Seeschlacht von Lissa (1866)
Im Dritten Italienischen Unabhängigkeitskrieg gewann die kaiserlich-österreichische Marine am 20. Juli 1866 durch Anwendung der Rammtaktik die Seeschlacht von Lissa bei der heute zu Kroatien gehörigen Insel Vis gegen die zahlenmäßig und technisch überlegene italienische Flotte. Vermutlich handelte es sich um die letzte durch Anwendung dieser Taktik gewonnene Seeschlacht. Dies war auch das erste Seegefecht, in dem in größerem Umfang neu entwickelte Panzerschiffe eingesetzt wurden.
Trotz einiger Siege über Italien verlor Österreich aber den Krieg an der Nordfront gegen das mit den Italienern verbündete Preußen (Schlacht von Königgrätz) und musste im Frieden von Wien die Provinz Venetien an Italien abtreten.
Die Flotten
Kaisertum Österreich
Mit dem Friedensvertrag von Campoformio, 1797, kamen die Provinzen Venedig, Istrien und Dalmatien unter österreichische Herrschaft und mit ihnen auch die gesamte venezianische Flotte. Somit verfügte das Kaiserreich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts auch über eine kampfstarke Seestreitmacht im Mittelmeer. Von den 7.871 Seeleuten der K.K. Flotte waren daher weit mehr als 5.000 Mann Venezianer aus den damals italienisch besiedelten Küstengebieten des heutigen Kroatien. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs galt sie als die sechstgrößte der Welt.
Die Ausrüstung der Flotte war zur Zeit der Schlacht von Lissa schon weitgehend veraltet. Ihre Schiffe waren noch mit Vorderladergeschützen ausgerüstet, während die Italiener schon über die modernsten Hinterlader aus britischer Produktion verfügten, gezogene Stahlreif-Armstronggeschütze. Man schoss noch mit Vollkugeln, die gegen die neuen, stark gepanzerten Schiffe aber weitgehend unwirksam waren. Daher wurden bei der Krupp-Gussstahlfabrik Hinterladergeschütze für die Flotte in Auftrag gegeben. In der einschlägigen Literatur ist immer wieder zu lesen, dass sie von den preußischen Behörden beschlagnahmt wurden, was so historisch nicht richtig ist. Vielmehr entsprachen die von Krupp gelieferten Geschütze nicht den erwarteten Anforderungen und wurden umgehend an den Erzeuger zurückgeschickt. Tegetthoff wies seine Artillerieoffiziere daher an, im Kampf mit Panzerschiffen nicht die klassische Breitseite abzufeuern, sondern stattdessen das Geschützfeuer auf einen Punkt des gegnerischen Schiffes zu konzentrieren um die Struktur der Bordwand nachhaltig zu erschüttern. Von den sieben Panzerschiffen der K.K. Flotte lagen fünf, weder überholt noch ausgerüstet, auf Reede. Die restlichen zwei, die SMS Ferdinand Max und SMS Habsburg, befanden sich noch in der Werft von Triest. Das größte Linienschiff der Flotte, die SMS Kaiser, galt als total veraltet und unbrauchbar. Um die fehlende Feuerkraft auszugleichen, wurde bei der österreichischen Marine zusätzlich die Rammtechnik eingeübt und verfeinert. Das Flaggschiff Tegethoffs bei Lissa, die SMS Ferdinand Max, war hiefür mit einem besonders verstärkten, nach vorne kragenden Bug versehen worden. Aus Kohlemangel mussten diese Manöver aber von den Mannschaften oft mit kleineren Wasserfahrzeugen eingeübt werden. Tegetthof griff in seiner Not zu einer weiteren Improvisation: er ließ die SMS Kaiser, sowie einige Fregatten und Korvetten vor der Schlacht bei Lissa mit Eisenbahnschienen und Ankerketten behelfsmäßig am Bug und Bordwänden panzern.
Der bei seinen Untergebenen äußerst beliebte Konteradmiral Wilhelm Freiherr von Tegetthoff galt nach dem Seegefecht bei Helgoland im Deutsch-Dänischen Krieg als einer der erfahrensten und kreativsten Marinebefehlshaber in Europa, besonders wenn es galt, die mangelnde Kampfkraft der österreichischen Flotte durch Notlösungen zu kompensieren. Zudem verstand er es schon bald durch seine zahlreichen Initiativen in puncto Instandsetzung und Organisation der Flotte, eine patriotische Begeisterung und echten Kampfgeist unter seinen Männern zu entfachen. Die österreichische Marine war aber im Laufe der Jahrhunderte auch an ihren Aufgaben gewachsen und ihre Mannschaften sehr erfahren. Vor allem ihre Offiziere genossen eine hervorragende Ausbildung und galten als sehr selbstbewusst.
