Pantanal
Das Pantanal (von portugiesisch pântano, deutsch „Sumpf“, auch: Pantanal Matogrossense) ist eines der größten Binnenland-Feuchtgebiete der Erde. Es liegt in der Grenzregion von Brasilien, Bolivien und Paraguay.
Allgemeines
Das Pantanal ist ein von zahlreichen mäanderartigen Dammflüssen aufgeschüttetes Binnendelta, das in der Regenzeit und bei Hochwasser des Rio Paraguay weithin überschwemmt wird.[1] Auch in der Übergangs- und Trockenzeit ist die Humidität noch sehr hoch. Obwohl das artenreiche Feuchtbiotop unter Naturschutz gestellt ist („Parque Nacional do Pantanal Mato - Grossense“) und im Jahr 2000 zum Welterbe durch die UNESCO erklärt wurde, ist es durch Industrialisierung (Landwirtschaft mit Fazendas) und Brandrodung akut gefährdet.
Geographie
Lage
Das Pantanal befindet sich im mittleren Südwesten von Brasilien in den Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Grosso do Sul sowie dem Mato-Grosso-Plateau – kleine Teile des Pantanals reichen noch in den Osten der sich jeweils westlich anschließenden Nachbarstaaten Paraguay und Bolivien.
Definition
Das Pantanal ist eine noch sehr wenig erschlossene und kaum bewohnte Flussniederung mit zahlreichen Süßwasserseen (im Süden auch isolierte Salzseen – Salinas genannt), die von zahlreichen Flüssen gespeist und vom Río Paraguay, dem das Gebiet speisenden und entwässernden Hauptfluss, durchflossen wird. Darin hat sich ein artenreiches Feuchtgebiet entwickelt.
Größe
Mit etwa 230.000 km² Fläche ist das Pantanal fast genauso groß wie die Bundesrepublik Deutschland vor der Wiedervereinigung. Es liegt durchschnittlich nur knapp 95 m über dem Meeresspiegel.
Orte
Das Pantanal ist von Süden her über die Städte Aquidauana, Miranda und Corumbá zu erreichen; von Norden her über Barão de Melgaço, Cáceres, Poconé und von Puerto Suárez.
Transpantaneira
In Poconé beginnt auch die bekannte Transpantaneira, eine aufgeschüttete Straße, die 147 Kilometer in das Pantanal führt. Sie führt über 127 größere und kleinere Holzbrücken, die oftmals in einem abenteuerlichen Zustand sind und regelmäßig repariert werden müssen. 1973 wurde mit dem Bau einer Nord-Süd-Verbindung begonnen, die bis zur BR-262 reichen sollte. Allerdings wurde das Projekt nur im Bundesstaat Mato Grosso realisiert. Die durchgängige Erdstraße, die jedes Jahr saniert und an vielen Stellen neu befestigt werden muss, endet an der Grenze zum Bundesstaat Mato Grosso do Sul bei Porto Jofre.[2]
Überschwemmungsland
Der Río Paraguay hat auf seinem 600 Kilometer langen Weg durch die Tiefebene des Pantanal ein Gefälle von nur 30 Metern. Deshalb kann das Wasser, das aufgrund der Niederschläge im nördlichen Hochland über zahlreiche Flüsse in das Becken abfließt, das Gebiet nur sehr langsam wieder Richtung Süden verlassen. So werden einmal im Jahr, während der Regenzeit von November bis März, weite Teile der Tiefebene überschwemmt und zwei Drittel des Gebietes stehen teilweise metertief unter Wasser. So entsteht ein komplexes System aus Savannen, riesigen überschwemmten Wasserflächen, regenwaldartigen Flussgaleriewäldern und Trockenwäldern, ebenso wie ein Mosaik aus Flüssen, Seen und seichten Lagunen, deren Ausdehnung und Größe vom jährlichen Wechselzyklus von Regen- und Trockenzeit bestimmt werden. Während der Regenzeit zieht sich das Vieh – aber auch die wilden Tiere – in die Trockenwälder und auf die Uferdämme der Flüsse zurück, die jeweils durch Sedimentablagerungen entstanden und entstehen.
