Schloss Amerang
Schloss Amerang ist ein Schloss in Amerang im oberbayerischen Landkreis Rosenheim. Es steht auf einem steilwandigen Felskegel südlich der Ortschaft und prägt dessen Silhouette.
Seine Wurzeln liegen in einer Burg des 11. Jahrhunderts, die durch die Scaliger im 16. Jahrhundert zu einem Schloss mit Anleihen aus der italienischen Renaissance umgebaut und erweitert wurde. Der Innenhof des Schlosses zählt mit seinen dreistöckigen Arkadengängen zu den ältesten Bauten der frühen Renaissance in Bayern.[1] Als Besonderheit besitzt die im Grundriss fast kreisförmige Anlage in ihren 40 Innenräumen keinen einzigen rechten Winkel.[2]
Das Schloss ist seit fast 200 Jahren Wohnsitz der freiherrlichen Familie von Crailsheim, die es zugleich als Hotel, Restaurant und Veranstaltungsort nutzt. Einige Innenräume des denkmalgeschützten Gebäudes können im Rahmen von Führungen besichtigt werden.
Geschichte
Anfänge
Schon im 11. Jahrhundert stand am heutigen Ort eine Burg, die für 1072 erstmals belegt ist, denn in einer Schenkungsurkunde jenes Jahres findet ein Pato de Amirangen Erwähnung.[3] Die vermutlich hölzernen Bauten dieser ersten Anlage sind heute vollkommen verschwunden.[4] Nachfahren des Pato, die Edelfreien zu Amerang und Burgschleinitz, errichteten wahrscheinlich den heute noch teilweise erhaltenen massiven Bergfried. Als diese Familie 1260 ausstarb, beerbte sie ein Adelsgeschlecht, das sich von Amerang zu Amerang nannte. Bis etwa 1330[5] gehörte die kleine Anlage den Herren von Amerang. Das letzte männliche Mitglied dieser Familie war Nikolaus II. von Amerang. Er setzte vermutlich seine beiden Neffen Seifried und Otto von Laiming als Erben ein,[5] denn seine Schwester Anna hatte in das Haus der Laiminger Turniervögte eingeheiratet. Nach Nikolaus’ Tod im Jahr 1330 herrschten fortan die Laiminger auf Amerang. Seit jener Zeit wurde die Herrschaft als Hofmark bezeichnet, welche die niedere Gerichtsbarkeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts besaß.[6][3] Nachdem sich die Familie 1404 in zwei Linien gespalten hatte, nutzten beide Zweige die Burg gemeinsam. Deren Status als Ganerbenburg dokumentierte lange Zeit eine mächtige Quermauer, welche die Anlage in zwei Hälften teilte.[4] Die Laiminger veränderten die Anlage am Ende des 15. Jahrhunderts zu einem spätgotischen Wohn- und Wehrbau in Form einer Randhausburg.[2]
Renaissance bis Neuzeit
Letzter männlicher Laiminger auf Amerang war Christoph. Er ließ 1512 die Burgkapelle erweitern.[7][8] Durch die Heirat seiner Tochter Margaretha 1497 mit Johann della Scala dem Älteren kam die Burg nach Christophs Tod im Jahr 1542 an die Scaliger, eine Veroneser Adelsfamilie. Ihre Mitglieder nannten sich auch „von der Leiter“, denn das italienische scala bedeutet im Deutschen Leiter. Nachdem die Anlage wahrscheinlich durch Brand im Landshuter Erbfolgekrieg 1504/05 zerstört worden war,[3] folgten während des 16. Jahrhunderts die bedeutendsten Baumaßnahmen in der Schlossgeschichte. Um 1570 erfolgte unter Johanns Enkel Hans Warmund von der Leiter der Umbau der Anlage in Formen der Renaissance. Dazu gehörte das Angleichen aller Gebäudedächer auf eine gleichmäßige Höhe, die Vereinheitlichung der äußeren Fassade und der Bau von dreigeschossigen Arkaden im Innenhof, für die das Schloss Amerang bekannt ist.[9]
Noch im 16. Jahrhundert kam das Schloss an die Grafen von Lamberg, denn Hans Warmunds Erbtochter Johanna heiratete 1607 Georg Sigmund aus diesem österreichischen Grafengeschlecht. Während ihrer Zeit als Besitzer überstand es den Dreißigjährigen Krieg unbeschadet. Sie ließen die Anlage baulich größtenteils unverändert, lediglich ein kleines Glockentürmchen auf dem Osttrakt stammt von ihnen. Zudem ließen sie 1805 den Bergfried wegen Baufälligkeit der oberen Geschosse auf die Höhe der angrenzenden Bauten stutzen.[3] Von den Lambergs kam das Schloss 1821 durch Heirat an die heutige Besitzerfamilie, die Freiherren von Crailsheim, deren Familie noch heute Eigentümerin ist. Die von Crailsheim ließen noch im gleichen Jahr den Halsgraben verfüllen. 1887 erfolgte die Vergrößerung zahlreicher Fenster.[3]
Seit dem 20. Jahrhundert
Bei Kanalausschachtungen in den Jahren 1961 bis 1963 wurden unter dem Schlosshof die mittelalterlichen Mauern und Reste eines romanischen Portals gefunden. Von 1963 bis 1967 ließen die Eigentümer die zum Teil aus behauenem Tuffstein bestehenden Kellergewölbe restaurieren. Anfang der 1990er Jahre belastete das aus dem 19. Jahrhundert stammende Schlossdach die Statik der Anlage dermaßen stark, dass sich 1992 Risse und Sprünge im Mauerwerk zeigten und die Arkaden im Schlosshof einzustürzen drohten.[10][2] In der Folge wurde der Zugang zum Hof gesperrt und das Schloss für den Besucherverkehr geschlossen.[11] Mit Hilfe öffentlicher Gelder wurde das Schloss von 1995 bis 1998 für 6,6 Millionen DM[11] von Grund auf saniert und so vor dem Verfall gerettet. Einen wichtigen Beitrag bei allen Maßnahmen im Innen- und Außenbereich leistet der 1974 gegründete Förderverein Schloss Amerang.
