Waldsiedlung Hakenfelde
Die Waldsiedlung Hakenfelde ist ein Wohngebiet im Berliner Ortsteil Hakenfelde im Norden des Bezirks Spandau. Sie entstand ab 1914 in Anlehnung an das Gartenstadtmodell, um die Wohnungsnot unter den Arbeitern der Spandauer Rüstungs- und Industriebetriebe zu lindern. Bis 1919 wurden 250 Häuser fertiggestellt.
Gebaut wurden unterschiedliche Typen von Häusern für eine, zwei oder mehrere Familien mit variabler Fassadengliederung und in der Regel einem Gartenanteil. Der älteste Bauabschnitt ist seit 1986 als Wohnanlage und Siedlung denkmal- bzw. gartendenkmalgeschützt.
In den ersten Jahrzehnten konnte die Nahversorgung mit Handwerk, Lebensmitteln und Arztpraxen in der Siedlung selbst erfolgen. Heute besteht davon lediglich noch ein kleines Hotel. Öffentliche Einrichtungen in der Waldsiedlung sind mehrere Kindertagesstätten, die evangelische Wichernkirche mit Gemeindezentrum und ein Seniorenheim in katholischer Trägerschaft; unmittelbar angrenzend befindet sich eine Justizvollzugsanstalt. Die Siedlung war von Anfang an durch eine Straßenbahn mit dem Zentrum von Spandau verbunden, die inzwischen durch Buslinien abgelöst wurde.
Lage
Die Waldsiedlung liegt am Rande des Spandauer Forstes, mit Abstand nördlich von der Wohnbebauung im Ortsteil Hakenfelde. Sie hat im Kern einen nahezu dreieckigen Grundriss und wird östlich begrenzt von der Niederneuendorfer Allee, nordwestlich von der stillgelegten Bötzowbahn und dem 1907 bis 1910 erbauten Evangelischen Johannesstift und südwestlich von der Wichernstraße und der Trasse eines ehemaligen Industriegleises. Eine Zufahrt ist von der Niederneuendorfer Allee nur über die Wichernstraße und den Eschenweg – gegenüber dem 1912 erbauten Schützenhof – möglich, über die Wichernstraße kann das Johannesstift erreicht werden. Wegen der Anordnung der gekrümmten schmalen Straßen, die der Siedlung einen dörflichen, „gewachsenen“ Charakter geben sollten,[1] ist in der Siedlung selbst kein Durchgangsverkehr möglich.
Infolge der deutschen Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg verlor die Waldsiedlung den Zugang zum westlichen und nördlichen Hinterland, den Orten Schönwalde, Nieder Neuendorf und Hennigsdorf, und geriet bis zur deutschen Wiedervereinigung in eine Randlage.
Entstehung
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war in Spandau ein großer Mangel an bezahlbaren Wohnungen für die Arbeiter der Rüstungsindustrie und von Industriebetrieben wie Siemens & Halske entstanden, der sich während des Ersten Weltkriegs durch Ausweitung der Rüstungsfabriken noch verschärfte. Die Zahl der Beschäftigten in den Rüstungsbetrieben stieg von knapp 14.000 im Jahr 1914 auf rund 65.000 im Jahr 1917. Über die Lösung der Probleme kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Spandau, den Haus- und Grundbesitzern und den Vertretern der Arbeiterschaft.[2]
Als eine Maßnahme zur Überwindung der Wohnungsnot gründete der Magistrat der Stadt Spandau nach längerem Zögern eine „Waldsiedlung Spandau Aktiengesellschaft“ zur „Beschaffung gesunder und zweckmäßig eingerichteter Wohnungen an minderbemittelte Personen in eigens gebauten, erbauten oder angekauften Häusern zu billigen Preisen“, in die die Stadt als Gründungskapital 16.000 Mark einbrachte, weitere 4.000 Mark kamen zunächst von Privatpersonen.[3] Das Baugelände erwarb die Aktiengesellschaft von der Stadt Spandau.[4]
Bauphasen
Der erste Spatenstich für einen ersten Baublock erfolgte am 4. Mai 1914. Zunächst musste Grundwasser abgepumpt werden. Am 2. Juli 1914 konnte der Rohbau abgenommen werden, und bereits am 1. Oktober 1914 waren die ersten Wohnungen bezugsfertig, obwohl bei Kriegsausbruch am Bau beschäftigte Arbeiter eingezogen worden waren. Es gab drei Typen von Einfamilienhäusern, für die 35, 45 oder 55 Mark Miete zu zahlen waren. Zu diesem ersten Siedlungskern, dem „Baublock A“, gehörten – ausgehend vom nur nördlich bebauten Eschenweg – der Buchenweg, der Eichenweg, der nur westlich bebaute Fichtenweg und der Tannenweg.
