Suuinfurtero marcu
Suuinfurtero marcu (Suuinfurtero bedeutet wahrscheinlich seichte Furt)[1] war der Name der ersten Siedlung des historischen Schweinfurts zur Zeit ihrer ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 791.[1] Zuvor hieß sie Suinuurde[1] und später Suuinfurte.[1] Spätestens seit dem 19. Jahrhundert wurde sie Altstadt genannt.[2] Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege bezeichnet sie als Stadtwüstung „Altstadt“.[3] Sie wird auch Dorf Altstadt genannt, da sie vermutlich nie Stadtrecht besaß und um eine Verwechslung mit der westlich von ihr gelegenen heutigen Altstadt zu vermeiden, der um 1200 gegründeten Reichsstadt Schweinfurt.
Auf heutigem Stadtgebiet gibt es andernorts zahlreiche weitere, meist noch ältere Wüstungen, die aber mit dem historischen Schweinfurt nicht in Verbindung stehen.
Im 16. Jahrhundert wurde das Dorf Altstadt aufgegeben und verfiel. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Gebiet wieder überbaut, als neuer Stadtteil namens Altstadt. Nach dem Stadtteil wurden die Altstadtstraße, der 1920 gegründete Bürgerverein Altstadt, die von ihm ausgerichtete Altstadt-Kirchweih und der 1929 gegründete Fußballverein FC Altstadt benannt. Heute ist die Altstadt Teil des Nordöstlichen Stadtteils.
Etymologie
Im Laufe der Jahrhunderte veränderte sich der ursprüngliche Ortsname allmählich in Richtung des heutigen Namens Schweinfurt (siehe: Schweinfurt, Etymologie).
Die Namensherkunft von „marcu“ und ein Zusammenhang mit dem ähnlichen lateinischen Wort marcam für Markierung (einer seichten Furt?) ist nicht belegt bzw. wurde bisher nicht erforscht. Es gibt evtl. aber auch einen Zusammenhang mit dem Wort "Mark", das einen (markierten) Bezirk an der Außengrenze des Reiches bezeichnete und einem "Markgrafen" unterstand (der gegenüber einem 'normalen' Gaugrafen erweiterte Rechte – z. B. Verhängung der Todesstrafe – hatte). In der weiteren Logik würde dies bedeuten, das Suuinfurtero damals an der östlichen Reichsgrenze lag, die bekanntlich später weiter östlich verlief (bei Nabburg).
Geographie
Lage
Die erste Siedlung namens Schweinfurt lag einen halben Kilometer östlich (mainaufwärts) der heutigen Altstadt, im Nordöstlichen Stadtteil. Sie befand sich am unteren Kiliansberg, zwischen Marienbach im Westen, Höllental bzw. Peterstirn im Osten und dem Main im Süden.[3]
- Westgrenze:
Villa an der Mainberger Straße - Ostgrenze:
Burgberg Peterstirn
Topografie und Klima
Der Kiliansberg mit günstigen geographischen Verhältnissen ist die teuerste Wohnlage der Stadt. Der hochwasserfreie Südhang am Main ist nach Norden und Osten durch die Ausläufer der Schweinfurter Rhön geschützt. Er ermöglichte Weinbau, am Flussufer Fischfang und gibt den Blick nach Süden bis zum Steigerwald frei über das sommerwarme und wintermilde Schweinfurter Becken.
Geschichte
Gesamtüberblick Schweinfurts
Die Geschichte Schweinfurts besteht aus zwei zeitlich wie örtlich klar trennbaren Phasen:
- Zeit: Vorgeschichte, Früh- und Hochmittelalter
- Ort: Stadtwüstung „Altstadt“ und Burgberg Peterstirn (Markgrafen von Schweinfurt)
- Zeit: Spätmittelalter
- Ort: Reichsstadt Schweinfurt, die einen halben Kilometer westlich der „Altstadt“ ab 1200 aufgebaut wurde. „Altstadt“ und Burg wurden später aufgegeben bzw. verfielen
Linearbandkeramik
Bei Bauarbeiten im Jahre 2020 stieß man auf dem Gebiet der ersten Siedlung beim Haus Mainberger Straße 16 auf Spuren eines etwa 7000 Jahre alten Langhauses der Linearbandkeramik.[4][5] Die Epoche der Linearbandkeramik reichte etwa von 5500 bis 5000 v. Chr.
