Ville de Paris (Schiff, 1764)
Die Ville de Paris (französisch für Stadt Paris) war ein 90-Kanonen-Linienschiff der französischen Marine. Das Schiff lief 1764 vom Stapel, wurde im April 1782 von der Royal Navy erobert und sank im September des gleichen Jahres.
Die Ville de Paris | ||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||
|
Geschichte
Bau
Im Jahr 1757 wurde in Rochefort der Dreidecker L’Impétueux unter der Bauaufsicht von François-Guillaume Clairain des Lauriers auf Kiel gelegt. Die Bauarbeiten wurden jedoch bald darauf unterbrochen.
Nachdem die Stadt Paris einen Großteil der Finanzierung übernommen hatte, wurden die Arbeiten im Jahr 1762 wieder aufgenommen, und das Schiff lief unter dem neuen Namen Ville de Paris am 12. April 1764 vom Stapel. Sie war neben der zwei Jahre jüngeren Bretagne einer der beiden Dreidecker unter den 22 zwischen 1762 und 1768 in Frankreich fertiggestellten Kriegsschiffen. Von diesen waren 17 durch Spenden der Städte und Provinzen finanziert. Am 2. Juni 1764 wurde die Ville de Paris in Brest entwaffnet und bis zum Mai 1778 aufgelegt.[1]
Einsätze
Die Ville de Paris war in der Seeschlacht bei Ouessant am 27. Juli 1778 das Schiff von Geschwaderkommandant Guichen. Hierbei kämpfte sie unter anderem gegen die HMS Victory. Während der folgenden Instandsetzung der Ville de Paris von September 1778 bis April 1779 wurden das Vor- und Achterschiff ausgebaut und die Bewaffnung des Schiffes auf 100 Kanonen verstärkt. Es galt daher nun als Schiff 1. Ranges.
Im Jahr 1779 folgte ein Einsatz bei dem gescheiterten Angriff auf die südenglischen Hafenstädte Portsmouth und Plymouth. Dabei sollte die Ville de Paris unter Kapitän Huon de Kermadec die französische Landung auf der Isle of Wight decken.[1] Der Rumpf des Schiffes wurde 1780 zur Vorbereitung seines Einsatzes in der Karibik mit Kupfer beschlagen. Man platzierte zudem vier weitere Kanonen auf dem Achterschiff.
Im März 1781 stach die Ville de Paris als Flaggschiff einer Flotte von 21 Schiffen unter François Joseph Paul de Grasse in Richtung Karibik in See. Sie war an der Seeschlacht von Fort Royal (Martinique) beteiligt, die als Artillerieduell auf große Distanz mit der Weiterfahrt der Franzosen endete. Nach der Eroberung Tobagos segelte die französische Flotte zurück nach Santo Domingo.[1] Am 12. August erhielt hier de Grasse ein Schreiben Rochambeaus, in dem dieser Verstärkungen für sein im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpfendes französisches Hilfskorps anforderte.[2] Grasse segelte von Haiti zur Chesapeake Bay. Hier wurden Anfang September etwa 3.000 Soldaten angelandet. Mit der Seeschlacht vor der Chesapeake Bay griff die französische Flotte danach am 5. September entscheidend in den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ein.
Am 17. September 1781 empfing de Grasse George Washington an Bord der Ville de Paris vor Cape Henry.[3] Die beiden vereinbarten, die französische Flotte noch sechs Wochen zur Blockade der Briten vor der Küste zu belassen.[4] Nachdem die britische Armee am 19. Oktober in der Schlacht von Yorktown kapituliert hatte, verlegte de Grasse am 4. November[2] seine Schiffe zu weiteren Operationen gegen die Briten wieder in die Karibik.