Ein zweiter Baublock wurde 1915 fertiggestellt, und trotz kriegsbedingten Arbeiter- und Materialmangels wurde ein dritter Baublock nördlich und westlich des Buchenwegs mit 100 Häusern in zwölf Häusergruppen in Angriff genommen und bis 1. April bzw. 1. Oktober 1916 fertiggestellt. Hier wurden nicht mehr nur Einfamilienhäuser, sondern auch einige Zweifamilienhäuser mit 2-Zimmer-Wohnungen errichtet. In dieser Bauphase entstanden die Häuser am Akazienweg, Aspenweg (Südseite; bis 1931: Ahornweg), Birkenweg, Erlenweg (bis 1923: Weidenweg), Kastanienweg und Lindenweg. Der „Baublock B“ hatte 755.747,65 Mark gekostet.
Als letzter Baublock war Baublock D mit sechs Einfamilienhäusern und 38 Wohnungen in Zwei- und Vierfamilienhäusern bis zum 1. Oktober 1917 bezugsfertig, hinzu kam ein Geschäftshaus. Die Waldsiedlung hatte eine Größe von 40.340 m² ohne Straßenland. Sie bestand aus 154 Reihen- und acht Doppelhäusern.[5] Die Prinzipien einer Gartenstadt wurden nicht durchgängig eingehalten, so dass auch in der Benennung der Siedlung auf diesen Begriff verzichtet werden konnte.[6]
Eine weitere Bauphase fand von 1919 bis etwa 1926 statt, bis etwa 1938 gab es einige ergänzende Bauten im Randbereich. Die am 2. April 1918 gegründete Baugenossenschaft Eigenheim Spandau e.G.m.b.H. errichtete westlich um die bestehende Siedlung, am Birkenweg und Ahornweg (jetzt Aspenweg), Reihenhäuser für vier, einzelne auch nur für zwei Familien, die mit Kaufanwartschaft vermietet wurden; bei „ehrlosem Lebenswandel oder Trunksucht“ eines Käufers fiel der Besitz an die Genossenschaft zurück. Teilweise wurden die Häuser unter den Kaufinteressenten verlost. Im September 1919 standen 225 Häuser.[7] Zu dem ursprünglich geplanten und im Bebauungsplan vorgesehenen Umfang der Siedlung von 600 Reihenhäusern kam es jedoch nicht.[8]
Einige Bürger schlossen sich 1926 zur Gruppe der Gartenfreunde in der Baugenossenschaft Eigenheim Spandau eGmbH Spandau-Hakenfelde zusammen, die bis heute als Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. besteht. Die Hausbewohner hielten teilweise Vieh: Hühner, eine Ziege oder ein Schwein, und zu jeder Wohneinheit gehörte ein Stall und ein Garten.[9]
Der nordöstliche Begrenzungsweg wurde ab 1923 Pappelweg genannt, der westliche ab 1955 Lichtwarkweg. Die Verbindungsstraßen zur Wichernstraße erhielten 1925 die Namen Holunderweg und Schlehenweg, der Verbindungsweg zwischen Aspenweg und Pappelweg, zunächst als Straße 634 bezeichnet, hieß ab 1955 Merianweg.
Am 19. März 1928 wurden die Häuser der Waldsiedlung Spandau AG ins Eigentum der Baugesellschaft Adamstraße m.b.H. übertragen, die AG wurde wenige Tage später aufgelöst. Ende der 1930er Jahre ging das Eigentum an der Siedlung an die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Berlin mbH (GSW) über.