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege führt die Siedlung der Linearbandkeramik wie folgt auf:[6]
Aktennummer | D-6-5927-0012 |
Beschreibung | Siedlung und Gräber der Linearbandkeramik sowie Siedlungen der späten Bronzezeit und der Hallstattzeit |
Verfahrensstand | Benehmen nicht hergestellt |
Denkmalart | Bodendenkmal |
Lage | Siehe Webseite: [6] |
Bronzezeit
Ebenso listet das Landesamt zum obigen Bodendenkmal, das sich in westlicher Richtung über die Mainberger Straße 16 hinaus über das gesamte Areal der Polizeiinspektion Schweinfurt und den östlichen Teil des staatlichen Behördenzentrums erstreckt, auch eine Siedlung der Späten Bronzezeit (1300 bis 800 v. Chr.) auf.[6]
Hallstattzeit
Zudem listet das Landesamt zum obigen Bodendenkmal eine Siedlung der Hallstattzeit (800 bis 450 v. Chr.) auf.[6]
Eisenzeit
2019 gab es bei Bauarbeiten in der Mainberger Straße einen unerwarteten Fund: eine Fischersiedlung aus der Eisenzeit des 5. bis 2. Jahrhunderts vor Christus.[7][8]
Latènezeit
Außerdem listet das Landesamt eine Siedlung aus der Latènezeit (450 v. Chr. bis zur Zeitenwende) zu beiden Seite der Straße An der Goldquelle wie folgt auf:[9]
Aktennummer | D-6-5927-0153 |
Beschreibung | Siedlung der späten Latènezeit |
Verfahrensstand | Benehmen nicht hergestellt |
Denkmalart | Bodendenkmal |
Lage | Siehe Webseite: [9] |
Nicht zuordnenbare Siedlung
Ferner listet das Landesamt eine zeitlich wie kulturell nicht zuordenbare vorgeschichtliche Siedlung im Bereich Altstadtstraße/Ecke Höllental auf:[10]
Aktennummer | D-6-5927-0093 |
Beschreibung | Siedlung vorgeschichtlicher Zeitstellung |
Verfahrensstand | Benehmen nicht hergestellt |
Denkmalart | Bodendenkmal |
Lage | Siehe Webseite: [10] |
Früh- und Hochmittelalter
Die erste Siedlung mit dem Namen Suinuurde bzw. Suuinfurtero marcu ist durch archäologische Streufunde aus der Merowingerzeit (5. bis 8. Jh. n. Chr.) datierbar.[11]
Das Landesamt für Denkmalpflege listet ein Reihengräberfeld der Merowingerzeit um die Doppelvilla von 1925, Altstadtstraße 7/9, auf:[12]
Aktennummer | D-6-5927-0011 |
Beschreibung | Reihengräberfeld der Merowingerzeit |
Verfahrensstand | Benehmen nicht hergestellt |
Denkmalart | Bodendenkmal |
Lage | Siehe Webseite: [12] |
Die Franken besiegten die Thüringer 531 nach Christus und überlagerten daraufhin auch die erste Schweinfurter Siedlung. Damit war die Christianisierung verbunden, die in Franken Ende des 7. Jahrhunderts einsetzte. Die Wüstung der Kilianskirche am Westrand der ersten namentlichen Schweinfurter Siedlung weist darauf hin.
Im Jahr 791 wurde Schweinfurt erstmals im Codex Edelini des Klosters Weißenburg als „Suuinfurtero marcu“ urkundlich erwähnt, in dem Besitzungen des Klosters vier Jahrzehnte zuvor aufgeführt worden waren.[13]
Ferner zeugen von der ersten Schweinfurter Siedlung Funde von 800 bis 1200 nach Chr. aus dem Früh- und Hochmittelalter.[4] Im Jahr 2020 fand man neben dem bandkeramischen Langhaus in der Mainberger Straße in einer darüberliegenden Schicht erwartete Funde aus dem frühen und hohen Mittelalter. Ein aus Stein gemauerter Keller war der Überrest eines Fachwerkhauses aus der Zeit um 1200. Werkzeuge und ein Kamm zeugen vom Leben der früher Schweinfurter.[4][14] Eine durchgehende Besiedlung dieses Areals von der Bandkeramik bis zum Beginn des Frühmittelalters ist nicht nachgewiesen.[4]
Die Markgrafen von Schweinfurt errichteten im 10. Jahrhundert ihre Stammburg auf der Peterstirn oberhalb des Höllentals, unweit östlich von Suuinfurtero marcu bzw. Suuinfurte.[11]
Wandel im Spätmittelalter
1263/65 wurde das heruntergekommene Benediktinerkloster an der Peterstirn samt dem Dorf Altstadt auf Betreiben des Würzburger Bischofs Iring von Reinstein-Homburg dem Deutschen Orden übergeben.
