Kloster Herrenchiemsee
Das Kloster Herrenchiemsee (auch Herrenwörth genannt) ist ein ehemaliges Augustiner-Chorherren-Stift auf der Insel Herrenchiemsee im Chiemsee in Bayern. Die Klosterkirche diente von 1216 bis 1807 als Kathedrale des Bistums Chiemsee, während die Augustiner-Chorherren dieses Stifts das Domkapitel bildeten. Nach der Säkularisation in Bayern wurden die Klostergebäude in das Alte Schloss Herrenchiemsee umgestaltet.
Geschichte
Gründung und frühe Geschichte
Das Kloster wurde der Tradition nach durch Herzog Tassilo III. von Bayern gegründet. Der tatsächliche Gründer war Eustasius, der Abt des Klosters Luxeuil (Burgund). Die Gründung erfolgte (nach neuesten, auch archäologischen Erkenntnissen) zwischen 620 und 629. Herrenwörth war damit das älteste bairische Kloster, es entstand etwa siebzig Jahre vor der Gründung von St. Peter in Salzburg, welches lange als ältestes Kloster gegolten hatte. Einer der nachweisbaren Leiter des Klosters war der Bischof Dobdagrecus, den Virgil aus seiner irischen Heimat mit nach Baiern gebracht hatte; nachdem Virgil 749 die Bischofsweihe empfangen hatte, übernahm Dobdagrecus die Leitung des Männerklosters Chiemsee. Nach der Absetzung von Tassilo III. durch Karl den Großen stellte dieser das Kloster Chiemsee unter die Aufsicht des Angilram von Metz, das vor 788 von dem peregrinus Doddogracus und dann von einem Ambrosius geleitet worden war. Ein weiterer Abt war Hrodhart (Ruadhardus abba nach dem Reichenauer Memorialbuch), wobei offen bleiben muss, ob er sein Amt nach dem Dobdagrecus oder nach dem Anilgram übernommen hat. Am 13. Januar 804 fand vor Königsboten in Aibling ein Prozess statt, bei dem der Archipresbyter Ellannod von Freising vom Chiemseer Abt Liutfried eine parrochia mit allen darin liegenden Kirchen für Freising beanspruchte. Der gefasste Beschluss (convenietia) bestand darin, dass Liutfrid und sein Kloster alle Kirchen behalten durften, die von Adalschalken (homines fiscalini) und von Adeligen (nobiles homines) gestiftet worden waren und ebenso den Zehnt der liberi homines vel barsalci. Damit war der Freisinger Anspruch, mit dem das ehemalige Herzogskloster beseitigt werden sollte, abgewehrt.[1]
Von der Gründung bis 1130 war es ein Benediktinerkloster, ab 1130 ein Stift der Augustiner-Chorherren. Der Neubau einer dreischiffigen, romanischen Basilika wurde 1158 vollendet.
Stift Herrenchiemsee im Bistum Chiemsee
1215 errichtete Salzburg das Bistum Chiemsee, der Bischof von Chiemsee residierte aber im Chiemseehof zu Salzburg. Das Augustinerchorherrenstift bildete das Domkapitel des Bistums Chiemsee. An der Spitze dieses Kapitels stand der Propst des Augustinerchorherrenstifts, der seit 1218 zugleich Archidiakon des einzigen Archidiakonates der Diözese war. Die Klosterkirche, seit 1131 den Heiligen Sixtus und Sebastian geweiht, wurde zur Kathedrale des Bistums Chiemsee erhoben.
Seine größte Blüte erlebte das Stift im 15. Jahrhundert. 1446 erlangte Propst Ulrich Häupl das Recht, die Pontifikalien zu tragen. Nach 1498 erlangte Propst Rupert Puetinger den Titel eines Pfalzgrafen des Lateran, der ihm das lukrative Recht verlieh, Wappenbriefe auszustellen. Misswirtschaft und Verschuldung führten dazu, dass das Stift zwischen 1552 und 1562 weltlicher Verwaltung unterstand. Erst unter Propst Arsenius Ulrich, der 1627 von Heilig Kreuz in Augsburg kam und das Inselstift bis 1653 leitete, erholte sich das Stift.
1642 wurde mit einem Klosterneubau begonnen, der freilich erst 1731 vollendet war. 1676 bis 1678 wurde ein neuer Inseldom durch den Graubündner Baumeister Lorenzo Sciasca im prachtvollen Barock errichtet. 1700 bis 1704 wurde nach Plänen Antonio Rivas der Fürstenstock errichtet. 1727 bis 1730 folgte der Prälaturstock als letzter Bauabschnitt.
Säkularisation 1803 und Nachnutzung
Das Kloster wurde 1803 im Zuge der Säkularisation aufgelöst. Es kam in staatlichen Besitz und wurde im selben Jahr an den Mannheimer Kaufmann Carl von Lüneschloß verkauft. 1807 wurde der Dom des Bistums Chiemsee profaniert, 1808 das Bistum Chiemsee aufgehoben.
Zwischen 1818 und 1820 ließ der Münchner Großkaufmann Alois von Fleckinger die Türme und den Chor des Doms abbrechen und richtete im ehemaligen Langhaus eine Brauerei ein. Der Hochaltar kam nach Rimsting, die Johann-Christoph-Egedacher-Orgel nach Tittmoning.
Die Klostergebäude wurden in das (Alte) Schloss Herrenchiemsee umgestaltet. 1840 bis 1870 bewohnte Graf Paul Maria Vogt von Hunoltstein die Insel. Er verkaufte sie an eine württembergische Holzverwertungsgesellschaft, die eine komplette Abholzung der Waldbestände plante. König Ludwig II. von Bayern verhinderte dies und kaufte 1873 die ganze Insel für 350.000 Gulden, um ab 1878 hier sein Neues Schloss Herrenchiemsee zu errichten.