Einzelne Bauten am Rand der Waldsiedlung wurden als Individualbauten unabhängig von den großen Bauträgern errichtet, so einige Häuser für Kriegsblinde des Ersten Weltkriegs im Bereich Doehlweg/Aspenweg/Fichtenweg; 1941/1942 baute die Deutsche Arbeitsfront zwei Häuser im Pappelweg.[10]
Seit den 1930er Jahren bestanden am Rand der Siedlung Arbeitslager und Baracken für Zwangsarbeiter, die größten auf dem Gelände der heutigen Justizvollzugsanstalt an der Niederneuendorfer Allee. Zwangsarbeit mussten ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene leisten, viele von ihnen bei den Siemens-Schuckertwerken. Im Zweiten Weltkrieg wurden mehrere Häuser der Waldsiedlung bei alliierten Luftangriffen von Bomben oder Luftminen getroffen, und es gab Granateinschläge mit Toten und Verletzten. Vorrückende sowjetische Soldaten besetzten am Kriegsende für kurze Zeit mehrere Häuser, im Fichtenweg wurden einige Häuser abgebrannt. Nach Kriegsende kam es zu Plünderungen durch freigelassene Zwangsarbeiter. An der Niederneuendorfer Allee wurden 1945 einige gefallene sowjetische Soldaten beerdigt, die später nach Treptow umgebettet wurden.[11]
Der älteste Kern der Siedlung, umgrenzt von Aspen-, Eschen- und Fichtenweg und einige Häuser im Doehlweg, wurde 1986 auf Betreiben der GSW als Gartendenkmal unter Denkmalschutz gestellt, und ein Bauhandbuch für die denkmalpflegerische Instandsetzung und Modernisierung wurde erstellt. Bauliche Veränderungen an der Außenform der Gebäude und bei der Gartengestaltung durften ab dann nicht mehr vorgenommen werden. Fassadengliederung, Hauseingänge und Fassadentreppen, Loggien, Dächer, Dachgauben und Schmuckdetails waren in einem „Informationsheft“ der GSW festgelegt, das auch Vorgaben für Instandsetzungs- und Veränderungsmaßnahmen machte, die den Charakter der Siedlung aus denkmalpflegerischer Sicht nicht nachteilig veränderten. In den folgenden Jahren wurde rund die Hälfte der Häuser verkauft, die meisten an die Mieter, es war von einem Kaufpreis von 100.000 Mark die Rede.[12] Einige Familien bewohnen heute zwei benachbarte Häuser, die sie durch Mauerdurchbrüche miteinander verbunden haben.
Architekturmerkmale
Die Häuser der ersten Bauabschnitte wurden maßgeblich geplant von den Architekten Arthur Wolff (160 Wohnungen in Reihenhäusern) und Otto Weber (96 Wohnungen in Doppel- und Mietshäusern). Arthur Wolff wurde 1916 zum Militär eingezogen und von Adolf Steil vertreten, der ab 1919 weitere Häuser architektonisch plante und 1931 die Erweiterung der Siedlung nordöstlich des Aspenwegs konzipierte.[13]
Die meisten Reihenhäuser waren für vier Familien gedacht, einige für zwei Familien. Zu jeder Wohnung gehört ein Gartenanteil zur Selbstversorgung, die meisten Häuser haben einen kleinen Vorgarten. Die Reihenhäuser haben direkten Zugang zum Garten, die Etagenwohnungen erhielten als Ausgleich einen Holzbalkon oder eine Loggia. Die Häuser besaßen anfangs ein einfaches Pappdach oder ein Ziegeldach in Biberschwanz-Kronendeckung. Die Reihenhauszeilen der ersten Bauphasen sind traufständig zur Straße hin angeordnet, haben eine Breite von 4,5 bis 5 Metern und hohe, steile Satteldächer mit rhythmisch vorspringenden Quergiebeln, Gauben oder Walmen, die in ihrer individuellen Verschiedenheit einen Einzelhauscharakter vermitteln sollen. Loggien und Lauben betonen die Hauseingänge. Zwei Parteien teilen sich jeweils die Versorgungs- und Entsorgungsleitungen.[14] Die ersten schmalen Häuser haben im Erdgeschoss einen Flur, eine Stube und eine Küche, im ersten Geschoss zwei Stuben und ein kleines Bad und darüber eine ausgebaute Dachkammer. Später wurden von den Bewohnern auch Kellerräume als Bad ausgebaut, auf der Gartenseite baute man Wintergärten an.[15]
