie (nach Römpp Lexikon Chemie)[1]
Kurzname Vollständiger Name (IUPAC) CAS-Nr.: Struktur Anmerkungen
H-Säure 4-Amino-5-hydroxynaphthalin-2,7-disulfonsäure 90-20-0 sehr wichtig, als Kupplungskomponente für rote (Monoazo-) und blaue (Bisazo-) Farbstoffe
I-Säure
(Name von Iso-γ-Säure)
7-Amino-4-hydroxynaphthalin-2-sulfonsäure 87-02-5 sehr wichtig, als Kupplungskomponente für scharlach-rote (Monoazo-) und rot-braune (Bisazo-) Farbstoffe
γ-Säure 6-Amino-4-hydroxynaphthalin-2-sulfonsäure 90-51-7 wichtig, für rote, als Kupplungskomponente lichtechte Monoazo-Farbstoffe
K-Säure 4-Amino-5-hydroxynaphthalin-1,7-disulfonsäure 130-23-4 als Kupplungskomponente für rote, lichtechte Monoazo-Farbstoffe
Tobias-Säure
(auch A-Säure)
2-Aminonaphthalin-1-sulfonsäure 81-16-3 als Diazokomponente
Sulfo-Tobias-Säure 2-Aminonaphthalin-1,5-disulfonsäure 117-62-4 als Diazokomponente
Broenner-Säure
(auch Brönner-Säure,
Amino-Schäffer-Säure)
6-Aminonaphthalin-2-sulfonsäure 93-00-5
Schäffer-Säure (α)
(auch α-Schäffer-Säure,
Baum-Säure)
1-Hydroxynaphthalin-2-sulfonsäure 567-18-0
C-Säure
(auch Cassella-Säure)
3-Aminonaphthalin-1,5-disulfonsäure 131-27-1 als Diazo- und Kupplungskomponente
Croceinsäure
(auch Bayer-Säure,
Rumpff-Säure)
7-Hydroxynaphthalin-1-sulfonsäure 132-57-0
Neville-Winther-Säure 4-Hydroxynaphthalin-1-sulfonsäure 84-87-7
L-Säure
(auch Azurin-Säure,
Oxylaurent-Säure)
5-Hydroxynaphthalin-1-sulfonsäure 117-59-9
Schäffer-Säure (β) 6-Hydroxynaphthalin-2-sulfonsäure 93-01-6
F-Säure
(auch Cassella-Säure)
7-Hydroxynaphthalin-2-sulfonsäure 92-40-0
G-Säure 7-Hydroxynaphthalin-1,3-disulfonsäure 118-32-1
δ-Säure
(auch CS-Säure,
Schöllkopf-Säure,
Oxy-Chicago-Säure)
4-Hydroxynaphthalin-1,5-disulfonsäure 117-56-6
D-Säure (Doppelbezeichnung,
siehe 81-05-0!)
4-Hydroxynaphthalin-1,6-disulfonsäure 6361-37-1
ε-Säure
(auch Andresen-Säure)
8-Hydroxynaphthalin-1,6-disulfonsäure 117-43-1
R-Säure 3-Hydroxynaphthalin-2,7-disulfonsäure 148-75-4
RG-Säure
(auch GR-Säure)
4-Hydroxynaphthalin-2,7-disulfonsäure 578-85-8
Boeniger-Säure
(auch 1,2,4-Säure)
4-Amino-3-hydroxynaphthalin-1-sulfonsäure 578-85-8
S-Säure
(auch Chicago-S-Säure)
4-Amino-5-hydroxynaphthalin-1-sulfonsäure 83-64-7
M-Säure 8-Amino-4-hydroxynaphthalin-2-sulfonsäure 489-78-1
SS-Säure
(auch Chicago-SS-Säure)
4-Amino-5-hydroxynaphthalin-1,3-disulfonsäure 82-47-3
Sulfo-I-Säure
(auch I-Di-Säure)
2-Amino-5-hydroxynaphthalin-1,7-disulfonsäure 6535-70-2 als Kupplungskomponente
RR-Säure
(auch 2R-Säure,
Columbia-Säure)
3-Amino-5-hydroxynaphthalin-2,7-disulfonsäure 90-40-4
Naphthionsäure
(auch Piria-Säure)
4-Aminonaphthalin-1-sulfonsäure 84-86-6
Purpurinsäure
(auch Laurent-Säure)
5-Aminonaphthalin-1-sulfonsäure 84-89-9
Dahl-Säure
(auch Dahl-Säure I,
D-Säure (Doppelbezeichnung,
siehe 6361-37-1!))
6-Aminonaphthalin-1-sulfonsäure 81-05-0
Badische-Säure
(auch Forsling-Säure I)
7-Aminonaphthalin-1-sulfonsäure 86-60-2
Perisäure
(auch Forsling-Säure I)
8-Aminonaphthalin-1-sulfonsäure 82-75-7 als Kupplungskomponente
Cleve-γ-Säure
(auch Cleve-Säure)
4-Aminonaphthalin-2-sulfonsäure 134-54-3
Cleve-β-Säure
(auch 1,6-Cleve-Säure,
μ-Säure)
5-Aminonaphthalin-2-sulfonsäure 119-79-9
Cassella-F-Säure
(auch δ-Säure,
F-Säure
(Doppelbezeichnung,
siehe 92-40-0!),
Bayer-Säure (?))
7-Aminonaphthalin-2-sulfonsäure 494-44-0
1,7-Cleve-Säure 8-Aminonaphthalin-2-sulfonsäure 119-28-8
Amino-I-Säure
(auch Amino-J-Säure)
6-Aminonaphthalin-1,3-disulfonsäure 118-33-2
Amino-G-Säure 7-Aminonaphthalin-1,3-disulfonsäure 86-65-7
Amino-S-Säure
(auch Disulfo-S-Säure)
4-Aminonaphthalin-1,5-disulfonsäure 117-55-5
Dahl-Säure III 4-Aminonaphthalin-1,6-disulfonsäure 85-75-6
Amino-ε-Säure 8-Aminonaphthalin-1,6-disulfonsäure 129-91-9
Dahl-Säure II 4-Aminonaphthalin-1,7-disulfonsäure 85-74-5
Alen-Säure
(auch Freund-Säure (1,3,7))1)
4-Aminonaphthalin-2,6-disulfonsäure 6362-05-6
Kalle-Säure 1-Aminonaphthalin-2,7-disulfonsäure 486-54-4
Amino-R-Säure 3-Aminonaphthalin-2,7-disulfonsäure 92-28-4
Freund-Säure (1,3,6)1) 4-Aminonaphthalin-2,7-disulfonsäure 6251-07-6
B-Säure
(auch Melan-Säure)
8-Aminonaphthalin-1,3,5-trisulfonsäure 17894-99-4
2R-Amino-Säure 7-Aminonaphthalin-1,3,6-trisulfonsäure 118-03-6
T-Säure
(auch Koch-Säure,
Amino-H-Säure)
8-Aminonaphthalin-1,3,6-trisulfonsäure 117-42-0 nicht identisch mit 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure (ebenfalls als T-Säure bezeichnet)

1) nach Louis Freund benannt.

Quellen

  1. Eintrag zu Buchstabensäuren. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 7. Mai 2014.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.