Stierkampf
Als Stierkampf (spanisch toreo, corrida de toros oder tauromaquia von griechisch ταυρομαχία; portugiesisch tourada, corrida de touros oder tauromaquia) bezeichnet man die rituelle Tötung eines Kampfstieres.
Die bekanntesten Stierkämpfe finden in Spanien statt, aber auch in Portugal, Südfrankreich sowie in ehemaligen spanischen Kolonien und spanisch beeinflussten Regionen in Lateinamerika. Eine nicht-tödliche Version wird als Erbe portugiesischer Vergangenheit auf der tansanischen Insel Pemba gepflegt.[1] Je nach Region gelten unterschiedliche Regeln. Stierkämpfe sind unter Aspekten der Moral und des Tierschutzes umstritten.
Im spanischen Stierkampf, der corrida („Rennen“), wird der Stierkämpfer Torero (von toro = „Stier“) genannt. Der Stierkampf findet in einer Stierkampfarena (Plaza de Toros) statt, die meist ausschließlich diesem Zweck dient. Das wesentliche Element des Stierkampfes ist die Form der Durchführung, das Ritual, das mit ihm einhergeht. Meist treten bei einer Corrida drei Matadore (= „Töter“) und sechs Stiere auf. Ein Kampf dauert etwa 20 Minuten. Bei rund 1700 corridas (Stand 2015) und in der Regel 6 Tieren pro Veranstaltung ist die Zahl der dabei getöteten Stiere auf etwa 10.000 im Jahr zu schätzen. Angesichts dieser hohen Zahl von in aller Öffentlichkeit getöteten Stiere und des gesamten blutigen Schauspiels gibt es seit geraumer Zeit in Europa, aber auch in Spanien selbst, Widerstände gegen diese Art von Spektakeln. Auf den Kanaren wurde das Töten bereits abgeschafft.[2]
Geschichte
Der älteste Beleg stammt aus dem Jahr 1215, als eine Bischofssynode unter der Leitung des Bischofs von Segovia Priestern in den Städten Cuéllar, Coca, Sepúlveda und Pedraza die Teilnahme an „Bullenspielen“ (juegos de toros) untersagte.[3] Ein literarischer Beleg des Stierkampfes findet sich in dem nur noch als Prosatext überlieferten Epos der Siete Infantes de Lara (um 1280). Reste der mittelalterlichen Corrida haben sich noch im Rejoneo erhalten.
Die heutige Art des Stierkampfes (etwa Kampf auf Augenhöhe und nicht mehr vom Pferd aus, Verwendung der Muleta, Tötung mit einem einzigen Stich) wurde im frühen 18. Jahrhundert durch Francisco Romero (1700–1763), dem ersten professionellen Stierkämpfer, entwickelt. Die erste steinerne Stierkampfarena Spaniens befindet sich bei der Stadt Béjar und wurde in den Jahren 1711 bis 1714 gebaut. Per Gesetz hatte Philipp V. im Jahr 1700 den (damals noch ausschließlich von Adeligen betriebenen) Stierkampf untersagt. Aufgehoben wurde Philipps Erlass 1725.[4] Auch unter König Karl IV. (regierte von 1788 bis 1808) war der Stierkampf verboten, sein Nachfolger Ferdinand VII. erlaubte ihn jedoch wieder. Im Jahr 1796 wurden in der Schrift Tauromaquia des Matadors José Delgado erstmals die Regeln beschrieben, nach denen der spanische Stierkampf im Wesentlichen bis heute durchgeführt wird. Im Jahr 1830 gründete Pedro Romero, ein 1754 geborener Enkel Francisco Romeros, in Sevilla die erste Stierkampfschule. Ein weiterer Star des Stierkampfes war der ebenfalls 1754 geborene José Delgado, genannt „Pepe Hillo“.[5]
Wirtschaftliche Bedeutung
Mit dem Stierkampf sind in Spanien etwa 200.000 Arbeitsplätze verbunden. Insgesamt wurde bis 2007 jährlich ein Umsatz von 1,5 Milliarden Euro generiert.[6] Seitdem ist die Zahl der Veranstaltungen jedoch zurückgegangen: 2007 waren es 3700, 2008 waren es noch 3295, im Jahr 2012 war die Zahl auf unter 2000 gesunken,[7] 2015 waren es nur rund 1700.[8]
Im Jahr 2015 wurden in Spanien 425 Stierkampfarenen (Plazas de Toros) gezählt. Im überwiegenden Teil dieser Arenen werden ein bis zwei Stierkampfveranstaltungen pro Jahr veranstaltet, sechs Arenen liegen im zweistelligen Bereich.[9] Es gibt rund 75 Veranstalter von Corridas in Spanien. Größte Arena ist die Plaza Las Ventas in Madrid, deren Betreibergesellschaft 400 Angestellte beschäftigt (Stand 2006) und pro Jahr 5 Millionen Euro Konzessionsgebühr an die Stadt zahlt.[10]
In Spanien gibt es etwa 1500 Zuchtbetriebe von Kampfstieren – vor allem in Andalusien, Kastilien und León und Extremadura –, die in fünf Dachverbänden organisiert sind.[11] Trotz des hohen Umsatzes der spanischen Stierkampfarenen sind nur wenige Zuchtbetriebe profitabel. Es kostet etwa 3.500 Euro, einen Stier aufzuziehen. Für die bei einer Corrida verwendeten sechs Stiere werden von großen Stierkampfarenen wie in Madrid oder Sevilla bis zu 150.000 Euro gezahlt. Etwa 20 Prozent der jedes Jahr auf den Markt kommenden Stiere werden zu diesen hohen Preisen verkauft. Die übrigen Stiere, die entweder von ihrem Temperament nicht geeignet sind oder physische Makel aufweisen, werden entweder an kleinere Stierkampfarenen in der Provinz oder an Schlachter verkauft.
Der Torero
Torero ist ein Oberbegriff für alle Teilnehmer einer Corrida, also matador bzw. novillero, banderilleros sowie picadores.
Hauptfigur des Stierkampfes ist der matador de toros (deutsch: „Stiertöter“). Ein matador beginnt als novillero (deutsch: „Neuling“, „Novize“). In dieser Zeit kämpft er mit Jungstieren (spanisch novillos). Erreicht er ein gewisses Niveau und hat er genügend Corridas als Novillero bestritten, so wird er in einer besonderen Zeremonie (spanisch alternativa‚ „Wechsel“) in den Rang eines Matador de Toros erhoben – fortan darf er gegen ausgewachsene Kampfstiere kämpfen. Pro Jahr werden in der Madrider Escuela de Tauromaquia etwa hundert Schüler für eine vierjährige Ausbildung zum Torero aufgenommen. In Spanien gilt ein Lebensalter von 16 Jahren als Minimum. Mexikanische Kämpfer können erheblich jünger sein.[12] Seit 1968 (in Spanien seit 1979) sind auch einige weibliche Matadore in Erscheinung getreten. Eine der bekanntesten von ihnen ist Cristina Sánchez (aktiv 1993–1999).