Die meisten Mietshäuser der zweiten Bauphase in der Gestaltung durch Otto Weber haben pro Hauseingang und Etage zwei Wohnungen, sogenannte „Zweispänner“. Die von Adolf Steil ab 1931 gebauten Häuser im Doehlweg, Fichtenweg und Holunderweg sind streng kubisch gegliedert, sie haben flacher geneigte Satteldächer, eine Fassade in Klinker-Putz-Gestaltung mit gelblichen Brüstungsbändern und teilweise Holzloggien, die Dachzone wurde durch Zwerchgiebel aufgelockert.[16]
Der Architekturhistoriker Klaus Konrad Weber spricht in Hinblick auf die Waldsiedlung von „bescheidener, doch liebevoll gestalteter Behaglichkeit“, Klaus Schulte hebt 1999 das „lebendig geformte Ortsbild mit charakteristischen, geschwungenen Straßenzügen mit anheimelnden Platzbildungen“ heraus.[17]
Infrastruktur
Nahversorgung
Im ersten Baublock waren vier Läden im Erdgeschoss einiger Häuser im Birkenweg gebaut worden, später kamen auf Wunsch der Bewohner eine Bäckerei, Schlachterei, ein größerer Kolonialwarenladen, eine Drogerie, ein Weißwarenladen, ein Fahrradladen, ein Frisör, zwei Schuster, eine kleine Poststelle, eine Meldestelle der Polizei und ein Vereinszimmer hinzu. Milch und Milchprodukte kamen auf einem Verkaufswagen der Meierei C. Bolle in die Siedlung. Die Schlachterei betrieb das Lokal „Heideschloss“ an der Ecke Aspen-/Birkenweg, das bis 2015 existierte, am Fichtenweg Ecke Eschenweg bestand von Anfang an das Lokal „Waldschänke“, heute als Hotel betrieben. In der Waldsiedlung praktizierten zeitweise ein praktischer Arzt, ein Zahnarzt und eine Hebamme. Am 6. Dezember 1918 wurde die Frauenhilfe Waldsiedlung Hakenfelde gegründet, die die Einrichtung einer Diakoniestation ab Frühjahr 1919 im Aspenweg erreichte. Die Kinder besuchten die Grundschule im Johannesstift, am Fichtenweg bestand ein Kindergarten. Der geplante Bau einer Schule im Eschenweg kam nicht zustande.[18]
Heute existieren keine Einzelhandelsgeschäfte und Praxen mehr in der Waldsiedlung. Im Ortsteil Hakenfelde waren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehrere neue Wohngebiete entstanden, etwa das Wohnquartier Aalemannufer. Die Einrichtungen der Nahversorgung konzentrieren sich im Kern des Ortsteils; zusätzlich siedelten sich mehrere Einkaufszentren an. In der Waldsiedlung selbst besteht noch das Hotel „Waldschänke“. Am südlichen Rand, jenseits der Wichernstraße, wurden eine Sportanlage und der städtische Seniorenklub Hakenfelde gebaut, der auch der Kiezgemeinschaft der Waldsiedlung als Versammlungsstätte dient. Siedlungsfeste werden gelegentlich auf dem Gelände der evangelischen Kirchengemeinde oder des katholischen Seniorenheims gefeiert. An der Wichernstraße unterhält der Bezirk Spandau seit 1960 die Kita Wichernstraße. Die evangelische Gemeinde eröffnete den von den Deutschen Christen geschlossenen Kindergarten am Fichtenweg nach dem Zweiten Weltkrieg an anderer Stelle neu und ist heute Trägerin einer Vollzeit-Kita Weltentdecker neben der Wichernkirche und einer Teilzeit-Kita Wichernzwerge in ihrem Gemeindehaus. In Hakenfelde liegt die Heinrich-Böll-Oberschule; die Grundschule am Eichenwald, die Carl-Schurz-Grundschule und die Evangelische Schule im Johannesstift sind von der Waldsiedlung fußläufig zu erreichen.
