Schloss Herzberg
Schloss Herzberg ist eine Schlossanlage in Herzberg am Harz im Landkreis Göttingen, Niedersachsen (Deutschland).
Schloss Herzberg | ||
---|---|---|
Schloss Herzberg vom Stadtzentrum im Osten aus gesehen | ||
Staat | Deutschland (DE) | |
Ort | Herzberg am Harz | |
Entstehungszeit | 11. Jahrhundert | |
Burgentyp | Höhenburg | |
Erhaltungszustand | Bedeutendes neuzeitliches Schloss | |
Ständische Stellung | Herzöge | |
Geographische Lage | 51° 39′ N, 10° 20′ O | |
|
Die heutige Vierflügelanlage hat ihren Ursprung im 11. Jahrhundert als mittelalterliche Burg. Nach einem Brand im Jahr 1510 wurde sie als Schloss neu aufgebaut. Sie ist mit 180 Zimmern die größte Schlossanlage Niedersachsens, die in Fachwerkbauweise errichtet wurden. Da es sich über 700 Jahre im Besitz des Adelsgeschlechts der Welfen befand, wird die Anlage auch als Welfenschloss Herzberg bezeichnet.[1]
Geographie
Das Schloss Herzberg steht auf dem Schlossberg, einer bewaldeten Anhöhe (275 m ü. NN) unmittelbar westlich oberhalb des Zentrums der Stadt Herzberg am Harz, die am Südwestrand des Harzes liegt. Nördlich am Schloss vorbei verläuft die Sieber. Unterhalb der Schlossanlage an der eingleisigen Bahnstrecke Herzberg–Seesen liegt der Haltepunkt Herzberg am Harz Schloss. Auf dem Schlossberg führt eine Fahrstraße und ein separater Fußweg. Vor dem Torhaus gibt es einen Parkplatz.
Das Schloss Herzberg ist die Landmarke 5 des UNESCO Global Geopark Harz – Braunschweiger Land – Ostfalen (Geopunkt 1).
Schlossberg
An den steilen Hängen des Hirschbergs, auf dem das Schloss thront, steht der Hauptdolomit des Südharzer Zechsteingürtels an. Den Schlossberg-Sockel bildet Werra-Anhydrit. In der Umgebung zeugen sowohl Felstürme als auch Erdfälle wie etwa der Juessee davon, dass Wasser der Sieber unter den Berg versickert und den Felsuntergrund aus Dolomit und Gips stark auslaugt. Zu Beginn der letzten Eiszeit lag das Flussbett der Sieber noch wesentlich höher. Davon zeugen die verwitterten Flussschotter aus Harzgesteinen auf dem Berg.
Problematisch ist die Gesamtsituation des Bergsporns unterhalb der Fundamente des Schlosses; er ist durch die unterirdische Auslaugung und Verfrachtung von löslichem Gestein des lagernden Werra-Anhydrits und auch der Hauptdolomit-Platte destabilisiert. Das Klufsystem, welches die Dolomitschichten zergliedert, begünstigt das talwärtige Abkippen und Abrutschen von am Rande liegenden Felspartien. Zugleich gleitet die gesamte, ca. 40 m dicke und an ihrer Oberfläche nur etwa 100 m breite Felsplatte sehr langsam in Richtung der Steilhänge auseinander. Diese sogenannte Hangzerreißung wird durch eine bis zu 1 m dicke Tonlage gefördert. Rotbrauner Salzton trennt Werra-Anhydrit vom Hauptdolomit des Südharzer Zechsteingürtels.[2]
Baubeschreibung
Das Schloss liegt beherrschend auf dem nordöstlichen Sporn eines langgestreckten Bergrückens. Von der ursprünglichen Burganlage stammt noch ein max. 5 m tief erhaltener Graben im Süden. Im Südosten diente ein Vorwall als zusätzlicher Schutz gegen den dahinter liegenden Bergrücken. Dieser Wall ist ca. 80 m lang, bis zu 2,5 m hoch und an der Basis bis zu 5 m breit.
Beim heutigen Schloss handelt sich um eine geschlossene Vierflügelanlage mit rechteckigem Innenhof (40 × 58 m), dem 1528 abgeschlossenen Wiederaufbau der Burganlage nach einer schweren Feuersbrunst im November 1510.
