Bevölkerungsschutz (Deutschland)
In Deutschland ist der Bevölkerungsschutz in erster Linie Ländersache und liegt im Zuständigkeitsbereich der Feuerwehren. Der Bund wird jedoch bei Großschadensereignissen mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und dem Technischen Hilfswerk sowie teilweise auch mit der Bundeswehr unterstützend tätig. Nur im Verteidigungsfall (für den Zivilschutz) hat der Bund eigene Kompetenzen.
Geschichte
Nachdem im Deutschen Kaiserreich neben den Feuerwehren und dem Deutschen Roten Kreuz militärische Hilfskommandos bei Großschadenslagen eingesetzt wurden, entlastete während der Weimarer Republik die Technische Nothilfe die zahlen- und ausrüstungsmäßig stark abgerüstete Reichswehr. Während der Zeit des Nationalsozialismus bildeten diese Hilfsdienste auch den Kern des Katastrophenschutzes im zivilen Luftschutz, damals Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD), ab Juli 1942 Luftschutzpolizei genannt. Ab 1944 etablierte man Großküchenschiffe in Großstädten mit schiffbaren Kanälen oder Flüssen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verboten die Siegermächte im Jahr 1946 alle Maßnahmen zum Luftschutz. Auch das deutsche Grundgesetz vom 23. Mai 1949 enthielt keine Vorschriften zur Verteidigung oder zum Schutz der Bevölkerung bei kriegerischen Auseinandersetzungen und zur Bewältigung politisch-militärischer Krisen.
Angesichts der Bedrohungslage des Kalten Krieges begann jedoch bald der Wiederaufbau des Katastrophenschutzes in Deutschland. In der Bundesrepublik wurde im Jahr 1950 das Technische Hilfswerk, 1956 das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz und der Luftschutzhilfsdienst für den Bereich des Zivilschutzes gegründet.
Es wurde Wehrpflichtigen ermöglicht, anstelle ihres Grundwehrdienstes eine mehrjährige Verpflichtung in einer im Katastrophenschutz tätigen Organisation einzugehen (insbesondere Freiwillige Feuerwehren, Technisches Hilfswerk, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe, Malteser Hilfsdienst, Arbeiter-Samariter-Bund und Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft).
Während der 1980er Jahre unter Innenminister Friedrich Zimmermann wurde jedoch auch überlegt, die Aufnahme neuer Katastrophenschutzhelfer in Sanitätseinheiten zu stoppen, weil man an der Wirksamkeit dieser Katastrophenschutzzüge zweifelte. Nach der Wiedervereinigung wurden die einheitlichen Vorgaben für den Katastrophenschutz aufgegeben und den Bundesländern überlassen. Im Zuge dessen entwickelte sich der Katastrophenschutz lokal meist zurück, er wurde als unnötig angesehen. Ein großer Einschnitt war die Aufgabe des bundesweiten Zivilschutz-Sirenennetzes 1993 mit Abbau von 40.000 Sirenen und Schließung der Warnämter.[1]
Vereinzelte Großschadenslagen (Flugtagunglück von Ramstein 1988, ICE-Unglück von Eschede 1998) ließen das Thema im Bewusstsein der Verantwortlichen, der Einsatz von Großeinheiten war jedoch nicht mehr geläufig, es wurden eher kleine flexible Einheiten aufgestellt (Schnelleinsatzgruppen).
Mit der neuen Bedrohungslage durch Terrorismus, den großen Hochwasserkatastrophen und in Begleitung der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 fand ein Umdenken statt: Der Katastrophenschutz wurde neu konzipiert, gekennzeichnet durch die Aufstellung von Plänen zur überregionalen Hilfeleistung, Wiedergründung einer für den Bereich speziell zuständigen Bundesbehörde (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, anstelle des 2001 aufgelösten Bundesamtes für Zivilschutz) und Ausstattung von Einheiten zur Hilfeleistung in größerem Maßstab (Medizinische Task Force).
Seit 2004 soll das gemeinsame Management des Bundes und der Länder in nationalen Krisen aufgrund von außergewöhnlichen Gefahren- und Schadenslagen auf strategischer Ebene durch die regelmäßig stattfindende Übung LÜKEX verbessert werden.
