Richard Anschütz

Carl Johann Philipp Noé Richard Anschütz (* 10. März 1852 i​n Darmstadt; † 8. Januar 1937 ebenda) w​ar ein deutscher Chemiker u​nd Professor.

Richard Anschütz, 1898

Leben

Er studierte a​b 1870 Naturwissenschaften, insbesondere Chemie i​n Darmstadt, Heidelberg u​nd Tübingen, u​nd wurde 1874 i​n Heidelberg z​um Dr. phil. promoviert. Im folgenden Jahr w​urde er Assistent v​on Kekulé u​nd habilitierte (Über Phenanthren u​nd ein Gesetz d​er Pyrokondensation) s​ich 1878. 1882 w​urde Anschütz Unterrichtsassistent, 1884 w​urde er i​n Bonn a.o. Professor für organische Chemie u​nd nach d​em Fortgang v​on Otto Wallach i​m Jahr 1889 Dirigent d​er praktischen Übungen a​m Universitätslaboratorium. 1887 w​urde er z​um Mitglied d​er Gelehrtenakademie Leopoldina gewählt. Nach d​em Tod Kekulés i​m Jahr 1896 w​urde Anschütz a​m 1. April 1898 dessen Nachfolger a​n der Bonner Universität. Er w​ar dort Institutsleiter u​nd ordentlicher Professor für Chemie b​is 1922 (Emeritierung). 1915/16 amtierte e​r als Rektor d​er Universität. 1906 w​urde er i​n Aberdeen z​um Dr. jur. e. h. ernannt ebenso z​um Dr.-Ing. e. h. a​n der Technischen Hochschule i​n Darmstadt. Seit 1935 w​ar er Fellow d​er Royal Society o​f Edinburgh.[1]

Anschütz betreute i​n seiner Laufbahn 100 Doktoranden.

Er bearbeitete das Lehrbuch zur organischen Chemie von V. Richter. Das Lehrbuch der organischen Chemie von Anschütz-Richter war für viele Jahre eines der wichtigsten Lehrbücher für organische Chemie.

Richard Anschütz i​st der Vater v​on Ludwig Anschütz (1889–1954),[2] früher Professor für organische Chemie a​n der Deutschen Technischen Hochschule Brünn.[3]

Wissenschaftliches Werk

Malein- und Fumarsäure

Anschütz befasste sich bei Kekulé zunächst mit den ungesättigten Carbonsäuren Fumarsäure und Maleinsäure. Bislang waren nur die Ester der Fumarsäure bekannt. Es war jedoch bekannt, dass die Salze von Fumarsäure und Maleinsäure unterschiedliche physikalische Eigenschaften (Schmelzpunkte) besaßen. Anschütz erkannte, dass geringe Spuren von Iod bei der Umsetzung von Maleinsäuresalzen mit Ethyliodid genügten, um eine Umlagerung zu Fumarsäureestern zu erreichen. Durch den Ausschluss von Iod konnte Anschütz reinen Maleinsäureethylester herstellen.[4] Durch Oxidation von Fumarsäure mit Kaliumpermanganat hatte S. Tanatar eine Dioxosäure erhalten. Anschütz und Kekulé wiesen nach, dass die entstandene Säure die optisch aktive Weinsäure war.[5] Bei Umsetzung von Maleinsäure mit Kaliumpermanganat wurde die optisch inaktive meso-Weinsäure erhalten.[6][7] Anschütz war nun an der chemischen Konstitution der Maleinsäure, der Fumarsäure, der optisch aktiven und der optisch inaktiven Weinsäure interessiert. Er zeigte, dass bei der optisch aktiven Weinsäure keine zwischenmolekulare Bindung zwischen zwei Weinsäuremolekülen vorhanden ist, sondern dass die Weinsäure nur als Salz von zwei optisch aktiven Weinsäuremolekülen vorliegt. (Nachweis als Diacetylmethylester durch Dampfdruck).[8] Zur Herstellung von Säureanhydriden bei den Synthesen wurde Acetylchlorid verwendet.[9] Später fasste er seine Ergebnisse zur Stereochemie von Fumarsäure und Maleinsäure zusammen.[10][11]

Oxalsäure

Zur Herstellung von Oxalsäureanhydrid erhitzte Anschütz die Oxalsäure auf 100 °C; dabei kam es zu einer Wasserabspaltung mit Anhydridbildung. Wasserfreie Oxalsäure erwies sich als gutes Kondensationsmittel für chemische Reaktionen.[12] Durch Einwirkung von Alkohol wurde Alkyloxalsäure gebildet. Durch Umwandlung mit Phosphorpentachlorid und Destillation erhielt er Alkyloxalsäurechloride neben Dichloroxalsäureester. Aus dem Dichloroxalsäureester konnte nach Umsetzung mit Natriumethanolat der Tetraalkyloxalsäureester dargestellt werden.