Der Zugang erfolgt durch ein Torhaus mit folgendem Torzwinger und durch ein weiteres, zweigeschossiges Torhaus in der Südwestecke. Im östlich anschließenden, auch "Stammhausflügel" genannten Südtrakt werden noch Reste der ursprünglichen Burg vermutet. Sein zweites Obergeschoss wurde 1722 erbaut oder erneuert. In diesem Flügel befindet sich auch ein Kapellenraum (heute das Café-Restaurant). Der Ostflügel ("Grauer Flügel") weist ein Erdgeschoss aus Sandsteinquadern mit Fachwerkobergeschoss auf. Sein Vorgänger wurde ca. 1860 abgetragen und auf dem alten Keller in spätklassizistischer Form 1861 wieder errichtet. Der Nordflügel ("Sieberflügel") beherbergte in seinem steinernen Erd- und den beiden Fachwerkobergeschossen ursprünglich die herzogliche Hofhaltung. Er wurde ca. 1648–1660 errichtet (heute das Amtsgericht Herzberg). Im Winkel der beiden Trakte steht der zur selben Zeit entstandene, quadratische Schloss- bzw. Uhrturm mit drei Obergeschossen aus Fachwerk. Auf der Nordwestseite des Hofes befindet sich der massive, zweistöckige Marstallflügel.
Geschichte
Das Schloss Herzberg war eine der bedeutenden Residenzen unterschiedlicher Linien des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg. Nach einer sehr wahrscheinlich unkorrekten Überlieferung wurde als Vorgänger der Burg im Jahr 1029 durch einen Werner von Lutterberg hier ein Jagdhaus errichtet. Als Erbauer der Burg wird der König und spätere Kaiser Lothar III. (von Süpplingenburg) vermutet. Der erste indirekte Hinweis auf das Bestehen der Burg ist die Existenz eines Ministerialen, Luipold von Herzberg, als Zeuge in einer Urkunde von 1050. 1144 wurde auf Anordnung der Welfen durch die aus Bayern stammende Ministerialen-Familie von Göttingen das Schloss Herzberg mit der umliegenden Pflege als heimgefallenes Lehen für die Welfen in Besitz genommen, nachdem 1143 Graf Hermann von Lutterberge dort ohne Lehnserben verstorben war. Die ältesten direkten Zeugnisse für die Burg sind zwei Urkunden Heinrichs des Löwen aus den Jahren 1156 und 1158, die auf der Burg ausgestellt worden sind. Heinrich besaß somit damals die Verfügungsgewalt über die Burg, erworben hat er die die damals noch den Status einer Reichburg besitzenden Anlage aber erst 1157 durch ein Tauschgeschäft mit Friedrich Barbarossa. Heinrich der Löwe trat im Gegenzug dafür Erbgüter seiner ersten Gemahlin Clementia von Zähringen in Schwaben an Friedrich I. ab. Seither befand sich die Anlage 708 Jahre lange ununterbrochen in der Hand der Welfen bis zum Ende des Königreichs Hannover 1866.
Nach Heinrichs Tod kam die Burg an Otto IV. und diente nach dessen Tod 1218 seiner Gemahlin Marie als Witwensitz. Diese Rolle spielte die Burg in ihrer weiteren Geschichte noch mehrmals, z. B. ab 1279 diente für die Witwe Herzog Albrechts des Großen. Zunächst wurde sie aber mit dem Beginn der welfischen Linie Braunschweig-Grubenhagen 1290 deren Residenz. Von 1384 bis 1402 war sie als Apanage im Besitz des ehemaligen Abts von Corvey, Ernst von Braunschweig-Grubenhagen. Ab 1486 residierten hier die Herzöge des Fürstentums Grubenhagen bis zu ihrem Aussterben 1596. Danach ging die Anlage an die welfische Linie Braunschweig-Lüneburg über.
Von der schweren Feuersbrunst auf der Burg 1510 ist überliefert, dass sich die Schlossherrenfamilie, Herzog Philipp I. mit Gemahlin Katharina und dem Sohn Philip, in letzter Minute vor dem rasch um sich greifenden Feuer retten konnte. Der Schildknappe und die Kammerfrau der Herzogin seien beim Brand umgekommen. Zum Dank für ihre Hilfe bei Brand und Wiederaufbau erlaubte Philipp I. den Herzberger Bürger, Schützenfeste abzuhalten, und schenkte ihnen eine Silberkette mit einem silbernen Hirschen.
Bis 1635 lebte in dem wieder aufgebauten Schloss Herzog Georg von Braunschweig und Lüneburg mit seiner Gemahlin Anna Eleonore von Hessen-Darmstadt.[3] Dort wurde 1629 ihr jüngster Sohn, der spätere erste Kurfürst von Hannover, Ernst August Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, geboren. Seine Schwägerin, Herzogin Dorothea Sophie von Celle, lebte hier ab 1665 für drei Jahre als Witwe, bis sie den „Großen Kurfürsten“ Friedrich Wilhelm von Brandenburg heiratete und nach Berlin zog.
