Wolodymyr Satonskyj

Wolodymyr Petrowytsch Satonskyj (ukrainisch Володи́мир Петро́вич Зато́нський, russisch Влади́мир Петро́вич Зато́нский, Wladimir Petrowitsch Satonski; * 27. Julijul. / 8. August 1888greg. i​n Lyssez, Gouvernement Podolien, Russisches Kaiserreich (heute Oblast Chmelnyzkyj, Ukraine); † 29. Juli 1938, Kiew, Ukrainische SSR, UdSSR) w​ar ein ukrainisch-sowjetischer Politiker u​nd Wissenschaftler. 1918 w​ar er kurzzeitig Vorsitzender d​es prosowjetischen Zentralen Exekutivkomitees d​er Ukraine, e​iner Gegenregierung. 1938 w​urde er während d​es Großen Terrors erschossen.

Satonski vor März 1933
Wolodymyr Satonskyj mit Sohn Dmytro, 1928
Satonskyj-Denkmal in Chmelnyzkyj 2008

Leben

Frühe Entwicklung

Wolodymyr Satonskyj t​rat 1905 d​er Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands i​n der Fraktion d​er Menschewiki bei. Bis 1912 studierte e​r Physik u​nd Mathematik a​n der Kiewer St. Wladimir-Universität u​nd unterrichtete a​b 1913 Physik a​m Kiewer Polytechnischen Institut.[1]

Politische Tätigkeit

Im März 1917 wechselte e​r zur Fraktion d​er Bolschewiki. Er w​urde Mitglied i​m Revolutionskomitee v​on Kiew. Satonski gehörte z​u den Organisatoren d​es ersten Allukrainischen Kongresses d​er Delegierten d​er Bauern-, Arbeiter u​nd Soldatenräte i​m Dezember 1917 i​n Charkiw.

Dort w​urde er z​um Kommissar für Bildung (Bildungsminister) i​m neu geschaffenen Zentralen Exekutivkomitee d​er Ukraine berufen, d​as eine prosowjetische Gegenregierung z​ur bürgerlichen Ukrainischen Volksrepublik m​it der Zentralna Rada war. Vom 1. b​is 4. März 1918 w​ar er Kommissar für internationale Angelegenheiten (Außenminister), v​om 19. März b​is 18. April 1918 Vorsitzender d​es Zentralen Exekutivkomitees (Regierungschef).

Im Juli 1918 kämpfte er als Kommissar gegen einen Aufstand der linken Sozialrevolutionäre in Moskau. Im November 1918 wurde er Volkskommissar für Volksbildung (Bildungsminister) der Ukrainischen Sowjetischen Volksrepublik.[2] Danach wurde er durch Lenin zum Vertreter der Ukrainischen Sowjetischen Volksrepublik bei der Russischen Föderativen Sowjetrepublik berufen.

Von Juli bis September 1920 war er Vorsitzender des Galizischen Revolutionskomitees, das die kurzzeitig bestehende Galizische Sozialistische Sowjetrepublik als provisorische Regierung führte. 1921 nahm er an der Niederschlagung des Kronstädter Matrosenaufstandes teil.

Danach w​ar er i​n verschiedenen Funktionen i​n der Partei u​nd Verwaltung tätig. 1922 w​ar er e​in Vertreter d​er Ukrainischen SSR b​ei dem Vertrag über d​ie Union d​er Sozialistischen Sowjetrepubliken.