Verkehrliche Erschließung
Die meisten Straßen sind mit fünf Meter Breite sehr schmal und von Architekt Arthur Wolff für Fußgänger gedacht, einige Straßen sind Sackgassen. Nur die Hauptzugangsstraßen haben eine Breite von acht bis zwölf Metern. Der Birkenweg hat einen begrünten Mittelstreifen und wirkt platzartig, der Schnittpunkt von Akazienweg, Buchenweg und Birkenweg ist als dreieckiger Platz ausgebildet. Der Tannenweg endet im Zentrum des ältesten Bauabschnittes in einer platzartigen Erweiterung. Anfangs besaß nur der Holunderweg einen festen Straßenbelag, die übrigen Straßen und Wege hatten ein verdichtetes Sand-/Steingemisch als Oberfläche. 1935/1936 wurden alle Straßen mit Splitt und Spritzasphalt befestigt. Das Straßennetz wurde labyrinthartig ergänzt durch verwinkelte Wirtschaftswege.[19]
Beim Bau war die starke Motorisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch nicht absehbar. Da Pkw-Stellplätze auf den Grundstücken nicht vorgesehen waren und aus Denkmalschutzgründen nicht nachträglich geschaffen werden können, sind die Straßen nunmehr größtenteils als Einbahnstraße ausgewiesen und einseitig beparkt, was gelegentlich zu Problemen mit Versorgungs- und Rettungsfahrzeugen führt. 2005 waren 612 Personenkraftwagen und 87 Motorräder für Adressen in der Waldsiedlung zugelassen.[20] Auf Betreiben des Vereins der Gartenfreunde entstanden Parkplätze am Rand der Waldsiedlung innerhalb der Buswendeschleife an der Niederneuendorfer Straße.
Verkehrsanbindung
Von Anfang an war die Waldsiedlung mit der Straßenbahn zu erreichen. Die „Grüne Linie“ der Spandauer Straßenbahn war am 21. Mai 1904 von der bisherigen Endhaltestelle am Schützenhaus bis zur Kreuzung Streit- Ecke Mertensstraße am südöstlichen Eck der späteren Waldsiedlung verlängert worden.[21] Von 1908 bis 1921 bediente die Linie H vom Spandauer Hauptbahnhof (heute: S-Bahnhof Stresow) kommend den Streckenabschnitt, ab 1923 übernahm die Linie 54 aus Richtung Spandauer Bock den Ast und ab 1927 zusätzlich die Linie 75 aus Richtung Heerstraße.[22] Die Berliner Straßenbahn-Betriebsgesellschaft ließ die Strecke am 15. November 1928 um ein kurzes Stück über die Niederneuendorfer Allee bis zum Eschenweg verlängern, wo eine Wendeschleife mit Überholmöglichkeit entstand.[23] Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die Linie 75 von Hakenfelde über die Heerstraße bis zum Zoologischen Garten, die Linie 54 fuhr über den Spandauer Damm in Richtung Richard-Wagner-Platz. 1967 wurde die Straßenbahn stillgelegt.[24]
Die 1908 eröffnete Bötzowbahn der Osthavelländischen Kreisbahnen hatte bis zur Verlängerung zum Kleinbahnhof Spandau-West im Jahr 1912 ihren Endpunkt aus Richtung Bötzow – Nieder Neuendorf am Bahnhof Johannesstift. Der Bahnhof war von der Waldsiedlung aus über einen Fußweg (die Straße Nr. 13/16) entlang der Bahngleise erreichbar; der Vorschlag, diesen Bahnhalt „Bahnhof Hakenfelde“ zu nennen, konnte nicht durchgesetzt werden.[25] Von der Bötzowbahn zweigte am Johannesstift ein Industriegleis ab, das entlang der Wichernstraße zur Niederneuendorfer Allee führte und über das die Hakenfelder Industriebetriebe mit Güterzügen bedient wurden. Von Januar 1923 bis 1945 fuhr von Spandau West über die Schönwalder Straße und dann weiter auf den Gleisen der Bötzowbahn die Spandau-West–Hennigsdorfer Kleinbahn („Elektrische Nr. 120“) bis Nieder-Neuendorf und Hennigsdorf; diese Linie hatte einen Haltepunkt an der Wichernstraße.[26][27]
Nach Plänen der Berliner Straßenbahn-Betriebs-Gesellschaft sollte die Linie 120 nicht mehr über die Schönwalder Straße zum Johannesstift geführt werden, sondern über die Streitstraße fahren und dann von der 1928 eingerichteten Wendeschleife am Eschenweg am Ostrand der Waldsiedlung entlang des heutigen Lichtwarkweges an die Bötzowbahn herangeführt werden und in Höhe des Rustweges in diese in Richtung Nieder Neuendorf einmünden. Die vorgesehene Trasse war über mehrere Jahre freigehalten worden. Als möglicher Hinderungsgrund wird die Einrichtung einer mit einem Fahrdienstleiter besetzten Abzweigstelle am Treffpunkt beider Strecken vermutet.[28]
Heute verbindet die Buslinie 136 die Waldsiedlung mit Spandau Mitte und Hennigsdorf, die Buslinie 139 beginnt an der ehemaligen Endstation der Straßenbahnlinie 75 und führt über Haselhorst und Siemensstadt zum Messedamm in Westend.