Flora und Fauna
In diesem einzigartigen Lebensraum gibt es mit geschätzt 665 Vogelarten mehr als in ganz Europa; unter Ornithologen wird zudem vermutet, dass noch nicht alle entdeckt sind. Das Pantanal hat das größte Vorkommen von Hyazinth-Aras in Brasilien, und es ist ein sehr wichtiges Rückzugsgebiet für den vom Aussterben bedrohten Riesenotter geworden. Unter den etwa 123 Säugetierarten befinden sich Raubtiere wie Kaimane, Jaguar, Puma und Ozelot und ihre Beutetiere wie Sumpfhirsche, Pekaris und Capybaras, die größten Nagetiere der Welt, die bis zu 70 Kilogramm schwer werden. Weiterhin gibt es mindestens 2000 Pflanzenarten, 269 Fischarten, unzählige Reptilien und Amphibien sowie eine Vielzahl von Insekten.[3] Der Vogel Jabiru, der Riesenstorch, ist das Symbol des Pantanals. Kaimane bevölkern mit rund 35 Millionen Exemplaren dieses Gebiet.
Wenn der Río Paraguay von Oktober bis März das Pantanal überflutet, sind große Teile des Sumpfgebiets von riesigen Victoria-Seerosen bedeckt.
Fischfauna
In den Flüssen, Lagunen und Überschwemmungsflächen des Pantanals lebt eine hohe Zahl an Fischarten, deren Lebenszyklus von den Regen- und Trockenzeiten bestimmt wird.[4][5][6][7][8] Zu den dominierenden Spezies gehören große Raubfische wie Dourados (Salminus maxillosus), Traíras, Tucunaré-Pfauenbarsche (Cichla temensis) und kleinere wie Pfauenaugenbarsche (Astronotus ocellatus). In den seichteren und sandigen Bereichen gibt es Süßwasserrochenarten wie z. B. Potamotrygon falkneri, des Weiteren Schwarmfische wie die stark vertretenen Lambari-Rautensalmler (Astyanax bimaculatus), Piraputangas (Brycon microlepis und Brycon hilarii) und Pacús (Piaractus mesopotamicus). Eine wichtige Rolle zur Aasbeseitigung spielen Piranhas wie Natterers Sägesalmler (Pygocentrus nattereri), Schwarzband-Sägesalmler (Serrasalmus spilopleura) und Serrasalmus marginatus.[9] Außerdem trifft man dort Welsarten wie Zungarowelse (Jáu, Paulicea luetkeni), Pintados (Pseudoplatystoma corruscans) und Bullauge-Schaufelwelse (Jurupoca Hemisorubim platyrhynchus) an.
Naturschutz
Ein Teil des Gebietes steht unter Naturschutz; der Nationalpark Otuquis in Bolivien im Dreiländereck Brasilien-Bolivien-Paraguay mit 9034 km², der Nationalpark Pantanal Matogrossense in Brasilien mit 1350 km² und der Nationalpark Río Negro in Paraguay mit 1238 km² sind die drei größten Schutzgebiete. Sie sind 2001, 1993 bzw. 1995 der Ramsar-Konvention beigetreten. Im Jahr 2000 ernannte die UNESCO den Nationalpark Pantanal Matogrossense und drei angrenzende private Schutzgebiete der brasilianischen Umweltschutzorganisation Ecotrópica (Gesamtfläche 1878 km²) zum Weltnaturerbe. Im gleichen Jahr wurde das gesamte Pantanal innerhalb Brasiliens zum Biosphärenreservat erklärt. Der Global Nature Fund und Ecotropica haben das Pantanal zum „Bedrohten See des Jahres 2007“ ernannt.
Bedrohung
Die Häute der Jacarés, einer Krokodilunterfamilie, bringen auf dem Schwarzmarkt viel Geld. Das gilt auch für seltene Fische und Vögel sowie für Papageien und für die Felle von Raubkatzen, so dass Brasiliens Regierung zunehmend schwer bewaffnete Aufseher in das von Wilderern bedrohte Gebiet schickt.
Vor dem Jahr 2000 wurden große Gebiete irreparabel durch (immer noch) lukrativen Holzeinschlag vernichtet.
In neuerer Zeit ist das Pantanal durch Ethanolfabriken in seinem Einzugsbereich bedroht, deren ungeklärte Abwässer in das weit verzweigte Flusssystem des Feuchtgebietes gelangen. Gleichzeitig bedroht auch die Errichtung neuer Zuckerrohr- und Sojaplantagen in den Rückzugsgebieten der Hochland-Cerrados den Artenreichtum, verstärkt durch den Einsatz schwerer Landmaschinen die Erosion mit nachfolgender Veränderung der Wasserführung der Flüsse und verschlechtert die Wasserqualität durch den Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden.
