Sirene (Gerät)
Eine Sirene ist eine Einrichtung zur akustischen Alarmierung oder Warnung, in der Regel durch einen charakteristischen an- und abschwellenden Heulton.
Im öffentlichen Bereich werden Sirenen für die Alarmierung der Feuerwehr oder für die Warnung der Zivilbevölkerung im Katastrophenfall verwendet.
Ihren Namen erhielt die Sirene im Jahr 1819 von Charles Cagniard de la Tour, der damit an die Sirene aus der Mythologie anknüpfte.[1]
Bauarten
Anhand der Bauart und Tonerzeugung wird unterschieden zwischen mechanischen (oder auch Motor-), pneumatischen und elektronischen Sirenen. Die letzten beiden Bauarten, meist aber nur die pneumatischen Sirenen, werden in Deutschland als Hochleistungssirenen (HLS) bezeichnet.
Mechanische Sirenen
Eine mechanische Sirene (auch Motorsirene) besteht aus einer schaufelradähnlichen Trommel (dem sogenannten Rotor) und einem diese umschließenden unterbrochenen Gehäuse (dem sogenannten Stator). Durch das Drehen der Trommel, z. B. durch einen Elektromotor, wird der entstehende Luftstrom laufend abgeschnitten und erzeugt einen Ton.
Die Tonhöhe hängt von der Drehzahl und der Zahl der Schaufeln, den sogenannten Ports der Trommel ab. Die Tonhöhe einer Sirene in Hertz berechnet sich aus den Umdrehungen pro Sekunde multipliziert mit der Anzahl der Ports. Um ein gleichzeitiges Unterbrechen des Luftstroms an allen Ports zu gewährleisten, hat der Stator die gleiche Anzahl an Öffnungen.
Durch das Anlaufen und Auslaufen des Motors ergibt sich ein höher und tiefer werdender Ton. Dies kann man aber auch verhindern, indem statt einer Blechhaube, die zum Rotor einen fixen Abstand besitzt, eine Klappe verwendet wird, die beim Lauf der Sirene z. B. mit einem Elektromagneten abgehoben wird und beim Abschalten die Öffnung des Rotors verschließt. Solche Typen werden überwiegend in den Vereinigten Staaten als Sirenen für Sonderalarme verwendet.
Ist die Rotorwelle üblicherweise stehend angeordnet, so gibt es auch eine (seltenere) Bauart, bei der auf der waagerechten Rotorwelle beidseitig des Motors je eine Trommel angebracht ist. Auch können zwei unterschiedliche Schaufelräder angebracht sein, die miteinander einen Doppelton erzeugen.
Die in Deutschland verwendete Einheitssirene vom Typ E 57 mit 9 Ports (ursprünglich westdeutsche Standardsirene) heult mit einer Lautstärke von 101 dB(A) in 30 m Entfernung und einer Tonhöhe von (420 ±16,5) Hz bei (2800 ±110) Umdrehungen pro Minute. Ihr Ton ist in ländlichen (dünnbesiedelten) Gebieten in 600 m Entfernung mit etwa 70 dB(A) hörbar.[2] In dicht bebauten Gebieten wie Industriezonen oder in Regionen mit mehrstöckigen Gebäuden kann mit der E 57 bei gleicher Lautstärke nur noch eine Reichweite von circa 350 m erzielt werden.
Im ostdeutschen Raum sowie in der Sowjetunion, in Ungarn und in der ČSSR wurde zu Zeiten der DDR der Sirenentyp DS 977 aufgestellt. Er diente ebenfalls zur Warnung der Bevölkerung und zur Alarmierung der Feuerwehren (mittels Handauslöser, sowie später per Leitstelle). Diese Sirene besitzt 8 Ports, hat eine Nenndrehzahl von 2880/min[3] und wird durch einen Elektromotor mit 3,5 kW angetrieben. Sie braucht eine Sekunde länger als die E 57, um die notwendige Drehzahl zu erreichen und erzeugt eine Tonfrequenz von 384 Hz. Dieser Typ wiegt rund 100 kg und wurde durch das VEM Elektromotorenkombinat hergestellt.
In Österreich existiert ein dichtes Netz aus (Stand 2019) etwa 8200 Sirenen[4] verschiedener Bauart, deren Betrieb von den jeweiligen Gemeinden an die einzelnen Feuerwehren übertragen wird. So gibt es alleine in Niederösterreich für ungefähr 600 Gemeinden ein Netz von 2.400 Sirenen.[5]
Da die meisten Sirenen einerseits im Freien angebracht sind, andererseits nicht sehr häufig in Verwendung sind, wird in vielen Fällen ein Vogelschutzgitter angebracht, um Nestbau in den Schaufelrädern zu verhindern.