Einwohnerzahlen
Mit Hauptwohnsitz waren in der Waldsiedlung gemeldet:[29]
- 1975: 1752 Einwohner
- 1995: 1417 Einwohner
- 2005: 1342 Einwohner
Öffentliche Einrichtungen
St.-Elisabeth-Heim
Die Ordensgemeinschaft der Grauen Schwestern von der hl. Elisabeth hatte 1917 in der Seegefelder Straße 125 in Spandau ein Mädchenheim gegründet, das erwerbstätigen Frauen und Mädchen eine Wohngelegenheit bieten sollte. Wegen dessen unzureichender baulicher Ausstattung setzte sich der Pfarrer der katholischen Gemeinde Maria, Hilfe der Christen, Viktor Schiwy, für einen Neubau in der Waldsiedlung ein. Dieser wurde nach Plänen von Architekt Carl Kühn, Baurat beim Bistum Breslau, als „Elisabethheim“ (benannt nach der heiligen Elisabeth von Thüringen) errichtet und am 17. Juni 1928 von Weihbischof Josef Deitmer geweiht. Das Haus ist ein langgestreckter zweigeschossiger Ziegelbau mit ausgebautem Dachgeschoss entlang der östlichen Seite des Fichtenweges als Wohnhaus und einer großen Kapelle (120 Plätze) mit Dachreiter an der Ecke zum Buchenweg, der Elisabethkapelle. Die rechteckige Kapelle mit flacher Decke, über der noch Bewohnerzimmer liegen, hat an der südlichen Längsseite sechs Spitzbogenfenster, an der Westseite ein Rundbogenportal sowie eine Empore und östlich einen eingezogenen, tonnengewölbten Chor mit Apsis und Altar. Über dem Portal befindet sich eine Skulptur der Patronin Elisabeth.[30]
Das Haus wurde von vier Ordensschwestern geführt, und dort wohnte ein Priester, der in der Kapelle Gottesdienst hielt. Anfang der 1930er-Jahre wurde das Heim in ein Wohn- und Erholungsheim für ältere Menschen umgewandelt, nachdem der Bedarf an Wohnplätzen für Mädchen nicht mehr so dringend war. Am Ende des Zweiten Weltkriegs nahm das Haus vorübergehend auch Flüchtlinge auf. Es besteht heute als „Sankt Elisabeth Seniorenheim“ in Trägerschaft der Katholischen Pfarrgemeinde Maria, Hilfe der Christen mit 44 Heimplätzen. 1987 bis 1989 wurde es modernisiert und ein Wohnbereich für die Ordensfrauen angebaut, 1999 bis 2000 kam ein Trakt mit Gemeinschafts- und Therapieräumen hinzu. Die Grauen Schwestern verließen 1983 wegen Personalmangels das Haus, 1986 kamen indische Ordensschwestern, Franziskanerinnen vom unbefleckten Herzen Mariens, die bis heute in der Pflege mitarbeiten.