Während im Januar 1782 de Grasses Landungstruppen die Insel St. Kitts für Frankreich eroberten, kämpfte die Ville de Paris in der Seeschlacht von St. Kitts. Im April waren die französischen Schiffe unterwegs zur Invasion Jamaikas. Bei der Inselgruppe Îles des Saintes zwischen Guadeloupe und Dominica trafen sie auf eine überlegene englische Flotte. In der Schlacht von Les Saintes am 12. April 1782 wurde die Ville de Paris von ihrem Flottenverband getrennt und wie vier weitere französische Schiffe durch die Briten erobert.[1] Der Dreidecker war die größte Seekriegsbeute des 18. Jahrhunderts.[5]
Die eroberten Schiffe wurden von den Briten zur Reparatur zunächst nach Port Royal gebracht. Die instandgesetzte Ville de Paris war Teil eines großen Konvois aus Kriegs- und Handelsschiffen auf dem Weg von Jamaika nach Großbritannien, als sie am 19. September 1782 in einem Hurrikan vor Neufundland sank. Es gab einen Überlebenden.[5]
Sonstiges
Das Schicksal der Ville de Paris nach der verlorenen Seeschlacht war in Frankreich zunächst unbekannt. Der Malakologe Pierre Denys de Montfort veröffentlichte noch 1801 in seinem mehrbändigen Werk Histoire naturelle, générale et particuliere, des mollusques, animaux sans vertèbres et a sang blanc (deutsch: „Naturgeschichte der Weichtiere im allgemeinen und besonderen“) die These, die Ville de Paris und neun weitere Kriegsschiffe seien bereits in der Nacht nach der Seeschlacht am 12. April 1782 einem gigantischen Kraken zum Opfer gefallen.[6] Möglicherweise war dies eine bewusste Fiktion de Montforts.[7] De Montforts These wurde nach Bekanntwerden der den Briten längst bekannten Fakten wiederholt spöttisch aufgegriffen.[8]
Nach der 1782 gesunkenen Ville de Paris wurde das 1789 in Chatham auf Kiel gelegte und 1795 vom Stapel gelaufene britische Linienschiff HMS Ville de Paris benannt.
Die Schiffsglocke der Ville de Paris wird im Shropshire Regimental Museum im Shrewsbury Castle ausgestellt.[9]
Technische Beschreibung
Die Ville de Paris war als Batterieschiff mit drei durchgehenden Geschützdecks konzipiert und hatte eine Länge von 57,85 Metern, eine Breite von 15,76 Meter und einen Tiefgang von 7,47 Metern. Sie war ein Rahsegler mit drei Masten (Besanmast, Hauptmast und Fockmast) und verfügte über eine Besatzungsstärke von 1.096 Mann (6 Offizieren und 1.090 Unteroffizieren bzw. Mannschaften). Die Bewaffnung bestand bei Indienststellung aus 90 Kanonen, die sich in Anzahl und Kaliber aber im Laufe ihrer Dienstzeit änderte.[10]
Unterdeck | Mitteldeck | Oberdeck | Vordeck | Achterdeck | Kanonen (Geschossgewicht) | |
---|---|---|---|---|---|---|
1764 | 30 × 36-Pfünder | 32 × 24-Pfünder | 28 × 18-Pfünder | 90 Kanonen (534,5 kg) | ||
1780 | 30 × 36-Pfünder | 32 × 24-Pfünder | 32 × 18-Pfünder | 6 × 8-Pfünder | 4 × 8-Pfünder | 104 Kanonen (561 kg) |
Literatur
- Authentic narrative of the loss of the Ville de Paris, and of all her crew except one, about five months after she was captured from the enemy, in the glorious victory obtained by Admiral Sir George Bridges Rodney, April 12, 1782, as communicated by the survivor. Also the particulars of the sanguinary engagement between his majesty's ship Amethyst, and the French National frigate, La Thetis. Thomas Tegg, London 1809, OCLC 15532132.
Weblinks
- Ville de Paris auf threedecks.org (englisch)
Einzelnachweise
- Nicolas Mioque: La Ville de Paris (1764 – 1782). troisponts.net, 13. April 2013, abgerufen am 16. Juli 2017 (französisch).
- John C. Fredriksen: Revolutionary War Almanac. S. 398, abgerufen am 10. August 2017 (englisch).
- September 1781. in: Founders Online. National Archives, 29. Juni 2017, abgerufen am 16. August 2017 (englisch).
- Robert Tonsetic: 1781: The Decisive Year of the Revolutionary War. 2011, S. 144, abgerufen am 16. August 2017 (englisch).
- Rif Winfield: British Warships in the Age of Sail 1714-1792: Design, Construction, Careers ... S. 9, abgerufen am 16. Juli 2017 (englisch).
- Denys-Montfort: Histoire naturelle, générale et particulière des mollusques, animaux sans vertèbres et a sang blanc. Tome second. 1801, S. 358–359, abgerufen am 13. August 2017 (französisch).
- Henry Lee: Sea Monsters Unmasked. S. 36–39, abgerufen am 10. August 2017 (englisch).
- Encyclopaedia Metropolitana, Or, Universal Dictionary of Knowledge ..., Band 21. Edward Smedley, Hugh James Rose, Henry John Rose, 1845, abgerufen am 21. Juli 2017 (englisch).
- www.shropshireregimentalmuseum: The bell of the Ville de Paris, captured 1782, abgerufen am 21. Juli 2017 (Foto).
- French Second Rate ship of the line 'Ville de Paris'. threedecks.org, abgerufen am 16. Juli 2017 (englisch).