Zuständigkeiten und Aufgabengebiete
In Deutschland unterscheidet man zwischen Zivilschutz und Katastrophenschutz: Während ersterer nur im Verteidigungs- oder Spannungsfall zum Einsatz kommt, greift der Katastrophenschutz bei allen sonstigen, eine besondere einheitliche Führung behördlicherseits bedürfenden Großschadenslagen. Eine starre Unterscheidung von Zivilschutz und Katastrophenschutz findet heute jedoch nicht mehr statt.
Gefahrenabwehr im Katastrophenfall ist gemäß Art. 70 des Grundgesetzes normalerweise Aufgabe der Länder. Die Innenminister und Innensenatoren der Länder haben sich daher zusammen mit dem Bundesminister des Innern auf ein Integriertes Gefahrenabwehrsystem geeinigt. Das bedeutet, dass Bund und Länder ihre Kompetenzen und Fähigkeiten in einen Bevölkerungsschutz einbringen, der alle Schadensursachen berücksichtigt. Bis 2015 gab es dafür zur Beratung die Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern.
Für Zwecke des Zivilschutzes und der Katastrophenhilfe stellt der Bund den Ländern Mittel bereit, die diese in ihren friedensmäßigen Katastrophenschutz integrieren können. Außerdem erweitert und ergänzt der Bund den Katastrophenschutz der Länder durch die Aufstellung der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW). Neben dem Schutz der Bevölkerung ist der Schutz von Kulturgütern in Krisenfällen relevant, der auch international geregelt ist.
Näheres zur Katastrophenhilfe ist für Deutschland im Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz normiert.
Zivilschutz
Unter Zivilschutz versteht man in Deutschland alle nicht-militärischen Maßnahmen im Verteidigungs- oder Spannungsfall, welche dem Schutz der Bevölkerung an sich sowie dem Aufrechterhalten der öffentlichen Infrastruktur dienen. Er unterscheidet sich damit definitionsgemäß und vor allem hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten vom Katastrophenschutz. Es handelt sich hier um grundsätzlich unterschiedliche Sachverhalte und Aufgabenbereiche: Der Zivilschutz gehört nach Art. 73 Nr. 1 Grundgesetz (GG) zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes über „die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung“. Er ist ein Teilbereich der Zivilverteidigung, für die das Bundesministerium des Innern zuständig ist. Der friedensmäßige Katastrophenschutz fällt hingegen gemäß der Art. 30, Art. 70 Abs. 1 GG in die Zuständigkeit der Länder.
Ob diese Trennung perspektivisch für die Zukunft beibehalten werden soll, wird jedoch zunehmend in Frage gestellt. So sagte der damalige Bundesminister des Innern Otto Schily 2005 auf der Fachmesse Interschutz in Hannover, die „ehemals strikte Trennung zwischen Zivilschutz im Verteidigungsfall auf der einen Seite und Katastrophenschutz für nicht-militärische Gefahren auf der anderen Seite“ sei „überholt“. Deutlich wird dies insbesondere an der Frage nach der Einordnung von terroristischen Gefahren. In der Praxis ist die Unterscheidung weitgehend bedeutungslos, da die vom Bund im Rahmen des Zivilschutzes bereitgestellten Ressourcen von den Ländern im Katastrophenschutz quasi wie ihre eigenen Mittel eingesetzt werden dürfen.
Zu beachten ist an dieser Stelle auch die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) als Einsatzorganisation des Bundes. Sie untersteht dem Bundesministerium des Innern und übernimmt Zivilschutzaufgaben im Verteidigungsfall. Das THW steht aber trotzdem für den friedensmäßigen Katastrophenschutz zur Verfügung. Dabei sieht der Gesetzgeber im Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz vor, dass das THW zuvor von einer für die Gefahrenabwehr zuständigen Stelle (wie z. B. der Länder, Landkreise, Städte und Gemeinden) angefordert werden muss.[2]
Überdies ist es derzeit in der politischen Diskussion, die bisherigen gesetzlichen, keinesfalls aber praktisch klaren Grenzen der Zuständigkeiten aufeinander zuzubewegen und großflächige Gefahrenlagen in Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern zu meistern. Gerade in letzter Zeit (Naturkatastrophen, Gefahr von Terroranschlägen) ist hier Bewegung in die Reformüberlegungen gekommen. Im o. g. Art. 61 des Ersten Zusatzprotokolls wird bereits ein erweiterter „Zivilschutz“-Begriff angedeutet („Feindseligkeiten oder Katastrophen“), der dazu beitragen könnte, die (so nur in Deutschland vorhandene) Trennung zwischen Zivilschutz als Bundes- und Katastrophenschutz als Landeskompetenz zu reduzieren, um ein besser funktionierendes Gesamtsystem der Gefahrenabwehr und des Bevölkerungsschutzes zu schaffen, auch im Hinblick auf allseits knappe finanzielle Ressourcen.