Beschreibung
Schloss Amerang steht auf einer bewaldeten Anhöhe, die an drei Seiten durch bis zu 35 Meter[12] tiefe Bachschluchten geschützt ist. Die vierte Seite im Bereich der Zugbrücke sicherte früher ein Halsgraben. Das vierflügelige Hauptschloss besitzt einen nahezu kreisförmigen Grundriss und hat trotz Umgestaltungen in der Frühen Neuzeit seinen wehrhaften Charakter von außen gut bewahrt. Sein schlichtes und schmuckloses Äußeres wirkt heute noch trutzig und abweisend. Die älteste Bausubstanz des Schlosses wird aufgrund der Datierungen einiger Eichenbalken in die Zeit zwischen 1370 und 1450 geschätzt.[4]
Am Südhang des Schlossbergs liegt das Arboretum Schloss Amerang mit einer Sammlung von Bäumen aus aller Herren Länder. Den Grundstein dazu legte gegen Mitte des 20. Jahrhunderts Krafft Freiherr von Crailsheim. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich der Lehrobstgarten des Landkreises Rosenheimes. Beide sind öffentlich zugänglich.
Den Eingang zum Schloss bildet eine kleine Vorhalle am Ostflügel, über dessen Portal das Wappen der Grafen von Lamberg mit dem der Scaliger in der Mitte prangt. Der östliche Schlosstrakt bildet gemeinsam mit dem Südflügel den ältesten Teil des Schlosses. Dort finden sich – integriert in den östlichen Schlossteil – die Reste des quadratischen Bergfrieds mit seinen meterdicken Mauern, die im Untergeschoss ein vermeintliches Verlies umschließen. Im ersten Stockwerk des ehemaligen Turms befindet sich die 1997 renovierte spätgotische Schlosskapelle, die dem heiligen Georg geweiht ist. Ihr Altar steht in einem Erker der auf zwei behauenen Granitblöcken ruht. Bereits 1245 ist für Amerang eine Kapelle erwähnt.[8] Die heutige wurde 1513 neu geweiht und besitzt ornamentale Wand- und Deckenmalereien, die wahrscheinlich aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammen.[8] Die sonstige Ausstattung des von einem niedrigen Netzgewölbe überspannten Raums stammt aus der Zeit des Barocks. Ein Seitenaltar mit Darstellungen des heiligen Georgs und des heiligen Sigismunds wurde möglicherweise von Georg Sigmund von Lamberg gestiftet und würde somit aus der Zeit von 1600 bis 1632 stammen.[8]
Durch die Eingangshalle gelangt der Besucher in einen trapezförmigen Innenhof, der an drei seiner Seiten mehrstöckige Arkadengänge besitzt. Für diesen Arkadenhof ist das Schloss besonders bekannt, denn er gehört zu den bedeutendsten seiner Art nördlich der Alpen.[10] Die Gänge der dreigeschossigen Bogengänge besitzen Kreuzgratgewölbe, die im Erdgeschoss von Säulen aus Haustein mit nachempfundenen romanischen Würfelkapitellen getragen werden. In den Obergeschossen werden die Bögen von roten Marmorsäulen toskanischer Ordnung getragen. Das Material stammt vielleicht aus der Gegend von Ruhpolding.[8] Erschlossen werden die Geschosse durch ein Treppentürmchen mit achtseitiger Zwiebelhaube im Westflügel, der ebenso wie der nördliche Trakt aus der Zeit der Scaliger stammt und damit der jüngere Teil des Schlosses ist. Der Schlosshof besitzt damit Ähnlichkeiten zu denen von Schwindegg und Tüßling.[8]
Weitere kunsthistorisch bemerkenswerte Innenräume sind die Dreisäulen-Halle, deren Name von den drei Säulen herrührt, die ihr Gewölbe tragen, der sogenannte Rittersaal mit Fresken aus der Zeit um 1570[13] sowie mehrere Salons mit Ausstattungen im Stil des Barocks, des Rokokos und der Gründerzeit.