1437 erwarb die Reichsstadt Schweinfurt vom Deutschen Orden das Dorf Altstadt, die Peterstirn und weitere Dörfer und Ländereien mit allen vogteilichen Rechten.[15] Die Bürger dieser Orte erhielten kein Bürgerrecht, sondern waren Untertanen des Stadtstaates.[11] Der FC Altstadt Schweinfurt (siehe Einleitung) trägt nicht die blau-weißen Farben der Reichsstadt Schweinfurt, sondern das Weiß-Schwarz des Deutschen Ordens.
Angaben vom Landesamt für Denkmalpflege
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege führt die erste Schweinfurter Siedlung wie folgt auf.[3]
Aktennummer | D-6-5927-0009 |
Beschreibung | Untertägige Siedlungsteile des frühen, hohen und späten Mittelalters im Bereich der Stadtwüstung „Altstadt“ in Schweinfurt |
Verfahrensstand | Benehmen nicht hergestellt |
Denkmalart | Bodendenkmal |
Lage | Siehe Webseite, oberer Bereich: [3] |
Weinbau
In Suinuurde bzw. Suuinfurtero marcu wurde schon vor über 1000 Jahren Weinbau betrieben.[16] Ein Kloster aus dem Elsass bestellte im 8. Jahrhundert Wein aus Suinuurde.[16]
Ausdehnung der Stadtwüstung „Altstadt“
Die Funde von 2020 in der Mainberger Straße aus dem frühen und hohen Mittelalter im Westen und die aus der Eisenzeit von 2019 im Osten der Straße liegen 300 Meter voneinander entfernt. Das durch die beiden Fundorte begrenzte, langgestreckte Areal deckt sich ziemlich genau mit dem Gebiet, das im bayerischen Urkataster (1808–1864) mit „Unterer Altstadt“ bezeichnet wurde, mit eingezeichneten Gärten und Weinbergen.[2] Zudem wurde in jenem Kataster ein kleineres nördliches Weinbergsgebiet zwischen der heutigen Mainberger Straße und der Altstadtstraße, unmittelbar östlich des Reihengräberfeldes aus der Merowingerzeit, mit „Oberer Altstadt“ bezeichnet. Das frühmittelalterliche Schweinfurt lag damit zu beiden Seiten der heutigen Mainberger Straße.
Die Stadtwüstung „Altstadt“ hatte unter Berücksichtigung aller vorgeschichtlichen, früh- und hochmittelalterlichen Funde (Stand Januar 2021) folgende Ausdehnung: von der Kilianskirche im Westen bis zum Fuß des Burgbergs Peterstirn im Osten 950 Meter, entlang des Mains, nahezu genau zwischen Stromkilometer 333 und 334 mit einer Fläche von etwa 20 Hektar.[17]
Aufgabe der Siedlung
Die heutige Altstadt rund um den Marktplatz entstand im 12. Jahrhundert,[18] in der Zeit der Staufer.[7] Sie wurde einen halben Kilometer westlich des Dorfs Altstadt, jenseits des Marienbachs, errichtet. Hierzu gibt es zwei Ansichten: die einer allmählichen Verlagerung der alten Siedlung und die einer Gründungsstadt in Konkurrenz zu dieser durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa (regierte 1152–1190) als Civitas Imperii (Reichsstadt).[11] Dort liefen wichtige Handelsstraßen zusammen.
Bis 1524 waren alle Bewohner des Dorfs Altstadt übergesiedelt, das danach verfiel.[19]
Heutige Situation
Das Gebiet des einstigen Dorfs Altstadt wurde im 19. Jahrhundert mit dem Stadtbahnhof und einer Fabrik bebaut (siehe: Nordöstlicher Stadtteil, Alte Bahnhofstraße) sowie in den 1980er Jahren mit einem Behördenzentrum. Daneben wurden im Areal vorwiegend Villen und Einfamilienhäuser unterschiedlicher Epochen errichtet.
In und um dieses Gebiet gibt es heute zwölf Straßennamen, die direkt oder indirekt auf das frühmittelalterliche Schweinfurt hinweisen: Abt-Burkhard-Straße, Altstadtstraße, An der Peterstirn, Babenbergerstraße, Deutschfeldstraße, Eilastraße, Frankenstraße, Graf-Berthold-Straße, Hezilostraße, Judithstraße, Kiliansberg und Markgrafenstraße.