Die Elisabethkapelle entwickelte sich zu einem Seelsorgezentrum für die Katholiken in Hakenfelde, das als zunächst unselbständige „Lokalie St. Elisabeth“ und ab 1953 als seelsorglich selbständige Kuratie eine Filialkirche der Pfarrei Maria, Hilfe der Christen war; 1953 gehörten 1700 Katholiken zur Kuratie. Aus der Kuratie entstand 1975 die Katholische Pfarrgemeinde St. Lambertus, für die in der Cautiusstraße ein eigenes Gemeindezentrum gebaut wurde. In der Elisabethkapelle finden jedoch auch weiterhin regelmäßig Gottesdienste statt.[31]
Wichernkirche
Die evangelische Wicherngemeinde war zunächst Teil der Luthergemeinde. Ab September 1925 konnte in angemieteten Räumen im Fichtenweg 76 ein kleines Gemeindezentrum eingerichtet werden für Kindergottesdienste, Jugendgruppen, Bibelkreise, Frauenkreise und die Proben eines neugegründeten Chores; hier waren auch der Kindergarten und Wohnungen für die Diakonieschwestern untergebracht. Der Gemeindekirchenrat der Luthergemeinde beschloss bereits im Januar 1924 die „Selbständigmachung der Waldsiedlung“, die aber erst zum 1. Januar 1937 mit der Gründung der „Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Spandau-Hakenfelde“ realisiert wurde, ein Jahr später als „Wichernkirchengemeinde“ (nach Johann Hinrich Wichern) bezeichnet. 1932 bekam die Kirchengemeinde eine eigene kleine Kirche – zunächst „Wichernkapelle“ genannt –, die von Siemensstadt hierhin transferiert und am 23. Oktober 1932 eingeweiht wurde. Von 1934 bis zum Kriegsende litt die Gemeinde stark unter Richtungskämpfen zwischen Christen der Bekennenden Kirche mit Pfarrer Hermann Bunke und Deutschen Christen mit Pfarrer Johannes Rehse.[32] Im Frühjahr 1933 wurde eine „Hitler-Eiche“ vor der Kirche „dem Schmied des Dritten Reiches“ geweiht, an der in den folgenden Jahren wiederholt nationalsozialistische Propagandaveranstaltungen stattfanden.[33]
Die Wichernkirche war die Gemeindekirche für ganz Hakenfelde, die Gemeinde wuchs durch Ausgebombte und Flüchtlinge auf 12.000 Gemeindeglieder im Jahr 1947 an. In einer ehemaligen Wehrmachtsbaracke hinter der Wichernkirche wurde der Kindergarten neu eröffnet, denn die Deutschen Christen hatten den Kindergarten am Fichtenweg geschlossen. Ende der 1950er Jahre erhielt er ein neues Gebäude, am 14. März 1971 wurde ein großes Gemeindehaus neben der Kirche eingeweiht, und im Schlehenweg wurden zwei Pfarrerhäuser erbaut.[34]
Justizvollzugsanstalt
Am 1. März 1978 wurde zwischen der Waldsiedlung und der Niederneuendorfer Allee eine Justizvollzugsanstalt des Offenen Vollzugs („Freigängerhaus“) eingerichtet. Nach Protesten der Bevölkerung konnten durch Gespräche im Evangelischen Gemeindehaus Ängste gemindert und eine akzeptierende Haltung aufgebaut werden.[35] Die Gefangenen waren anfangs in den Baracken des ehemaligen Lagers für Zwangsarbeiter untergebracht, 1995 bis 1998 wurden dort die heutigen Steingebäude mit Pultdach errichtet. Die Anstalt verfügt aktuell über 248 Plätze.
Literatur
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. 90 Jahre Gartenstadt „Waldsiedlung Hakenfelde“. Bildergalerie und Dokumentation. Berlin 2006 (Autor S. 13–106: Helmut Hilbert, S. I–XVI: Detlef Kapitzke).
- GSW – Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (Hrsg.): Waldsiedlung Spandau. Informationsschrift für die Bewohner der Waldsiedlung. Berlin 1988.
Weblinks
- Einträge in der Berliner Landesdenkmalliste:
- Homepage des Vereins der Gartenfreunde Waldsiedlung Hakenfelde 1926 e. V.
Einzelnachweise
- Bezirksamt Spandau. Untere Denkmalbehörde (Hrsg.): Spandau. Bau- und Gartendenkmale. o. O., o. J., S. 72.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 13 ff., 16
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 16, 18.