In den USA wurden zu Zeiten des Kalten Krieges in den Ballungsräumen sehr große und leistungsfähige Motorsirenen, die von einem V8-Verbrennungsmotor angetrieben wurden, installiert.[6]
In China wurde 2020 eine auf einen LKW-Anhänger montierte, um 360° drehbare, etwa 6,20 m lange Sirene vorgestellt. Dieses Gerät, das 130 dB auf 35 m Entfernung erzeugt, soll hauptsächlich im Zivilschutz eingesetzt werden.[7]
Ferner existieren kleine handgetriebene Sirenen, die unabhängig von einer Stromversorgung verwendet werden können. An diesen Handsirenen befindet sich eine Handkurbel. Auch hier ist die Tonhöhe von der Drehzahl abhängig.
Pneumatische Sirenen
Pneumatische Sirenen erzeugen ihren Ton ähnlich einer mechanischen Sirene durch zyklische Unterbrechung des Luftstroms, die auch durch einen elektromotorgetriebenen Rotor im Sirenenkopf stattfindet. Im Gegensatz zur mechanischen Sirene, bei der der Luftstrom durch die Zentrifugalkraft entsteht, wird hier aus einem Vorratsbehälter unter dem Sirenenmast Druckluft mit etwa 16 bar zum Sirenenkopf geleitet. Nach dem Rotor, der aus einer gelochten Scheibe besteht (daher auch der Name Lochscheibensirene), die die Austrittsöffnungen periodisch öffnet oder schließt, wird die Luft in mehrere Hörner geleitet.
Der Vorteil dieser Lösung besteht einmal im sofort verfügbaren Druckluftvorrat, der von einem Kompressor kontinuierlich wieder aufgefüllt wird, und andererseits in der sehr viel größeren Leistung dieses Sirenentyps. Bei einem Modell mit einer Kopfhöhe von 20 m beträgt der Schalldruck am Boden 20 m von der Sirene entfernt etwa 130 dB.
Der Sirenenkopf sitzt auf einem Mast oder vereinzelt auf Gebäuden. Kompressor und Lufttanks befinden sich meist in einem unterirdischen Maschinenraum. Der Kompressor wird von einem Dieselmotor angetrieben, teilweise auch von einem Elektromotor. Der Rotor im Sirenenkopf bezieht seine Energie aus Akkumulatoren.
In den Jahren ab 1990, also nach dem Kalten Krieg, wurden in Deutschland viele der rund 500 Exemplare dieser Sirenen aufgrund verminderten Anforderungsprofils durch elektronische Varianten ausgetauscht oder ersatzlos entfernt. Die Gittermasten, die einst Träger der HLS waren, dienen heute oft noch als Träger für Antennen (z. B. für Rundfunk oder Mobilfunknetze).
Gerade in der Entwicklungszeit der Hochleistungssirenen waren die Anlagen oft groß und plump. Die Pintsch-Bamag „Anlage 1“ und „Anlage 2“ z. B. saßen auf einem großen Stahlmast, welcher mit einem großen Betonfundament am Boden befestigt war. Bei der „Anlage 1“ war das Innere des Mastes hohl, sodass Wartungsarbeiten durchgeführt werden konnten. Zugang erhielten die Techniker durch eine Tür am Mastfuß sowie eine Leiter im Inneren des Mastes.
Bei der „Anlage 2“ dient der Mast gleichzeitig als Druckluftspeicher.
Das Nachfolgemodell aus den 1970er Jahren vom Typ 273 war deutlich kleiner und kompakter. Der große Kopf der früheren Sirenen wurde offener konstruiert, so dass nur noch Rotor und Austrittshörner auf dem Mast sitzen. Auf die Verkleidungen, die den früheren Köpfen das plumpe Aussehen gaben, wurde nahezu ganz verzichtet.
Eine Variante pneumatischer Sirenen ist auch in den Vereinigten Staaten noch verbreitet. Sie unterscheidet sich durch die Luftzufuhr, die während des Alarms durch den Kompressor erfolgt. Einen Lufttank gibt es bei dieser Variante nicht. Als weiterer Unterschied sind bei einigen Modellen Rotoren mit zwei oder mehr Reihen von Ports und entsprechenden Statoren verbaut. Dadurch lässt sich ein Doppelton erzeugen. Mittels Magnetventilen können die beiden Töne auch abwechselnd gegeben werden.
