Russischer Orden des Heiligen Georg
Der Orden des Heiligen Georg war bzw. ist ein russischer Verdienstorden.
Russisches Kaiserreich
Im russischen Kaiserreich war der Orden des Heiligen und Siegreichen Großmärtyrers Georg (russisch Орден Святого Великомученика и Победоносца Георгия/ Orden Swjatowo Welikomutschenika i Pobedonosza Georgija) der einzige Verdienstorden rein militärischen Charakters.
Geschichte
Bereits 1765 plante die Zarin Katharina II. die Gründung eines Militärordens, der „Kriegs-Katharinenorden“ heißen und als Auszeichnung für geleistete Dienstjahre im Heer und der Flotte dienen sollte. Es wurden sogar Statuten in Nachahmung des Militär-Maria-Theresien-Ordens ausgearbeitet, zur Gründung kam es aber nicht. Stattdessen stiftete die Kaiserin am 26. November (7. Dezember) 1769 den berühmten Georgsorden. Ursprünglich sollte er als Belohnung für Tapferkeit vor dem Feind dienen, im Laufe der Zeit verwendete man aber die Kreuze der 4. Klasse als Auszeichnung für Dienstjahre, welches in den Statuten von 1816 verankert wurde. Diese Kreuze trugen die Inschrift „25 ЛЕТЪ“ für 25 Dienstjahre im Heer oder „18 КАМПАНИЙ“ für Teilnahme an 18 Seeschlachten der Flotte (später, 1833, zu 20 erweitert).
Der Orden war vierklassig und bestand aus zwei Abteilungen:
- die sogenannten Großen Kreuze: Großkreuz und Komturkreuz (entsprechend 1. und 2. Klasse)
- 1. Klasse
- 2. Klasse
- die sogenannten Kleinen Kreuze, Brust- und Halsdekorationen der 3. und 4. Klasse.
- 3. Klasse
- 4. Klasse
Gestaltung
Das Ordenszeichen ist ein weiß emailliertes Tatzenkreuz. Im goldumrahmten Mittenmedaillon des Averses trägt es das Bild des heiligen Georg auf einem weißen Pferd, der den Drachen tötet (dies war das Wappen des Großfürstentums Moskau). Im Medaillon des Reverses zeigt der Orden die Namenschiffre des Heiligen, die von der Ordensdevise umgeben ist. Nichtchristen bekamen den Orden in der Form des Kreuzes, jedoch mit dem Zarenadler statt des Heiligenbildes im Mittenmedaillon. Zu Verwechselungen trägt bei, dass das Kreuz nicht das eigentliche Georgskreuz als Emblem darstellt, obwohl der Orden auch diesen Namen trägt.
Der goldene Stern der 1. und 2. Klasse ist viereckig. Sein Mittenmedaillon ist rot emailliert und zeigt die Namenschiffre des Heiligen, die von einem grünen Kranz mit der Ordensdevise „ЗА СЛУЖБУ И ХРАБРОСТЬ“ („Für Dienst und Tapferkeit“) umgeben ist.
Das Ordensband war ursprünglich gelb-schwarz oder gelegentlich gold-schwarz.[1] In den Statuten wurde es offiziell als gelb-schwarz beschrieben, später aber häufig in den Farben Orange und Schwarz ausgeführt.[2] Es hat sich als Sankt-Georgs-Band seit 2005 in der Öffentlichkeit als verbreitetes Symbol zum Andenken an den Tag des Sieges entwickelt und später als Zeichen der Unterstützung für den politischen Kurs der Putin-Regierung.[2][1]
Das Großkreuz wurde an der linken Hüfte getragen, die Kreuze der 2. und 3. Klasse als Halsdekoration, und das Kreuz der 4. Klasse trug man an einer fünfeckigen Metallspange, die mit dem Ordensband bezogen war.
Adelsstand und Privilegien
Die beiden ersten Klassen gaben den Rang eines Generalmajors, die 3. und 4. den eines Obersten. Ein Kandidat für die 1. Klasse musste als Oberbefehlshaber eine Schlacht gewonnen und außerdem 25 Jahre wirklich gedient oder 18 Seekampagnen mitgemacht haben.
Alle Klassen des Sankt-Georgs-Orden waren mit der Verleihung des erblichen Adels verbunden.