Im 18. und 19. Jahrhundert war wirtschaftliche Not häufig der Grund, warum sich junge Männer in der Arena dem Stier stellten. Sie entstammten häufig der Landbevölkerung oder gehörten Minderheiten wie Sinti oder Roma an. Toreros, die heute in den großen Arenen auftreten, erhalten eine Gage von rund 50.000 bis 100.000 Euro und genießen zum Teil großes gesellschaftliches Ansehen. Einzelne Toreros erhalten bis zu 180.000 Euro für ihren Auftritt.[13]
Toreros kommen beim Stierkampf in Spanien selten zu Tode. In den Jahren 1984 und 1985 starben zwei Matadore (Francisco Riviera Perez, genannt „Paquirri“, † 26. September 1984 in Pozoblanca[14] und Jose Cubero Sanchez, genannt „El Yiyo“, † 30. August 1985 in Colmenar Viejo).[15] 1992 kamen zwei Banderilleros bei Stierkämpfen in Spanien zu Tode (Manolo Montoliu, * 5. Januar 1954 in Valencia, † 1. Mai 1992 in El Arenal, Sevilla,[16] und Ramón Soto Vargas, * 6. März 1951 in Camas, Sevilla, † 13. September 1992 in El Arenal, Sevilla).[17] Am 9. Juli 2016 wurde der 29-jährige Víctor Barrio (* 29. Mai 1987 in Grajera, Segovia)[18] von dem Stier Lorenzo bei einer Corrida in Teruel in Aragonien in die Luft geschleudert und das Horn durchbohrte sein Herz.[19][20]
Berühmte Stierkämpfer (matadores célebres) wurden geehrt mit dem Titel „Califa“ („Kalif“):
- 1. „Lagartijo“ Rafael Molina Sánchez, aktiv 1865–1893*
- 2. „Guerrita“ Rafael Guerra Bejarano, aktiv 1887–1899
- 3. „Machaquito“ Rafael González Madrid, aktiv 1900–1913
- 4. „Manolete“ Manuel Rodrígez Sánchez, aktiv 1939–1947
- 5. „El Cordobés“ Manuel Benítez Pérez, aktiv 1960–2000
Um andere gibt es verschiedene Legenden:
- Pedro Romero (1754–1839) wird nachgesagt, er habe den Stierkampf als erster als Kunstform begriffen. Bis zu seinen Tod soll er mehr als 6000 Stiere getötet haben. Er war Vorbild für Hemingways gleichnamige Figur des Pedro Romeroas.[21]
- Luis Miguel Dominguín, aktiv 1944–1973
- Antonio Barrera, aktiv seit 1997
- „Joselito“, José Gómez Ortega, aktiv 1912–1920
- Juan Belmonte, aktiv 1913–1936
Kampfplatz
Der Kampfplatz (ruedo), dessen Boden mit Sand bedeckt ist, ist rund und muss nach dem Reglement einen Durchmesser zwischen 45 und 60 Metern aufweisen. Er ist von der barrera umgeben, einer 1,60 Meter hohen Abgrenzung aus Holzbrettern. Diese hat mehrere Tore, meistens sind es vier: das Haupttor (puerta grande), die puerta de toriles (durch die die Stiere das Rund betreten), die puerta de arrastre (durch die die toten Stiere herausgezogen werden) und die puerta de caballos (durch die die picadores in die Arena einreiten). Außerdem hat die barrera meist vier offene Durchgänge, die jeweils durch eine davor stehende Bretterwand (burladero) geschützt werden, hinter die sich die Stierkämpfer vor dem Stier flüchten können. Um auf der Flucht vor dem Stier die barrera notfalls überspringen zu können, verfügt diese auf 40 cm Höhe über einen Fußbalken.
Zwischen der barrera und den Zuschauerrängen liegt ein schmaler Gang (callejón), in dem sich während der corrida die gerade nicht aktiv beteiligten Stierkämpfer und andere Personen (z. B. die Manager der Toreros, Reporter etc.) aufhalten.
Ablauf der „Corrida de toros“
Zu Beginn der Veranstaltung ziehen die Beteiligten in die Arena ein und präsentieren sich dem Publikum. Es sind diese: der matador (Stiertöter), die picadores (Lanzenreiter, wörtlich „Hauer‚ Stecher“) und die banderilleros (von banderilla‚ „geschmückte Stechlanze“). Diese erste Phase nennt man den paseillo. Zu jedem matador gehören zwei picadores und drei banderilleros, die zusammen mit dem matador dessen cuadrilla bilden.
Zwei Reiter, die alguacilillos, erbitten symbolisch den Schlüssel zur Puerta de los Toriles, dem Tor der Kampfstiere, vom Präsidium. Dieses, dessen Präsident die Autorität erhalten hat, Stierkämpfe durchführen zu lassen, wacht über den Kampf. Gemäß den Reglements sollte dies der Präsident, der Bürgermeister oder der Polizeichef der Stadt sein; jedoch ist diese Position unbeliebt, sodass häufig ein anderer Beamter das Amt übernimmt. Der Präsident stellt die höchste Autorität in der Arena dar und entscheidet über Ablauf, Wertung und eventuelle Strafen. Als Berater stehen dem Präsidenten ein Veterinär und ein „technischer Berater“ (asesor técnico en materia artístico-taurina), bei dem es sich um einen ehemaligen Stierkämpfer oder eine anderswie besonders mit dem Stierkampf vertraute Person handeln muss, zur Seite.
Zeigen sich in der Arena bei einem Stier offensichtliche Gebrechen oder legt er ein Verhalten an den Tag, das den normalen Ablauf der corrida unmöglich macht, ordnet der Präsident an, ihn in die Stallungen (corrales) zurückzubringen. Dies geschieht dadurch, dass eine Herde Ochsen in die Arena getrieben wird, mit denen der Stier in der Regel von sich aus in die Stallungen zurückkehrt. In diesem Fall wird der Stier durch einen Ersatzstier, den sobrero, ersetzt. Kann der Stier nicht in die Stallung zurückkehren (z. B. weil er sich schwer verletzt hat), wird er in der Arena durch einen Dolchstoß ins Genick getötet. In diesem Fall wird kein sobrero eingesetzt.
Der eigentliche Kampf besteht aus drei Teilen, den tercios (Dritteln), die durch Hornsignale voneinander getrennt werden.
Erster Teil
Das erste Drittel (Tercio de varas) beginnt damit, dass der Stier die Arena betritt. Meist läuft er im leeren Rund etwas umher, bevor der Matador die Arena betritt. Manchmal empfängt der Matador jedoch sofort den in die Arena laufenden Stier kniend mit der capote (einem großen, meist außen purpurroten und innen gelben Tuch) und nutzt diese, um den angreifenden Stier an sich vorbeizulenken (porta gayola).