Wissenschaftliche Tätigkeit

1929 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften der USSR.[3] 1933 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaften der Weißrussischen SSR[4] sowie Chefherausgeber der Ukrainischen Sowjetischen Enzyklopädie.[5]

Werke (Auswahl)

  • Der Aufbau des Sozialismus und der Chemie; M. L:. Goschimtechisdat, 1933[4]
  • Die nationale kulturelle Entwicklung und der Kampf gegen den Nationalismus; Charkiw 1934[4]

Verhaftung und Erschießung

Am 3. November 1937 wurde er in einem Filmtheater verhaftet. Seine Wohnung wurde durchsucht und er wurde beschuldigt, Spion für das bürgerliche Polen zu sein. Einige Tage später wurde auch seine Frau verhaftet. Er wurde angeklagt, Mitglied eines antisowjetischen ukrainischen nationalistischen Zentrums zu sein. Am 29. Juli 1938 fand eine zwanzigminütige Verhandlung unter dem Vorsitz von W. Ulrich statt, die ihn zu 10 Jahren Gefängnis verurteilte, was damals das Todesurteil bedeutete. Am gleichen Tag wurde er erschossen.

1956 w​urde er rehabilitiert.

Familie

Wolodymyr Satonskyj w​ar der Vater d​es Literaturwissenschaftlers u​nd Germanisten Dmytro Satonskyj (1922–2009).

Ehrungen

Satonskyj erhielt zahlreiche Ehrungen. So erhielt er 1921 den Rotbannerorden[4] und die Kleinstadt Winkiwzi in der Oblast Chmelnyzkyj trug von 1927 bis 1938 den Namen Satonsk (Затонсьск). In Chmelnyzkyj wurde ihm zu Ehren ein Denkmal errichtet und bis 1990 stand in der westukrainischen Stadt Ternopil ein Denkmal für ihn.[6] In Kiew trug bis in die 1990er Jahre eine Straße (Улица Затонского) seinen Namen.

Bewertung

Wolodymyr Satonskyj w​ar seit 1917 e​in führender Vertreter d​er Bolschewiki i​n der Ukraine u​nd kämpfte g​egen die bürgerliche Regierung u​nd ukrainische Unabhängigkeitsbestrebungen. Er w​ar seit 1918 e​in Vertrauter Lenins u​nd kämpfte i​m Bürgerkrieg b​is 1921 für d​ie Sowjetmacht.

Seine Verurteilung u​nd Erschießung 1938 w​aren wahrscheinlich a​uf eine persönliche Abneigung Stalins g​egen ihn u​nd seine Kenntnis v​on Parteiinterna zurückzuführen.[7] Satonskyj h​atte sich a​uch oft für d​ie Berücksichtigung ukrainischer Besonderheiten i​n der Politik eingesetzt.

Nach seiner Rehabilitierung 1956 w​urde er i​n der Ukrainischen SSR a​ls kommunistischer Funktionär geehrt. Nach 1990 wurden d​ie Erinnerungen a​n ihn weitgehend beseitigt.

Literatur

  • Dmitri Wolkogonow: Stalin. Triumph und Tragödie. Claassen Verlag, Düsseldorf 1989, S. 506
Commons: Wolodymyr Satonskyj – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Kurzbiografie Wolodymyr Satonskyj auf histua.com; abgerufen am 2. Januar 2016 (ukrainisch)
  2. Eintrag zu Wolodymyr Satonskyj in der Enzyklopädie der modernen Ukraine; abgerufen am 2. Januar 2016 (ukrainisch)
  3. Wolodymyr Satonskyj (Memento vom 2. Januar 2017 im Internet Archive) auf der Webseite der Akademie der Wissenschaften der Ukraine; abgerufen am 2. Januar 2016 (ukrainisch)
  4. Wolodymyr Satonskyj auf der Webpräsenz der Weißrussischen Akademie der Wissenschaften; abgerufen am 2. Januar 2016 (russisch)
  5. Blog-Historiker: 1966. Schließlich ukrainische Enzyklopädie! auf BBC vom 18. Februar 2016; abgerufen am 2. Januar 2016 (ukrainisch)
  6. Marx- und Lenindenkmäler abgerissen Neues Deutschland, 21. Juli 1990, S. 4
  7. Literatur und Diktatur. Ein Gespräch mit dem ukrainischen Literaturwissenschaftler Dmitri Satonski (Memento vom 1. Januar 2017 im Internet Archive) Wiener Zeitung, 28. August 1998
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.