- Hörmann
F71 - Hörmann
HLS 273 - Kopf einer
HLS 273 - Pintsch-Bamag
Anlage 2
Elektronische Sirene
Elektronische Sirenen erzeugen den Ton mit einem Lautsprecher und einem elektronischen Verstärker. Mit einer Steuerung kann man ebenfalls das Auf- und Abschwellen der mechanischen Sirene nachempfinden. Vorteil der elektronischen Sirenen ist, dass sie über keine beweglichen Teile verfügen. Somit verringern sich Gewicht, Wartungsaufwand und Stromverbrauch. Mittels Versorgung über einen Akku, der durch Solarzellen oder über das Stromnetz geladen werden kann, ist diese Sirenenart auch teilunabhängig vom Stromnetz. Die einzelnen Schalltrichter können in gewünschte Richtungen gedreht werden, um bestimmte Gebiete stärker oder schwächer zu beschallen. Ferner lassen sich mit elektronischen Sirenen auch Sprachdurchsagen realisieren.
- Elektronische Sirene (Feuerwehr)
- Elektronische Sirene mit 2,4 kW Leistung des Industrieparks Höchst
- Hörmann ECL 400, eine der ersten elektronischen Sirenen der 1970er Jahre
Sirenensteuerung
Sirenen werden heute überwiegend per Funk, vereinzelt über Handfeuermelder ausgelöst.
Bei den Handfeuermeldern befindet sich eine direkte Drahtverbindung zwischen Melder und Sirenensteuergerät. Löst jemand also den Handfeuermelder aus, läuft sofort die Sirene mit dem entsprechenden Sirenensignal (bei öffentlichen Sirenen in der Regel Feueralarm) an. Der Alarmgebende sollte sich dann beim Handfeuermelder aufhalten, um die Feuerwehr einzuweisen.
Um Sirenen ferngesteuert und/oder zeitgleich (in der Regel über Leitstellen) auszulösen, wird ein Fernwirkempfänger verbaut, der zum Beispiel auf Funksignale reagiert. Hierbei wird, je nach Verfügbarkeit, bestehende Alarmierungstechnik genutzt; am verbreitetsten sind in analogen Funknetzen sogenannte 5-Ton-Folgen und in digitalen Netzen das POCSAG-Protokoll. Auch eine Auslösung über Mobilfunknetze, besonders im GSM-Standard, ist möglich; hierbei können dann auch individuelle Sprachnachrichten übermittelt werden.
Die Programmierung kann so erfolgen, dass die Sirene zeitgleich mit Funkmeldeempfängern von Feuerwehrangehörigen auslöst oder eigenständig angesteuert wird. Über die je nach Übertragungstechnik zur Verfügung stehenden Techniken können unterschiedliche Sirenensignale angesteuert werden, zum Beispiel Feueralarm, Warnung der Bevölkerung oder Entwarnung.
Verwendungszwecke
Alarmierung der Feuerwehr
In einigen, meist ländlich geprägten Gebieten alarmieren Sirenen nach wie vor ehrenamtliche Kräfte der Feuerwehr zu ihren Einsätzen (auch als laute Alarmierung bezeichnet). Gerade in Städten und dichter besiedelten Regionen jedoch gehen seit den 1970er Jahren immer mehr Feuerwehren dazu über, auf die sogenannte stille Alarmierung mittels Funkmeldeempfänger und vereinzelt auch zusätzlich per SMS umzustellen.[8]
Nachteile der Sirene bei der Alarmierung von Rettungskräften sind die große Lärmbelästigung der nicht beteiligten Bevölkerung vor allem in den Nachtstunden, das Anlocken von Schaulustigen und die von der Witterung (besonders Wind) abhängige zu geringe oder zu große akustische Reichweite. So kann es vorkommen, dass die Sirene selbst im eigenen Ort nicht überall gehört wird oder umgekehrt der Schall so weit getragen wird, dass er gleich in mehreren Orten die Feuerwehrleute aufschreckt, da eine genaue Ortszuordnung nur schwer möglich ist. Hinzu kommt, dass per Sirene keine gezielte Alarmierung einzelner, an der Einsatzstelle benötigter Einsatzkräfte mit besonderer Ausbildung (z. B. Atemschutzgeräteträger, Gefahrgutspezialisten) oder Funktion (z. B. Führungskräfte, Fachberater) möglich ist und auch nicht variabel auf die an der Einsatzstelle benötigte Anzahl der Kräfte (Vollalarm für alle, Kleinalarm für einen Teil der Feuerwehrleute einer Feuerwehr oder Abteilung) eingegangen werden kann. Siehe auch Artikel Alarmierungssysteme der Feuerwehr.