Im weiteren Verlauf verwendet der Matador die capote, um den Stier zu zitieren, aufzunehmen und seinen Ansturm zu mäßigen. Dabei ist es seine Hauptaufgabe, den Stier zu „lesen“, also die individuelle Verhaltensweise des Stieres in Bezug auf Angriffs- und Bewegungsablauf zu studieren und entsprechend sein eigenes Vorgehen für den dritten Teil des Kampfes festzulegen. Bereits in diesem frühen Stadium offenbaren sich die Fähigkeiten (capacidades) des Stieres und die Möglichkeiten (posibilidades) des eigentlichen Kampfes zwischen Stier und Matador im letzten Drittel der Begegnung. Nach einigen capotazos (Angriffen des Stiers auf den capote) ertönt ein Hornsignal, mit dem das Einreiten von zwei Lanzenreitern (den picadores) angekündigt wird.
Nun locken banderilleros den Stier mit der capote vor einen burladero und halten ihn mit Bewegungen des Tuches dort, damit die picadores ungefährdet einreiten können. Wenn die picadores die vorgesehenen Plätze eingenommen haben, wird der Stier durch weitere Manöver mit der capote so positioniert, dass er voraussichtlich das Pferd des an der Reihe befindlichen Reiters angreifen wird.
Die Aufgabe der picadores, ist es, den Stier mit einem Lanzenstoß (puyazo) im Nackenbereich zu verwunden. Seit 1928 sind die Pferde durch eine peto genannte Polsterung geschützt. Je nach Stierkampf kann auch nur ein Picador eingesetzt werden. Die Distanz zwischen Stier und Picador vor dem Angriff ist durch zwei konzentrische Kreidekreise markiert, die in einem Abstand von zwei Metern in den Sand gezeichnet sind. Im ersten Drittel geht es darum, die Tapferkeit und Angriffslust des Stieres zu zeigen, der mehrmals angreifen soll, obwohl er dabei bestraft wird. Die verwundete Nacken- und Schultermuskulatur zwingt den Stier zum Absenken des Kopfes, was die spätere Tötung durch den Matador mit dem Degen erst ermöglicht. Das Publikum begleitet die Arbeit der Picadores häufig mit Pfiffen und Buh-Rufen, wenn einem als wenig oder mittelmäßig befähigt beurteilten Stier allzu sehr zugesetzt wird. Während der Verwundung des Nackens dürfen die Picadores dem Stier den Ausweg zur Mitte der Arena nicht versperren, sonst droht eine Strafe durch den Präsidenten.
Lässt der Stier nicht von sich aus vom Pferd ab, wird er von einem Stierkämpfer mit weiteren Manövern mit der capote (quites) weggelockt und für einen neuen Angriff auf das Pferd in Position gebracht.
Die Entscheidung über das Ende des tercios und den Wechsel ins nächste liegt beim Präsidenten. In der Regel erfolgt der Wechsel in großen Arenen der ersten Kategorie nachdem der Stier von zwei puyazos verwundet wurde.
Zweiter Teil
Im zweiten Teil treten die sogenannten banderilleros auf, deren Aufgabe es ist, dem Stier jeweils ein Paar lange, mit bunten Bändern versehene Spieße (banderillas) so in den Rücken zu stechen, dass sie hängen bleiben. Zu diesem Zweck sind die banderillas mit Widerhaken versehen. Entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg der Banderilleros ist die colocación (Platzierung) der Spieße. Ziel ist es, die Muskeln zwischen den Schulterblättern des Stieres zu verletzen und zu schwächen, ohne jedoch den späteren Zugang für den finalen tödlichen Stoß des Matadors zu versperren.
Hierzu ziehen die Banderilleros die Aufmerksamkeit des Stieres durch Zurufe und Bewegungen auf sich. Dies ist die einzige Situation, in welcher der Stier in seinem Angriffsverhalten auf das Erscheinungsbild eines Menschen gelenkt wird. Bei der Aufzucht des Stieres wird darauf geachtet, dass eine solche Situation in keinem Fall eintritt.
Der Angriff des Stieres wird vom Banderillero genutzt, indem er im richtigen Moment seinen nach hinten gespannten Körper vorschnellen lässt und die in den erhobenen Händen gehaltenen Banderillas in den Nacken des Stieres stößt. Dann flieht er aus der Angriffsrichtung des Stieres und versteckt sich hinter der hölzernen Barriere der Arena, um eine erneute Attacke des Stieres zu verhindern.
Die drei banderilleros der cuadrilla unternehmen immer nur einen Versuch, danach wechseln sie sich ab, bis es ihnen gelungen ist, den Stier mit vier banderillas zu verletzen.
Wenn der Stier im ersten tercio das Pferd nicht angreift und ihm deshalb keine puyazos versetzt werden konnten, ordnet der Präsident an, dass ihm im tercio de banderillas zunächst ein Paar banderillas negras (schwarze Banderillas) oder banderillas de castigo (Strafbanderillas) gesetzt werden. Diese Banderillas haben acht Zentimeter lange Widerhaken und werden tief in den Stier gestochen.
Dritter Teil („Faena“)
Im dritten und wichtigsten Teil des Stierkampfes, der faena (etwa Arbeit), sind nur noch der Matador, ausgerüstet mit einem kleineren dunkelroten Tuch, der muleta, und einem Degen, und der Stier in der Arena.
Häufig beginnt dieses tercio damit, dass der matador den bevorstehenden Tod des Stiers jemandem widmet (brindis). Dies ist in der Regel eine in der Arena anwesende Person. Er tritt dann an die Umgrenzung des Kampfplatzes, spricht ein paar Worte und wirft seinen Hut, die montera, der betreffenden Person zu. Häufig wird der Stier auch der Zuschauerschaft insgesamt gewidmet (brindis al público). Hierzu tritt der matador in die Mitte der Arena, nimmt die montera ab, hält diese in der Hand des ausgestreckten rechten Arms und dreht sich einmal um die eigene Achse. Dann lässt er die montera auf den Boden der Arena fallen. Heute ist es anders als zu früheren Zeiten nicht mehr üblich, dass sich die Zuschauer während des brindis al público von ihren Sitzplätzen erheben. Eine weitere Form des brindis ist die Widmung an einen Verstorbenen (brindis al cielo). Während des brindis ist es (wie beim Einreiten der picadores) die Aufgabe der banderilleros den Stier vor einem der burladeros zu halten.
Ziel des Matadors ist es, den Stier und seine individuellen Eigenschaften zu nutzen, um den eigenen Mut, Respekt, aber auch seine eigene Überlegenheit zu beweisen. Bringt der schwer verletzte Stier den Matador tatsächlich in eine gefährliche Situation, so eilen Helfer herbei, um den Stier abzulenken.