Eine Studie der Umweltorganisation Conservation International do Brasil kommt zu dem Schluss, dass die natürliche Pflanzenwelt schon im Jahr 2050 komplett ausgelöscht sein könnte, wenn die Zerstörung im gleichen Tempo weitergeht wie bisher. Die Online-Plattform MapBiomas hat errechnet, dass sich die Wasseroberfläche in dem Schwemmgebiet in den vergangenen dreißig Jahren, also seit etwa 1990, um 29 Prozent reduziert hat.[10]
Waldbrände im Pantanal 2020
Verheerende Brände nicht zuletzt durch Brandstiftung[11] haben im Jahr 2020 einen erheblichen Teil der Vegetation zerstört. Zwischen Januar und Mitte Oktober 2020 brachen mehr als 11.000 Brände aus. Die Brände, die von einer schweren Dürre begünstigt wurden, gelten als historisch beispiellos;[12][13] mit 4,5 Mio. Hektar brannten 26–30 % der gesamten Pantanal-Fläche ab. Gegenüber dem Vorjahr stieg die verbrannte Fläche um 84 % an.[14][15]
Die brasilianische Regierung rief im September 2020 im Bundesstaat Mato Grosso do Sul den Notstand aus.[16] Es war die größte Brandkatastrophe in Mato Grosso und Mato Grosso do Sul seit 14 Jahren, allein im Juli und August 2020 wurden rund 16.540 km² (1.654.000 Hektar) Wald und Naturschutzgebiet vernichtet. Die Verbreitung von Bränden im Pantanal liegt weit über dem historischen Durchschnitt. Der Juli war der schlimmste Brandmonat im Biom seit einem Jahrzehnt. Das Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (INPE, Nationales Institut für Weltraumforschung), das mit Satellitenüberwachung Entwaldung und Brände meldet,[17] identifizierte im Juli 2020 1684 Hot Spots in der Region, fast siebenmal so viel wie der Durchschnitt der Monate Juli 2009 bis 2019.[18]
Man rechnet mit einer Erholungszeit der Natur von 30 bis 40 Jahren.[19] Umweltminister Ricardo de Aquino Salles hat Ende August 2020 die Brandbekämpfungsmaßnahmen für das Pantanal und Amazonien einstellen lassen, den Umweltbehörden wurde durch Budgetkürzungen Gelder in Millionenhöhe eingefroren, rund 1400 Mitarbeiter entlassen und Maschinenpark und Hubschrauber außer Dienst gestellt, was den Schutz und Maßnahmen in der Umweltkatastrophe erschwert.[20] Der Umweltminister befindet sich dabei im Einklang mit der Entwaldungspolitik der Regierung von Jair Bolsonaro.
Tourismus
Seit Jahrzehnten ist das Pantanal ein beliebtes Ziel von Naturliebhabern und Ökotouristen. So ist es möglich, das Pantanal durch die lokalen Fazendas kennenzulernen. Diese Farmen bieten teilweise Herberge an und sind im südlichen Teil des Pantanals meistens mit Flugzeugen oder einem Geländewagen erreichbar. Im nördlichen Teil erreicht man das Pantanal über die Transpantaneira-Straße, im Süden führt die sogenannte Estrada Parque direkt am Buraco das Piranhas in das Herz des Pantanals.
Literatur
Sachbuch
- Günter Ziesler: Pantanal: Das Herz Südamerikas. Tecklenborg, 2007, 160 S., 180 farb. Fotos, gebunden, ISBN 978-3-939172-15-4.
- Claude Lévi-Strauss: Traurige Tropen. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1978; 417 S., ISBN 3-518-57206-7.
Belletristik
- John Grisham: Das Testament. Heyne, München 2001, ISBN 3-453-19002-5
- Alistair MacLean: Fluss des Grauens. Droemer, München 1983, ISBN 3-426-19070-2.
- João Guimarães Rosa: Com o vaqueiro Mariano. 1947.
Film
- Stefan Fricke: Dreiteilige Film-Dokumentation: Das Pantanal. 2012/18, je 45 Min.
Weblinks
- Eintrag auf der Website des Welterbezentrums der UNESCO (englisch und französisch).