In anderen Staaten (z. B. in Dänemark oder Finnland) wird er zum Teil legal anders abgegrenzt. International ist der Aufbau von Maßnahmen zum Zivilschutz Aufgabe der International Civil Defence Organisation. Rechtsgrundlagen für den Zivilschutz sind u. a. das Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG)[3] und die so genannten Sicherstellungsgesetze (z. B. zur Ernährungsvorsorge, Transportorganisation).
Katastrophenschutz
Die Gliederung des Katastrophenschutzes ist landesrechtlich geregelt und variiert dementsprechend von Bundesland zu Bundesland. So werden die Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes im Saarland zum Beispiel in folgende Fachdienste gegliedert:[4]
- Brandschutz und Technische Hilfe,
- ABC-Schutz,
- Bergung und technischer Dienst (vom THW getragen),
- Sanitätswesen (mit Medizinischer Task Force als Kernelement),
- Veterinärwesen,
- Betreuung (vorübergehende Unterbringung und soziale Betreuung),
- Informations- und Kommunikationstechnik (Fernmeldezug mit landesweiter Zuständigkeit),
- Versorgung (vor allem Verpflegung),
- Wasserrettung (insbesondere bei Hochwasserlagen, verstärkt durch Fahrzeuge und Ausstattung des THW) und
- Psychosoziale Notfallversorgung.
Der Bevölkerungsschutz wird durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie durch den Deutschen Bundestag unterstützt und mit finanziert.
Bei einem nuklearen Katastrophenfall
Der Bund hat im nuklearen Notfallschutz bei der unmittelbaren Gefahrenabwehr, zu der die Evakuierung als eine mögliche Maßnahme gehört, keine Zuständigkeiten. Der Bund hat allerdings „Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen“ sowie die „Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden“ (in der Fassung vom 27. Oktober 2008; GMBl. 2008, Nr. 62/63, S. 1278 ff.) als radiologische Basis für Entscheidungen über Katastrophenschutzmaßnahmen herausgegeben. Die zuständigen Länderbehörden haben Zugang zum Entscheidungshilfesystem RODOS (Real-time On-line DecisiOn Support), das in der sogenannten RODOS-Zentrale im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) betrieben wird. Die Länder können das System entweder selbst nutzen oder die RODOS-Zentrale mit der Durchführung von Rechnungen zu Unfallereignissen beauftragen. In kerntechnischen Notfällen dient RODOS zur Durchführung von Ausbreitungsrechnungen, zur Abschätzung von Umweltkontaminationen und Strahlenexpositionen sowie zur Entscheidungsvorbereitung für Schutzmaßnahmen. Basis der Ausbreitungsrechnung sind der Quellterm, also die Menge des freigesetzten Materials, sowie die gemessene Ortsdosisleistung, die in Deutschland vom ODL-Messnetz mit etwa 1800 Sonden bestimmt wird, und die aus Wetterprognosen des Deutschen Wetterdienstes abgeleiteten Luftbewegungen in unterschiedlichen Höhen.
BMI in der Luftrettung
Seit 1971 betreibt das heutige Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) Rettungshubschrauber. Das BMI stellt dabei den Bundesländern, die für den Rettungsdienst in ihrem Bereich zuständig sind, die eigentlich für den Katastrophenschutz vorgesehenen Hubschrauber für den Einsatz in der Luftrettung zur Verfügung. So sind die Hubschrauber im Doppelnutzen für den normal Rettungsdienst-Alltag und Katastrophenfälle gleichermaßen verfügbar. Das BMI ist einer der maßgeblichen deutschen Luftrettungs-Betreiber mit einer Flotte von insgesamt 16 Hubschraubern vom Typ EC135 T2 an bundesweit 12 Standorten (2012).