1714, in jenem Jahr als Ernst Augusts Sohn Georg I. in Personalunion König von Großbritannien und Irland wird, wurde das Schloss Herzberg als Residenz aufgegeben. Seit 1852 ist es Sitz des Amtsgerichts Herzberg. 1900 wurde im Schloss ein Museum eingerichtet. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erlitt das Schloss schwere Beschädigungen, die heute alle behoben sind. In der Nacht zum 4. April 1945 kam es unterhalb des Schlosses in der nahe gelegenen Sprengstofffabrik, wo 40.000 kg Sprengstoff und 8.000 Minen lagerten, zu einer gewaltigen Detonation. Davon wurde das Dach des Schlosses abgedeckt. Im Zuge dessen wurde auch das Museum zerstört und vermutlich geplündert. 1947 kam es zu weiteren Beschädigungen durch die Sprengung von Militärbunkern in der Nähe.
2006 wurde das Schloss in Teilen saniert. Bei einer weiteren – auf 10 Jahre angelegten – Generalsanierung der Schlossanlage werden seit 2017 das Torhaus mit Torzwinger, der Uhrenturm, der Marstallflügel, der Graue Flügel und der Sieberflügel kernsaniert. Bei dieser, bis dato größten Bausanierung werden auch zwei Aufzugsanlagen (Amtsgericht und Schlossmuseum), sowie in allen vier Gebäudeteilen Brandmeldeanlagen und Notausgänge eingebaut.
Heutige Nutzung
Heute beherbergt das Schloss neben dem Amtsgericht Herzberg ein kleines kulturelles Zentrum mit einem Café-Restaurant[4], einem Museum und dem Rittersaal, der für kulturelle Veranstaltungen genutzt wird. Das Museum gehört zum Kulturerbe Niedersachsen und zeigt die Geschichte der Forstwirtschaft des Harzes, die Schlossgeschichte und die Geschichte der Welfen. Weitere Ausstellungsbereiche präsentieren die Geschichte der Herzberger Gewehrmanufaktur sowie den Herzberger Orgelbauer Johann Andreas Engelhardt. Im Rahmen der Dauerausstellung kann ein Faksimile des Evangeliar Heinrichs des Löwen und ein Modell vom Herzberger Schloss[5] betrachtet werden. Seit dem Internationalen Museumstag 2017 ist im Schlossmuseum die restaurierte Welfenwiege aus dem 16. Jahrhundert zu sehen.[6] Zudem gibt es auch eine kleine Ausstellung zur Plansprache Esperanto. Des Weiteren finden regelmäßig Sonderausstellungen statt.
Am ersten Torhaus können die Schlossbesucher seit August 2021 einen QR-Code scannen und sich in nur 20 Minuten mit einer kostenlosen Smartphone-App über den Schlosshof führen lassen.[7] Zudem gibt es ab Oktober 2021 auch eine mehrsprachige Audioguide-Führung durch das Schlossmuseum in Deutsch, Englisch, Niederländisch, Dänisch und Esperanto.[8]
Generalsanierung der Schlossanlage
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil kündigte bei einem Besuch des Schlosses im Jahr 2016 eine weitere notwendige Sanierung, insbesondere des Uhrenturmes, für 12 Millionen Euro an, jedoch wurden die Mittel wieder gekürzt. Der Marstallflügel des Schlosses galt als akut einsturzgefährdet.[9] Seit dem Sommer 2017 wird das Schloss Herzberg für 7,5 Millionen Euro saniert.[10][11] Die Gesamtkosten werden auf 20 Millionen Euro geschätzt.[12]
Neben dem Land Niedersachsen unterstützt seit 2021 auch die Bundesregierung die Sanierung des Welfenschlosses in Herzberg mit 7 Millionen Euro. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) hat die Unterstützung der Sanierung des Welfenschlosses in Herzberg in den kommenden fünf Jahren mit insgesamt 7 Millionen Euro im Rahmen des Programmes für investive Kulturmaßnahmen für nationale Einrichtungen im Inland zugesagt. Die geförderten Maßnahmen haben zum Ziel, für rund 17,7 Millionen Euro Teile des Schlosses und der Außenanlage zu sanieren und wieder in Nutzung zu bringen. Dabei werden auch die heute geltenden Vorgaben der Barrierefreiheit und des Brandschutzes berücksichtigt.[13]
Das Amtsgericht Herzberg, das Schlossmuseum, der Rittersaal und das Café-Restaurant sind weiterhin geöffnet.[14]
Herzberger Schlosskonzerte
1986 wurden von der Stadt Herzberg am Harz die Herzberger Schlosskonzerte ins Leben gerufen. Seit dieser Zeit werden jährlich sechs bis acht Konzerte auf hohem Niveau im Rittersaal auf Schloss Herzberg angeboten.