- Wanderausstellung „Pantanal – ein Paradies in Gefahr“
- „Bedrohte Vielfalt. Naturschutz im brasilianischen Pantanal“, SWR2, Radio-Feature, 27. Mai 2008, mit Audio- und Text-Datei
- Pantanal Boliviano RAMSAR 15. Dezember 2014 (englisch)
- Parque Nacional y ANMI Otuquis santacruz.gob.bo (spanisch)
- Emiliano Rodríguez Mega: Das Pantanal brennt lichterloh, aus spektrum.de vom 4. Oktober 2020
Einzelnachweise
- Klaus Heine, Das Quartär in den Tropen, 2019, S. 295
- PantanalPortal: Die Transpantaneira. Stand: 28. September 2008
- Leopoldo Brandão: Information Sheet for a New Ramsar Wetland in the Pantanal. Rio de Janeiro, Brasilien Juli 2001 (ramsar.org [PDF]).
- Hugmar Pains Silva/Carolina J. da Silva/A. C. Petry, Fish communities of the Pantanal wetland in Brazil: Evaluating the effects of the upper Paraguay river flood pulse on baía Caiçara fish fauna, in: Aquatic Ecology Nr. 44(1), S. 275–288, März 2010.
- Hugmar Pains Silva/Carolina J. da Silva/A. C. Petry, Fish communities of the Pantanal wetland in Brazil: Evaluating the effects of the upper Paraguay river flood pulse on baía Caiçara fish fauna, in: Aquatic Ecology Nr. 44 (1), S. 275–288, März 2010
- Cleber J. R. Alho/Luiz M. Vieira, Fish and wildlife resources in the pantanal wetlands of Brazil and potential disturbances from the release of environmental contaminants. Environmental Toxicology and Chemistry, Bd. 16. 1997
- Y. R. Suarez/M. Petrere Jr/A. C. Catella, Factors determining the structure of fish communities in Pantanal lagoons (MS, Brazil), in: Fisheries Management and Ecology. 8, 2001, S. 173, doi:10.1046/j.1365-2400.2001.00236.x.
- Lúcia. A. F. Mateus/Jerry M. F. Penha/Miguel Petrere, Fishing resources in the rio Cuiabá basin, Pantanal do Mato Grosso, Brazil. Neotrop/Ichthyol. Bd. 2. Nr. 4. Porto Alegre/Brasilien. 2004
- Fabiane Silva Ferreira, Wagner Vicentin, Fábio Edir dos Santos CostaI und Yzel Rondon Súarez: Trophic ecology of two piranha species, Pygocentrus nattereri and Serrasalmus marginatus (Characiformes, Characidae), in the floodplain of the Negro River, Pantanal. Acta Limnol. Bras. vol.26 no.4 Rio Claro Oct./Dec. 2014
- Jens Glüsing: Das größte Feuchtgebiet der Erde droht auszutrocknen. In: Der Spiegel. 6. November 2021, abgerufen am 21. November 2021.
- Evelyn Ribeiro: Perícia constata que incêndio em reserva no Pantanal foi provocado por ação humana. In: mt.gov.br. Governo de Mato Grosso, 4. September 2020, abgerufen am 17. September 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
- The World’s Largest Tropical Wetland Has Become an Inferno, in: The New York Times, 13. Oktober 2020. Abgerufen am 17. Oktober 2020.
- Ivana Kottasová/Henrik Pettersson/Krystina Shveda: The world’s largest wetlands are on fire. That’s a disaster for all of us. In: CNN. 13. November 2020, abgerufen am 19. November 2020.
- Weather, Climate & Catastrophe Insight. 2020 Annual Report. Aon. Abgerufen am 2. Februar 2021.
- Klima: Abholzung des Amazonas-Regenwalds erreicht Rekordniveau. In: Der Spiegel. Abgerufen am 27. August 2021.
- Brasilien ruft wegen Bränden im Pantanal den Notstand aus. In: DerStandard. 15. September 2020, abgerufen am 16. September 2020.
- Situação atual – Programa Queimadas. In: queimadas.dgi.inpe.br. INPE, abgerufen am 17. September 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
- Agência O. Globo: Queimadas no Pantanal aumentaram 240 % no acumulado deste ano. In: com.br. Último Segundo, 15. August 2020, abgerufen am 17. September 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
- Eunice Ramos: Incêndio no Pantanal é o maior registrado nos últimos 14 anos; quase 100 focos são registrados em 24 horas. In: globo.com. G1, 5. August 2020, abgerufen am 17. September 2020 (brasilianisches Portugiesisch).
- Flávio Veras: Ministério suspende ações de combate a queimadas no pantanal. In: jd1noticias.com. JD1, 28. August 2020, abgerufen am 17. September 2020 (brasilianisches Portugiesisch).