Organisationen
In Deutschland engagieren sich unterschiedliche Organisationen im Bevölkerungsschutz. Auf Bundesebene ist seit dem 1. Mai 2004 das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) für den Zivilschutz zuständig. Das BBK ist damit auch für die Instandhaltung der 2.300 öffentlichen Zivilschutzbunker in Deutschland verantwortlich. Weitere Zuständigkeiten liegen bei den Ländern und Kommunen. Es werden 18 Fahrzeugtypen[5] vom BBK beschafft und den Landesbehörden zur weiteren Verwendung übergeben.
Operativ wirken im Zivilschutz sowohl öffentliche als auch private (teilweise „öffentlich bewidmete“) Hilfsorganisationen mit. Zu den öffentlichen Organisationen gehört – neben den öffentlichen Feuerwehren, die in aller Regel auf Gemeindeebene organisiert sind – die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk.
Öffentliche Einrichtungen
- Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW)
- Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
- Deutsches Notfallvorsorge-Informationssystem (deNIS)
- Feuerwehren (vor allem Brandschutzeinheiten, ABC-Züge und Gefahrgut- und Gefahrstoffzüge)
- Landeskommandos der Bundeswehr, welche durch Bezirksverbindungskommandos und Kreisverbindungskommandos auf Bezirksregierungsebene (Regierungspräsidien) und Kreis-/Stadtebene vertreten sind. Die Bundeswehr leistet mit der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) einen Beitrag im Katastrophenschutzverbund.
- Ordnungsbehörden/Sicherheitsbehörden
Krisenzentren für Katastrophenopfer – wie im Frankfurter Flughafen das Eric (Emergency Response and Information Center, seit 1999) – gibt es in Deutschland nur wenige und die meisten davon als staatlich betriebene Einrichtungen. Das Eric hat seit seiner Gründung rund ein Dutzend größerer Notfälle gemanagt. Besonders die Geschehnisse nach dem Seebeben im Indischen Ozean 2004 bleiben in Erinnerung, als viele traumatisierte Urlauber und Hinterbliebene, denen oft nur Badesandalen geblieben waren, hilflos in Frankfurt landeten, betreut und versorgt wurden und vor allem auch vor sensationsgierigen Reportern geschützt werden mussten. Weltweites Vorbild, auch für das Epic (seit 1994 in München), ist das gleichnamige Emergency Procedures Information Centre von British Airways am Londoner Flughafen Heathrow.
Private und kommunale Organisationen
- @fire Internationaler Katastrophenschutz Deutschland e. V., gemeinnützig
- Allgemeiner Rettungsverband (ARV), gemeinnützig
- Deutsches Rotes Kreuz (DRK) mit Berg-, Wasserwacht und Bereitschaft (DRK), gemeinnützig (als nationale Rotkreuz-Gesellschaft, wobei auch der DRK-Landesverband Bayerisches Rotes Kreuz trotz seiner Rechtsnatur als öffentlich-rechtliche Körperschaft in der Praxis als private Organisation im Zivilschutz mitwirkt)
- Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), gemeinnützig
- DEMIRA Deutsche Minenräumer e. V., gemeinnützig
- Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), gemeinnützig
- I.S.A.R. Germany (International Search and Rescue)
- Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH), gemeinnützig
- Malteser Hilfsdienst (MHD), gemeinnützig
- Medizinisches Katastrophenhilfswerk Deutschland e. V. (MHW), gemeinnützig
- Deutscher Amateur-Radio-Club (DARC), Notfunkgruppen der Funkamateure
- Kerntechnischer Hilfsdienst (KHG)
- Regieeinheiten der Katastrophenschutzbehörden
- Telekom-Katastrophenschutz (früher Katastrophenschutz der Deutschen Bundespost)
- Verband der Funkamateure in Telekommunikation und Post (VFDB) (früher Verband der Funkamateure der Deutschen Bundespost)
- Bundesverband Rettungshunde (BRH), gemeinnützig
Dazu kommen noch Einsatzkräfte aus NGOs, wie zum Beispiel aus Unternehmen (etwa die Grubenwehr im Bergbau), privaten Vereinen, Behörden und Verbänden. Es können sich je nach örtlicher Rechtslage auch Privatpersonen und Firmen zum Katastropheneinsatz spontan zur Hilfe organisieren (vgl. die EMON, Emergente Organisations-Netzwerke) oder dazu herangezogen werden. Soweit weitere Organisationen im Katastrophenschutz mitwirken, sind diese auch in den Zivilschutz eingebunden.