Gesamtausdehnung Schweinfurts um 1500
Das östlich der Reichsstadt gelegene früh- und hochmittelalterliche Schweinfurt hatte um 1500 eine Gesamtausdehnung von 1,18 Kilometern,[20] gemessen von der Kilianskirche über die Peterstirn bis zum erhaltenen östlichen Burggraben einer einstigen Reichsburg unbekannten Alters (mittelalterlicher Burgstall)[21] am Beerhüterturm.[11]
Das ergibt eine Gesamtausdehnung Schweinfurts um 1500, einschließlich der bereits erweiterten Reichsstadt, von 2,23 Kilometern,[20] parallel zum Main, ausgehend von der westlichen Stadtmauer der Reichsstadt (an der Lieferanteneinfahrt der Galeria Kaufhof) am ehemaligen Spitaltor.
Das Stadtmodell soll nach Osten bis zur Peterstirn nahezu auf diese Distanz erweitert werden.
Weblinks
Einzelnachweise
- Dr. Wolf-Armin Freiherr von Reitzenstein, Lehrbeauftragter für bayerische Namenkunde der Ludwig-Maximilians-Universität München, in: Peter Hofmann: schweinfurtfuehrer.de/Woher kommt der Name Schweinfurt? Abgerufen am 13. Mai 2020.
- BayernAtlas: Urkataster (1808–1864) Bereich „Untere Altstadt“. Abgerufen am 2. Februar 2021.
- Bayerischer Denkmal-Atlas/Stadtwüstung "Altstadt". Abgerufen am 3. Februar 2021.
- mainpost.de: Schweinfurt: Bandkeramiker brachten Ackerbau und Viehzucht, 24. Juli 2020. Abgerufen am 24. Juli 2020.
- Lage des Fundorts im BayernAtlas (das betreffende Grundstück wurde rot markiert). Abgerufen am 30. Januar 2021.
- Bayerischer Denkmal-Atlas/Siedlung und Gräber der Linearbandkeramik sowie Siedlungen der späten Bronzezeit und der Hallstattzeit. Abgerufen am 3. Februar 2021.
- mainpost.de: Die erste Schweinfurter Siedlung war ein Fischerdorf, 10. Mai 2019. Abgerufen am 11. Mai 2020.
- Lage des Fundortes im BayernAtlas (das betreffende Grundstück wurde rot markiert). Abgerufen am 30. Januar 2021.
- Bayerischer Denkmal-Atlas/Siedlung der späten Latènezeit. Abgerufen am 3. Februar 2021.
- Bayerischer Denkmal-Atlas/Siedlung vorgeschichtlicher Zeitstellung. Abgerufen am 4. Februar 2021.
- Historisches Lexikon Bayerns: Schweinfurt, Reichsstadt. Abgerufen am 30. Januar 2021.
- Bayerischer Denkmal-Atlas/Reihengräberfeld der Merowingerzeit. Abgerufen am 4. Februar 2021.
- Schweinfurt|Stadt|Kultur|Themen. Publikation des Schweinfurter Tagblatts und Sonderausgabe für das Handelsblatt und die ZEIT: Mikro-Schauplatz der deutschen Geschichte, 20. Mai 2009, S. 4 f.
- mainpost.de: Ausgrabungen: Einblicke in den Alltag der Ur-Schweinfurter, 24. Juni 2020. Abgerufen am 30. Januar 2021.
- Peter Hofmann: schweinfurtfuehrer.de/Schnellübersicht Geschichte. Abgerufen am 2. Februar 2021.
- mainpost.de: Zurück zum Wein, 26. September 2014. Abgerufen am 31. Januar 2021.
- BayernAtlas: Topografische Karte Bereich Schweinfurt-Ost (die ungefähre Fläche der Stadtwüstung „Altstadt“, unter Einbeziehung der Funde Stand Januar 2021, wurde rot markiert). Abgerufen am 4. Februar 2021.
- Peter Hofmann: schweinfurtfuehrer.de/Geschichte der Stadt Schweinfurt. Abgerufen am 24. Mai 2019.
- Hubert Gutermann: Alt-Schweinfurt. 12. überarbeitete Auflage. Mediengruppe Main-Post, Würzburg 2006, ISBN 3-925232-22-2, S. 112.
- Gemessen im BayernAtlas, im historischen und aktuellen Katasterplan
- Bayerischer Denkmal-Atlas/Burgstall und Klosterwüstung des frühen bis späten Mittelalters. Abgerufen am 3. Februar 2021.