Königreich Italien
Das noch junge Königreich Italien hatte kurz nach seiner Gründung – ab 1861 – begonnen, eine moderne Seestreitmacht aufzubauen, mit dem Ziel, die Österreicher aus der Adria zu vertreiben. Die Flotte galt als Prestigeobjekt, in das sehr viel Geld investiert worden war. Die Kampfschiffe stammten durchwegs aus Werften in Großbritannien, Frankreich sowie den Vereinigten Staaten und waren technisch auf der Höhe ihrer Zeit. Ihre Kanonen verschossen Sprenggranaten und hatten eine viel größere Reichweite bzw. Durchschlagskraft. Die Fahrtgeschwindigkeit dieser Schiffe war ebenfalls höher. Die 1866 in Großbritannien vom Stapel gelaufene, mit einem neun Meter langen Rammsporn ausgestattete Affondatore galt sogar als stärkstes und unsinkbares Kriegsschiff der Welt. Laut einen Artikel der Londoner Times war sie auch in der Lage, die österreichische Flotte notfalls im Alleingang zu vernichten. Die heroische Namensgebung (Affondatore = Versenker, Terribile = Schrecklich, Formidabile = Wunderbar) sollte ihre Überlegenheit noch zusätzlich herausstreichen. Auch ihre Mannschaften hatten seemännisch einen guten Ruf und galten als ebenso erfahren und tüchtig wie die ihrer Gegner. Besonders die Offiziere waren auf dem Gebiet der Nautik gut ausgebildet. Die technische und zahlenmäßige Überlegenheit verleitete allerdings das Oberkommando zu einer gefährlichen Sorglosigkeit. Der Flottenbefehlshaber Admiral Carlo Pellion di Persano ließ noch im Frühsommer 1866 ein großangelegtes Flottenmanöver durchführen. Alltägliche praktische Gefechtsübungen, wie sie bei der K.K. Marine ohne Pause durchgeführt wurden, hielt man hingegen für unnötig.[1]
Vorgeschichte
Im Juni 1866 brach der Krieg zwischen Preußen und Österreich aus. Italien, mit Preußen im Bündnis vom 8. April 1866 alliiert, erklärte Österreich ebenfalls den Krieg und ließ seine Truppen in die Lombardei einmarschieren. Obwohl die italienische Armee den Österreichern zahlenmäßig überlegen war, wurde sie am 24. Juni geschlagen und zum Rückzug gezwungen. Da die Preußen aber die Österreicher in der Schlacht von Königgrätz (heute: Hradec Králové) am 3. Juli vernichtend schlugen, konnte daraus kein politisches Kapital geschlagen werden. Um Italien zu provozieren, führten österreichische Kriegsschiffe nur zwei Seemeilen vor dem Flottenstützpunkt Ancona überraschend und ungehindert ein Manöver durch, was die italienische Öffentlichkeit besonders gegen den Befehlshaber der italienischen Flotte, Admiral Carlo Conte di Persano, aufbrachte, die nun für diese Schmach die endgültige Vernichtung der Habsburger-Flotte forderte. Der wollte aber lieber noch auf die Auslieferung des Affondatore warten. Dies, die Niederlage von Königgrätz und die Nachricht, dass die Österreicher die Preußen um einen Waffenstillstand ersucht hatten, zwang die italienische Marine schließlich zum Handeln. Am 30. April 1866 bekam Konteradmiral Tegetthoff daher den Befehl, verstärkt nach der gegnerischen Flotte Ausschau zu halten und ordnete hiefür zusätzliche Patrouillenfahrten an. Am 20. Mai gleichen Jahres erklärte Italien Österreich schließlich offiziell den Krieg. Die Italiener wollten die österreichischen Gebiete an der Adria einnehmen, um sie in den Friedensverhandlungen als Verhandlungspfand zu nutzen. Admiral Persano kreuzte vom 9. bis zum 11. Juli auf der geografischen Breite von Lissa, ohne die Österreicher jedoch anzugreifen. Persanos passives Verhalten wurde zunehmend kritisiert, und der Marineminister Agostino Depretis befahl, endlich irgendeine erfolgversprechende Aktion zu unternehmen. Folglich wurde beschlossen, die Insel Lissa (heute: kroat. Vis), das sogenannte „Gibraltar der Adria“, einzunehmen. Man wollte so eine maritime Operationsbasis schaffen, um später relativ gefahrlos italienische Infanterie in Dalmatien anlanden zu können. In weiterer Folge plante man von dort aus, der österreichischen Südarmee in den Rücken zu fallen und dann auf Wien zu marschieren. Weiters sollte die österreichische Flotte zur Entscheidungsschlacht gezwungen und vernichtet werden. Die italienische Flotte lief am Nachmittag des 16. Juli von Ancona mit dem Ziel Lissa aus, ohne jedoch dafür einen detaillierten Operationsplan vorbereitet zu haben.