Funkamateure sind per Gesetz mit Erhalt der entsprechenden Lizenz dazu verpflichtet, ihren Fachverstand, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie Gerätschaften im Katastrophenfall zur Errichtung und Unterstützung von Kommunikationsverbindungen bereitzustellen. Dies wird als Notfunk oder Katastrophenfunk bezeichnet. Viele Funkamateure haben neben stationären Funkanlagen auch mobile Anlagen, die auch bei Stromausfall weltweit Sprach-, Daten- und Bildkommunikation ermöglichen, einschließlich der Kommunikation über eigene Satelliten. Beispielhaft ist für solch einen Einsatz die Hamburger Sturmflut 1962 zu nennen.
Selbstschutz
Die Selbsthilfefähigkeit ist Grundpfeiler des Katastrophenschutzes. Die Katastrophensoziologie ist eine besondere Soziologie, die sich mit sozialen Aspekten von Katastrophen beschäftigt. Prepper sind Personen, die sich individuell auf jegliche Katastrophe vorbereiten: Durch Einlagerung von Lebensmittelvorräten, die Errichtung von Schutzbauten oder Schutzvorrichtungen an bestehenden Gebäuden, das Vorhalten von Schutzkleidung, Werkzeug, Funkgeräten, Waffen.
Ersatzdienst im Katastrophenschutz statt Wehr- oder Zivildienst
In Deutschland konnte man vom Wehr- bzw. Zivildienst freigestellt werden, wenn man sich für mindestens vier Jahre (seit 1. Dezember 2010) als Helfer im Zivil- oder Katastrophenschutz verpflichtet, bevor der Wehrdienst zum Juli 2011 ausgesetzt wurde. Grundlage hierfür waren § 13a Wehrpflichtgesetz und § 14 Zivildienstgesetz. Der Dienstpflichtige musste jährlich eine Mindestzahl an Dienststunden nachweisen. Jede Einheit erhielt ein gewisses Stellenkontingent zur Vergabe.
Warnung der Bevölkerung
Wurden seit der Weltkriege vor allem Luftschutzsirenen für die schnelle Warnung der Bevölkerung eingesetzt, wurden diese in den 1990er-Jahren aus Kostengründen größtenteils abgebaut und vereinzelt durch mobile Lautsprecherwagen ersetzt. Hauptinformationskanal sollten Radio- und Fernsehanstalten sein, wobei hier nachts die Weckfunktion nicht gegeben ist. Mittlerweile setzt man zudem verstärkt auf Warn-Apps wie NINA, Katwarn oder BIWAPP, die jedoch nur ein kleiner Teil der Deutschen installiert hat. Systeme wie Cell Broadcasting werden diskutiert.
Lücken in der Katastrophenvorsorge
Nach dem Elbehochwasser 2002 wurden in der Bundesrepublik die Vorsorgemaßnahmen im Katastrophenschutz kritisch untersucht. Fehlende Kommunikationsmittel, uneinheitliche Führungsstrukturen und zu geringe Kapazitäten in der medizinischen Notfallversorgung wurden nun anders bewertet.
Der dritte Gefahrenbericht der Schutzkommission beim Bundesminister des Innern von 2006 benennt massive Lücken in der Katastrophenvorsorge. Die fünf wichtigsten Lücken lägen demnach in den Bereichen Mobilisierung der Selbsthilfepotenziale in der Bevölkerung, Schutz kritischer Infrastrukturen, Alarmierung und fortdauernde Unterrichtung der Bevölkerung, Organisationen, Versorgung und Nachsorge im medizinischen Bereichen, allgemeine institutionelle Organisation der Notfallversorgung sowie die Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser.[6]
In der Öffentlichkeit wird dies bisher nur punktuell problematisiert, etwa in einem ZDF-Bericht 2004 zum Szenario für den „Tag X“ oder bei den Vorbereitungen zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006.