Der Matador reizt den Stier mit der muleta zu einem Angriff, wobei er selbst dem Stier ausweicht. Hierbei werden vom Matador tradierte Figuren und Bewegungsabläufe ausgeführt. Von Anhängern des Stierkampfes wird dieser Teil des Kampfes mit einem menschlichen Tanz verglichen, wozu auch die häufig in dieser Phase gespielte Musik, der Paso Doble, beiträgt. Die Bewegungsabläufe und Figuren sind in der Tradition des Stierkampfes festgelegt. Ziel ist es, mehrere Angriffe des verletzten Stiers auf das Tuch zu provozieren. Der Matador führt diese Phase solange fort, bis entweder die Kondition des Stiers erschöpft ist, oder nach zehn Minuten ein Hornsignal ertönt (primer aviso), das den Stierkämpfer daran erinnert, dass der Stier zur Strecke zu bringen ist.
Es folgt die Tötung des Stiers. Steht der erschöpfte Stier mit den Vorderhufen in paralleler Stellung, wird er erneut mit der muleta abgelenkt. Dabei senkt der matador die muleta ab, damit der Stier mit tief gesenktem Kopf angreift. Ziel ist es, den bis zu 88 Zentimeter langen Degen von oben möglichst bis zum Heft zwischen die entblößten Schulterblätter des Stiers stoßen, und das Herz oder die Aorta zu verletzen.
Dieses Manöver wird solange wiederholt, bis der Degen tief genug eingedrungen ist. Steckt der Degen vollständig im Stier, reizen die banderilleros mit ihren capotes den Stier zu schnellen Hin- und Her-Bewegungen des Kopfes, um ihn zusätzlich zu erschöpfen und dafür zu sorgen, dass der im Stier steckende Degen weiteren Schaden anrichtet. Schließlich fällt der Degen dadurch auf den Boden oder wird wieder herausgezogen. Der matador und seine banderilleros warten dann, bis der Stier aufgrund des Blutverlustes so geschwächt ist, dass er zu Boden sinkt. Dann tritt ein banderillero an ihn heran und erlöst das Tier mit einem Dolchstoß ins Genick von seinen Qualen.
Hält sich der Stier nach der estocada noch länger auf den Beinen und ist nicht abzusehen, dass er zusammensinkt, erfolgt dieser Todesstoß durch den matador. Er tritt vor das Tier und versucht ihm einen speziellen Degen (estoque de descabellar) ins Genick zu stechen. Nicht selten gelingt dies nicht beim ersten Versuch, sondern es sind mehrere Stiche nötig, was vom Publikum regelmäßig mit Pfiffen und Buh-Rufen bedacht wird.
Drei Minuten nach dem primer aviso ertönt als Ermahnung ein weiteres Hornsignal (segundo aviso), wenn der Stier immer noch nicht tot ist. Höchst selten kommt es zwei Minuten später zum dritten Signal (tercer aviso). In diesem Moment hat der matador mit seinen banderilleros die Arena zu verlassen. Je nach Zustand des Stiers wird dieser in die Stallungen zurückgebracht oder in der Arena getötet.
Ehrungen für Stier und „Matador“
Eventuelle Ehrungen für Stier und matador hängen maßgeblich von der Reaktion des Publikums ab. Insgesamt sind sechs Verhaltensweisen des Publikums von Bedeutung: Am deutlichsten wird Missfallen mit Pfiffen (pitos) ausgedrückt, gefolgt von Murren und Stille (silencio). Zustimmung wird mit leichtem Klatschen (palmas), Ovationen (ovaciones) und schließlich Ovationen im Stehen (ovaciones de pie) zum Ausdruck gebracht. Der Wunsch nach Ehrungen für Stier oder matador wird durch das Schwenken von Tüchern zum Ausdruck gebracht.
Sehr selten kommt es zur Begnadigung des Stiers (indulto). Dies geschieht nach dem Reglement, wenn er von seiner Erscheinung und seines Verhaltens während des gesamten Kampfs gezeigt hat, dass er als Zuchtstier zur Verbesserung der Rasse beitragen kann. Voraussetzung dafür, dass der Präsident eine Begnadigung anordnet ist, dass es mehrheitlich vom Publikum und vom matador erbeten wird und dass der Züchter zustimmt. Im Fall der Begnadigung wird der finale Degenstoß dadurch simuliert, dass der matador dem Stier noch eine banderilla setzt.
Eine weitere Form der Ehrung des Stiers ist die Ehrenrunde durch die Arena (vuelta al ruedo), wenn das Publikum dies mehrheitlich verlangt. In diesem Fall wird der hinter Pferde gespannte tote Stier nicht sofort hinausgeschleift, sondern erst nach einer Runde durch die Arena.
Ehrungen für den matador sind der Gruß ans Publikum (saludo), die Ehrenrunde und die Überreichung von einem oder beiden abgeschnittenen Ohren des toten Stiers. Darüber, ob er das Publikum aus der Arena grüßt oder eine Ehrenrunde dreht, entscheidet der matador je nach Beifall des Publikums selbst. Ein Ohr (oreja) erhält er, wenn dies vom Publikum (durch das Schwenken von Tüchern) mehrheitlich verlangt und vom Präsidenten signalisiert wird. Ob der matador sogar beide Ohren erhält, entscheidet der Präsident unter Beachtung des Wunsches des Publikums. Bei ganz außergewöhnlichen Leistungen kann er ihm außerdem den Schwanz (rabo) des Stiers zugestehen.
Hat ein matador während einer corrida mindestens zwei Stierohren erhalten, wird er zum Abschluss der Veranstaltung auf den Schultern seiner banderilleros durch das geöffnete Haupttor aus der Arena herausgetragen (salida a hombros, salida por la puerta grande oder einfach puerta grande). Die puerta grande in der Arena Las Ventas (Madrid) gilt als das Größte, was ein Stierkämpfer in seiner Karriere erreichen kann.
„El rejoneo“
Bei der corrida de rejones oder kurz rejoneo handelt es sich um eine Corrida, die komplett zu Pferd ausgetragen wird. Der Name leitet sich ab vom Rejón, einer Art Lanze, mit der der rejoneador (= Gegenstück zum Matador) den Stier tötet. Der Ablauf entspricht in etwa dem einer regulären Corrida und ist auch in drei Drittel (tercios) eingeteilt. Allerdings werden alle tercios von einem einzigen rejoneador absolviert, der lediglich die Pferde wechselt. Im ersten Drittel werden dem Stier längere rejones gesetzt, im zweiten Drittel kürzere banderillas und im letzten Drittel soll er durch einen Lanzenstoß zwischen die Schulterblätter getötet werden.
Die Stierhörner sind beim rejoneo abgeschliffen, um Verletzungen der Pferde zu vermeiden, die sehr beweglich sein müssen und deshalb anders als die der picadores bei der regulären Corrida nicht durch eine Polsterung geschützt werden können.
Stierkampfarenen
In Spanien werden die Stierkampfarenen (plazas de toros) in drei Kategorien eingeteilt. Für jede Kategorie müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Zur ersten Kategorie zählen zurzeit folgende neun Arenen: Las Ventas in Madrid, Real Maestranza in Sevilla, Vista Alegre in Bilbao, die Plaza de Toros de Valencia, La Misericordia in Saragossa, die Plaza de Toros de Pamplona, La Malagueta in Málaga, Los Califas in Córdoba und Illumbe in San Sebastián.