Entwicklung
Italienischer Angriff auf Lissa
Persanos Flotte kreuzte am 17. Juli vor Lissa, war aber noch zu weit entfernt, um von den Verteidigern schon ausgemacht zu werden. Das einzige seiner Schiffe, das sich der Küste auf Sichtweite näherte, war das Aufklärungsschiff RN Messaggero, welches den Stabschef der Flotte an Bord hatte, um die Positionen der Küstenbatterien und Festungen auszukundschaften. Am nächsten Tag erschien schließlich die gesamte italienische Flotte vor Lissa. Für die Verteidigung der Insel standen zu diesem Zeitpunkt 1.833 Soldaten, stationiert in einigen stark armierten Festungen und Küstenbatterien (Wellington, Bentainks, Magnaremi und Nadpostranje) und insgesamt 88 Kanonen, zur Verfügung. Weiter befand sich auf dem 585 Meter hohen Hügel von Hum eine Polizeistation, die über die Nachbarinsel Lesina per Telegraf mit dem dalmatinischen Festland in Verbindung stand. Der österreichische Festungskommandant, Oberst David Freiherr von Urs de Margina, konnte die ersten Angriffe der Italiener abwehren. Dennoch war ihr Sieg nur eine Frage der Zeit und Margina musste darauf hoffen, dass ihm die K.K. Flotte rasch zu Hilfe eilen würde. Einige Panzerschiffe der Italiener wurden zum Hafen der Nachbarinsel Lesina in Marsch gesetzt, um die Telegrafenverbindung Lissa-Lesina-Split zu unterbrechen. Weitere Schiffe wurden zur Aufklärung nach Nordwesten entsandt.
Das Gros der italienischen Flotte griff Lissa um 10:30 Uhr an drei verschiedenen Positionen an. Das erste Geschwader unter ihrem Kommandanten Giovanni Vacca eröffnete das Feuer auf die österreichischen Batterien bei Komiža. Das zweite Geschwader, unter dem Kommando von Admiral Persano, attackierte den Hafen von Lissa, während das dritte Geschwader, bestehend aus den hölzernen Fregatten unter dem Befehl von Giovanni Battista Albini, angewiesen wurde, die Batterien von Nadpostranje zu zerstören und die Truppen in der Bucht von Rukavac an Land zu setzen. Die Küstenbatterien (speziell die in Komiža) lagen für die Schusswinkel ihrer Geschütze jedoch zu hoch. Folglich zogen sich die italienischen Schiffe nach einigen Stunden nutzlosen Bombardements zurück und unterstützten stattdessen das zweite Geschwader bei seinem Angriff auf den Hafen von Lissa.
Die kaiserliche Flotte lag zu diesem Zeitpunkt nicht im Hafen von Pola, sondern im Kanal von Fažana vor Anker. Dieser Liegeplatz hatte den Vorteil, dass die Schiffe vom Gegner nicht im Hafenbecken blockiert werden konnten. Um die Schiffe im Kanal angreifen zu können, hätten die Italiener ihre Flotte teilen müssen, um beide Ausgänge zu blockieren, wären dann aber bei einem Ausbruchsversuch jeweils der gesamten österreichischen Flotte gegenübergestanden. Am 18. Juli erhielt Tegetthoff erstmals Meldung vom italienischen Angriff, deutete ihn jedoch zunächst noch als Ablenkungsmanöver, um die österreichische Flotte von Istrien und Triest wegzulocken. Am 19. Juli bestand aufgrund der Nachrichtenlage jedoch kein Zweifel mehr, dass die Italiener die Eroberung Lissas beabsichtigten.