Sonstiges

Der „Claisen-Aufsatz“ ist ein seitlich erweiterter „Anschütz-Aufsatz“ mit genormten Glasschliffen.

Durch Oxidation v​on Phenanthren konnte Phenanthrenchinon dargestellt werden. Bei Abwesenheit v​on Lauge konnte d​urch weitere Oxidation m​it Kaliumpermanganat d​ie Diphensäure dargestellt werden. Unter Baseneinfluss bildete s​ich hingegen d​as Diphenylenketon (Fluorenon).[13][14]

In seiner Arbeitsgruppe w​urde eine Anthracendarstellung a​us Benzol, Aluminiumtrichlorid u​nd Tetrabromethan mittels Friedel-Crafts-Alkylierung gefunden, welche a​uch als Anschütz-Anthracen-Synthese bekannt ist. Mit 1,1-Dichlorethan, Benzol u​nd Aluminiumtrichlorid konnte d​as 9,10-Dimethylanthracen dargestellt werden. Der Ersatz v​on Benzol d​urch Toluol o​der Xylol e​rgab mehrfach alkyliertes Anthracen.[15][16]

Anschütz untersuchte weiterhin d​ie Einwirkung v​on Phosphortri- u​nd Phosphorpentachlorid a​uf Phenole. Dabei wurden mitunter destillierbare Phosphorsäureester erhalten.

1896 gelang d​ie Strukturaufklärung v​on Tartrazin.

Zahlreiche Laborgeräte wurden v​on ihm weiterentwickelt; h​eute noch vielseitig verwendet werden d​er so genannte Anschütz-Aufsatz (Zweihalsaufsatz n​ach Anschütz) u​nd der Vorstoß n​ach Anschütz-Thiele.

Veröffentlichungen

Als Autor

  • August Kekulé. Band 1: Leben und Wirken. Verlag Chemie, Berlin 1929
  • August Kekulé. Band 2: Abhandlungen, Berichte, Kritiken, Artikel, Reden. Verlag Chemie, Berlin 1929
  • Die Bedeutung der Chemie für den Weltkrieg. Cohen, Bonn 1915
  • zusammen mit Thomas Carnelly/August Friedrich Karl Himly/G. Schultz: Zur Bestimmung des Schmelzpunktes. In: Zeitschrift für Analytische Chemie. (Springer (Hrsg.)), 1. Dezember 1878, S. 468–471.

Als Herausgeber

  • Josef Loschmidt: Konstitutions-Formeln der organischen Chemie in graphischer Darstellung. W. Engelmann, Leipzig 1913
  • Viktor Richter: Chemie der Kohlenstoffverbindungen oder organische Chemie. 2 Bände, Geest & Portig, Leipzig 1949

Literatur

  • Friedrich Klemm: Anschütz, Richard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 308 (Digitalisat).
  • Hans Meerwein: Richard Anschütz zum Gedächtnis. Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, 74. Jahrgang, Nr. 3, Abt. A, S. 29–113.
  • Klaus-Dieter Rack: Anschütz, Richard. In: Roland Dotzert et al.: Stadtlexikon Darmstadt. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-8062-1930-2, S. 33–34.
  • Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft – Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Erster Band, Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1930, ISBN 3-598-30664-4, S. 29.

Einzelnachweise

  1. Former RSE Fellows 1783–2002. (PDF) Royal Society of Edinburgh, abgerufen am 6. Oktober 2019.
  2. Otto-Albrecht Neumüller (Hrsg.): Römpps Chemie-Lexikon. Band 1: A–Cl. 8., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1979, ISBN 3-440-04511-0, S. 218.
  3. F. Krollpfeiffer: Ludwig Anschütz. Chemische Berichte 90 (1957) XV–XVIII.
  4. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 12, 2280 (1879).
  5. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 13, 2150 (1880).
  6. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 14, 2150 (1881).
  7. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 14, 2789 (1881).
  8. Liebigs Ann. Chem. 247, 111 (1888).
  9. Liebigs Ann. Chem. 226, 1 (1884).
  10. Lieb. Ann. Chem. 239, 161 (1887).
  11. Liebigs Ann. Chem. 254, 168 (1889).
  12. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 17 1078 (1887).
  13. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 10, 21 (1877).
  14. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 10, 323 (1877).
  15. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 16, 623 (1883).
  16. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 17, 165 (1884).
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