Musik („Paso Doble“)
Die bekannte Stierkampfmusik, der Paso Doble, ertönt bei folgenden Gelegenheiten:
- beim Einmarsch der Toreros,
- wenn der Matador die Banderillas im zweiten Drittel selbst platziert,
- wenn die Faena im letzten Drittel das Publikum begeistert. Die Musik soll hier den Matador animieren,
- wenn der Matador eine Ehrenrunde abgeht,
- wenn die Corrida zu Ende ist.
Die Gepflogenheiten sind aber von Arena zu Arena unterschiedlich. In der Arena von Las Ventas (Madrid) etwa wird während des letzten Drittels keine Musik gespielt.
Stierkampf in Frankreich („Courses de taureaux“ = Stierrennen)
In Südfrankreich gibt es ebenfalls Stierkämpfe nach spanischen Regeln. In über 60 südfranzösischen Städten finden Stierkämpfe statt, bei denen die Stiere getötet werden. Das französische Tierschutzgesetz verbietet zwar die Quälerei von Tieren, lässt aber die courses de taureaux als Ausnahme zu.
Außerdem werden in Südfrankreich Stierrennen (courses de taureaux) veranstaltet, bei denen der Stier oder die Kuh nicht getötet werden und bei denen es unblutig zugeht. In der Provence und im Languedoc sind die Courses Camarguaises (Synonyme: Course à la cocarde, Course libre) und in der Gegend um Bordeaux (Landes und Gers) die Course Landaise beliebt.
Hochburg der provenzalischen und camarguischen Stierrennen sind Nîmes, Béziers oder Céret, wo ein- bis zweimal im Jahr eine Woche lang Stierfeste stattfinden, zum Beispiel zur Weinlese. Die Courses à la Cocarde sind ein traditionsreiches Schauspiel, das strengen Regeln unterworfen ist, bei dem der Begriff „Stierkampf“ etwas irreführend wäre – es ist eher ein „Messen“ mit dem Stier, ein Überlisten, Austricksen, bei dem viel Geschick und Einfühlungsvermögen nötig sind, um zum Erfolg, den an den Hörnern befestigten Trophäen zu kommen, Kokarden oder Quasten (cocarde), die zuvor mit Fäden oder Schnüren zwischen den Hörnern befestigt wurden. Die weißgekleideten razeteurs versuchen, dem Stier die Kokarde mit einem stumpfen Haken, dem sogenannten crochet, zu entreißen.
Ein Stierrennen dauert insgesamt etwa zwei Stunden. Je Stier haben die Raseteurs 15 Minuten Zeit, die Kokarden und Quasten zu entreißen (die Cocarde, die Glans an den beiden Hörnern, das Frontal und die Ficelles, also die eng um beide Hörner gewickelten Schnüre). Während des Kampfs befinden sich in der Arena ein Stier, fünf bis elf Raseteurs und die Tourneurs, deren Aufgabe es ist, den Stier für die Raseteurs in die beste Position zu bringen. Für jede Kokarde und jede Quaste, die der Raseteur dem Stier abjagen kann, erhält er einen Geldpreis, der im Verlauf des Kampfes von einigen Hundert auf tausende Euro erhöht werden kann. Die kampfeslustigen Stiere, Barradiers genannt, verfolgen die Raseteurs oft bis an den Rand der Arena, wo sich die jungen Männer nur noch mit einem Sprung über die Bretterwand retten können. Gefürchtet sind Stiere, die kurzerhand hinterher springen. Gelingt es dem Stier, seine Trophäen zu verteidigen, verlässt er nach 15 Minuten als Sieger die Arena, und der nächste Stier ist an der Reihe. Hat sich der Stier wacker geschlagen, wird er wie ein Held gefeiert und für den nächsten Einsatz hoch gehandelt, denn die Stiere werden pro Kampfeinsatz bezahlt, und je berühmter der Stier, desto höher sein Preis. Wie hoch die Stiere geachtet werden, zeigen die Plakate, auf denen die Namen der Stiere immer wesentlich größer als die der Raseteurs gedruckt sind. Manche der Stiere haben in ihrem Leben bis zu hundert Auftritte, und je länger der Stier „dabei“ ist, umso schwieriger wird es, gegen ihn anzutreten. Er lernt mit jedem Mal dazu und wird für die Raseteurs ein immer schwierigerer Gegner.
Selten verlässt ein Kampfstier nicht freiwillig die Arena, in diesem Falle werden speziell abgerichtete Stiere (Simbeu), manchmal auch einfach Kühe eingesetzt, die den hartnäckigen Kämpfer zum Ausgang bewegen, denn auch beim wildesten Stier setzt sich der Herdentrieb durch, und er läuft hinter den Artgenossen her. Nach dem Ende des Spiels folgt La Bandido – die Stiere werden wieder auf ihre Weiden zurückgebracht. Die Stiere der Camargue-Rasse werden für diese Rennen gezüchtet, sie sind schwarz, roh, widerstandsfähig, genügsam, kräftig, durchschnittlich groß und wendig und flink in ihren Bewegungen auf ihren dünnen Beinen. Die Hörner sind lang und in der Regel lyraförmig. Wesentlich athletischer sind die „Course Landaise“.
Stierkampf in Portugal („Corrida de touros“, nordport. „Corrida de toiros“)
Der portugiesische Stil des Stierkampfs (Tourada), bei dem der Stier, seitdem ein Adliger im 18. Jahrhundert dabei zu Tode gekommen ist, nicht mehr zu Tode gebracht[22] wird, unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom spanischen oder französischen Stierkampf.
Der erste Teil eines portugiesischen Stierkampfes wird der Cavaleiro genannt. Dabei werden von einem Reiter (toureiro) vom Pferd (vor allem dem kleinen Lusitano) aus dem Stier Pfeile mit Widerhaken (bandarilhas) im Schulterbereich gesetzt. Diese Reiter stammten früher vorzugsweise aus adligen Familien.
Im zweiten Teil, der Pega, tritt eine Gruppe von acht Männern, die Forcados, ohne Waffe oder Verteidigungsmittel direkt gegen den Stier an. Diese Forcados sind Amateure. Sie stellen sich in einer Reihe hintereinander gegenüber dem Stier auf, und der vorderste Mann reizt den Stier mit Rufen und provozierenden Bewegungen. Er springt dann dem anstürmenden Stier auf den Kopf, genannt pega de cara oder pega de caras (im Gesicht fangen), um ihn sinngemäß bei den Hörnern zu packen. Genaugenommen hält er sich aber am Hals des Tieres fest. Sechs andere Mitglieder einer Gruppe packen den stürmenden Stier ebenfalls am Kopf und ein weiterer am Schwanz, um ihn zum Stehen zu bringen. Obwohl bei dieser Art des Stierkampfes die Hörner des Stieres oft abgeschliffen oder gepolstert werden, kommt es mitunter zu schweren Verletzungen der Forcados.