- Gunther Jahn (Bearb.): Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin. Teil: Stadt und Bezirk Spandau. Berlin 1971, S. 295.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 18 ff, 22, 28 ff.
- Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten. Teil: T. 4 / Band D: Reihenhäuser. Berlin 2002, S. 48.
- Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten. Teil: T. 4 / Band D: Reihenhäuser. Berlin 2002, S. 48 f.
- Friedrich Wolff: Gartenstädte in und um Berlin. Berlin 2012, S. 65.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 23 ff., 28
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. VIII. 28
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 33, 35 f., XI f.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 22; Anna Maria Odenthal: Denkmalpflegerische Projekte und Probleme. In: Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.): Dorfkern – Altstadt – Denkmalpflege. Traditionsorte in der Metropole. Berlin 1999, S. 68.
- Friedrich Wolff: Gartenstädte in und um Berlin. Berlin 2012, S. 63.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 24; Bezirksamt Spandau. Untere Denkmalbehörde (Hrsg.): Spandau. Bau- und Gartendenkmale. o. O., o. J., S. 72; Gunther Jahn (Bearb.): Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin. Teil: Stadt und Bezirk Spandau. Berlin 1971, S. 296.
- Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten. Teil: T. 4 / Band D: Reihenhäuser. Berlin 2002, S. 49. Friedrich Wolff: Gartenstädte in und um Berlin. Berlin 2012, S. 64.
- Friedrich Wolff: Gartenstädte in und um Berlin. Berlin 2012, S. 65.
- Zitiert in: Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (Hrsg.): Berlin und seine Bauten. Teil: T. 4 / Band D: Reihenhäuser. Berlin 2002, S. 51.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 28 ff., 33 f., 37 f., 42, 71; Friedrich Wolff: Gartenstädte in und um Berlin. Berlin 2012, S. 65.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. XII, XIV; Friedrich Wolff: Gartenstädte in und um Berlin. Berlin 2012, S. 63 f.
- Landesamt für Bürger- und Ordnungsaufgaben, 1. Juli 2007, zitiert in: Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006 Berlin 2006, S. XV.
- Hans-Jürgen Kämpf: Die Straßenbahn in Spandau und um Spandau herum. Hrsg.: Heimatkundliche Vereinigung Spandau 1954 e. V. Berlin 2008, ISBN 978-3-938648-01-8, S. 52–55.
- Hans-Jürgen Kämpf: Die Straßenbahn in Spandau und um Spandau herum. Hrsg.: Heimatkundliche Vereinigung Spandau 1954 e. V. Berlin 2008, ISBN 978-3-938648-01-8, S. 159–184.
- Hans-Jürgen Kämpf: Die Straßenbahn in Spandau und um Spandau herum. Hrsg.: Heimatkundliche Vereinigung Spandau 1954 e. V. Berlin 2008, ISBN 978-3-938648-01-8, S. 110–118.
- Nachkriegsgeschichte 1960–1969. In: berlin-straba.de. Abgerufen am 22. Januar 2017.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 95 f.
- Wolfgang Hellmuth Busch: Linie 120. Eine Berliner Überlandstraßenbahn 1923 bis 1945. In: Berliner Verkehrsblätter. Heft 11, November 1999, S. 215–221.
- Reinhard Richter: Kleinbahnjubiläen 2004. In: Die Museums-Eisenbahn. Heft 1, 2004, S. 28 (museumseisenbahn.de [PDF]).
- Hans-Jürgen Kämpf: Die Straßenbahn in Spandau und um Spandau herum. Hrsg.: Heimatkundliche Vereinigung Spandau 1954 e. V. Berlin 2008, ISBN 978-3-938648-01-8, S. 185–199.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. XIV ff.
- Gunther Jahn: Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin. Stadt und Bezirk Spandau. Berlin 1971, S. 128.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 65–70.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 71 ff.
- Olaf Kühl-Freudenstein, Peter Noss, Claus P. Wagener (Hrsg.): Kirchenkampf in Berlin 1932–1945. 42 Stadtgeschichten. Berlin 1999, S. 483.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 73–75.
- Verein der Gartenfreunde Spandau-Hakenfelde 1926 e. V. (Hrsg.): Festschrift 1916–2006. Berlin 2006, S. 76.