Verleihungen bis 1917
Verleihungen der 1. Klasse waren selten: insgesamt gab es nur 25 Großkreuzträger des Georgsordens (Verleihdaten nach julianischem Kalender in Klammern):
- Katharina II. von Russland (26. November 1769)
- Pjotr Rumjanzew-Sadunaiski (27. Juli 1770)
- Alexei Orlow (22. September 1770)
- Pjotr Panin (8. Oktober 1770)
- Wassili Dolgorukow-Krymski (18. Juli 1771)
- Grigori Potjomkin-Tawritscheski (16. Dezember 1788)
- Alexander Suworow-Rymnikski (18. Oktober 1789)
- Wassili Tschitschagow (26. Juli 1790)
- Nikolai Repnin (15. Juli 1791)
- Michail Kutusow (12. Dezember 1812)
- Michael Andreas Barclay de Tolly (19. August 1813)
- Karl XIV. Johann (Bernadotte) von Schweden (30. August 1813)
- Gebhard Leberecht von Blücher (8. Oktober 1813)
- Karl Philipp zu Schwarzenberg (8. Oktober 1813)
- Arthur Wellesley, Herzog von Wellington (28. April 1814)
- Levin August von Bennigsen (22. Juni 1814)
- Ludwig XVIII. von Frankreich (22. November 1823)
- Iwan Paskewitsch (27. Juli 1829)
- Hans Karl (Iwan Iwanowitsch) von Diebitsch-Sabalkanski (12. November 1829)
- Josef Wenzel Radetzky von Radetz (27. August 1848)
- Alexander II. von Russland (26. November 1869)
- Wilhelm I. von Preußen (26. November 1869)
- Albrecht von Österreich-Teschen (20. Juni 1870)
- Karl Friedrich Wilhelm Leopold August Graf von Werder (30. Oktober 1870)
- Michail Nikolajewitsch von Russland (9. Oktober 1877)
- Nikolai Nikolajewitsch von Russland (der Ältere) (29. November 1877)
Die Krankenschwester Rimma Iwanowa (4. Klasse 1917) war neben Katharina II. und Marie in Bayern eine von drei Frauen, die während des Russischen Kaiserreichs mit dem Georgsorden geehrt wurden. Selbst Zaren und andere Monarchen bekamen oftmals nur die 3. oder 4. Klasse des Ordens, beispielsweise Kaiser Franz Joseph I., der den Orden immer zur Alltagsuniform trug. Der Orden 2. Klasse wurde 125 Mal, 3. Klasse 650 Mal und 4. Klasse über 10.500 Mal verliehen. Den Orden in allen vier Stufen erhielten nur Kutusow, Barclay de Tolly, Paskewitsch und von Diebitsch-Sabalkanski, sowie von der 3. bis zur 1. Stufe Potjomkin, Suworow und von Bennigsen.
Der Georgsorden wurde nie mit Schwertern oder Brillanten verliehen. Ab 1915 wurde der Orden nicht mehr in Gold oder Silber, sondern in vergoldetem bzw. versilbertem Kupfer angefertigt (sog. Kriegsausgabe).
Georgskreuz und Georgsmedaille
Im Jahre 1807 stiftete Kaiser Alexander I. das Silberne Georgskreuz (genannt „Ehrenzeichen des Kriegsordens“, dann ab 1913 „Georgskreuz“), das die Form des Ordens hatte, jedoch unemailliert war. Diese Auszeichnung war für Unteroffiziere und Soldaten der russischen Armee gedacht.[2] 1856 teilte man das Kreuz in vier Klassen und Goldene (1. und 2. Stufe) und Silberne (3. und 4. Stufe) Kreuze. Sie wurden am Band des Georgsordens getragen, mit einer Schleife an der Spange der 1. und 2. Stufe. Bis um 1915 wurden alle Kreuze der 1., 2. und 3. Klasse mit einer Verleihungsnummer auf dem Revers versehen.
1878 stiftete man auch die Georgsmedaille mit 4 Stufen mit dem Bild des Heiligen und der Ordensdevise „ЗА ХРАБРОСТЬ“, die ebenfalls am Bande des Georgsordens getragen wurde.
Der Orden mit seinen Nebenauszeichnungen wurde bis zur Oktoberrevolution von 1917 verliehen, danach erlosch er.