Der Stier wird nach dem Stierkampf je nach Verletzungsgrad entweder am Leben gelassen und zur Zucht benutzt oder von einem professionellen Fleischer außerhalb der Arena getötet und zerlegt.
Eine der bekanntesten Stierkämpferinnen Portugals ist Sónia Matias. Sie ist die erste Frau, die in Portugal die Alternativa absolvierte.[23]
„Muleta“ – das rote Tuch
Die Stiere reagieren, entgegen einem populären Irrtum, nicht aggressiv auf die Farbe Rot, sondern auf die schnellen Bewegungen, die mit dem Tuch vollführt werden. Die Augen der Stiere, wie die aller Rinder, haben keine Zapfen für rotes Licht und sind dementsprechend „rot-farbenblind“.
Ursprünglich war das muleta genannte Tuch weiß. Da das Blut des Stieres die muleta während der faena, des letzten Drittels der corrida, verfärbte, wurde ihre Farbe der des Blutes angepasst.
Kontroversen
Argumente gegen den Stierkampf
Es werden vier Argumente gegen den Stierkampf ins Feld geführt: Tierquälerei an den Stieren, an den Picador-Pferden und Risiken für die Zuschauer und die Toreros.
Stierkampfgegner betrachten diesen als Tierquälerei. Diese beginne bereits vor der Corrida, wenn die Stiere in Spanien tagelang im Dunkeln eingesperrt und ihnen die Hörner abgeschliffen werden (Afeitado). Der Einschluss in die Arena und die permanenten Reizungen der seitlich verschanzten Picadores blockieren den natürlichen Fluchttrieb des Tieres. Wenn der Stier am Boden liegt, werden ihm als Trophäe Schwanz und Ohren abgeschnitten, ohne dass sein Tod zuverlässig festgestellt wurde.
Kritisiert wird weiterhin das Leiden der im spanischen Stierkampf eingesetzten Picador-Pferde, denen oft Augen und Ohren verbunden werden, um ihren natürlichen Fluchtinstinkt zu verhindern. Trotz Schutzpolsterung kommt es bei ihnen immer noch häufig zu Todesfällen oder schweren Verletzungen, darunter tiefen Fleischwunden und Rippenbrüchen. Ernest Hemingway war der Meinung, dass die Schutzpolsterung unsinnig sei. Ihr einziger Zweck bestehe darin, Stierkampfkritiker zu besänftigen, in Wahrheit führe sie allerdings zu weit komplizierteren Verletzungen beim Pferd, da z. B. durch die Hörner des Stieres verursachte Wunden einfacher zu behandeln wären als die nun häufigeren Zerquetschungen und Trümmerbrüche.
Bei einem Stierkampf in der Stadt Tafalla verletzte im August 2010 ein gereizter Bulle während eines Kampfes etwa 40 Zuschauer.[24] Der Vorfall wurde von Tierschützern zum Anlass genommen, den Stierkampf zu kritisieren.[25] Ein ähnlicher Vorgang ereignete sich im Oktober 2015 in Peru.[26]
Argumente für den Stierkampf
Es werden vier Argumente für den Stierkampf ins Feld geführt: das Argument Tierquälerei treffe nicht zu, Stierkampf sei ein „kulturelles Erbe“,[27] er sichere den Fortbestand der Rasse der Kampfstiere und er diene der Erhaltung der wertvollen Kulturlandschaft der Dehesas, in denen die Tiere gehalten werden. Die Dehesas seien sonst gefährdet, da die traditionellen Weidetiere durch moderne, produktivere Rassen ersetzt würden, deren Futteranspruch aber durch Importfutter gedeckt werden müsse.
Stierkampfbefürworter entgegnen dem Vorwurf der Tierquälerei, dass Kampfstiere nur eine kurze Zeit in der Arena litten, wogegen sie ihr ganzes Leben artgerecht im Freiland verbrächten – was für die meisten Zuchttiere (seien es Kühe, Schweine oder Hühner) nicht zutreffe. Eine Studie aus dem Jahr 2007 weist zudem darauf hin, dass die Schmerzwahrnehmung der Stiere in der Arena durch die Ausschüttung hoher Mengen von beta-Endorphinen stark eingeschränkt sei.[28]
Der Kampf wird als eine Kunstform bezeichnet. Dabei ergötzten sich die Zuschauer nicht an Quälerei, sondern bestraften im Gegenteil die Akteure mit Pfiffen, wenn das Tier aus ihrer Sicht unnötig verletzt und nicht im entsprechenden Moment schnell getötet werde.[29]
Kontroverse in Spanien
Befürworter der Corrida de toros in Spanien weisen auf ihren Anteil an der kulturellen Identität Spaniens hin. Die Mehrheit der Spanier sei nicht bereit, auf diese Tradition zu verzichten. Gegner leiten aus einer Gallup-Umfrage von 2006 ab, nach der 72 % der Befragten kein Interesse am Stierkampf haben und das Interesse rückläufig ist, dass der Stierkampf aus kultureller Sicht nicht erhaltenswert sei.[30] Eine Umfrage des Instituts Ipsos MORI für die Tierschutzorganisation World Animal Protection im Jahr 2015 erbrachte die Schätzung, dass 19 % der erwachsenen Spanier den Stierkampf stark unterstützen oder tendenziell unterstützen, während 57 % ihn tendenziell ablehnen oder stark ablehnen.[31]
Die Kanarischen Inseln haben als erste Autonome Gemeinschaft Spaniens den Stierkampf verboten. Das entsprechende Tierschutzgesetz wurde am 30. April 1991 verabschiedet.[32][33]
Im November 2008 wurde in Katalonien mit dem Ziel eines Verbots des Stierkampfs in dieser Region per Volksbegehren (mit 180.000 Unterschriften) ein Gesetzentwurf zur Änderung des katalanischen Tierschutzgesetzes eingebracht. Dieser wurde vom katalanischen Parlament beraten und am 28. Juli 2010 mit leichten Änderungen mit 68 zu 55 Stimmen bei neun Enthaltungen angenommen. Als ein Hauptgrund für die Entscheidung wurde die Grausamkeit der Veranstaltungen angeführt.[34] Das Verbot war in Katalonien seit dem 1. Januar 2012 in Kraft. Im Oktober 2016 wurde es vom Verfassungsgericht Spaniens als verfassungswidrig und ungültig erklärt.[35]
Im Januar 2011 wurde diskutiert, ob der staatliche spanische Fernsehsender Televisión Española (TVE) keine Stierkämpfe mehr im Vorabendprogramm übertragen solle, da viele Kinder um diese Zeit vor dem Fernseher säßen. In den Nachrichten und in Spartenprogrammen solle aber weiterhin darüber berichtet werden. Ausgenommen sei der Stierlauf in Pamplona, der weiterhin live übertragen werden solle.[36] Am 5. September 2012 wurde jedoch wieder ein Stierkampf live auf TVE übertragen. Für das Jahr 2013 waren drei bis vier Liveübertragungen geplant.[37]
Nachdem am 9. Juli 2016 in Teruel in Aragonien der 29-jährige Matador Víctor Barrio während einer Corrida durch den Kampfstier tödlich verletzt worden war, überschütteten Stierkampfgegner aus dem In- und Ausland den Kurznachrichtendienst Twitter und die Facebook-Seite von Barrio mit Hasspostings, in denen der Verstorbene beschimpft und sein Tod gefeiert wurde. Andere Beiträge bezeichneten das Unglück als Berufsrisiko oder Karma.[38]
Kontroverse in Frankreich und Portugal
Die französischen Stierkampfveranstalter berufen sich auf eine kulturelle Tradition, deren Charakteristika spanischen Ursprungs sind.