Am 19. Juli zog Persano seine gesamte Flotte vor dem Hafen von Lissa zusammen und griff erneut an. Er bekam noch weitere Unterstützung durch das Turmpanzerschiff RN Affondatore und einige Truppentransporter. Obwohl vier Panzerschiffe in den Hafen eindringen konnten, gelang es nicht, den hartnäckigen Widerstand der Österreicher zu brechen.
Schlachtverlauf
Nachdem die Telegraphenleitung zwischen Lissa und Lesina an der Poststation von den Italienern unterbrochen worden war, flüchtete der Postmeister von Lesina, Bräuner, unter Mitnahme seiner Fernmeldeausrüstung in die Hügel von Salbon und klinkte sich dort in die noch intakte Leitung nach Split. So konnte er auch die Beobachtungen des Pfarrers Plancic, der die Vorgänge auf See richtig interpretiert hatte, bis nach Pola weiterleiten. Ansonsten wäre die Alarmierung der österreichischen Flotte viel zu spät erfolgt.[2]
Nach Einlangen weiterer Telegramme aus Lesina über die Präsenz und Aktivitäten der italienischen Flotte entschied sich Tegetthoff, seine sichere Position in der nördlichen Adria mit seiner Eskadre sofort zu verlassen, um die schwer bedrängte Garnison auf Lissa zu entsetzen. Die gesamte österreichische Flotte, drei Divisionen aus je sieben Kampf-, fünf Begleitschiffen und 7.800 Mann Besatzung, lief am 19. Juli, gegen 13 Uhr, aus dem Kanal von Fažana aus und fuhr mit Volldampf nach Süden. Mit dabei waren auch die erst unvollständig ausgerüsteten Panzerfregatten Ferdinand Max und Habsburg. Auch während der Nacht ließ Tegetthoff mit voller Geschwindigkeit auf Lissa zuhalten. Ein Sturmtief vom Westen brachte zwar Regen, Wind und heftigen Seegang, aber schon am frühen Morgen flaute das Unwetter wieder zur Gänze ab. Gegen 9 Uhr tauchte schließlich die Silhouette der Insel aus dem Nebel auf, nur wenig später, nachdem die italienische Flotte nördlich vor Lissa zu einem neuen Angriff ansetzte.
Am 20. Juli 1866, dem dritten Tag der Belagerung, wurde die Lage der Verteidiger von Lissa immer kritischer. Zwei Drittel der Kanonen waren durch das Bombardement am Vortag zerstört worden und die Italiener bereiteten seit dem frühen Morgen die Landung ihrer Truppen vor. In dem Moment, als die Panzerschiffe die Kanonade auf den Hafen und die Batterien starteten und die Holzschiffe mit ihren 2.200 Mann Infanterie sich anschickten, in die Bucht von Rogačić einzulaufen, sichtete der Ausguck des Aufklärungsschiffs RN Esploratore die österreichische Flotte, die sich rasch aus nordwestlicher Richtung näherte. Als Persano diese Nachricht erhielt, ließ er die Landeoperation wieder abbrechen und brachte seine Einheiten gegen die feindliche Flotte in Position. Seine Schlachtaufstellung war den Österreichern aber schon vorab aus den Zeitungen bekannt, da die italienische Führung in ihrer absoluten Siegesgewissheit nicht einmal für die Geheimhaltung ihrer Kriegspläne gesorgt hatte.
Die österreichische Flotte griff in drei Keilformationen an. Der erste Angriffskeil (unter dem Befehl Admiral Tegetthoffs) bestand aus sieben Panzerschiffen, der Zweite (unter dem Befehl des Linienschiffskapitäns Commodore Anton von Petz), etwa 1000 Meter hinter dem ersten, bestand aus sieben hölzernen Schiffen mit Schraubenantrieb, angeführt von dem Zweireiher-Linienschiff SMS Kaiser, und der Dritte Keil (unter dem Befehl des Fregattenkapitäns Ludwig Eberle), weitere 1000 Meter hinter dem zweiten, bestand aus sieben Kanonenbooten. Eine klug gewählte Aufstellung der K.K. Einheiten, welche ebenfalls zu ihrem späteren Sieg beitrug. Unmittelbar vor Feindkontakt ließ Tegetthoff „Den Feind anlaufen, um ihn zum Sinken zu bringen!“ signalisieren. Als weiterer Befehl hätte folgen sollen „Muß Sieg von Lissa werden!“. Es lief aber nur mehr das Signal „Muß“ die Leine entlang. Um 10:30 Uhr, als sich die beiden Flotten schon sehr weit angenähert hatten, befahl Tegetthoff, die Geschwindigkeit noch einmal zu erhöhen und ließ „Distanzen schließen – den Feind rammen“ signalisieren. Die hölzernen Schraubenfregatten sollten die Panzerschiffe dabei unterstützen.