Jedoch erlebt die Sirene, die auf exponierten Punkten aufgestellt wird, auch eine Wiederkehr, da elektronische, „stille“ Alarmierungssysteme (eben z. B. per Funkmeldeempfänger oder SMS) beispielsweise bei einem großräumigen Stromausfall eine erhebliche Störanfälligkeit zeigen. So will die Stadt Trossingen, die ihre Sirenen mit dem Abflauen des kalten Kriegs außer Betrieb nahm, zehn solcher Alarmgeräte wieder aufstellen.[9]
Sirenen, die zur Alarmierung der Feuerwehr dienen, werden meist in regelmäßigen Abständen durch Probealarmierung auf Funktionstüchtigkeit überprüft. Verbreitete Zeitpunkte dafür sind in Deutschland jeder erste Samstag im Monat um 12:00 Uhr mittags, oder jeder Mittwoch um 15:00 Uhr[10]. Es gibt aber auch Kommunen, die ihre Sirenen zu anderen Zeitpunkten oder in anderen Intervallen testen. In Nordrhein-Westfalen findet halbjährlich ein sogenannter Warntag statt, an dem alle Alarmierungssysteme zeitgleich getestet werden.
In Österreich werden, zuzüglich zu einem wöchentlichen, kurzen Probelauf samstags mittags, jeweils am ersten Samstag im Oktober alle Sirenensignale durchgetestet.[11]
Katastrophenwarnung
Weitere
- Sirenen werden, wie auch Druckluftpfeifen oder Hupen, gelegentlich von größeren Firmen eingesetzt, um Arbeitsbeginn und Pausenzeiten anzuzeigen sowie um auf Baustellen oder Steinbrüchen Sprengungen anzukündigen.
- In Unternehmen, aber vermehrt auch auf privaten Häusern werden kleine Sirenen in Verbindung mit Alarmanlagen gegen Einbruch oder Feuer montiert.
- Auch bei Kraftfahrzeugen werden die Alarmanlagen mit einer elektronischen Sirene verwendet. In manchen Ländern wird eine Alarmsirene auch auf Einsatzfahrzeugen allein statt des Folgetonhorns oder kombiniert mit diesem verwendet (siehe Sondersignal).
- Auf Rummelplätzen kommt sie zum Einsatz, um bspw. das An- oder Auslaufen von Fahrgeschäften anzukündigen.
- Eine nicht alltägliche Verwendung erfahren die Sirenen in Tulln in Niederösterreich, wo die Sirenen am Karfreitag zur Todesstunde Jesu Christi um 15 Uhr statt der Kirchenglocken ertönen.[12] Dieser Brauch findet ebenfalls in der Salzburger Gemeinde Thalgau und in der Gemeinde Greinbach bei Hartberg statt.
- An den beiden Fahrwerksverkleidungen des deutschen Sturzkampfflugzeugs Junkers Ju 87 war je eine durch den Fahrtwind angetriebene Sirene angebracht. Diese Jericho-Trompeten genannten Geräte sollten beim Sturzangriff den Gegner am Boden zusätzlich demoralisieren.
Literatur
- Handbuch der Physik. Springer Verlag, 2013, S. 290f. (online)
Weblinks
Einzelnachweise
- Encyclopaedia Britannica, 1911, zitiert nach Wikisource
- Datenblatt des Herstellers der E 57: http://www.hoermann-gmbh.info/pdf/Downloads/01-Sirenendatenblaetter/E57-de.pdf
- Joachim Schmidt: Interessengemeinschaft Warndienst und Sirenen zur VEM DS977. (wiki.ig-wasi.de)
- REMINDER: Zivilschutz-Probealarm am 5. Oktober 2019. Abgerufen am 19. Oktober 2019.
- Zivilschutz-Probealarm am 1. Oktober 2011 war erfolgreich auf der Seite der NÖ Landesregierung abgerufen am 13. Oktober 2011.
- Website über die 180 PS starke Chrysler Air Raid Siren (engl.) (Memento vom 6. November 2010 im Internet Archive)
- Das ist die größte Sirene der Welt (Memento vom 29. November 2019 im Internet Archive)
- Franz-Josef Sehr: Entwicklung des Brandschutzes. In: Freiwillige Feuerwehr Obertiefenbach e. V. (Hrsg.): 125 Jahre Freiwillige Feuerwehr Obertiefenbach. Beselich 2005, ISBN 3-926262-03-6, S. 114–119.
- Die gute alte Sirene erlebt eine Wiederkehr. In: Südwestpresse - Neckarquelle. 27. November 2018. (nq-online.de)
- Merkblatt über die Sirenensignale im Freistaat Sachsen und über allgemeine Verhaltensregeln bei Auslösung von Sirenensignalen (sicherheit.sachsen.de)
- Probealarm: Wenn die Sirenen heulen. Vorarlberg Online vom 2. Oktober 2017. (vol.at)
- Sirenensignal am Karfreitag. Stadtfeuerwehr Tulln, abgerufen am 16. Februar 2020.