Auch in Portugal gibt es kontroverse Fernsehdebatten und Protestdemonstrationen gegen Stierkämpfe. Von den Befürwortern wiederum wird auf die Zahl der Arbeitsplätze (angefangen von der Stierzucht bis zur Veranstaltung selbst) verwiesen, die auf dem Spiel stünden.
Historische Kampfstiere
- „Gordito“
- „Civilón“
- „Islero“
- „Murciélago“
Stierkampf in Literatur, Kunst und Film
Darstellungen von Konfrontationen zwischen Mensch und Stier sind sehr alt und lassen sich bis in die Steinzeit zurückführen. Zu den bekanntesten sehr alten Darstellungen gehören solche der Minoischen Kultur. Im Britischen Museum wird unter anderem die Bronzefigur eines minoischen Stierspringers ausgestellt, die aus der Zeit 1700 bis 1450 v. Chr. stammt und zeigt, wie ein Mensch über einen Stier springt. Arthur Evans, der als der Entdecker der minoischen Kultur gilt und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Ausgrabungen des minoischen Palastes von Knossos verantwortete, hielt diese Form der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Stier für Teil eines religiösen Festes zu Ehren einer Muttergottheit. Spekuliert wird, dass der Stier im Rahmen dieses Festivals geopfert wird.[39] Zu den bekanntesten Beispielen neuzeitlichen Darstellung von Stierkämpfen zählen Francisco de Goyas Radierungen La Tauromaquia. Die Serie besteht aus insgesamt 33 Blättern. Sie stechen innerhalb des überwiegend misanthropen Werk Goyas durch ihre journalistische Neutralität hervor.[40] Im Werk von Pablo Picasso spielt der Stierkampf als Sujet ebenfalls eine große Rolle. Er transportiert Dynamik und Emotionen, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet werden. Stress, Triumph, Stolz, Leid und Niederlage sind eng gekoppelt.
In der 1847 erschienenen Novelle Carmen von Prosper Mérimée spielt ein Picador eine wichtige Rolle als Liebhaber der Titelfigur. In Bizets Oper Carmen, einer Vertonung dieser Novelle, trägt dieser Stierkämpfer den Namen Escamillo. Seine Auftrittsarie mit dem Refrain „Toréador, en garde! Toréador!“ (deutsch „Auf in den Kampf, Torero!“) gehört zu den bekanntesten Opernarien überhaupt. Carmen wird in der Oper von dessen Rivalen Don José ermordet, während im Hintergrund die Zuschauerreaktionen eines Stierkampfs zu hören sind.
Ernest Hemingway, der den Stierkampf als Auseinandersetzung von Leben und Tod sah, verarbeitete das Thema in seinen Romanen, Kurzgeschichten, Reportagen und Essays wie Fiesta, Tod am Nachmittag und Gefährlicher Sommer.[41] Federico García Lorca setzte einem im Kampf getöteten Matador in seinem Gedicht Llanto por Ignacio Sanchez Mejías ein literarisches Denkmal. Pierre Imhasly setzt in seinem Buch Rhone Saga den Stierkampf als Leitmotiv ein, welches durch die ganze Dichtung geht. Ein bekanntes Kinderbuch zum Thema Stierkampf ist Munro Leafs 1936 erschienenes Ferdinand der Stier. Es handelt von einem viel zu friedlichen spanischen Kampfstier.
Der 1956 gedrehte Spielfilm Roter Staub (The Brave One) von Irving Rapper, in dem ein mexikanischer Junge sich für das Leben seines von ihm aufgezogenen Stieres einsetzt, enthält in seinem Schlussteil eine lange Stierkampfszene im Plaza de Toros in Mexiko-Stadt, die mit einer „Begnadigung“ des Stieres endet. Die Story für den Film wurde unter Pseudonym von Dalton Trumbo verfasst.
Pedro Almodóvar verwendet in seinem Film Matador das Umfeld des Stierkampfes für eine Geschichte über Lust und Tod. In Hable con ella (Sprich mit ihr) reißt Almodóvar das Sujet erneut an. Madonna nutzt in ihren Musikvideos Take a Bow und You'll see die den Toreros zugeschriebene Erotik. Ihr Partner in den Videos ist der Stierkämpfer Emilio Muñoz.
Literatur
- José Delgado: Tauromaquia o arte de torear á caballo y á pie. Vega, Madrid 1804, urn:nbn:de:bsz:180-digad-32343 (spanisch).
- Dominique Aubier: Fiesta in Pamplona. Mit Fotografien von: Galle, Chapestro, Nisberg und Inge Morath. Manesse, Zürich 1955.
- Rémi Boyer: Fado and Tourada. In: Rémi Boyer: Fado – Mystérique de la Saudade. Zéfiro/Arcano Zero, Sintra 2013; englische Ausgabe: Fado, Saudade & Mystery. Love of Portugal. Übersetzt von Howard Doe, ebenda 2013, ISBN 978-989-677-109-6, S. 99–111.
- Karl Braun: Der Tod des Stiers. Fest und Ritual in Spanien. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42823-1 / Als Taschenbuch: Karl Braun: ¡Toro! Spanien und der Stier. (Originaltitel: ¡Toro! übersetzt von Karl Braun). Wagenbach Taschenbuch 383, Berlin 2000, ISBN 3-8031-2383-6. (Der Autor ist deutscher Ethnologe, der eine von Verstehen und Verständnis geprägte Auseinandersetzung mit dem Stierkampf sucht; dies auf dem Hintergrund umfassender theoretischer, aber auch aus eigener Anschauung gewonnener Sachkenntnisse).
- Hans Glarner, Patrick Roppel: Stierkampf, Einführung in die Fiesta brava. editions demimondaines, Paris 2015, ISBN 978-3-9523957-0-7.
- Pierre Imhasly: Corrida. Der spanische Stier und sein Fest. Erpf, Bern 1982, ISBN 3-256-00015-0.
- Alison L. Kennedy: Stierkampf. Roman und Referat. (Originaltitel: On bullfighting. Übersetzt von Ingo Herzke). Wagenbach, Berlin 2001, ISBN 3-8031-3157-X. (Persönliche Ansicht über Begegnungen mit dem Tod einer schottischen Autorin – zwischen Erlebnisbericht, mit umfangreichem Glossar der spanischen Begriffe.)