Im Konventstock des Alten Schlosses tagte vom 10. bis 23. August 1948 der Verfassungskonvent zur Vorbereitung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. An dieses Ereignis erinnert eine Ausstellung im Alten Schloss.[2] Der ehemalige Dom soll auf Betreiben der Freunde von Herrenchiemsee wiederhergestellt werden.
Reihe der Pröpste
Quelle[3]
- Sebastian Hartmann, 1131–1134
- Eberwin (unsicher)
- Hugo (unsicher)
- Conrad I., 1139, 1142
- Ulrich I., 1143, 1172
- Rudolf, 1179, 1180
- Engelschalk I., 1182
- Siboto, 1188, 1197
- Adalbert (Albert), 1198, 1203
- Conrad II. (Arno), 1204, 1216
- Engelschalk II.
- Heinrich I., 1246, 1257
- Conrad III.
- Friedrich I.
- Friedrich I. Fronauer, 1287, 1292
- Gotschalk, 1294, † 1320
- Otto, 1324, 1333
- Greimold, 1334
- Seyfrid, 1335, 1343
- Heinrich II., 1348, 1364
- Jakob I., 1365
- Jakob II., † 1366
- Heinrich III., 1366
- Conrad IV. von Volers, 1371, 1377
- Johann I. Ebser, 1380, 1395
- Nicolaus von Volers, 1401, 1406
- Stephan Parterhauser, 1409, 1417
- Ulrich II. Haeupel, 1418, 1450; erhielt 1446 die Pontifikalien
- Ludwig, 1452, † 1455
- Ulrich III. Mengelschrot, 1455
- Sigmund von Lindeneck, 1461, 1469
- Johann II. Zuckschwert, 1470, 1491
- Rupert I. Pultinger, 1498, † 1520
- Adam, 1526, † 1539
- Virgilius, 1540, 1541
- Erasmus Thrayrer, 1543
- Jakob III., 1553, 1560
- Christoph, 1562, 1577
- Erasmus Koch, Administrator, † 1579
- Christian Schmidhauer, 1579, 1580
- Johann III. Dirmadinger, 1583
- Ulrich IV. Stockher, † 1585
- Sebastian Sassauer, 1588
- Martin I. Burkhard, † 1594
- Johann IV. Jakob Raiger, 1596, 1599, resignierte 1604
- Johann V. Rhaem, 1604, † 1623
- Caspar Spindler, † 1617
- Augustin I. Dachsner, 1618, † 1627
- Arsenius Ulrich, 1627–1653
- Rupert II. Kegel, 1653–1688
- Sebastian II. Zoller, 1688–1691
- Jakob V. Mayr, 1691–1717
- Franz Pichler, 1718–1736
- Floridus Rapl, 1736–1759
- Martin Held, 1759–1764
- Sebastian II. Danner, 1764–1792
- Augustin II. Fuchs, 1792–1803, † 1826
Bauten
Das Alte Schloss besteht aus einem Geviert der Klostertrakte. Prunkstücke sind der Kaisersaal im Südflügel mit seiner Dekoration um 1700 und die zweischiffige Halle der um 1735 errichteten Bibliothek. Seit 1998 befindet sich im Ost- und Südflügel ein Museum, im Nordflügel ist eine Gemäldegalerie mit rund 100 Bildern von Julius Exter untergebracht.
Die kleine spätgotische Kirche St. Maria war für die Laien der Klosterpfarrei errichtet worden. Sie wurde 1469 geweiht, 1630 bis 1632 umgebaut und erhielt den frühbarocken Hochaltar (1632) und die Kassettendecke mit Tafelgemälden aus dem Marienleben. Die Orgel stammt aus dem Jahr 1668 und wurde vermutlich von Mathias Rotenburger geschafften, sie wurde 2018 von Orgelbau Linder restauriert. An der Außenfassade befinden sich Wappensteine von Pröpsten des Augustiner-Chorherrenstifts.
Literatur
- Elmar D. Schmid, Kerstin Knirr: Herrenchiemsee. Museum im Augustiner-Chorherrenstift. Königsschloss. König Ludwig II.-Museum. Amtlicher Führer, Neufassung; (Bayerische Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen); 1. Aufl. München 2005, ISBN 3-932982-65-7.
- Ein lange ersehnter Zuwachs des Staatsarchivs München: Die Altregistratur der Schloss- und Gartenverwaltung Herrenchiemsee. In: Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns. Nr. 53/2007.
- Walter Brugger, Heinz Dopsch, Joachim Wild: Herrenchiemsee, Kloster-Chorherrenstift-Königsschloss. Regensburg 2011, ISBN 978-3-7917-2332-7.
Weblinks
- Kloster Herrenchiemsee, Basisdaten und Geschichte:
Stephanie Haberer: Herrenchiemsee: Bistumssitz – Königsschloss – Wiege der Verfassung in der Datenbank Klöster in Bayern im Haus der Bayerischen Geschichte
Einzelnachweise
- Joachim Jahn: Ducatus Baiuvariorum: Das bairische Herzogtum der Agilolfinger. S. 146f. (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters). Hiersemann, Stuttgart 1991, ISBN 3-7772-9108-0.
- Angela Bauer-Kirsch: Herrenchiemsee. Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee – Wegbereiter des Parlamentarischen Rates. Diss., Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn, 2005. urn:nbn:de:hbz:5-06025.
- Michael Hartig: Die oberbayerischen Stifte. Band I: Die Benediktiner-, Cisterzienser- und Augustiner-Chorherrenstifte. Verlag vorm. G. J. Manz, München 1935, DNB 560552157, S. 213 f.