Der Plan der Italiener war, die österreichische Flotte zu umzingeln und dann die Holz- von den Panzerschiffen zu trennen. Angeblich rief Admiral Persano, als er den Feind auf seine Flotte zulaufen sah, spöttisch aus: «Ecco i pescatori!» („Na also die Fischer!“), dieses Zitat ist aber historisch nicht belegt. Wegen der noch laufenden Landevorbereitungen und des Schutzes der Truppentransporter konnte er zu Beginn der Schlacht nur zehn Panzerschiffe gegen Tegetthoff einsetzen. Die RN Formidabile, während des Angriffes auf den Hafen von Lissa schwer beschädigt, kehrte überhaupt nach Ancona zurück, die Terribile fiel hinter die Komitza zurück, und die Holzschiffflottille war noch damit beschäftigt, die Landungstruppen und deren Ausrüstung aufzunehmen.
Persano fuhr den Österreichern mit drei Panzerschiffen in jedem Geschwader in Linienformation entgegen, entschied sich aber wegen eines Ruderschadens, vor dem Zusammentreffen noch rasch sein Schiff zu wechseln. Er ging vom Bord der RN Re d’Italia und setzte zur – wohl für ihn vermeintlich sichereren – RN Affondatore über, welche aber noch außerhalb der Gefechtsformation lag und fatalerweise nur eine Vizeadmiralsflagge, aber keine Admiralsflagge aufgezogen hatte. Durch seine eine Viertelstunde andauernde Überfahrt stiftete er große Verwirrung unter seinen befehlshabenden Offizieren, wodurch sich bald eine Lücke zwischen der Vorhut und der Mitte der italienischen Schlachtaufstellung auftat. Tegetthoff erkannte sofort seine Chance und durchbrach um 10:50 Uhr an diesem Punkt die feindliche Linie. Diese Aktion war für den späteren Ausgang der Schlacht entscheidend, da die Österreicher nun schneller ihre Rammtaktik anwenden konnten. Sie sollte den Gegner zerstreuen und ihm keine Gelegenheit geben, seine weit überlegenen Geschütze massiert gegen die K.K. Schiffe einzusetzen.
Die kaiserlichen Panzerschiffe drehten danach sofort nach Steuerbord ab und griffen das Zentrum der italienischen Formation an. Das Linienschiff und die Holzfregatten des zweiten Keils bedrohten die Italiener von achtern, während die Kanonenboote des dritten Keils, nachdem sie ihrerseits von der italienischen Vorhut heftig attackiert wurden, von einigen italienischen Schiffen verfolgt, wieder nach Norden abdrehen mussten. Die italienischen Holzfregatten unter dem Kommando von Kapitän Albini hielten sich aus dem Kampf heraus. Als die 2. Division auf den Feind traf, erhielt allein die SMS Novara im Feuerkampf 47 Treffer. Bei einem davon wurde ihr Kapitän, Erik af Klingt, getötet.
Die Schlacht löste sich aufgrund der durch den dichten Kohle- und Pulverrauch erschwerten Kommunikation bald in Einzelgefechte auf (sog. Melee). Im Pulverqualm ermöglichte oftmals nur die Rumpffarbe eine Unterscheidung von Freund und Feind. So gab Tegetthoff seinen Offizieren den Befehl „Wenn es zur Schlacht kommt, rammt alles, was grau ist.“ Brennpunkt war nach wie vor das Zentrum der italienischen Linie, wo Tegetthoff mit seinen sieben Panzerschiffen gegen vier italienische vorging. Der dichte Rauch sorgte auf dem Schlachtfeld zusätzlich für Verwirrung und half ihm, seinen riskanten Plan, die Italiener vor allem im Nahkampf niederzuringen, in die Tat umzusetzen. Artilleriefeuer wurde nur bei passender Gelegenheit auf die feindlichen Schiffe, meist wenn sie aus den Rauchschwaden hervorkamen, eröffnet, zum Teil schon auf eine Entfernung von unter 50 Meter.[3]
Die meisten am Kampf beteiligten Schiffe, insbesondere die österreichischen, versuchten, ihren Gegner einen finalen Rammstoß zu versetzen. Besonders Tegetthoffs Flaggschiff, die SMS Erzherzog Ferdinand Max, tat sich dabei hervor. Obwohl aus einem unvorteilhaften Winkel heraus, rammte sie das Kanonenboot Palestro am Heck mit solcher Wucht, dass einige ihrer Matrosen gegen den Bug der Ferdinand Max geschleudert wurden. Tegetthoff wollte bei dieser Gelegenheit seine Männer mit der Aufforderung: „Wer will die Flagge haben?!“ zu einem Husarenstück anspornen. Daraufhin schwang sich der kroatische Offiziersanwärter und Steuermann Nikola Karkovic zum Heck der Palestro, riss das Tuch an sich und gelangte trotz heftigen Abwehrfeuers wieder wohlbehalten auf sein Schiff zurück. Diese Flagge war die wichtigste österreichische Trophäe dieser Schlacht.