Förderverein
Im Jahre 2004 wurde der Förderverein Schloss Herzberg am Harz e.V. gegründet, der das Welfenschloss als Baudenkmal erhalten und das Interesse daran durch Förderung von Kunst und Kultur unterstützen will.
Projekte waren, unter anderen, die Sanierung und der Aufbau der funktionsfähigen Engelhardt-Orgel im Schlossmuseum – wo seitdem jährlich Orgelkonzerte stattfinden – sowie die Anschaffung mehrerer Gemälde und weiterer Ausstellungsstücke für das Museum.
Seit 2013 ist der Förderverein Veranstalter der Herzberger Schlosskonzerte im Rittersaal, sowie der Herzberger Schloss Vorträge[15] mit dem Historiker Gerd Biegel. 2014 wurde die Ahnentafel des Hauses Braunschweig ergänzt und erweitert. Diese große Ahnentafel, mit 32 Generationen, ist jetzt im Erdgeschoss des Museums ausgestellt.[16]
Zudem unterstützt der Förderverein das Museum beim Internationalen Museumstag im Mai und dem Tag des offenen Denkmals im September.[7]
Literatur
- Hans Adolf Schultz: Burgen und Schlösser des Braunschweiger Landes, Braunschweig 1980, Das Schloß Herzberg, S. 109–110, ISBN 3-878840128
- Hans Grüneberg: Schloss Herzberg und seine Welfen, Stadt Herzberg am Harz 2012, ergänzte Neuauflage der Ausgabe vom April 1993
- Ernst Andreas Friedrich: Das Schloß Herzberg, S. 97–98, in: Wenn Steine reden könnten. Bd. 4. Landbuch-Verlag, Hannover 1998, ISBN 3-7842-0558-5
- Jürgen Wilke: Die Geschichte des Wappens der Stadt Herzberg/Harz, S. 1–33 + Literaturverzeichnis, Göttingen 1998
- Markus C. Blaich, Sonja Stadje, Kim Kappes: Schloss Herzberg in: Die Heldenburg bei Salzderhelden, Burg und Residenz im Fürstentum Grubenhagen, (= Wegweiser zur Vor- und Frühgeschichte Niedersachsens. 32) Isensee Verlag, Oldenburg, 2019, S. 138–141.
Weblinks
- Eintrag von Stefan Eismann zu Schloss Herzberg in der wissenschaftlichen Datenbank „EBIDAT“ des Europäischen Burgeninstituts
- Museum Schloss Herzberg am Harz auf: Museen in Niedersachsen und Bremen
- Schloss Herzberg bei Kulturerbe Niedersachsen
- Bauliche Details des Schlosses Herzberg bei karstwanderweg.de
- Geologische Lage des Schlosses mit Luftbild
- Schloss Herzberg (1) – Wappen am Uhrturm
- Schloss Herzberg (2) – Wappen am Haupttor
- Schloss Herzberg bei Burgenarchiv.de
Einzelnachweise und Anmerkungen
- NDR 1 Niedersachsen / Das Welfenschloss Herzberg (Memento vom 25. September 2015 im Internet Archive)
- Infotafel im Schlosshof – Labiler Fels (gesehen am 28. September 2021)
- Alexander Dylong: Feldherr und Staatsmann im Dreißigjährigen Krieg – Georg von Calenberg Herzog zu Braunschweig-Lüneburg. MatrixMedia Verlag, Göttingen 2020, S. 18, 37, 41, 59, 64, ISBN 978-3-94689-113-0. Sein Porträt von der Buchtitelseite hängt im Rittersaal und weitere Bilder aus dem Buch sind im Museum ausgestellt.
- Schlosscafé Herzberg auf: Facebook
- Das Modell des Welfenschlosses kann im Museum besichtigt werden In: LauterNeues 5. Oktober 2021
- Besucher bewundern die Welfenwiege In: Harz Kurier 22. Mai 2017
- Förderverein Schloss Herzberg e. V. auf: Facebook
- Mit dem Audioguide durch das Herzberger Schlossmuseum In: LauterNeues 24. September 2021
- Land gibt Millionen für marodes Welfenschloss bei NDR.de vom 23. Januar 2017
- Sanierungsarbeiten im Schloss Herzberg beginnen im Frühjahr 2017 Presseinformation des Niedersächsischen Finanzministeriums
- Schloss Herzberg wird für 7,5 Millionen Euro saniert Videobeitrag auf YouTube
- Sanierung des Welfenschlosses hat begonnen bei NDR.de vom 19. Juni 2017
- Bundesregierung unterstützt Sanierung des Welfenschlosses in Herzberg. bei Niedersachsen.de vom 4. August 2021
- Amtsgericht Herzberg am Harz – Geschichte
- Herzberger Schloss Vorträge
- Stammtafel wurde aktualisiert In: Harz Kurier 17. August 2014