- Rolf Neuhaus: Der Stierkampf. Eine kleine Kulturgeschichte. In: insel taschenbuch 3252. Insel, Frankfurt am Main/Leipzig 2007, ISBN 978-3-458-34952-5.
- Antonio Miguel Nogués-Pedregal: Tauromaquia. Eine Kontroverse um Stiere und Identitäten. Die Vermittlungsrolle des Tourismus-Raumes bei der Aushandlung von Bedeutung. In: Johannes Moser, Daniella Seidl (Hrsg.): Dinge auf Reisen (= Münchner Beiträge zur Volkskunde. Band 38). Materielle Kultur und Tourismus. Waxmann, Münster/New York, NY/München/Berlin 2009, ISBN 978-3-8309-2203-2.
- Lorenz Rollhäuser; Toros, Toreros. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1990, ISBN 3-499-18254-8 (Rowohlt Sachbuch. rororo 8254).
Weblinks
Einzelnachweise
- Bilder vom Stierkampf auf Pemba auf Flickr
- Corrida-Fans auf Barrikaden: „Der Stierkampfkunst wird ihre Essenz genommen: der Tod“. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 11. November 2020]).
- Historia de los Encierros spanisch
- Kersten Knipp: Flamenco. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-45824-8, S. 33.
- Kersten Knipp: Flamenco. 2006, S. 33 f.
- Andrew Rimas und Evan D. G. Fraser: Beef - The Untold Story of How Milk, Meat, and Muscle Shaped the World. HarperCollins e-books, 2008, ISBN 978-0-06-170785-8, S. 34.
- Der Stierkampf steckt in der Krise, Martin Dahms, Berliner Zeitung, 10. November 2013
- Zahlen der spanischen Organisation der Stierkampfveranstalter Asociación Nacional de Organizadores de Espectáculos Taurinos (ANOET), zitiert auf Stierkampf für alle (Weblog), Eintrag vom 7. Juli 2016.
- Estadísticas („Statistiken“) auf mundotoro.com, abgerufen am 11. Juli 2016.
- Stierkampf: Blutiges Milliardengeschäft. In: Die Welt, 6. Juli 2006.
- Andrew Rimas und Evan D. G. Fraser: Beef - The Untold Story of How Milk, Meat, and Muscle Shaped the World. HarperCollins e-books, 2008, ISBN 978-0-06-170785-8, S. 34.
- http://www.bild.de/BILD/news/vermischtes/2009/01/25/mini-torero/elfjaehriger-stierkaempfer-michelito-toetet-sechs-bullen-guinness-buch-rekord.html
- Andrew Rimas und Evan D. G. Fraser: Beef - The Untold Story of How Milk, Meat, and Muscle Shaped the World. HarperCollins e-books, 2008, ISBN 978-0-06-170785-8, S. 34.
- Biografia de Paquirri [Francisco Rivera]. Abgerufen am 1. August 2020.
- PeoplePill: José Cubero Sánchez: Spanish matador and torero (1964-1985) (1964 - 1985) | Biography, Facts, Career, Wiki, Life. Abgerufen am 1. August 2020 (englisch).
- PeoplePill: Manolo Montoliu: Spanish torero (1954-1992) (born: 1954 - died: 1992) | Biography, Facts, Career, Wiki, Life. Abgerufen am 31. Juli 2020 (amerikanisches Englisch).
- TheBiography.us: Biography of Ramón Soto Vargas (1951-1992). Abgerufen am 31. Juli 2020 (englisch).
- Biografía de Víctor Barrio. In: mundotoro.com. 9. Juli 2016, abgerufen am 31. Juli 2020 (spanisch).
- Der Tod des Torero wird gefeiert
- Cuatro años sin Víctor Barrio: el «torico» sigue de luto. 8. Juli 2020, abgerufen am 31. Juli 2020 (spanisch).
- Andrew Rimas und Evan D. G. Fraser: Beef - The Untold Story of How Milk, Meat, and Muscle Shaped the World. HarperCollins e-books, 2008, ISBN 978-0-06-170785-8, S. 32.
- Rémi Boyer: Fado and Tourada. In: Rémi Boyer: Fado – Mystérique de la Saudade. Zéfiro/Arcano Zero, Sintra 2013; englische Ausgabe: Fado, Saudade & Mystery. Love of Portugal. Übersetzt von Howard Doe, ebenda 2013, ISBN 978-989-677-109-6, S. 99–111, hier: S. 99.
- Rémi Boyer: Fado and Tourada. 2013, S. 104–110.
- http://www.focus.de/panorama/welt/stierkampf-bulle-verletzt-dutzende-zuschauer_aid_542864.html
- Die Rache der gequälten Bestie.
- Stier springt bei Kampf über die Absperrung. In: FAZ.net. Abgerufen am 13. Oktober 2018.
- Ohne Stierkampf keine Stiere, Leo Wieland, Frankfurter Allgemeine, 27. Februar 2008
- Juan Carlos Illera, Fernando Gil, Gema Silván: Regulación neuroendocrina del estrés y dolor en el toro de lidia (Bos Taurus L.): Estudio Preliminar. In: Revista Complutense de Ciencias Veterinarias, Nr. 2, 2007, S. 1–6.
- Verlogen sind wir nicht – aber vielleicht dumm und vergesslich, Paul Ingendaay, Frankfurter Allgemeine, 6. März 2010
- Stierkampf adiós. NZZ, 23. August 2007
- Bullfighting in Spain (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. ipsos-mor.com (PDF-Datei, 222 kB)
- 591 - LEY 8/1991, de 30 de abril, de protección de los animales. In: gobiernodecanarias.org. 13. Mai 1991, abgerufen am 1. Februar 2010 (spanisch).
- Dieciocho años sin toros. In: canariasaldia.com. 30. April 2009, abgerufen am 1. Februar 2010 (spanisch).
- Katalonien verbietet Stierkämpfe. In: Die Zeit, 28. Juli 2010
- Der Stierkampf ist zurück in Katalonien. In: Tages-Anzeiger, 20. Oktober 2016.
- Spaniens Fernsehen verbannt Stierkämpfe. In: Tages-Anzeiger vom 8. Januar 2011
- Toros, en TVE: una reválida sumarísima. In: El País vom 4. September 2012 (spanisch).
- Der Tod des Torero wird gefeiert. Tages-Anzeiger vom 11. Juli 2016.
- Neil MacGregor: A History of the World in 100 Objects. Pinguin, London 2011, ISBN 978-0-14-196683-0, S. 111
- Andrew Rimas und Evan D. G. Fraser: Beef - The Untold Story of How Milk, Meat, and Muscle Shaped the World. HarperCollins e-books 2008, ISBN 978-0-06-170785-8, S. 33
- http://stockpress.de/2010/09/05/hemingway-und-der-stierkampf/