Zur selben Zeit lag das Heck der Kaiser unter schwerem feindlichen Feuer des italienischen Flaggschiffs RN Affondatore. Die Mannschaft der Kaiser – die die Italiener irrtümlicherweise für das Flaggschiff Tegethoffs hielten – konnte aber zweimal verhindern, vom Affondatore gerammt zu werden und feuerte schließlich eine gut gezielte Breitseite aus kurzer Entfernung auf ihn ab. Obwohl die Kadenz der Kanonen der Kaiser viel geringer als die ihres Gegners waren und noch dazu seine Panzerung nicht durchschlagen konnten, richteten einige der Geschosse dennoch beträchtlichen Schaden auf der Affondatore an. Das Linienschiff überstand auch einen Rammstoß auf die Re di Portogallo, der für die Italiener folgenlos blieb. Die Kaiser verlor dabei Bugspriet und Fockmast und musste sich schon schwer beschädigt in den Hafen von Lissa zurückziehen.[4]
Auch die Re d′Italia lag unter schwerem Feuer und die Palestro versuchte, ihr zu Hilfe zu eilen. Nachdem sie jedoch dabei von der Ferdinand Max gerammt wurde, erlitt sie danach noch zahlreiche weitere Artillerietreffer. Feuer brach aus, und sie zog sich ungefähr zur selben Zeit wie die Kaiser vom Schlachtfeld zurück. Zwei andere italienische Schiffe nahmen die brennende Palestro in Schlepp, ihre Besatzung sollte mit Booten von Bord evakuiert werden. Kapitän Capellini stoppte jedoch die Räumung seines Schiffes und blieb mit der Mannschaft an Bord, um das Feuer zu bekämpfen.
Währenddessen erreichte das Schlachtgeschehen seinen Höhepunkt. Da das Ruder der Re d′Italia beschädigt war, musste diese einen vollen Stopp einlegen. Tegetthoff entging dies nicht und um 11:30 Uhr befahl er, mit voller Geschwindigkeit (11,5 Knoten) auf die Re d′Italia zuzulaufen und rammte sie an ihrer Backbordseite. Das Schiff schlug sofort leck, sank innerhalb von nur drei Minuten über den Bug und riss 381 seiner Matrosen mit in die Tiefe.
Admiral Persano verlor nun offensichtlich den Überblick über die Schlacht, da er immer wieder widersprüchliche Flaggensignale setzen ließ wie: „Die Flotte soll den Feind jagen, freies Manövrieren, freies Segeln“, „Jedes Schiff, das nicht kämpft, ist nicht in seiner Position“, „Folgen Sie ihrem Kommandeur in Linienformation“. Viele seiner Kapitäne missachteten jedoch die Signale, da sie nichts von Persanos Wechsel auf die Affondatore wussten.
Gegen 12:15 Uhr war die heiße Phase der Schlacht beendet. Die österreichischen Schiffe trennten sich wieder von den Italienern und liefen in drei parallelen Linien nach Norden, in Richtung des Hafen von Lissa ab. Die Italiener sammelten sich in zwei Linien westlich der österreichischen Position. Bis 14:00 Uhr Ortszeit wurden noch einzelne Geschützsalven ausgetauscht, danach wurde das Feuer zur Gänze eingestellt. Eine halbe Stunde später explodierte die Palestro, nachdem das Feuer ihre Munitionskammer erreicht hatte. Nur 19 ihrer ursprünglich 250 Besatzungsmitglieder überlebten diese Katastrophe.