Heutige Nutzung
Seit 1995 ist Ortholf Freiherr von Crailsheim der Ameranger Schlossherr,[14] der zusammen mit seiner Frau Giulia das Schloss bewohnt und bewirtschaftet. Das Paar macht die Anlage der Öffentlichkeit zugänglich. Führungen durch das Schlossmuseum bieten einen Einblick in die Geschichte des Adelssitzes. Der alte Tiefkeller der Schlossanlage wird gastronomisch genutzt.
Mehrere Räumlichkeiten des Schlosses können für Feiern und Veranstaltungen angemietet werden. Zur Verfügung stehen dabei neben dem Innenhof die Dreisäulen-Halle, der Renaissancekeller, das Scaligerzimmer, der gotische Keller, der barocke Lambergsaal und die Schlosskapelle. In neun Zimmern und Suiten bieten die Eigentümer Übernachtungen an.
Seit 1965 finden die Sommerkonzerte im Arkadenhof des Schlosses statt. Zudem gibt es alljährlich eine Schloss-Weihnacht, ein Gartenfest und ein mehrtägiges Ritterfest. Dort werden dem Besucher ein Lagerleben mit historischen Gruppen, ein mittelalterliches Markttreiben mit Händlern und Handwerkern, Konzerte auf mehreren Bühnen, eine Feuershow, Ritterkämpfe und eine Feldschlacht geboten.
Zum Schloss gehört das Gestüt Schloss Amerang, das sich der Zucht von Pura Raza Españolas widmet und als „Mejor ganaderia de Alemania 2015“ ausgezeichnet wurde.
Literatur
- Jolanda Engelbrecht, Krafft Freiherr von Crailsheim: Schloss Amerang. Sonderdruck aus dem Heimatbuch zum 1200. Jubiläum des Ortes Amerang. Amerang 1990.
- Krafft Freiherr von Crailsheim: Geschichte des Schlosses Amerang. Amerang 1969.
- Werner Meyer: Burgen in Oberbayern. Weidlich, Würzburg 1986, ISBN 3-8035-1279-4, S. 206–207.
- Franz Prinz zu Sayn-Wittgenstein: Schlösser in Bayern. Residenzen und Landsitze in Altbayern und Schwaben. Beck, München 1972, S. 70–71.
- Michael Weithmann: Burgen und Schlösser in Bayern. Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten u. a. 2003, ISBN 3-85326-175-2, S. 65–66.
- Wolfgang Felix Schmitt: Schloss Amerang. In: Joachim Zeune, Wolfgang Felix Schmitt, Dirk Lau: Faszination Burgen und Schlösser. Oberbayern. Weltbild Augsburg 2006, S. 57–61.
- Stefan Uhl: Schloß Amerang. Bemerkungen zur Baugeschichte. In: Burgen und Schlösser. Jg. 36, Nr. 2, 1995, ISSN 0007-6201, S. 88–98.
Weblinks
- OffizielleWebsite von Schloss Amerang
- Schloss Amerang auf Burgenwelt.org
Einzelnachweise
- Werner Meyer: Burgen in Oberbayern. Weidlich, Würzburg 1986, ISBN 3-8035-1279-4, S. 207.
- M. Weithmann: Burgen und Schlösser in Bayern, 2003, S. 65.
- Schloss Amerang auf burgenwelt.org, Zugriff am 23. November 2013.
- Wolfgang Felix Schmitt: Schloss Amerang, 2006, S. 58.
- F. Prinz zu Sayn-Wittgenstein: Schlösser in Bayern, 1986, S. 70.
- Werner Meyer: Burgen in Oberbayern. Weidlich, Würzburg 1986, ISBN 3-8035-1279-4, S. 206.
- Wolfgang Felix Schmitt: Schloss Amerang, 2006, S. 60.
- F. Prinz zu Sayn-Wittgenstein: Schlösser in Bayern, 1986, S. 71.
- M. Weithmann: Burgen und Schlösser in Bayern, 2003, S. 66.
- Informationen zur Schlosssanierung auf der Website der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (Memento vom 23. September 2015 im Internet Archive).
- Cornelia Baumann-Oelwein: Baudenkmale gefährdet - Baudenkmale gerettet. Bayern. In: Burgen und Schlösser. Jg. 39, Nr. 3, 1998, ISSN 0007-6201, S. 181.
- Wolfgang Felix Schmitt: Schloss Amerang, 2006, S. 57.
- Wolfgang Felix Schmitt: Schloss Amerang, 2006, S. 59.
- Wolfgang Felix Schmitt: Schloss Amerang, 2006, S. 61.