Angesichts der Flüchtlingskrise forderte das Deutsche Rote Kreuz im August 2015, den Katastrophenschutz stärker an konkreten Notlagen von Menschen auszurichten.[7]
Der Warntag 2020 brachte zahlreiche Mängel an das Tageslicht und musste als „Fehlschlag“ deklariert werden.[8]
Auch nach dem Hochwasser in West- und Mitteleuropa 2021 wurde erneut über die zu langsame oder mangelhafte Warnung der Bevölkerung diskutiert.[9]
Ehrenzeichen
Für langjährige Dienstzeiten, für besondere Verdienste im Katastrophenschutz oder für besonders mutiges Verhalten in Katastrophenfällen werden Katastrophenschutz-Ehrenzeichen verliehen. Diese Ehrenzeichen schließen oft den umfangreichen Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr wie Katastrophenschutz, Zivilschutz und Rettungsdienst ein und werden von den für die Gefahrenabwehr im Katastrophenfall zuständigen Bundesländer gestiftet. Vom hessischen Innenminister wurde am 23. Mai 2014 die Einsatzmedaille „Ausland“ als Auszeichnung zur Würdigung von Verdiensten bei Einsätzen des Katastrophenschutzes des Landes Hessen im Ausland gestiftet.[10]
Siehe auch
Literatur
- Martin Diebel: Atomkrieg und andere Katastrophen. Zivil- und Katastrophenschutz in der Bundesrepublik und Großbritannien nach 1945. Paderborn 2017.
- Wolfram Geier: Zwischen Kriegsszenarien und friedenszeitlicher Katastrophenabwehr. Zur Entwicklung der zivilen Verteidigung in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des Zivilschutzes und seiner Reformen vor und nach Beendigung des Kalten Krieges. Marburg 2003.
- Sascha Rolf Lüder: Zum Verhältnis von humanitärem Völkerrecht und zivilem Bevölkerungsschutz im Lichte der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, in: Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften 18.1 (2005) S. 38–41.
- Flemming S. Nielsen: Civil Defense in International Humanitarian Relief Work, seen in the light of the Geneva Conventions, in: Journal of Refugee Studies 9 (1996) S. 421–430.
Weblinks
- Deutsches Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
- Ehemalige Deutsche Schutzkommission beim Bundesminister des Innern
- Deutsche Ständige Konferenz für Katastrophenvorsorge und Katastrophenschutz
- Deutsche Interessengemeinschaft für den historischen Luft- und Katastrophenschutz (IG Ls-KatS)
Einzelnachweise
- Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe - Warnung der Bevölkerung. Abgerufen am 13. September 2018.
- § 12 Gesetz über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz - ZSKG) – § 12 Grundsatz der Katastrophenhilfe
- in der Fassung vom 2. April 2009 (BGBl. I S. 693)
- Amtsblatt des Saarlandes, Teil I S. 400. (PDF 1,7 MB) § 1 Absatz 2 der Verordnung über die Organisation des Katastrophenschutzes im Saarland vom 13. Oktober 2014. Chef der Staatskanzlei Saarland, 6. November 2014, abgerufen am 30. Mai 2020.
- Zivilschutzfahrzeuge und Ausstattung abgerufen am 3. April 2017
- Zusammenfassung 3. Gefahrenbericht. In: bbk.bund.de. 2006, abgerufen am 28. Februar 2020.
- Frank Specht, Till Hoppe: Debatte um Flüchtlingskrise – Rotes Kreuz fordert neuen Katastrophenschutz. In: handelsblatt.com. 9. August 2015, abgerufen am 11. Mai 2020.
- tagesschau.de: Bundesinnenministerium nennt Warntag "fehlgeschlagen". Abgerufen am 21. Juli 2021.
- tagesschau.de: Debatte über Katastrophenschutz: Hochwasserwarnung per SMS? Abgerufen am 21. Juli 2021.
- Erlass über die Stiftung einer Einsatzmedaille „Ausland“ vom 22. Mai 2014, Geschäfts- und Verordnungsblatt des Landes Hessen.