Keiner der beiden Kontrahenten versuchte den Kampf am Nachmittag wieder aufzunehmen. Immer noch zahlenmäßig überlegen, aber von den Verlusten demoralisiert und ohne ausreichend Kohle und Munition verließen die Italiener bei Sonnenuntergang das Schlachtfeld und zogen sich wieder nach Ancona zurück. In der Gewissheit ihres endgültigen Sieges warfen die venezianischen Besatzungsmitglieder der kaiserlichen Schiffe ihre Mützen in die Luft und riefen dabei „Viva San Marco!“.
Verluste
Die Italiener verzeichneten 612 Tote, 38 Verwundete und 19 Gefangene, die österreichische Flotte 38 Tote (darunter die Linienschiffskapitäne Moll Erik af Klint) und 138 Verwundete. In einigen ausländischen Zeitungen meldeten fälschlich, auch das Linienschiff SMS Kaiser sei versenkt worden. Mehrere Panzerschiffe beider Parteien wurden leicht beschädigt. Die beschädigte Affondatore sank – drei Tage später – vor Ancona. Wegen des preußischen Sieges bei Königgrätz musste Österreich beim Friedensvertrag von Wien (12. Oktober 1866) dennoch Venetien an Italien abtreten. Die Siege von Custozza und Lissa verhinderten aber, dass Österreich auch das Küstenland (Triest, Istrien), Dalmatien und Südtirol abtreten musste.
Epilog
Die österreichische Flotte konnte diesen Kampf für sich entscheiden, da die entscheidenden Befehle ohne Verzögerung gegeben wurden, der Schlachtplan gut vorbereitet und durchdacht und vor allem ihre Mannschaften hervorragend ausgebildet waren. Ein wesentlicher Teil des Erfolgs wurde auch durch die entschlossene und unkonventionelle Vorgehensweise Tegetthoffs ermöglicht.
Die Schlacht von Lissa war das erste Seegefecht der europäischen Kriegsgeschichte, in dem Panzerschiffe eingesetzt wurden, und beeinflusste die Entwicklung neuer Marinetaktiken in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Allerdings wurde der Rammtaktik in der Schlacht zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Nur wenige Schiffe waren speziell dafür ausgestattet, und nur einige der Rammversuche während der Schlacht hatten auch tatsächlich den gewünschten Erfolg. Mit der Entwicklung noch durchschlagskräftigerer und weittragender Kanonen, die Schiffe schon versenken konnten, während sie sich noch dem Gegner zum Rammen näherten, erwies sich diese Taktik schon bald als überholt. Die Italiener besaßen zwar zahlreichere und bessere Schiffe als die Österreicher, konnten dies aber nicht zu ihrem Vorteil nutzen. Ihre durchaus tapfer und virtuos kämpfenden Seeleute waren noch dazu schlecht geführt worden, was für den Ausgang dieser Schlacht ebenfalls entscheidend war.
Konsequenzen
Die Niederlage wurde von den Italienern als nationale Tragödie angesehen. Admiral Persano wurde seines Amtes enthoben und unehrenhaft aus dem Marinedienst entlassen. Tegetthoff hingegen wurde für seinen Einsatz – quasi noch auf dem Schlachtfeld – von Kaiser Franz Joseph zum Vizeadmiral befördert. Nur kurze Zeit später wurde ihm auch der Maria-Theresien-Orden mit Kommandospange verliehen. In Wien und zahlreichen weiteren Städten der Monarchie wurde er zum Ehrenbürger erklärt. Weiters langte ein überschwängliches Gratulationsschreiben seines ehemaligen Vorgesetzten und nun als Kaiser von Mexiko amtierenden Ferdinand Maximilian bei ihm ein. Auch dem Postmeister von Lesinar, Bräuer, wurde für seine Verdienste ein Orden verliehen. Der Pfarrer Plancic erhielt eine wertvolle Monstranz für seine Kirche gestiftet.
Gedenken
Im Marinesaal des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien ist die Seeschlacht bei Lissa anhand von Schiffsmodellen, darunter auch zwei der SMS Erzherzog Ferdinand Max, zahlreichen Gemälden, Fotografien und Erinnerungsgegenständen im Detail dokumentiert.[5]
Im Jahr 1866 wurde in Wien-Landstraße (3. Bezirk) die Lissagasse nach der Seeschlacht von Lissa benannt. Eine Quergasse der Lazarettgasse im Bezirk Gries in Graz, die Lissagasse, soll ebenfalls an dieses für die österreichische Militärgeschichte denkwürdige Ereignis erinnern.