Deutsch-Sowjetischer Krieg
Obwohl der Orden des Heiligen Georg und andere Symbole der imperialen Vergangenheit nach der Machtübernahme der Bolschewiki 1917 verboten wurde, tauchte der Orden im Deutsch-Sowjetischen Krieg als militärisches Abzeichen wieder auf. Im Oktober 1941 besetzte die 2. Panzerarmee der Wehrmacht die Siedlung Lokot in der westrussischen Oblast Brjansk. Auf dem besetzten Gebiet entstand die Republik Lokot, die unter Führung des russischen Kollaborateurs Konstantin Woskobojnik gestellt wurde. Er richtete die örtliche Ordnungspolizei ein, die weiße Armbänder mit dem Georgskreuz trug. Nach Woskobojniks Tod wurde Bronislaw Kaminski zum Bürgermeister der Republik Lokot ernannt. Kaminski stellte eine Miliz als Volksheerbrigade auf, die er später in „Russische Volksbefreiungsarmee“ RONA (Русская Освободительная Народная Армия, РОНА) umbenannte. Die RONA-Brigade, aus welcher die 29. Waffen-Grenadier-Division der SS „RONA“ (russische Nr. 1) hervorgehen sollte, trug als Ärmelschild das Georgskreuz mit dem Abbild des Heiligen Georg auf einem weißen Pferd, der einen Drachen tötet. Über dem Georgskreuz mit gekreuzten Schwertern stand auf schwarzem Hintergrund in gelber Schrift „RONA“ (kyrillisch „РОНА“), wobei es örtliche Abweichungen in der Gestaltung des Ärmelschilds gab. Zusätzlich wurde ein Kragenspiegel mit Georgskreuz entworfen, aber nicht getragen, weil die Division aufgelöst wurde.[3][4][5] Während der letzten Jahre des Krieges wurde der Orden des Heiligen Georg von der russischen Befreiungsarmee von General Wlassow verwendet, die ebenfalls auf der Seite der Achsenmächte kämpfte.[1]
Russische Föderation
Am 2. März 1992 wurde der Orden mit Ukas Nr. 2424-1 des Präsidiums des Obersten Sowjets der Russischen Föderation erneuert; Status und Beschreibung wurden am 8. August 2000 mit dem Ukas Nr. 1463 von Präsident Wladimir Putin bestätigt. Zunächst wurde er nicht verliehen, da Bedingung für die Verleihung der Fall eines bewaffneten Angriffs auf Russland war.[6]
Auf Anordnung des Präsidenten der Russischen Föderation Dmitri Medwedew vom 13. August 2008[7] wurde der entsprechende Artikel des Ordensstatuts dahingehend geändert, dass der Orden nun auch für die „Durchführung von Kampf- und anderen Einsätzen auf den Territorien anderer Staaten zur Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit“ verliehen werden kann. Die ersten Orden wurden verliehen als Medwedew im August 2008 mehrere Offiziere für die erfolgreiche Durchführung der Kampagne auszeichnete, die Georgien zwang, „Frieden zu akzeptieren“ (vgl. Kaukasuskrieg 2008).[6] Bislang (Stand August 2011) erfolgten nur einige wenige Verleihungen des Ordens in der 2. und 4. Stufe, darunter der 2. Stufe an:
- Nikolai Makarow (Armeegeneral, Generalstabschef der Russischen Streitkräfte)
- Alexander Selin (Generaloberst, Oberbefehlshaber der Russischen Luftstreitkräfte)
- Wladimir Boldyrew (Armeegeneral, bis 2010 Oberbefehlshaber der Russischen Landstreitkräfte)
und der 4. Stufe an:
- Sergei Makarow (Kommandeur des Nordkaukasischen Militärbezirks)
- Wladimir Schamanow
- Anatoli Lebed
Literatur
- Gustav Adolph Ackermann: Ordensbuch sämmtlicher in Europa blühender und erloschener Orden und Ehrenzeichen. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1855, S. 100–101.
- Václav Měřička: Orden und Auszeichnungen. Artia, Prag 1966.
- Иван Г. Спасский: Иностранные и русский ордена до 1917 года. Государственный Эрмитаж, Ленинград 1963.
- Виталий М. Шабанов: Военный орден Святого Великомученика и Победоносца Георгия именные. списки 1769–1920. Биобиблиографический справочник. Русскій Мір, Москва 2004, ISBN 5-89577-059-2.
Einzelnachweise
- Pål Kolstø: Symbol of the War — But Which One? The St George Ribbon in Russian Nation-Building. In: The Slavonic and East European Review. 94, Nr. 4, Oktober 2016, S. 660–701. doi:10.5699/slaveasteurorev2.94.4.0660.
- Vera Demmel: Das Georgsband: Ruhmesorden, Erinnerungszeichen, Pro-Kreml-Symbol. In: Osteuropa 3/2016, S. 19–31.
- David Littlejohn: Kaminski and R.O.N.A. In Foreign Legions of the Third Reich: Poland, Ukraine, Bulgaria, Romania, Free India, Estonia, Latvia, Lithuania, Finland, Russia (4. Band). 2. Auflage. R. James Bender Publishing, San Jose, Calif. 1994, ISBN 0-912138-36-X, S. 309–312.
- Nigel Thomas: Hitler's Russian & Cossack Allies 1941–45. Osprey Publishing, Oxford 2015, ISBN 978-1-4728-0687-1, S. 18 f.
- Hans Werner Neulen: An deutscher Seite. Internationale Freiwillige von Wehrmacht und Waffen-SS. Universitas-Verlag, München 1985, ISBN 3-8004-1069-9, S. 335.
- SA Oushakine: Remembering in Public: On the Affective Management of History. In: Ab Imperio: Studies of New Imperial History and Nationalism in the Post-Soviet Space 1/2013, S. 269–302. doi:10.1353/imp.2013.0000.
- Указ «О внесении изменений в некоторые акты Президента Российской Федерации о государственных наградах Российской Федерации» (Über Veränderungen an einigen Anordnungen des Präsidenten der Russischen Föderation zu staatlichen Auszeichnungen der Russischen Föderation)