In Wien findet jährlich um den 20. Juli eine Gedenkveranstaltung zu Ehren der in der Seeschlacht Gefallenen an der Reichsbrücke statt, bei der auch stets hochrangige Offiziere des österreichischen Bundesheeres vertreten sind. Am 17. Juli 2016 wurde zum 150 Jahre-Jubiläum der Schlacht in der Grazer Barmherzigenkirche eine Gedenkveranstaltung mit Honoratioren, Seemannschor und Geschichtsreferat abgehalten.[6]
Im Museo del Risorgimento im italienischen Nationaldenkmal in Rom werden in Erinnerung an die Seeschlacht ein Gemälde, ein österreichischer Rettungsring und ein halbes Steuerruder des österreichischen Schiffes Laudon gezeigt. Allerdings gab es erst ab 1873 ein Schiff dieses Namens in der österreichischen Marine.
Literatur
- Heinrich Friedjung: Custoza und Lissa. Insel Verlag, Leipzig 1916 (Österreichische Bibliothek Nr. 3).
- Agnes Husslein (Hrsg.): Anton Romako. Tegetthoff in der Seeschlacht bei Lissa. Katalog zur Ausstellung in der Österreichischen Galerie Belvedere, Wien 2010, ISBN 978-3-901508-79-0.
- Christian Ortner: Der Seekrieg in der Adria 1866, in: Viribus Unitis, Jahresbericht 2010 des Heeresgeschichtlichen Museums. Wien 2011, S. 100–124, ISBN 978-3-902551-19-1 (online im HGM Wissens-Blog).
- A. E. Sokol: Seemacht Österreich. Die Kaiserliche und Königliche Kriegsmarine 1382–1918. F. Molden, Wien 1972, ISBN 3217004728.
- A. E. Sokol: The Imperial and Royal Austro-Hungarian Navy. United States Naval Institute, Annapolis 1968, ISBN 0870212923.
- Johannes Ziegler: Die Ereignisse auf dem Gardasee, der italienische Angriff auf die Insel Lissa und die Seeschlacht bei Lissa. In: Archiv für Seewesen. Selbstverlag, Wien 1866.
- Helmut Neuhold: Österreichs Helden zur See. S. 125–134. Styria Verlag, Wien-Graz-Klagenfurt 2010, ISBN 978-3-222-13306-0.
- Igor Grdina: Wilhelm von Tegetthoff und die Seeschlacht bei Lissa vom 20. Juli 1866. Aus dem Slowenischen von Urška Črne und Hubert Bergmann. Maribor: Umetniški kabinet Primož Premzl, 2016, ISBN 978-961-6055-46-8.
- Renate Barsch-Ritter: Österreich auf allen Meeren. Geschichte der K.(u.)K. Marine 1382 bis 1918. Graz, Wien, Köln 1987, ISBN 3222117969.
- H. H. Sokol: Des Kaisers Seemacht. Almathea, Wien 1980, ISBN 3850021262.
- Ulrich Israel, Jürgen Gebauer: Kriegsschiffe im 19. Jahrhundert. Verlag Gondrom, Bindlach 1989, ISBN 3-8112-0626-5.
- Arne Karsten: Italiens Fahrt in die Moderne. Seekriegsführung und Staatsbildung im Kontext des Risorgimento. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2020, ISBN 978-3-593-51118-4.
Weblinks
- Bildersammlung (Memento vom 17. März 2009 im Internet Archive)
- Die Seeschlacht von Lissa auf der Webseite der Italienischen Marine (italienisch)
Einzelnachweise
- Basch-Ritter 1987, S. 61–62.
- ORF-Dokumentation, Mythos Geschichte: Der Seeheld des Kaisers: Admiral Tegetthoff, 2016.
- H. H. Sokol 1980.
- Israel/Gebauer 1989, S. 88.
- Heeresgeschichtliches Museum / Militärhistorisches Institut (Hrsg.): Das Heeresgeschichtliche Museum im Wiener Arsenal. Verlag Militaria, Wien 2016, ISBN 978-3-902551-69-6, S. 155.
- Archivierte Kopie (Memento vom 15. August 2016 im Internet Archive) Gedenken an Wilhelm von Tegetthoff, Gedenkveranstaltung anlässlich 150 Jahre Schlacht von Lissa, Stadt Graz, 18. Juli 2016, abgerufen 20. Juli 2016. – Bildbericht, etwa 100 Teilnehmer.